Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 20.12.2017


BGH 20.12.2017 - XII ZB 213/17

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Voraussetzungen einer unverschuldeten Fristversäumung bei unvorhergesehener Erkrankung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
20.12.2017
Aktenzeichen:
XII ZB 213/17
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2017:201217BXIIZB213.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Braunschweig, 20. März 2017, Az: 3 UF 1/17vorgehend AG Salzgitter, 11. November 2016, Az: 33 F 186/14
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Auch bei einer unvorhergesehenen Erkrankung muss ein Rechtsanwalt alle ihm dann noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung einer Frist ergreifen. An einer schuldhaften Fristversäumung fehlt es nur dann, wenn infolge der Erkrankung weder kurzfristig ein Vertreter eingeschaltet noch ein Fristverlängerungsantrag gestellt werden konnte; dies ist glaubhaft zu machen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014, XII ZB 257/14, FamRZ 2015, 135).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 20. März 2017 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Wert: 2.690 €

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht hat die Ehe der Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) und des Antragsgegners (im Folgenden: Ehemann) durch Verbundbeschluss geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Ehemann zur Zahlung nachehelichen Unterhalts von monatlich 224,17 € verpflichtet.

2

Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Ehemanns am 29. November 2016 zugestellt worden. Der Ehemann hat gegen die Verpflichtung zum Unterhalt rechtzeitig Beschwerde eingelegt. Die auf den 30. Januar 2017 datierte Beschwerdebegründung ist am 31. Januar 2017 beim Oberlandesgericht eingegangen. Nach Hinweis des Oberlandesgerichts darauf, dass die Beschwerdebegründung erst nach Ablauf der diesbezüglichen Frist (Montag, 30. Januar 2017, 24:00 Uhr) eingegangen sei, hat der Ehemann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er eine Erkrankung seines Verfahrensbevollmächtigten vorgetragen, die diesen an der rechtzeitigen Beschwerdebegründung gehindert habe. Das Oberlandesgericht hat die Wiedereinsetzung versagt und die Beschwerde verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Ehemanns.

II.

3

Die gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern, § 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO.

4

1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat der Ehemann für eine unverschuldete Fristversäumnis im Sinne der §§ 233 ff. ZPO bereits nicht ausreichend vorgetragen. Aus seinem Vortrag gehe nicht hervor, dass es seinem Verfahrensbevollmächtigten nicht möglich gewesen sei, durch Beauftragung eines Vertreters eine Fristverlängerung zu beantragen oder eine(n) Rechtsanwaltsgehilfen/in mit der Fertigung eines Fristverlängerungsantrags zu beauftragen, sich diesen zur Unterzeichnung nach Hause bringen zu lassen und ihn sodann an das Gericht zu faxen. Dies gelte umso mehr, als die Beschwerdebegründung selbst vom 30. Januar 2017 datiere.

5

2. Das bewegt sich im Rahmen der Senatsrechtsprechung und lässt einen Grund im Sinne von § 574 Abs. 2 ZPO nicht erkennen.

6

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt selbst bei einer unvorhergesehenen Erkrankung alle ihm dann noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung einer Frist ergreifen. Auch der krankheitsbedingte Ausfall des Rechtsanwalts am letzten Tag der Frist rechtfertigt für sich genommen deshalb eine Wiedereinsetzung noch nicht. Vielmehr fehlt es an einem dem Verfahrensbeteiligten gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines Rechtsanwalts nur dann, wenn infolge der Erkrankung weder kurzfristig ein Vertreter eingeschaltet noch ein Fristverlängerungsantrag gestellt werden konnte. Auch dies ist glaubhaft zu machen (Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 - XII ZB 257/14 - FamRZ 2015, 135 Rn. 19 mwN).

7

Das Oberlandesgericht hat zutreffend angenommen, dass es im vorliegenden Fall bereits an hinreichendem Vortrag geeigneter Bemühungen des Verfahrensbevollmächtigten fehlt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde bedurfte es insoweit auch keines weiteren Hinweises durch das Oberlandesgericht, sondern konnte dieses davon ausgehen, dass der Vortrag vollständig war. Aber auch die vom Ehemann zur Ergänzung des Sachvortrags im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung vom 28. Juni 2017 hätte als Erwiderung auf einen Hinweis des Oberlandesgerichts keine ausreichenden Bemühungen des Rechtsanwalts ergeben. Dass dieser, wie darin angegeben, Einzelanwalt ist, stand der Beauftragung eines Vertreters nicht im Weg. Auch dass seine im Büro halbtags beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte sich noch in der Einarbeitungsphase befand und nicht mit der Fristenkontrolle befasst war, schließt nicht aus, dass diese vom Rechtsanwalt entsprechend instruiert ein Fristverlängerungsgesuch fertigen, diesem zur Unterschrift vorlegen und rechtzeitig an das Gericht senden konnte.

Dose     

      

Klinkhammer     

      

Schilling

      

Nedden-Boeger     

      

Guhling