Entscheidungsdatum: 18.10.2017
1. Allein die Bekanntgabe der erstinstanzlichen Entscheidung bewirkt noch keine Beteiligung im Sinne der §§ 7, 274, 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG.
2. Kann der im erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligte Angehörige gemäß § 303 Abs. 4 FamFG - hier als Bevollmächtigter - Beschwerde im Namen des Betroffenen einlegen, besteht keine Notwendigkeit für ein darüber hinausgehendes Beschwerderecht.
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 15. März 2016 aufgehoben.
Die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 4 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 26. Mai 2014 wird verworfen.
Die Rechtsmittelverfahren sind gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Wert: 5.000 €
I.
Die ehemalige Betreuerin der Betroffenen wendet sich dagegen, dass das Landgericht auf die Beschwerde des Beteiligten zu 4 die vom Amtsgericht angeordnete Betreuung eingeschränkt und die Person des Betreuers ausgetauscht hat.
Im Jahr 2011 erteilte die 1932 geborene Betroffene dem Beteiligten zu 4, ihrem Ehemann, eine notarielle Vorsorgevollmacht. 2013 ordnete das Amtsgericht eine Betreuung an mit dem Aufgabenkreis Entgegennahme eines Widerrufs des gemeinschaftlichen Testaments durch den Ehemann.
Nach einer entsprechenden Anregung der Berufsbetreuerin, der Beteiligten zu 1, hat das Amtsgericht die Betreuung erweitert. Auf die Beschwerde des Ehemanns hat das Landgericht den Aufgabenkreis eingeschränkt und einen anderen Betreuer bestellt. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und zur Verwerfung der Beschwerde des Beteiligten zu 4.
1. Die Beteiligte zu 1 konnte im eigenen Namen Rechtsbeschwerde einlegen. Dem Betreuer steht gegen seine Entlassung bei fortbestehender Betreuung eine Beschwerdeberechtigung gemäß § 59 Abs. 1 FamFG zu, weil er hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 25. März 2015 - XII ZB 621/14 - FamRZ 2015, 1178 Rn. 20 mwN).
2. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass die von dem anwaltlich vertretenen Ehemann der Betroffenen ausdrücklich im eigenen Namen eingelegte Beschwerde unzulässig war.
a) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht allerdings gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG im Interesse des Betroffenen dessen Ehegatten zu, wenn die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben und dieser im ersten Rechtszug beteiligt worden ist.
Für die Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 FamFG kommt es hier somit entscheidend darauf an, ob der Beschwerdeführer tatsächlich im ersten Rechtszug beteiligt worden ist. Dabei kann die Hinzuziehung eines Beteiligten auch konkludent erfolgen, etwa durch das Übersenden von Schriftstücken oder die Ladung zu Terminen. Die Nichterwähnung im Entscheidungsrubrum stünde einer tatsächlichen Hinzuziehung zum Verfahren im Sinne des § 7 FamFG nicht entgegen (Senatsbeschluss vom 20. November 2014 - XII ZB 86/14 - FamRZ 2015, 572 Rn. 8 mwN).
Hat die erstinstanzliche Entscheidung – wie hier – eine Erweiterung der Betreuung zum Gegenstand, ist für die Frage der Beteiligung nicht auf das Verfahren über die erstmalige Betreuerbestellung abzustellen. Denn die Beschwerdeberechtigung naher Angehöriger nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligung gerade in dem Verfahren erfolgt ist, dessen abschließende Sachentscheidung angegriffen werden soll. Die Entscheidung über die Erweiterung einer bereits bestehenden Betreuung betrifft jedoch einen anderen Verfahrensgegenstand als die Entscheidung über die erstmalige Betreuerbestellung. Nach § 293 Abs. 1 FamFG gelten für die Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers die Vorschriften über die Anordnung der Maßnahme entsprechend. Aus dieser Regelung ergibt sich, dass die Erweiterung des Aufgabenkreises einen besonderen Verfahrensgegenstand bildet, über den das Betreuungsgericht in einem gesonderten Verfahren entscheiden muss, für das grundsätzlich alle für die Erstbestellung eines Betreuers geltenden Verfahrensvorschriften einzuhalten sind, soweit nicht die in § 293 Abs. 2 FamFG genannten Verfahrenserleichterungen eingreifen. Daher ist in einem neuen Verfahren zur Erweiterung des Aufgabenkreises gemäß § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG auch erneut über die Verfahrensbeteiligung naher Angehöriger zu entscheiden (Senatsbeschluss vom 4. März 2015 - XII ZB 396/14 - FamRZ 2015, 843 Rn. 9 mwN).
b) Gemessen hieran fehlt es an einem Beschwerderecht des Ehemanns aus § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG.
aa) Zwar ist der Ehemann im Verfahren über die Erstbestellung eines Betreuers beteiligt worden, nicht aber in dem hier gegenständlichen Verfahren über die Erweiterung der Betreuung. Soweit aus den Akten ersichtlich, ist ihm in diesem Verfahren lediglich die Endentscheidung des Amtsgerichts bekanntgegeben worden. Eine bloße Bekanntgabe der die Instanz abschließenden Entscheidung genügt hingegen für eine Beteiligung i.S.d. §§ 7, 274, 303 Abs. 2 FamFG nicht (LG Landau FamRZ 2011, 60, 61; Keidel/Budde FamFG 19. Aufl. § 303 Rn. 27; offengelassen im Senatsbeschluss vom 4. März 2015 - XII ZB 396/14 - FamRZ 2015, 843 Rn. 9). Dies ergibt sich bereits aus dem Begriff der Beteiligung. Eine Beteiligung setzt die Möglichkeit voraus, dass die "beteiligte" Person – in welcher Art und Weise auch immer – auf das Verfahren Einfluss nehmen kann. Handelt es sich – wie hier – bloß um die Bekanntgabe der die Instanz abschließenden Entscheidung, ist eine solche Beteiligung in derselben Instanz nicht mehr möglich.
bb) Ob eine Beteiligung des Ehemanns im Abhilfeverfahren infolge seiner Beschwerde erfolgt ist, kann dahinstehen. Denn eine nachträgliche Erlangung der Beschwerdebefugnis durch Hinzuziehung von Angehörigen nach Abschluss des ersten Rechtszugs – sei es in einem Zwischenverfahren, sei es im Rahmen des Abhilfeverfahrens – kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach dem Wortlaut des § 303 Abs. 2 FamFG kommt es auf die tatsächliche Beteiligung der Angehörigen im ersten Rechtszug an. Dieser endet jedoch mit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses durch das Amtsgericht. Das sich auf eine Beschwerde anschließende Abhilfeverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG gehört nicht mehr zum ersten Rechtszug, sondern schließt an diesen an. Bereits aus der systematischen Stellung des § 68 Abs. 1 FamFG ergibt sich, dass das Abhilfeverfahren zum Gang des Beschwerdeverfahrens gehört (Senatsbeschluss vom 20. November 2014 - XII ZB 86/14 - FamRZ 2015, 572 Rn. 11 mwN).
cc) Schließlich kann sich der Ehemann auch nicht auf eine Beteiligung in seiner Funktion als Bevollmächtigter und damit als Mussbeteiligter gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 3 FamFG berufen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 25. Januar 2017 - XII ZB 438/16 - FamRZ 2017, 552 Rn. 10 mwN), weil auch eine solche nicht erfolgt ist.
c) Die Frage, ob einem nicht beteiligten Angehörigen in Fällen der vorliegenden Art aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Beschwerderecht eingeräumt werden kann bzw. muss (vgl. LG Verden BtPrax 2010, 242; LG Saarbrücken FamRZ 2010, 1371, 1372; LG Landau FamRZ 2011, 60, 61; Fröschle in Prütting/Helms FamFG 3. Aufl. § 303 Rn. 20 ff.; Guckes in Fröschle Praxiskommentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren 3. Aufl. § 304 FamFG Rn. 13; Bork/Jacoby/Schwab/Heiderhoff FamFG 2. Aufl. § 303 Rn. 9; Bahrenfuss/Brosey FamFG 3. Aufl. § 303 Rn. 9; Schulte-Bunert/Weinreich/Rausch FamFG 5. Aufl. § 303 Rn. 9; Keidel/Budde FamFG 19. Aufl. § 303 Rn. 28), braucht der Senat hier nicht zu beantworten. Denn der Ehemann hätte als Bevollmächtigter auch ohne Beteiligung am Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 FamFG im Namen der Betroffenen Beschwerde einlegen können. Eine Notwendigkeit, dem Angehörigen ein darüber hinausgehendes Beschwerderecht einzuräumen, besteht nicht. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass er diese Beschwerde nur im Namen der Betroffenen einlegen kann. Denn das Beschwerderecht der Angehörigen nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG besteht schließlich ohnehin nur im Interesse der Betroffenen.
3. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, weil die Beschwerde unzulässig ist und daher keine weiteren Feststellungen mehr zu treffen sind.
4. Im Hinblick auf die Ausführungen des Landgerichts zur Begründung der Beschwerde wird das Amtsgericht von Amts wegen zu prüfen haben, ob ein Betreuerwechsel geboten ist und der Umfang der Betreuung eingeschränkt werden muss (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 211, 67 = FamRZ 2016, 1671 Rn. 32 mwN).
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