Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 08.03.2017


BGH 08.03.2017 - XII ZB 192/16

Kindesunterhalt: Ausbildungsunterhalt in den sogenannten Abitur-Lehre-Studium-Fällen


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
08.03.2017
Aktenzeichen:
XII ZB 192/16
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2017:080317BXIIZB192.16.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Zweibrücken, 29. März 2016, Az: 5 UF 105/15vorgehend AG Pirmasens, 9. Juli 2015, Az: 3 F 265/14
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Zum Ausbildungsunterhalt in den so genannten Abitur-Lehre-Studium-Fällen (hier: Banklehre - Lehramtsstudium; im Anschluss an Senatsurteile vom 17. Mai 2006, XII ZR 54/04, FamRZ 2006, 1100 und vom 7. Juni 1989, IVb ZR 51/88, BGHZ 107, 376 = FamRZ 1989, 853).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 5. Zivilsenats - Familiensenat - des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 29. März 2016 aufgehoben, soweit das Oberlandesgericht die Beschwerde in Höhe 2.891 € (Unterhalt für den Zeitraum von September 2013 bis März 2014) zurückgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

I.

1

Das antragstellende Land nimmt den Antragsgegner, dessen Tochter es Vorausleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) gewährt hat, auf Ausbildungsunterhalt aus übergegangenem Recht in Anspruch.

2

Die am 16. August 1989 geborene Tochter des Antragsgegners erwarb im Jahre 2009 auf dem Wirtschaftsgymnasium die Hochschulreife und begann am 1. August 2009 eine Ausbildung zur Bankkauffrau, die sie im Januar 2012 erfolgreich mit der Note 1,4 abschloss. Im April 2012 nahm sie mit dem Ziel, Lehrerin an berufsbildenden Schulen zu werden, das Studium der Wirtschaftspädagogik mit dem allgemeinen Schwerpunktfach katholische Theologie auf. Angestrebter Abschluss ist der "Bachelor of Science", dem im Master-Studiengang der "Master of Education" nachfolgen soll.

3

Der Antragsteller zahlte der Tochter des Antragsgegners für den Zeitraum Juli 2013 bis März 2014 Ausbildungsförderung (Vorausleistung) nach dem BAföG in Höhe von monatlich 413 €. Im September 2013 erteilte der Antragsgegner dem Amt für Ausbildungsförderung auf Aufforderung Auskunft zu seinen Einkommensverhältnissen.

4

Das Amtsgericht hat den auf Zahlung von insgesamt 3.717 € (für Juli 2013 bis März 2014) nebst Zinsen gerichteten Antrag abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die hiergegen eingelegte Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde macht der Antragsteller noch Unterhalt für die Monate September 2013 bis März 2014 in Höhe von insgesamt 2.891 € nebst Zinsen geltend.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere aufgrund der Zulassung durch das Oberlandesgericht gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft. Der Senat ist gemäß § 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG an diese Zulassung gebunden.

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Die Rechtsbeschwerde hat auch Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

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1. Dieses hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

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Ein Unterhaltsanspruch der Tochter, der nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BAföG auf den Antragsteller übergegangen sein könnte, bestehe für den fraglichen Zeitraum gegen den Antragsgegner nicht. Bei dem Studium handele es sich um eine Zweitausbildung, zu deren Finanzierung der Antragsgegner nicht verpflichtet sei. Eine solche Verpflichtung bestehe nur ausnahmsweise, wenn das Kind nach dem Abitur eine praktische Ausbildung durchlaufe und sich erst danach zu einem Studium entschließe. Dieser Weg werde als eine mehrstufige Ausbildung gewertet, wenn die einzelnen Abschnitte in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stünden. Ein solcher sei vorliegend nicht gegeben. Der Antragsgegner habe zu den Umständen, die seine Tochter zur Aufnahme des Lehramtsstudiums bewogen hätten, unwidersprochen vorgetragen, dass sie eine Tätigkeit im Bankwesen nicht mit ihrem Gewissen habe vereinbaren können.

9

Es sei auch nicht sachgerecht, nur den Bachelor-Studiengang bei der Bewertung zu berücksichtigen. Um das von Anfang an angestrebte Lehramtsstudium absolvieren zu können, müsse der gewählte Bachelor-Studiengang durchlaufen werden. Entscheidend sei daher, ob das Lehramtsstudium den geforderten engen sachlichen Zusammenhang mit der vorangegangenen Banklehre aufweise. Das könne nicht festgestellt werden. Zwar vermittle die Banklehre einschlägige Kenntnisse, auch über wirtschaftliche Zusammenhänge, die letztlich für jeden nützlich seien. Dass dieser Nutzen aber für ein Lehramtsstudium - auch im Bereich der Wirtschaftspädagogik unter Beachtung des gewählten Schwerpunktfachs - in relevantem Umfang über das hinausgehe, was letztlich für jede Ausbildung nützlich sei, sei nicht ersichtlich.

10

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

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a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, wonach gemäß § 1610 Abs. 2 BGB der Unterhalt eines Kindes die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf umfasst.

12

aa) Geschuldet wird danach eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Eltern, die ihrem Kind eine solche Berufsausbildung gewährt haben, sind grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen. Ausnahmen hiervon bestehen nur unter besonderen Umständen, etwa wenn der Beruf aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann. Ferner kommt eine fortdauernde Unterhaltspflicht in Betracht, wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist und von vornherein angestrebt war, oder während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wurde (Senatsurteil vom 17. Mai 2006 - XII ZR 54/04 - FamRZ 2006, 1100, 1101 mwN).

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bb) Diese Grundsätze hat der Senat wegen des zunehmend geänderten Ausbildungsverhaltens der Studienberechtigten für die Fälle modifiziert, in denen ein Kind nach Erlangung der Hochschulreife auf dem herkömmlichen schulischen Weg (Abitur) eine praktische Ausbildung (Lehre) absolviert hat und sich erst danach zu einem Studium entschließt (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle). Wegen des aus § 1610 Abs. 2 BGB abzuleitenden Merkmals der Einheitlichkeit des Ausbildungsgangs ist allerdings auch dann erforderlich, dass die einzelnen Ausbildungsabschnitte in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und die praktische Ausbildung und das Studium sich jedenfalls sinnvoll ergänzen müssen. Es reicht jedoch aus, dass der Studienentschluss nicht von vornherein, sondern erst nach Beendigung der Lehre gefasst wird, weil es gerade der Eigenart des vom herkömmlichen Bild abweichenden Ausbildungsverhaltens entspricht, dass sich der Abiturient bei Aufnahme der praktischen Ausbildung vielfach noch nicht über ein anschließendes Studium schlüssig ist (Senatsurteile vom 17. Mai 2006 - XII ZR 54/04 - FamRZ 2006, 1100, 1101 mwN und BGHZ 107, 376, 381 ff. = FamRZ 1989, 853, 854 f.). Bejaht hat der Senat einen derartigen engen sachlichen Zusammenhang etwa zwischen Bauzeichnerlehre und Architekturstudium (BGHZ 107, 376 = FamRZ 1989, 853, 855), landwirtschaftlicher Lehre und Studium der Agrarwirtschaft (Senatsurteil vom 27. September 1989 - IVb ZR 83/88 - FamRZ 1990, 149) oder Banklehre und Jurastudium (Senatsurteil vom 23. Oktober 1991 - XII ZR 174/90 - FamRZ 1992, 170, 171).

14

Für Ausbildungsabläufe, in denen nach einem Realschulabschluss zunächst eine Lehre, dann die Fachoberschule und später die Fachhochschule absolviert wird, sind die einzelnen Ausbildungsabschnitte hingegen nur dann als einheitliche, von den Eltern zu finanzierende Berufsausbildung anzusehen, wenn schon bei Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar eine Weiterbildung einschließlich des späteren Studiums angestrebt wurde. Hinter dieser Differenzierung steht der Gedanke, dass die Unterhaltspflicht der Eltern von der Frage mitbestimmt wird, inwieweit sie damit rechnen müssen, dass ihr Kind nach einem Schulabschluss und einer zu Ende geführten, in sich geschlossenen Berufsausbildung noch eine berufsqualifizierende Ausbildung - gegebenenfalls über weitere Ausbildungsstufen hinweg - anstrebt. Denn die Belange der Unterhaltspflichtigen dürfen insoweit nicht unberücksichtigt bleiben. Die Eltern müssen sich in ihrer eigenen Lebensplanung in etwa darauf einstellen können, wie lange sie mit einer Unterhaltslast zu rechnen haben (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 17. Mai 2006 - XII ZR 54/04 - FamRZ 2006, 1100, 1101 f. mwN).

15

cc) In anderen Fällen als denen einer gestuften Ausbildung müssen die Eltern ihrem Kind ausnahmsweise auch eine zweite Ausbildung finanzieren, wenn sie das Kind in einen unbefriedigenden, seinen Begabungen nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt haben. Dem gleichgestellt sind die Fälle, in denen dem Kind eine angemessene Ausbildung verweigert worden ist und es sich aus diesem Grund zunächst für einen Beruf entschieden hat, der seiner Begabung und seinen Neigungen nicht entspricht. Nichts anderes gilt, wenn die erste Ausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruht (Senatsurteil vom 17. Mai 2006 - XII ZR 54/04 - FamRZ 2006, 1100, 1102 mwN; vgl. auch Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 92 ff.).

16

Dabei begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Frage, ob der Erstausbildung des Kindes eine Fehleinschätzung seiner Begabung zugrunde lag, nach den Verhältnissen beurteilt wird, die sich erst nach Beendigung dieser Ausbildung ergeben haben. Zwar ist die Frage der beruflichen Eignung eines Kindes grundsätzlich aus der Sicht bei Beginn der Ausbildung und den zu dieser Zeit zutage getretenen persönlichen Anlagen und Neigungen zu beantworten. Um eine unangemessene Benachteiligung von so genannten Spätentwicklern zu vermeiden, gilt dies aber schon dann nicht, wenn sich später herausgestellt hat, dass die zunächst getroffene Entscheidung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruhte (Senatsurteil vom 17. Mai 2006 - XII ZR 54/04 - FamRZ 2006, 1100, 1102 mwN).

17

dd) Der aus § 1610 Abs. 2 BGB folgende Anspruch ist vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners zur Ermöglichung einer Berufsausbildung steht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Zwar muss der Verpflichtete nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind. Verletzt dieses aber nachhaltig seine Obliegenheit, die Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen (Senatsbeschluss vom 3. Juli 2013 - XII ZB 220/12 - FamRZ 2013, 1375 Rn. 14 mwN).

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Aus diesem Gegenseitigkeitsverhältnis folgt die Obliegenheit des Kindes, die Ausbildung in angemessener Zeit aufzunehmen. Auch ein Schulabgänger muss auf die Belange des Unterhaltspflichtigen Rücksicht nehmen und sich in angemessener Zeit darüber klar werden, welche Ausbildungsmöglichkeiten ihm nach seinem jeweiligen Schulabschluss zur Verfügung stehen. Er muss sich alsbald um einen entsprechenden Ausbildungsplatz bemühen und die Ausbildung zielstrebig beginnen. Zwar ist einem jungen Menschen eine gewisse Orientierungsphase zuzugestehen, deren Dauer von Fall zu Fall unterschiedlich ist und sich jeweils nach Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen des Auszubildenden richtet. Je älter er indessen bei Schulabgang ist und je eigenständiger er seine Lebensverhältnisse gestaltet, desto mehr tritt an die Stelle der Elternverantwortung die Eigenverantwortung für seinen Berufs- und Lebensweg. Selbst wenn er bisher noch keine Berufsausbildung erfahren hat, kann eine lange Verzögerung dazu führen, dass sein Ausbildungsanspruch entfällt und er sich daher seinen Lebensunterhalt mit ungelernten Tätigkeiten oder aufgrund sonstiger Begabung und Fertigkeiten verdienen muss (Senatsbeschluss vom 3. Juli 2013 - XII ZB 220/12 - FamRZ 2013, 1375 Rn. 15 mwN). Allerdings gibt es keine feste Altersgrenze für die Aufnahme einer Ausbildung, ab deren Erreichen der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfällt. Die Frage, bis wann es dem Unterhaltsberechtigten obliegt, seine Ausbildung aufzunehmen, richtet sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgeblich ist, ob den Eltern unter Berücksichtigung aller Umstände die Leistung von Ausbildungsunterhalt in den Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit noch zumutbar ist (Senatsbeschluss vom 3. Juli 2013 - XII ZB 220/12 - FamRZ 2013, 1375 Rn. 16 mwN).

19

Im Rahmen dieser Orientierungsphase kann dem Kind ggf. auch ein Ausbildungswechsel unterhaltsrechtlich zuzugestehen sein, wenn er einerseits auf sachlichen Gründen beruht und andererseits unter Berücksichtigung der Gesamtumstände aus der Sicht des Unterhaltspflichtigen wirtschaftlich zumutbar ist. Für die Annahme eines hinreichenden Grundes kann etwa der Umstand sprechen, dass zwischen der abgebrochenen und der angestrebten Ausbildung ein sachlicher Zusammenhang besteht. Jedem jungen Menschen ist grundsätzlich zuzubilligen, dass er sich über seine Fähigkeiten irrt oder falsche Vorstellungen über den gewählten Beruf hat. Dabei wird ein Ausbildungswechsel umso eher zu akzeptieren sein, je früher er stattfindet. Dies folgt aus dem Gedanken, dass die schutzwürdigen Belange des Unterhaltspflichtigen es gebieten, sich möglichst frühzeitig darauf einrichten zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird. Diese Belange erfordern es grundsätzlich auch, dass das Kind sich über seine geänderten Ausbildungspläne mit dem Unterhaltspflichtigen zu verständigen versucht (Senatsurteil vom 14. März 2001 - XII ZR 81/99 - FamRZ 2001, 757, 759).

20

b) Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze durch das Oberlandesgericht auf den vorliegenden Einzelfall ist jedoch, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt, rechtsfehlerhaft.

21

aa) Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde allerdings darauf, die Banklehre stelle schon deshalb keine angemessene Berufsausbildung dar, weil die Tochter des Antragsgegners aus Gewissensgründen nicht in dem erlernten Beruf habe arbeiten wollen und dieser daher nicht ihren Neigungen entspreche.

22

Damit ist zum einen nicht der Fall eines sog. Spätentwicklers dargetan, bei dem es anders als im Regelfall gerechtfertigt wäre, für die Beurteilung der Angemessenheit der Ausbildung nicht auf den Ausbildungsbeginn, sondern auf erst später zu Tage getretene Umstände abzustellen. Zum anderen ist auch nichts für einen vom Unterhaltsschuldner hinzunehmenden Ausbildungswechsel ersichtlich. Ganz abgesehen davon, dass völlig unklar ist, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Stadium der Ausbildung der Widerspruch zwischen Berufsbild und Neigungen der Tochter hervorgetreten sein soll, ist die Ausbildung abgeschlossen worden. Dann aber wird regelmäßig davon auszugehen sein, dass die Orientierungsphase, binnen derer auch ein auf solche inneren Widerstände gestützter Ausbildungswechsel zu akzeptieren sein kann, ebenfalls längst beendet war (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. Mai 2006 - XII ZR 54/04 - FamRZ 2006, 1100, 1103).

23

bb) Dass das Oberlandesgericht den daher erforderlichen engen sachlichen Zusammenhang zwischen der Banklehre und dem Lehramtsstudium der Tochter verneint hat, hält hingegen den Rügen der Rechtsbeschwerde nicht stand. Das Oberlandesgericht hat bei seiner entsprechenden Feststellung entscheidungserhebliches Vorbringen des Antragstellers unberücksichtigt gelassen.

24

Zwar ist die Annahme des Oberlandesgerichts, dass die beiden Ausbildungen nicht derselben Berufssparte angehören, rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Nach den insoweit getroffenen und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen erfordert das von der Tochter des Antragsgegners angestrebte Berufsziel (Lehrerin an berufsbegleitenden Schulen) als Zwischenschritt den von ihr angetretenen Bachelor-Studiengang, um dann das ebenfalls erforderliche Master-Studium beginnen zu können. Für die Frage, welcher Berufssparte die Ausbildung zuzurechnen ist, sind diese beiden Abschnitte daher als einheitliche mehrstufige Ausbildung zum Lehramt einzuordnen (vgl. BFHE 251, 10 = NJW 2015, 3807 Rn. 16 ff.; OVG Hamburg FamRZ 2006, 1615; Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 82; wohl auch OLG Celle FamRZ 2010, 1456). Dass der Bachelor-Abschluss für sich genommen zu anderen Berufen als dem Lehramt befähigt, ist insoweit ohne Belang.

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Trotz verschiedener Berufssparten kann jedoch ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Banklehre und dem Lehramtsstudium der Tochter des Antragsgegners bestehen. Insoweit ist ausreichend, wenn praktische Ausbildung und Studium so zusammenhängen, dass das eine für das andere eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung bedeutet oder dass die praktische Ausbildung eine sinnvolle und nützliche Vorbereitung auf das Studium darstellt (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 107, 376 = FamRZ 1989, 853, 855; vom 23. Oktober 1991 - XII ZR 174/90 - FamRZ 1992, 170, 171 und vom 23. Mai 2001 - XII ZR 148/99 - FamRZ 2001, 1601, 1602). Soweit das Oberlandesgericht dies verneint, hat es den Verfahrensstoff nicht ausgeschöpft. Es hat im Wesentlichen darauf abgehoben, dass die Tochter des Antragsgegners im Schwerpunktfach katholische Theologie studiert, und sich dadurch den erforderlichen Blick auf die sonstigen Ausbildungsinhalte verstellt. Der Antragsteller hatte aber schon in erster Instanz - und durch Bezugnahme in das Beschwerdeverfahren eingeführt - hierzu vorgetragen und darauf hingewiesen, dass das Schwerpunktfach nur rund ein Drittel der im Bachelor-Studiengang enthaltenen Leistungspunkte ausmache, während auf Wirtschaftswissenschaften fast die Hälfte entfalle. Bei Letztgenannten seien Module in Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, in Grundlagen der Volkswirtschaftslehre und in methodischen Grundlagen zu belegen. Insoweit erscheint zumindest möglich, dass das durch die Banklehre vermittelte Wissen sich entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts nicht in letztlich für jeden nützliche Kenntnisse zu wirtschaftlichen Zusammenhängen erschöpft, sondern einen ganz konkreten, dem Studium dienlichen Nutzen entfaltet.

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3. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG) und die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG). Dieses wird weitere Feststellungen dazu zu treffen haben, inwieweit sich die Banklehre als für das konkrete Studium nützliche und sinnvolle Vorbereitung darstellt. Dazu wird es auch den von der Rechtsbeschwerdeerwiderung zum Inhalt der Banklehre gehaltenen Tatsachenvortrag zu berücksichtigen sowie den Beteiligten ggf. vorab Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag hinsichtlich der einzelnen Ausbildungsinhalte von Lehre und Studium zu geben haben.

27

Sollte das Oberlandesgericht danach einen engen sachlichen Zusammenhang bejahen, wird es den von den Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren angesprochenen Fragen nachzugehen haben, ob und inwieweit der Antragsgegner im fraglichen Zeitraum leistungsfähig war und ihm die Unterhaltspflicht wirtschaftlich zumutbar ist (vgl. zu Letzterem etwa Senatsurteil BGHZ 107, 376 = FamRZ 1989, 853, 855). Zu berücksichtigen kann in diesem Zusammenhang auch sein, ob und in welchem Umfang der Antragsgegner seine Tochter bereits während der Banklehre finanziell unterstützen musste (vgl. Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 103).

Dose      

        

Klinkhammer      

        

Schilling

        

Nedden-Boeger      

        

Guhling