Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 02.10.2013


BGH 02.10.2013 - XII ZB 249/12

Betreuungsunterhalt für ein nichteheliches Kind: Voraussetzungen für die Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit; künftiger Unterhalt für die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres; Rüge unzureichender tatbestandlicher Feststellungen


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
02.10.2013
Aktenzeichen:
XII ZB 249/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Köln, 17. April 2012, Az: II-4 UF 277/11vorgehend AG Brühl, 16. November 2011, Az: 32 F 148/11
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. § 1615l Abs. 3 BGB enthält eine Rechtsgrundverweisung auf § 1613 BGB, weshalb für die Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB vorliegen müssen, also namentlich eine Aufforderung zur Auskunft oder eine Inverzugsetzung.

2. Ebenso wie beim Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB ist auch ein Antrag auf künftigen Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l BGB nur dann abzuweisen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung für die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres absehbar keine kind- und elternbezogenen Verlängerungsgründe mehr vorliegen (im Anschluss an BGH, 18. März 2009, XII ZR 74/08, BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770).

3. Tatbestandliche Feststellungen des Beschwerdegerichts in einer Familienstreitsache können nicht mit der Verfahrensrüge aus §§ 74 Abs. 3 Satz 3, 71 Abs. 3 Nr. 2 lit. b FamFG oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Rechtsbeschwerdegegners angegriffen werden, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 320 ZPO (im Anschluss an BGH Urteil vom 10. Mai 2011, II ZR 227/09, NJW 2011, 2292).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 4. Zivilsenats als Familiensenat des Oberlandesgerichts Köln vom 17. April 2012 aufgehoben, soweit die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Brühl vom 16. November 2011 wegen der Verpflichtung zur Zahlung

eines rückständigen Unterhalts für die Zeit von Juli 2010 bis einschließlich Februar 2011 in Höhe von 1.749,92 € (monatlich 218,74 €)

und

eines monatlich 137 € übersteigenden laufenden Unterhalts für die Zeit ab Mai 2013

zurückgewiesen worden ist. Insoweit wird der Beschluss des Amtsgerichts Brühl abgeändert und der Antrag der Antragstellerin abgewiesen.

Der vorgenannte Beschluss des Oberlandesgerichts wird zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Brühl vom 16. November 2011 teilweise abgeändert.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin

von Mai 2011 bis April 2013 einen laufenden monatlichen Unterhalt von 218,74 € sowie ab Mai 2013 von 137 € und

einen rückständigen Unterhalt von 1.093,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Mai 2011

zu zahlen.

Der weitergehende Antrag wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in erster und zweiter Instanz werden der Antragstellerin zu ¼ und dem Antragsgegner zu ¾ auferlegt.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner auf Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB in Anspruch.

2

Die Beteiligten sind die nicht verheirateten Eltern eines am 9. April 2010 geborenen Kindes. Am 7. Juni 2010 erkannte der Antragsgegner die Vaterschaft an. Mit Schreiben vom 17. März 2011 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner auf, rückständigen und laufenden Betreuungsunterhalt in Höhe der Differenz zwischen dem Mindestunterhaltsbedarf einer Nichterwerbstätigen von (seinerzeit) 770 € und der von ihr bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente von 551,26 €, also 218,74 € monatlich zu zahlen.

3

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner zur Zahlung eines rückständigen Unterhalts in Höhe von 2.843,62 € (für die Zeit von April 2010 bis einschließlich April 2011 - 13 x 218,74 €) und für die Zeit ab Mai 2011 zu einem monatlichen Unterhalt von 218,74 € verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Gegen die Verpflichtung, Unterhalt für den Zeitraum von Juli 2010 bis Februar 2011 und für die Zeit ab Mai 2013 in einer 137 € übersteigenden Höhe zu leisten, wendet sich der Antragsgegner mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist in dem nach ihrer teilweisen Rücknahme aufrechterhaltenen Umfang begründet.

5

1. Zu Recht wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die rückwirkende Inanspruchnahme für den Zeitraum von Juli 2010 bis Februar 2011. Denn die Antragstellerin hat den Antragsgegner erst mit Schreiben vom März 2011 in Verzug gesetzt, obgleich er bereits im Juni 2010 die Vaterschaft anerkannt hatte.

6

a) Das Beschwerdegericht hat hierzu ausgeführt, dass die Antragstellerin auch ohne Verzug den von ihr ab April 2010 beanspruchten Betreuungsunterhalt gemäß § 1615 l BGB verlangen könne. Das ergebe die Auslegung der Vorschrift des § 1615 l Abs. 3 Satz 1 und 3 BGB in Verbindung mit § 1613 Abs. 2 BGB. Der Gesetzgeber habe neben der allgemeinen Verweisung auf die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten gemäß § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB in § 1615 l Abs. 3 Satz 3 BGB zudem ausdrücklich § 1613 Abs. 2 BGB für entsprechend anwendbar erklärt. Bei dieser Verweisung handele es sich nicht um ein gesetzgeberisches Versehen, sondern um den - allerdings unvollkommenen - Ausdruck dafür, dass Betreuungsunterhalt gemäß § 1615 l BGB rückwirkend für ein Jahr nach Entstehung des Anspruchs ohne die verzugsbegründenden Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB verlangt werden könne, wenn - wie vorliegend - bei der Geburt des Kindes nach § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a BGB aus rechtlichen Gründen die Geltendmachung nicht möglich war. Denn erst mit der Anerkennung der Vaterschaft gemäß der Anerkennungsurkunde vom 7. Juni 2010 sei das rechtliche Hindernis weggefallen. Da die Rechtswirkung des § 1615 l BGB aber nicht geltend gemacht werden könnte, bevor die Vaterschaft anerkannt oder gerichtlich festgestellt sei, erscheine es wegen der besonderen Rechtsnatur des Anspruchs der nichtehelichen Mutter zwingend, nicht zu unterscheiden zwischen den Zeiten vor und nach der Anerkennung.

7

b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

8

In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob in Fällen der vorliegenden Art die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegen müssen, also namentlich eine Inverzugsetzung erforderlich ist.

9

Anders als das Beschwerdegericht, das sich der Auffassung des Oberlandesgerichts Schleswig (FamRZ 2004, 563) angeschlossen hat, stellt die wohl herrschende Auffassung in der Literatur maßgeblich auf die Verweisung in § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB ab und will § 1613 BGB insgesamt und ohne Modifikationen zur Anwendung bringen (Staudinger/Engler BGB [2000] § 1615 l Rn. 28; Derleder DEuFamR 1999, 84, 87 f; Wendl/Bömelburg Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 7 Rn. 199; NK-BGB/Schilling 2. Aufl. § 1615 l Rn. 45 mwN; s. auch Erman/Hammermann BGB 13. Aufl. § 1615 l Rn. 52).

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Daneben wird im Schrifttum auch die Meinung vertreten, aus der in § 1615 l Abs. 3 Satz 3 BGB ausgesprochenen Verweisung auf § 1613 Abs. 2 BGB folge, dass die in Absatz 2 Nr. 1 enthaltene einjährige "Ausschlussfrist" nicht nur für den dort allein aufgeführten Sonderbedarf, sondern für den gesamten Unterhaltsanspruch der Mutter gelten soll (Göppinger/Wax/Maurer Unterhaltsrecht 9. Aufl. Rn. 1343).

11

Der Senat folgt der Auffassung, die maßgeblich auf den Verweis in § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB abstellt und § 1613 BGB insgesamt und ohne Modifikationen anwenden will. Danach enthält § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB eine Rechtsgrundverweisung auf § 1613 BGB, weshalb für die Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegen müssen, also eine Aufforderung zur Auskunft, eine Inverzugsetzung oder aber die Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs.

12

aa) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 1615 l Abs. 3 BGB. Nach dessen Satz 1 sind die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten entsprechend anzuwenden, also auch § 1613 Abs. 2 BGB. Insoweit besagt die gesonderte Verweisung in § 1615 l Abs. 3 Satz 3 BGB auf § 1613 Abs. 2 BGB nichts anderes.

13

bb) Darüber hinaus sprechen sowohl der Wille des Gesetzgebers als auch eine teleologische Auslegung für eine Rechtsgrundverweisung auf § 1613 BGB.

14

Wie sich der vom Beschwerdegericht zitierten Gesetzesbegründung aus dem Jahr 1967 zum Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1243) entnehmen lässt, sollte es der Mutter ermöglicht werden, Unterhalt für die Vergangenheit auch dann zu erlangen, wenn sie nicht in der Lage war, den Unterhaltspflichtigen in Verzug zu setzen oder zu verklagen. In der Begründung heißt es ausdrücklich, dass "die Unterhaltsansprüche der Mutter unter denselben Voraussetzungen wie die des Kindes (§ 1615 d E) auch für die Vergangenheit geltend gemacht werden können" sollen (BT-Drucks. V/2370 S. 57). § 1615 d BGB, der ebenso wie § 1615 l BGB aF mit Wirkung zum 1. Juli 1970 in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt worden ist, lautete wie folgt: "Das Kind kann von seinem Vater Unterhaltsbeträge, die fällig geworden sind, bevor die Vaterschaft anerkannt oder rechtskräftig festgestellt war, auch für die Vergangenheit verlangen." In der Begründung zu dieser Norm, deren entsprechende Anwendung § 1615 l Abs. 3 Satz 4 BGB aF anordnete, heißt es wiederum: "Es besteht aber kein gerechtfertigter Grund, dem unehelichen Kind auch nach Anerkennung oder rechtskräftiger Feststellung der Vaterschaft noch eine Sonderstellung einzuräumen", weshalb von ihm verlangt werden müsse, dass es "den Vater rechtzeitig in Verzug setzt oder seinen Unterhaltsanspruch rechtshängig macht" (BT-Drucks. V/2370 S. 47).

15

cc) Demgegenüber war der gesonderte Verweis in § 1615 l Abs. 3 Satz 4 BGB aF (nunmehr Satz 3) auf § 1613 Abs. 2 BGB aF (jetzt § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB) ursprünglich von dem Gedanken getragen, den durch den weiteren Verweis auf § 1615 d BGB aF erweiterten Anspruch der Mutter zugunsten des Unterhaltspflichtigen einzuschränken. Nach § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB kann der Anspruch auf Sonderbedarf nach Ablauf eines Jahres seit seiner Entstehung nur geltend gemacht werden, wenn vorher der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Anspruch rechtshängig geworden ist. Der Gesetzgeber wollte diese Regelung ursprünglich nicht nur auf den Sonderbedarf, sondern auf den gesamten Unterhaltsanspruch der Mutter aus § 1615 l BGB anwenden, um zu verhindern, dass der Vater noch nach "unangemessen langer Zeit" in Anspruch genommen werden kann (BT-Drucks. V/2370 S. 57; s. auch Göppinger/Wax/Maurer Unterhaltsrecht 9. Aufl. Rn 1343). Ob für die gesonderte Verweisung auf § 1613 Abs. 2 BGB angesichts der Änderungen, die § 1615 l BGB und § 1613 BGB zwischenzeitlich erfahren haben, ein eigenständiger Anwendungsbereich im Sinne einer einjährigen Ausschlussfrist bezogen auf die Fälle des § 1613 Abs. 2 Nr. 2 BGB verbleibt (so Göppinger/Wax/Maurer Unterhaltsrecht 9. Aufl. Rn 1343; aA Wendl/Bömelburg Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 7 Rn. 199; s. auch NK-BGB/Schilling 2. Aufl. § 1615 l Rn. 45), kann hier dahin stehen, da der Zeitraum vor Anerkennung der Vaterschaft nicht mehr Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist.

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c) Da die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB (Sonderbedarf) hier ersichtlich nicht vorliegen, wäre eine Befreiung von den Anforderungen des § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB nur hinsichtlich des § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a BGB einschlägig, der im Jahr 1998 (BGBl. I S. 666) die Regelung des § 1615 d BGB ersetzt hat. Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nur für den im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr streitgegenständlichen Zeitraum von April bis Juni 2010 vor.

17

Deshalb hätte die Antragstellerin entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts den Antragsgegner nach dessen Vaterschaftsanerkennung wegen des Betreuungsunterhalts zur Auskunft auffordern, in Verzug setzen oder aber den Unterhaltsanspruch rechtshängig machen müssen. Sie hätte dann in Verbindung mit § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a BGB einen lückenlosen Unterhaltsanspruch geltend machen können.

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2. Für den Zeitraum ab Mai 2013 hat die Rechtsbeschwerde, die sich nur noch gegen die Verpflichtung zur Zahlung eines monatlich 137 € übersteigenden Betrages wendet, ebenfalls Erfolg.

19

a) Dass das Beschwerdegericht von einer Befristung des Unterhalts abgesehen hat, ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde allerdings nicht zu beanstanden.

20

Der Senat hat bereits mit Urteil vom 18. März 2009 (BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn. 41) entschieden, dass eine Befristung des Betreuungsunterhaltsanspruchs nach der Systematik des § 1570 BGB nicht geboten ist. Danach steht dem betreuenden Elternteil ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt für mindestens drei Jahre nach der Geburt mit Verlängerungsmöglichkeit aus kind- und elternbezogenen Gründen zu. Der Betreuungsunterhalt während der ersten drei Lebensjahre des Kindes und ein daran anschließender weiterer Betreuungsunterhaltsanspruch bilden somit einen einheitlichen Unterhaltsanspruch. Nur dann, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung für die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres absehbar keine kind- und elternbezogenen Verlängerungsgründe mehr vorliegen, ist ein Antrag auf künftigen Betreuungsunterhalt abzuweisen.

21

Diese Ausführungen gelten gleichermaßen für den Betreuungsunterhaltsanspruch aus § 1615 l BGB. Dass sich beide Betreuungsunterhaltsansprüche bezogen auf die Dauer der Anspruchsberechtigung nicht voneinander unterscheiden, ergibt sich bereits aus dem insoweit identischen Wortlaut beider Tatbestände, wonach der Unterhaltsberechtigte den Unterhalt "für mindestens drei Jahre nach der Geburt" verlangen kann (§ 1570 Abs. 1 Satz 1 BGB einerseits und § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB andererseits). Im Übrigen verbietet es Art. 6 Abs. 5 GG, hinsichtlich der Dauer des aus kindbezogenen Gründen geschuldeten Betreuungsunterhalts zwischen der Betreuung ehelicher und nichtehelicher Kinder zu differenzieren (BVerfG FamRZ 2007, 965).

22

Dass im Zeitpunkt der Entscheidung für die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes absehbar keine Verlängerungsgründe mehr vorgelegen haben, ist nach den Feststellungen des Beschwerdebeschlusses auszuschließen.

23

b) Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde jedoch, dass das Beschwerdegericht den Unterhalt der Höhe nach fehlerhaft ermittelt hat. Das Beschwerdegericht hat verkannt, dass der Antragsgegner nicht in vollem Maße leistungsfähig i.S.v. § 1615 l Abs. 3 BGB i.V.m. § 1603 Abs. 1 BGB ist.

24

aa) Das Oberlandesgericht hat von dem von ihm festgestellten unterhaltsrechtlich bereinigten Einkommen des Antragsgegners in Höhe von 1.461,65 € den ungedeckten Bedarf der Antragstellerin von 218,74 € abgezogen. Die sich hieraus ergebende Summe (1.242,91 €) hat es - vor Abzug des Kindesunterhalts von 225 € - an dem dem Unterhaltspflichtigen gegenüber dem Anspruch aus § 1615 l BGB zu belassenden Selbstbehalt gemessen.

25

bb) Dies ist rechtsfehlerhaft. Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass das Oberlandesgericht vor der Prüfung, ob der dem Unterhaltspflichtigen gegenüber dem Anspruch aus § 1615 l BGB zu belassende Selbstbehalt gewahrt ist, den im Rang vorgehenden Kindesunterhalt hätte abziehen müssen. Erst anhand der sich hieraus ergebenden Differenz lässt sich ersehen, ob der Unterhaltspflichtige leistungsfähig ist. Bei Vorwegabzug des Kindesunterhalts schuldet der Antragsgegner aufgrund seiner eingeschränkten Leistungsfähigkeit bei einem seit dem Jahr 2013 gegenüber dem Anspruch aus § 1615 l BGB maßgeblichen Selbstbehalt von 1.100 € für den hier noch im Streit stehenden Zeitraum ab Mai 2013 einen monatlichen Unterhalt von gerundet 137 €.

26

cc) Die Rechtsbeschwerdeerwiderung vermag das gefundene Ergebnis nicht zu erschüttern.

27

(1) Zwar rügt die Antragstellerin, die Ermittlung des - ihrer Auffassung nach zu gering bemessenen - Einkommens des Antragsgegners beruhe auf unzureichenden Feststellungen. Dieser, der Sache nach als Gegenrüge zu qualifizierende, Einwand ist jedoch unbeachtlich, weil das Beschwerdegericht die Höhe des Einkommens im unstreitigen Tatbestand seiner Entscheidung wiedergegeben hat.

28

Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts können nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mit der Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden (BGH Urteil vom 10. Mai 2011 - II ZR 227/09 - NJW 2011, 2292 Rn. 19 mwN).

29

Entsprechendes gilt in Familienstreitsachen, wie sich aus §§ 74 Abs. 3 Satz 3, 71 Abs. 3 Nr. 2 lit. b FamFG und § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 320 ZPO (vgl. dazu Keidel/Weber FamFG 17. Aufl. § 113 Rn. 4 [zu § 42 FamFG]) ergibt.

30

Dass die Antragstellerin einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung gestellt hat, ist weder dargetan noch aus den Akten ersichtlich. Demgemäß ist der Senat an die im unstreitigen Tatbestand getroffenen Feststellungen zum Einkommen des Antragsgegners gebunden.

31

(2) Auch geht der Einwand der Rechtsbeschwerdeerwiderung fehl, wonach die Voraussetzungen für eine Erhöhung des dem Antragsgegner zu belassenden Selbstbehalts nicht vorgelegen hätten.

32

Unstreitig ist insoweit, dass die monatliche Miete von 510 € mit 110 € über den im Selbstbehalt für die Miete vorgesehenen Pauschalbetrag von 400 € liegt (Anm. D. II. der Düsseldorfer Tabelle Stand 1. Januar 2013). Hierzu hat das Beschwerdegericht ausgeführt, dass es ihm im Hinblick auf die zu Lasten des Antragsgegners erfolgte vollständige Anrechnung seiner Nebentätigkeit angemessen erscheine, den erhöhten Wohnbedarf leistungsmindernd zu berücksichtigen. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. auch Senatsurteil vom 20. Dezember 2006 - XII ZR 137/04 - FamRZ 2007, 375, 376).

33

3. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der Beschluss des Beschwerdegerichts in dem im Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben. Die Sache ist zur Entscheidung reif, so dass der Senat in der Sache abschließend entscheiden kann (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG).

Klinkhammer                  Schilling                      Günter

                     Botur                       Guhling