Entscheidungsdatum: 16.06.2010
Wird der allein sorgeberechtigten Mutter eines nichtehelichen Kindes das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen, so kann der Vater des Kindes insoweit die Übertragung des Sorgerechts auf sich beantragen und ist gegen eine ablehnende Entscheidung des Familiengerichts auch beschwerdeberechtigt .
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln als Familiensenat vom 12. Juni 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 3.000 €
I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die nicht verheirateten Eltern des am 13. April 2006 geborenen Kindes. Sie hatten nur eine kurzzeitige Beziehung. Die Mutter, die drei weitere Kinder hat, verheimlichte ihre Schwangerschaft. Nach der Geburt setzte sie das Kind aus, indem sie in einen anderen Stadtteil fuhr und das Kind dort vor die Tür eines Wohnhauses legte. Nachdem das Kind aufgefunden wurde, wurde es vom Jugendamt in Obhut genommen und in eine Pflegefamilie gegeben. Mutter und Vater des Kindes wurden erst später ermittelt. Die Mutter wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Der Mutter, die das Kind zunächst zur Adoption freigegeben hatte, ist als alleiniger Inhaberin des Sorgerechts das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und dem Jugendamt als Pfleger übertragen worden. Zwischen Vater und Kind finden in wechselndem Umfang begleitete Umgangskontakte statt.
Der Vater beantragt, ihm das Sorgerecht zu übertragen. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat den Antrag zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Vaters als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die vom Vater eingelegte Rechtsbeschwerde.
II.
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts fehlt dem Vater die Beschwerdeberechtigung. Es hat sich auf die Rechtsprechung des Senats berufen, dass dem von vornherein nicht sorgeberechtigten Vater kein Beschwerderecht gegen den Maßnahmen nach § 1666 BGB ablehnenden Beschluss des Familiengerichts zustehe. Erforderlich sei ein Eingriff in ein zum Zeitpunkt der Entscheidung bestehendes subjektives Recht. Dass er ein berechtigtes Interesse an der Änderung oder Beseitigung der Entscheidung haben möge, genüge nicht, ebenfalls nicht sein Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG. Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Oktober 2008 (FamRZ 2008, 2185) könne sich der Vater nicht mit Erfolg berufen, weil diese Entscheidung den nicht vergleichbaren Fall betreffe, dass der Vater die elterliche Sorge über einen längeren Zeitraum zwar nicht rechtlich, aber tatsächlich wahrgenommen habe.
2. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Verfahrensrecht anwendbar, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010, 192).
b) Das Oberlandesgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 1 Nr. 8 FGG nicht für Endentscheidungen in Sorgerechtsverfahren gilt (§§ 64 Abs. 3 Satz 3, 57 Abs. 2 FGG; vgl. Keidel/Engelhardt Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl. § 57 Rdn. 31) und die Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG gemäß § 64 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 57 Abs. 2 FGG für Familiensachen ausdrücklich ausgeschlossen ist (Senatsbeschlüsse vom 26. November 2008 - XII ZB 103/08 FamRZ 2009, 220 Tz. 12 und vom 13. April 2005 - XII ZB 54/03 - FamRZ 2005, 975, 976 m.w.N.). Auch entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass nach der allgemeinen Regelung in § 20 FGG dem von vornherein nicht sorgeberechtigten Vater kein Beschwerderecht gegen einen Beschluss zusteht, durch den Maßnahmen nach § 1666 BGB abgelehnt worden sind, weil ein berechtigtes Interesse nicht ausreicht und auch das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG für sich genommen keine Beschwerdeberechtigung begründet (Senatsbeschluss vom 26. November 2008 - XII ZB 103/08 - FamRZ 2009, 220 Tz. 13).
aa) Ob an dieser Rechtsprechung nach dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil des EGMR vom 3. Dezember 2009 (FamRZ 2010, 103) festzuhalten ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass die elterliche Sorge der Mutter nur noch eingeschränkt zusteht, weil ihr mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht ein wesentlicher Teil der Personensorge entzogen worden ist. Der Senat hat bereits auf den Unterschied zwischen einer Entscheidung, die Maßnahmen nach § 1666 BGB ablehnt, zu den Fällen hingewiesen, in denen der Mutter das Sorgerecht vom Familiengericht nach § 1666 BGB entzogen wurde (Senatsbeschluss vom 26. November 2008 - XII ZB 103/08 FamRZ 2009, 220 Tz. 15).
Im Fall des Sorgerechtsentzugs hat das Familiengericht nach § 1680 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 BGB die elterliche Sorge dem Vater zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes dient. Diese Regelung begründet ein subjektives Recht des Vaters, aus dem sich auch dessen Beschwerdeberechtigung gemäß § 20 FGG ergibt (vgl. auch Senatsbeschluss vom 26. September 2007 - XII ZB 229/06 - FamRZ 2007, 1969).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Durch den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist die Mutter insoweit nicht mehr Inhaberin der Personensorge. Es steht demnach zwar keine vollständige Sorgerechtsentziehung in Rede, sondern nur die Entziehung einer einzelnen Befugnis. Der hinter der ersatzweisen Übertragung des Sorgerechts nach § 1680 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 BGB stehende gesetzgeberische Gedanke gebietet aber auch eine Anwendung auf die Entziehung von Teilbefugnissen (zutreffend OLG Nürnberg Beschluss vom 30. Dezember 2009 - 7 UF 1050/09 - juris; Staudinger/Coester BGB [2009] § 1680 Rdn. 16 m.w.N.; MünchKomm/Finger 5. Aufl. § 1680 Rdn. 17; Palandt/Diederichsen BGB 69. Aufl. § 1680 Rdn. 5; Orgis JAmt 2008, 243; vgl. auch BayObLG FamRZ 1985, 635, 636). Das muss jedenfalls für das hier in Rede stehende Aufenthaltsbestimmungsrecht gelten, weil es sich dabei um eine der wichtigsten Sorgerechtsbefugnisse handelt. Der gesetzliche Gedanke des § 1680 BGB, dass bei einem Ausfall des ursprünglich Sorgeberechtigten oder einem diesen betreffenden Sorgerechtsentzug die nicht mehr ausgeübte Rechtszuständigkeit dem anderen Elternteil zu übertragen ist, könnte anderenfalls unterlaufen werden, indem etwa restliche Befugnisse dem für die elterliche Sorge ungeeigneten Elternteil belassen werden und dem anderen Elternteil so der Zugang zum Sorgerecht versperrt bliebe. Das zeigt auch der vorliegende Fall. Denn die Mutter, die weiterhin Inhaberin der restlichen Sorgerechtsbefugnisse geblieben ist, hatte nicht nur das Kind zunächst zur Adoption freigegeben, sondern hat zu dem Kind auch keinen Kontakt und strebt ihn auch nicht an.
bb) Ob es sich bei der Entscheidung um eine erstmalige Prüfung der Sorgerechtsübertragung nach § 1680 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 BGB oder aber wegen der bereits erfolgten Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf das Jugendamt um eine Abänderungsentscheidung nach § 1696 BGB handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Mai 2005 - XII ZB 28/05 - FamRZ 2005, 1469 und kritisch hierzu Staudinger/Coester [2009] § 1680 Rdn. 24, 14) und welchen Kriterien die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater unterliegt (vgl. EGMR FamRZ 2010, 103; BVerfG Beschluss vom 20. Oktober 2008 FamRZ 2008, 1285; Senatsbeschluss vom 26. September 2007 - XII ZB 229/06 - FamRZ 2007, 1969), ist hier nicht ausschlaggebend, weil eine Beschwerdeberechtigung des Vaters in jedem Fall gegeben ist.
Hahne Weber-Monecke Vézina
Klinkhammer Günter