Entscheidungsdatum: 23.11.2016
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt vom 26. April 2013 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 2.000 €
I.
Die Parteien streiten um den Versorgungsausgleich aus ihrer rechtskräftig geschiedenen Ehe und dabei insbesondere darum, ob eine betriebliche Altersversorgung in den Versorgungsausgleich einzubeziehen ist.
Der Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) ist Deutscher, die Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) Französin. Ihre im Mai 1987 geschlossene Ehe wurde auf einen im Juli 2006 zugestellten Scheidungsantrag durch Urteil des Amtsgerichts vom Februar 2008 unter Anwendung deutschen Rechts geschieden, nachdem die Folgesache Versorgungsausgleich aus dem Scheidungsverbund abgetrennt worden war. Der Scheidungsausspruch ist seit April 2008 rechtskräftig.
Während der Ehezeit (1. Mai 1987 bis 30. Juni 2006; vgl. § 1587 Abs. 2 BGB aF) haben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Beteiligten zu 1 (DRV Bund) erworben. Daneben hat die Ehefrau in der französischen gesetzlichen Rentenversicherung (sécurité sociale) Versorgungsanwartschaften erworben, deren Ehezeitanteil in einem vom Oberlandesgericht im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten mit einer monatlichen Rente in Höhe von 40,60 € ermittelt worden ist. Außerdem hat die Ehefrau Anwartschaften aus einer privaten Rentenversicherung bei der Beteiligten zu 3 (A. Lebensversicherungs-AG) erworben, deren ehezeitliches Deckungskapital sich auf 413,20 € beläuft und die nach einem vom Amtsgericht eingeholten Sachverständigengutachten mit einer volldynamischen Monatsrente von 1,89 € zu bewerten sind. Der Ehemann hat weitere Anwartschaften aus einer betrieblichen Altersversorgung bei der Beteiligten zu 2 (T-Systems GEI GmbH) erworben, deren Ehezeitanteil mit einem Kapitalwert von 52.514 € angegeben ist.
Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich mit Beschluss vom 28. November 2008 auf der Grundlage des bis zum 31. August 2009 geltenden Rechts durchgeführt und im Wege des Splittings Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 261,19 €, bezogen auf den 30. Juni 2006, vom Versicherungskonto des Ehemannes auf das Versicherungskonto der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen. Hiergegen haben sich die Beschwerden der Ehefrau und der DRV Bund gerichtet. Während die Ehefrau beanstandet hat, dass die betriebliche Altersversorgung des Ehemanns nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen worden ist, hat sich die DRV Bund dagegen gewendet, dass das Amtsgericht keine Ermittlungen zu den französischen Rentenanwartschaften der Ehefrau durchgeführt hat. Das Oberlandesgericht hat die angefochtene Entscheidung abgeändert und den Versorgungsausgleich auf der Grundlage des seit dem 1. September 2009 geltenden Rechts geregelt. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns hat der Senat die Entscheidung des Oberlandesgerichts aufgehoben und das Verfahren mit der Maßgabe zurückverwiesen, dass nach Einholung ergänzender Auskünfte der Versorgungsträger über den Versorgungsausgleich auf der Grundlage des bis zum 31. August 2009 geltenden Rechts neu zu entscheiden ist (Senatsbeschluss vom 14. März 2012 - XII ZB 436/11 - FamRZ 2012, 856). Das Oberlandesgericht hat den Versorgungsausgleich nunmehr dahin geregelt, dass im Wege des Splittings Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 240,88 €, bezogen auf den 30. Juni 2006, vom Versicherungskonto des Ehemannes auf das Versicherungskonto der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen werden.
Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau, die weiterhin eine Einbeziehung der von dem Ehemann erworbenen betrieblichen Anrechte in den Versorgungsausgleich erstrebt.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts, welches als maßgebliche Rechtsgrundlage für das bei der T-Systems GEI GmbH erworbene betriebliche Versorgungsanrecht des Ehemanns die "Versorgungsbestimmungen zur Überleitung von dSH-Ruhegehaltszusagen in den Kapitalkontenplan, Stand 27. August 2002" (im Folgenden: Überleitungsbestimmungen 2002) herangezogen hat, kann die betriebliche Altersversorgung des Antragstellers nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen werden, da diese zumindest auch auf Kapitalleistung gerichtet sei. Es bestehe kein wesentlicher Unterschied zu den Fällen, in denen als betriebliche Altersversorgung für den Arbeitnehmer eine Kapitallebensversicherung mit Rentenwahlrecht abgeschlossen ist, er dieses Rentenwahlrecht aber bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags nicht ausgeübt hat. In diesem Fall scheide eine Einbeziehung in den Versorgungsausgleich aus. Gleiches müsse auch für den hier vorliegenden Fall gelten.
2. Diese Ausführungen sind jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.
a) In Ziffer 4.1.1 der Überleitungsbestimmungen 2002 ist geregelt, dass der Arbeitgeber das Versorgungsguthaben als Einmalkapital oder in Raten auszahlen oder es verrenten kann; gemäß Ziffer 4.1.2 sind die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, eine Verrentung des Anrechts gegen seinen Willen ist nur zulässig, wenn das Interesse des Arbeitgebers durch Ratenzahlung nicht ausreichend gewahrt ist. Damit fehlt es zwar an einer ausdrücklichen Regelung in der Versorgungsordnung, ob das Anrecht primär auf Kapitalzahlung oder Rentenzahlung gerichtet sein soll. Dies lässt sich jedoch, wovon auch das Beschwerdegericht ausgeht, zwanglos aus dem Zusammenhang entnehmen. Indem dem Arbeitgeber freigestellt ist, die Auszahlung als Einmalkapital oder in Raten zu wählen, während eine Verrentung des Anrechts gegen den Widerspruch des Versorgungsempfängers nur ausnahmsweise gestattet ist, bringt die Versorgungsordnung hinreichend einen Vorrang der Kapitalauszahlung zum Ausdruck. Insbesondere hat die Versorgungsordnung ersichtlich ins Auge gefasst, dass eine etwaige Wahl der Verrentung erst mit dem Eintritt des Versorgungsfalls erfolgen und zu diesem Zeitpunkt geklärt werden soll, ob der Versorgungsempfänger mit der Verrentung einverstanden ist oder ob sie gegen seinen Willen durchgeführt werden kann. Damit ist das Versorgungsanrecht zunächst auf Kapitalauszahlung gerichtet.
Ein Anrecht auf Kapitalleistungen fällt grundsätzlich nicht in den Versorgungsausgleich nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht, da dessen System auf den Ausgleich wiederkehrender Leistungen zugeschnitten und der Ausgleich von Kapitalleistungen nicht vorgesehen ist. Dies gilt auch dann, wenn das Anrecht als betriebliche Altersversorgung begründet worden ist und neben der vorrangig vereinbarten Kapitalleistung ein Rentenwahlrecht für den Arbeitnehmer besteht, er dieses aber noch nicht ausgeübt hat (vgl. grundlegend Senatsbeschluss BGHZ 88, 386, 392 ff. = FamRZ 1984, 156, 158 f.). Gleichzustellen ist auch der Fall, in dem das Rentenwahlrecht nicht dem Arbeitnehmer, sondern dem Versorgungsträger zusteht. Auch hier unterfällt das Anrecht dann nicht dem Versorgungsausgleich, wenn das Verrentungsrecht bis zum Ende der Ehezeit nicht ausgeübt worden ist, weil auf den Charakter des Anrechts zum maßgebenden Ehezeitende abzustellen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juni 2005 - XII ZB 177/03 - FamRZ 2005, 1463).
Nichts anderes kann für den vorliegenden Fall gelten. Das bestehende Rentenwahlrecht, das hier Arbeitgeber und Versorgungsempfänger entweder einvernehmlich ausüben können oder der Arbeitgeber in begründeten Ausnahmefällen auch gegen den Willen des Arbeitnehmers durchsetzen kann, ist ohne weiteres vergleichbar mit einem Rentenwahlrecht des Arbeitnehmers oder des Versorgungsträgers allein. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist, dass das Rentenwahlrecht bis zum Tag der Zustellung des Scheidungsantrags noch nicht ausgeübt war, so dass zum Ehezeitende ein Versorgungsanrecht bestand, das auf Kapitalleistung gerichtet war und daher dem Versorgungsausgleich entzogen ist.
b) Auch die von der Rechtsbeschwerde angestrengte Kontrollüberlegung, ob das vom Versorgungsausgleich ausgeschlossene Anrecht dem güterrechtlichen Ausgleich unterfallen könnte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Es bestehen keine Bedenken dagegen, das Versorgungsanrecht des Antragstellers als Vermögensposition im Zugewinnausgleich zu berücksichtigen, auch wenn der Antragsteller zum Ehezeitende auf das Versorgungsguthaben noch nicht zugreifen kann.
Bei der Berechnung des Zugewinns eines Ehegatten sind insbesondere auch geschützte Anwartschaften zu berücksichtigen, die zum Stichtag bereits entstanden sind und durch die der Ehegatte zum maßgebenden Zeitpunkt in bestimmter und bewertbarer Weise bereichert ist. Für betriebliche Versorgungsanrechte im Wege der Direktversicherung, die dem Versorgungsausgleich (nach früherem Recht) entzogen sind, ist diese hinreichende Sicherheit bereits dann anzunehmen, wenn das Anrecht unverfallbar ist, auch wenn die Bezugsberechtigung des Arbeitnehmers nicht unwiderruflich ist und der begünstigte Versicherte den in der Anwartschaft liegenden Vermögenswert bis zum Eintritt des Versicherungsfalles nicht in der Weise nutzbar machen kann, wie ihm dies bei einer von ihm selbst abgeschlossenen Versicherung möglich ist (Senatsurteil BGHZ 117, 70, 72 ff. = FamRZ 1992, 411, 412 f.). Gleiches gilt für eine betriebliche Altersversorgung in Form der Direktzusage. Dass der Antragsteller auf das Guthaben auf dem Versorgungskonto (noch) nicht zugreifen kann, beeinflusst den ihm zustehenden Vermögenswert nicht, da das Anrecht unverfallbar ist und so eine hinreichend sichere Vermögensposition darstellt (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2001, 998, 999).
3. Freilich hat sich das Beschwerdegericht mit seinen Feststellungen zur anwendbaren Versorgungsordnung in Widerspruch zu den Feststellungen gesetzt, die es der Teilung des betrieblichen Anrechts in seiner - vom Senat aufgehobenen - Entscheidung vom 20. Juli 2011 zugrunde gelegt hat. Während das Beschwerdegericht nunmehr die von dem Versorgungsträger mit Schreiben vom 2. November 2006 zu den Akten gereichten Überleitungsbestimmungen 2002 herangezogen hat, hat es seinerzeit die Konzernbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung der außertariflichen Arbeitnehmer vom 1. Januar 1998 (im Folgenden: Konzernbetriebsvereinbarung bAV AT) für anwendbar gehalten, die der Versorgungsträger mit einer späteren Auskunft vom 28. März 2011 in einer "Änderungsfassung vom 12. Oktober 2005" vorgelegt und als maßgebliche Versorgungsordnung bezeichnet hat. Von der Anwendbarkeit der letztgenannten Versorgungsordnung geht offensichtlich auch die Rechtsbeschwerde aus. Es bedarf allerdings keiner näheren Aufklärung mehr zu der Frage, welche der beiden vom Versorgungsträger mitgeteilten Versorgungsordnungen hier tatsächlich Anwendung findet. Denn auch unter der Geltung der Konzernbetriebsvereinbarung bAV AT würde eine Einbeziehung des betrieblichen Anrechts in den nach früherem Recht durchgeführten Versorgungsausgleich ersichtlich ausscheiden.
Denn Ziffer 4.1.1 der Konzernbetriebsvereinbarung bAV AT sieht ausdrücklich eine Auszahlung des Versorgungsguthabens als Einmalkapital vor. Auf Antrag des Versorgungsberechtigten oder des Arbeitgebers und mit Zustimmung der jeweils anderen Partei ist auch eine Auszahlung in Raten oder eine Verrentung möglich; bei dieser Entscheidung soll der Arbeitgeber die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen (Ziffer 4.1.2 der Konzernbetriebsvereinbarung bAV AT). Auf der Grundlage dieser Versorgungsordnung ist die betriebliche Altersversorgung schon nach dem eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen primär auf Auszahlung eines Einmalkapitals gerichtet. Erst sekundär besteht die Möglichkeit, einvernehmlich eine Ratenzahlung oder Verrentung zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung haben der Ehemann und der Versorgungsträger nicht vorgenommen.
4. Im Übrigen lässt die angefochtene Entscheidung keine Rechtsfehler zu Lasten der Ehefrau erkennen; solche werden von der Rechtsbeschwerde der Ehefrau auch nicht geltend gemacht.
Dose Klinkhammer Schilling
Botur Guhling