Entscheidungsdatum: 16.09.2015
In einer sonstigen Familiensache ist die Zuständigkeit des für Wohnungseigentumssachen zuständigen Gerichts nur dann begründet, wenn es sich um eine Streitigkeit nach § 43 WEG handelt oder eine bedeutsame Vorfrage aus dem Bereich des Wohnungseigentumsrechts streitentscheidend ist.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 12. Juni 2014 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Wert: 20.000 €
I.
Die Beteiligten streiten um die Zuständigkeit des angerufenen Familiengerichts.
Die Beteiligten sind seit September 2010 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Sie hatten einen Ehevertrag abgeschlossen, in dem sie den Güterstand der Gütertrennung vereinbart hatten.
Zum Zeitpunkt der Eheschließung war der Antragsgegner Alleineigentümer eines Grundstücks, das er mit Teilungserklärung vom 8. Juni 2000 in hälftige Miteigentumsanteile aufteilte, die eine Hälfte verbunden mit Sondereigentum an einer Praxis, die andere Hälfte mit Sondereigentum an Wohnräumen. Den zuerst genannten Miteigentumsanteil verkaufte er mit Vertrag vom gleichen Tage an die Antragstellerin. Zu diesem Zeitpunkt war mit der Errichtung des Bauwerks auf dem Grundstück gerade begonnen worden. In der Folgezeit wurde es von den Parteien gemeinsam vollendet.
Im vorliegenden Verfahren macht die Antragstellerin geltend, sie habe in den Bau der Immobilie rund 300.000 € investiert, der Verkehrswert ihres Miteigentumsanteils betrage jedoch nur 240.000 €. Den Differenzbetrag von 60.000 € verlangt sie vom Antragsgegner als ehebedingte Zuwendung erstattet, deren Geschäftsgrundlage mit dem Scheitern der Ehe entfallen sei. Vorsorglich stützt die Antragstellerin den geltend gemachten Anspruch auch auf die Grundsätze der Ehegatteninnengesellschaft und auf einen Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB.
Das von der Antragstellerin angerufene Familiengericht hat sich für funktionell unzuständig erklärt und das Verfahren an das für WEG-Sachen zuständige Amtsgericht verwiesen. Das Oberlandesgericht hat diesen Beschluss aufgehoben und den Rechtsweg zu den Familiengerichten für zulässig erklärt. Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Sie ist gemäß § 17 a Abs. 4 und Abs. 6 GVG iVm § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2012 - XII ZB 652/11 - FamRZ 2013, 281 Rn. 7 mwN) und auch im Übrigen zulässig.
2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
a) Das Beschwerdegericht hat seine in FamRZ 2014, 1727 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:
Eine sonstige Familiensache nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG liege vor, weil die ehemals mit dem Antragsgegner verheiratete Antragstellerin Ansprüche im Zusammenhang mit der Scheidung der Ehe geltend mache.
Das vorliegende Verfahren betreffe nicht das Wohnungseigentumsrecht. Dies sei der Fall, wenn sich ehemals miteinander verheiratete Personen als Beteiligte einer Streitigkeit im Sinne des § 43 WEG gegenüberstünden. Wenn ein solches Verfahren jedoch nur einen geringen Bezug zu dem Sachgebiet des Wohnungseigentumsrechts habe und der Schwerpunkt bei den familienrechtlichen Bezügen liege, sei eine dem Familiengericht vorgehende Sonderzuständigkeit nicht anzunehmen. Das gelte auch in Zweifelsfällen. Immer, wenn das Verfahren durch familienrechtliche Verhältnisse nicht unwesentlich mitgeprägt sei, sei das Familiengericht zuständig.
Nicht unwesentlich mitgeprägt sei ein Verfahren durch familienrechtliche Verhältnisse, wenn ehemals miteinander verheiratete Personen über die Rückgewähr einer behaupteten ehebedingten Zuwendung oder über Rechte und Pflichten aus einer behaupteten Ehegatteninnengesellschaft stritten. Maßgeblich für diese Zuordnung sei nicht der Gegenstand der Zuwendung oder der Gegenstand der Gesellschaft, sondern der Grund der Zuwendung oder das Vorhandensein einer Ehegatteninnengesellschaft. Denn die maßgeblichen Rechtsfragen lägen dann grundsätzlich und in erster Linie im Familienrecht und nicht etwa in anderen Rechtsgebieten. Deshalb sei vor allem spezifisch familienrechtlicher Sachverstand für ein solches Verfahren notwendig, nicht besonderer Sachverstand in anderen Rechtsgebieten, etwa aus dem Bereich des Wohnungseigentumsrechts.
Ausgehend von diesen Maßstäben sei der von der Antragstellerin beschrittene Rechtsweg zu den Familiengerichten zulässig. Das Verfahren weise allenfalls einen geringen Bezug zu dem Sachgebiet des Wohnungseigentumsrechts auf. Sein Schwerpunkt liege in den familienrechtlichen Bezügen, die das Verfahren prägten. Dessen Kern sei das Vorbringen der Antragstellerin; für eine ehebedingte Zuwendung an den Antragsgegner sei die Grundlage mit dem Scheitern der Ehe entfallen. Die Zuwendung sei zur finanziellen Absicherung der Familie im Alter und in der Annahme erfolgt, sie bleibe mit dem Antragsgegner ein Leben lang verheiratet und zusammen. Nur deshalb sei es ihr bei Errichtung des Gebäudes nicht auf die genaue Verteilung der Kosten angekommen. Zur Beurteilung der Richtigkeit dieser Ansicht der Antragstellerin bedürfe es spezifisch familienrechtlicher Kenntnisse, nicht besonderer Kenntnisse des Wohnungseigentumsrechts.
Offen könne bleiben, ob die Antragstellerin und der Antragsgegner sich als Beteiligte einer Streitigkeit im Sinne des § 43 WEG gegenüberstünden. Denn in den Anwendungsbereich des § 43 Nr. 1 WEG fielen alle gemeinschaftsbezogenen Streitigkeiten im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander, wenn Gegenstand des Verfahrens ihre Rechte und Pflichten aus dem Gemeinschaftsverhältnis seien. Die Streitigkeit der Antragstellerin mit dem Antragsgegner erscheine aber nicht als gemeinschaftsbezogen, sondern als ehebezogen. Sie betreffe nicht das Wohnungseigentumsrecht, sondern lediglich das Wohnungseigentum als Gegenstand einer behaupteten ehebedingten Zuwendung.
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand. Das Beschwerdegericht hat zu Recht die hier zu beurteilende Streitigkeit als sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG qualifiziert.
aa) Zu den sonstigen Familiensachen gehören gemäß § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG Verfahren, die Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen oder zwischen einer solchen und einem Elternteil im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung oder Aufhebung der Ehe betreffen, sofern nicht die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben ist oder das Verfahren eines der in § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a bis k ZPO genannten Sachgebiete, das Wohnungseigentumsrecht oder das Erbrecht betrifft und sofern es sich nicht bereits nach anderen Vorschriften um eine Familiensache handelt.
(1) Mit § 266 FamFG hat der Gesetzgeber den Zuständigkeitsbereich der Familiengerichte deutlich erweitert ("Großes Familiengericht"). Damit sollen bestimmte Zivilrechtsstreitigkeiten, die eine besondere Nähe zu familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen aufweisen oder die in engem Zusammenhang mit der Auflösung eines solchen Rechtsverhältnisses stehen, ebenfalls Familiensachen sein (BT-Drucks. 16/6308 S. 168). Ordnungskriterium dabei ist nach der Gesetzesbegründung allein die Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand. Im Interesse aller Beteiligten soll es dem Familiengericht möglich sein, alle durch den sozialen Verband von Ehe und Familie sachlich verbundenen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden (BT-Drucks. 16/6308 S. 169). Durch den von § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG geforderten Zusammenhang der Streitigkeit mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe soll insbesondere die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten außerhalb des Güterrechts (sogenanntes Nebengüterrecht) den Familiengerichten zugewiesen werden (BT-Drucks. 16/6308 S. 263).
Im Hinblick auf die gewünschte möglichst umfassende Zuständigkeit der Familiengerichte ist der Begriff des Zusammenhangs mit der Beendigung der ehelichen Gemeinschaft großzügig zu beurteilen. § 266 Abs. 1 FamFG ist anwendbar, wenn der Rechtsstreit durch die bezeichneten familienrechtlichen Verhältnisse nicht unwesentlich mitgeprägt ist. Auszuscheiden sind die Fälle, in denen der familienrechtliche Bezug völlig untergeordnet ist, so dass eine Entscheidung durch das Familiengericht sachfremd erscheint. Ein inhaltlicher Zusammenhang ist vor allem bei naheliegenden und häufig vorkommenden Folgen oder Begleiterscheinungen der Beendigung einer Ehe gegeben. Der erforderliche inhaltliche Zusammenhang kann rechtlicher oder wirtschaftlicher Art sein. Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe müssen jedenfalls in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht für die geltend gemachte Rechtsfolge ursächlich sein. Dass die Ansprüche ihren Grund unmittelbar in der Ehe haben oder aus diesem Rechtsverhältnis herrühren, ist für eine Zuständigkeit nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG nicht erforderlich (Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2012 - XII ZB 652/11 - FamRZ 2013, 281 Rn. 29 mwN).
(2) Trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen einer sonstigen Familiensache i.S.v. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG ist die Zuständigkeit des Familiengerichts nach § 266 Abs. 1 Halbsatz 2 FamFG jedoch dann nicht begründet, wenn die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben ist oder das Verfahren eines der in § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a bis k ZPO genannten Sachgebiete, das Wohnungseigentumsrecht oder das Erbrecht betrifft. Mit dieser Einschränkung soll nach der Gesetzesbegründung erreicht werden, dass trotz der mit Einführung des § 266 FamFG durch die Reform des familiengerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit verbundenen Erweiterung der Zuständigkeit der Familiengerichte diese nicht mit Verfahren befasst werden, für deren Bearbeitung spezielle Kenntnisse in den in § 266 Abs. 1 Halbsatz 2 FamFG genannten Rechtsgebieten erforderlich sind. Durch die Regelung soll sich der Gesichtspunkt der Spezialität gegenüber den für die Zuständigkeit des Familiengerichts maßgeblichen Kriterien durchsetzen (BT-Drucks. 16/6308 S. 263).
Bei der Prüfung, ob ein Verfahren, das die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG erfüllt, das Wohnungseigentum betrifft, ist daher die in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende Wertung zu berücksichtigen, grundsätzlich Rechtstreitigkeiten, die in einer besonderen Nähe zu familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen oder in engem Zusammenhang mit der Auflösung eines solchen Rechtsverhältnisses stehen, den Familiengerichten zuzuweisen (BT-Drucks. 16/6308 S. 168). Hat das Verfahren nur einen geringen Bezug zum Wohnungseigentumsrecht oder liegt dessen Schwerpunkt bei familienrechtlichen Bezügen und sind deshalb spezielle Kenntnisse des Wohnungseigentumsrechts nicht erforderlich, greift die Ausnahmeregelung des § 266 Abs. 1 Halbsatz 2 FamFG nicht ein (Keidel/Giers FamFG 18. Aufl. § 266 Rn. 23).
Daraus folgt, dass nicht schon dann ein Verfahren vorliegt, das das Wohnungseigentum betrifft, wenn sich in einer Rechtsstreitigkeit Eheleute als Wohnungseigentümer gegenüberstehen. Hinzukommen muss, dass das Verfahren spezielle Kenntnisse des Wohnungseigentumsrechts verlangt. Deshalb greift die Ausschlussklausel, wenn es sich um eine Streitigkeit nach § 43 WEG handelt (vgl. Keidel/Giers FamFG 18. Aufl. § 266 Rn. 22; Prütting/Helms/Heiter FamFG 3. Aufl. § 266 Rn. 32; Heinemann MDR 2009, 1026, 1027; Wever Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 6. Aufl. Rn. 26 e). Gleiches gilt jedenfalls dann, wenn eine bedeutsame Vorfrage aus dem Bereich des Wohnungseigentumsrechts streitentscheidend ist (Prütting/Helms/Heiter FamFG 3. Aufl. § 266 Rn. 32; weitergehend MünchKommFamFG/Erbarth 2. Aufl. § 266 Rn. 31; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 35. Aufl. § 266 FamFG Rn. 2; Heiter FamRB 2010, 121, 122). In allen anderen Fällen ist der Zuständigkeit des Familiengerichts der Vorrang zu geben (Keidel/Giers FamFG 18. Aufl. § 266 Rn. 23; Heinemann MDR 2009, 1026, 1027).
bb) Gemessen hieran hat das Beschwerdegericht zu Recht die Zuständigkeit des Familiengerichts angenommen.
Die Antragstellerin macht primär einen Anspruch auf Ausgleich einer ehebezogenen Zuwendung geltend und stützt sich damit auf eine Anspruchsgrundlage, die als typischer familienrechtlicher Ausgleichsanspruch des Nebengüterrechts von § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG erfasst wird (vgl. Keidel/Giers FamFG 18. Aufl. § 266 Rn. 15; Prütting/Helms/Heiter FamFG 3. Aufl. § 266 Rn. 54; vgl. auch BT-Drucks. 16/6308 S. 263). Daneben vertritt sie zur Antragsbegründung die Auffassung, der geltend gemachte Anspruch ergebe sich auch aus der Auflösung einer Ehegatteninnengesellschaft. Auch dieser Anspruch hat eine besondere Nähe zu den familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen, so dass eine Entscheidung durch das Familiengericht zweckmäßig ist (vgl. Keidel/Giers FamFG 18. Aufl. § 266 Rn. 15; Schulte-Bunert/Weinreich/Rehme FamFG 4. Aufl. § 266 Rn. 15; Musielak/Borth FamFG 5. Aufl. § 266 Rn. 11; Wever Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 6. Aufl. Rn. 26 a mwN).
Der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch steht auch in Zusammenhang mit der Scheidung der Ehegatten. Die Antragstellerin trägt zur Begründung ihres Antrags vor, dass es ihr bei der Errichtung des Gebäudes nur deshalb nicht auf eine genaue Verteilung der Kosten angekommen sei, weil sie angenommen habe, ein Leben lang mit dem Antragsgegner verheiratet zu sein. Außerdem sei die Zuwendung zur finanziellen Absicherung der Eheleute im Alter erfolgt. Mit dem Scheitern der Ehe sei der Grund für diese Zuwendung entfallen. Daraus hat das Beschwerdegericht zu Recht geschlossen, dass die Beteiligten im vorliegenden Fall über Ansprüche streiten, die im Zusammenhang mit der Scheidung der Eheleute stehen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsgegner meint, die Streitigkeit betreffe allein das Wohnungseigentumsrecht. Zwar kommt es für die Prüfung, ob der zur Entscheidung anstehende Verfahrensgegenstand eine sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG darstellt, nicht allein auf den Vortrag der Antragstellerseite, sondern ebenfalls auf das Verteidigungsvorbringen der Gegenseite an (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2012 - XII ZB 652/11 - FamRZ 2013, 281 Rn. 19). Das vorliegende Verfahren betrifft auch nach dem Vortrag des Antragsgegners jedoch das Wohnungseigentumsrecht nur am Rande. Eine Streitigkeit i.S.d. § 43 WEG liegt nicht vor. Bedeutsame Vorfragen aus dem Bereich des Wohnungseigentumsrechts sind ebenfalls nicht zu klären. Streitentscheidend ist vielmehr, ob der Antragstellerin wegen der für die Errichtung der Immobilie erbrachten Investitionen ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch zusteht. Daraus ergibt sich im vorliegenden Fall die besondere Sachnähe zum Familienrecht, die nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG die Zuständigkeit des Familiengerichts begründet.
Dose Schilling Günter
Nedden-Boeger Botur