Entscheidungsdatum: 09.02.2011
1. Erlässt ein nach Art. 8 ff. Brüssel IIa-VO in der Hauptsache zuständiges Gericht eine einstweilige Maßnahme, welche den Bereich der elterlichen Sorge betrifft, richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung dieser Maßnahme in anderen Mitgliedstaaten nach Art. 21 ff. Brüssel IIa-VO .
2. Erlässt demgegenüber ein nach Art. 8 ff. Brüssel IIa-VO unzuständiges Gericht eine einstweilige Maßnahme auf der Grundlage des Art. 20 Brüssel IIa-VO, sind die Art. 21 ff. Brüssel IIa-VO nicht anwendbar . In diesen Fällen kommt die Anerkennung und Vollstreckung der Maßnahme in Anwendung gegenüber der Brüssel IIa-VO nachrangiger Übereinkommen bzw. des nationalen Rechts in Betracht . Sind allerdings die Voraussetzungen des Art. 20 Brüssel IIa-VO nicht gegeben, bleibt es bei dem insoweit abschließenden Charakter der Brüssel IIa-VO .
3. Für die Abgrenzung einstweiliger Maßnahmen des in der Hauptsache zuständigen Gerichts von solchen Maßnahmen, die gegebenenfalls auf Art. 20 Brüssel IIa-VO beruhen, ist nicht entscheidend, ob das die einstweilige Maßnahme erlassende Gericht tatsächlich in der Hauptsache zuständig war. Vielmehr ist danach abzugrenzen, ob das Ursprungsgericht seine Zuständigkeit auf Art. 8 ff. Brüssel IIa-VO gestützt hat .
4. Enthält die eine einstweilige Maßnahme anordnende Entscheidung keine eindeutige Begründung für die Zuständigkeit des Ursprungsgerichts in der Hauptsache unter Bezugnahme auf eine der in den Art. 8 bis 14 Brüssel IIa-VO genannten Zuständigkeiten, und ergibt sich die Hauptsachezuständigkeit auch nicht offensichtlich aus der erlassenen Entscheidung, ist davon auszugehen, dass die Entscheidung nicht nach den Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel IIa-VO ergangen ist. In diesem Fall ist zu prüfen, ob die Entscheidung unter die Öffnungsklausel des Art. 20 Brüssel IIa-VO fällt .
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 17. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. September 2008 aufgehoben.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stuttgart vom 3. Juli 2008 abgeändert.
Der Antrag des Antragstellers, die einstweilige Anordnung des juzgado de primera instancia Nr. 4 San Lorenzo de El Escorial/Spanien vom 8. November 2007 (Az.: 467/07) für in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckbar zu erklären, wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten erster Instanz. Die Verfahren der Beschwerde und der Rechtsbeschwerde sind gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: 3.000 €
I.
Die Parteien streiten um die Vollstreckbarkeit der einstweiligen Maßnahme eines spanischen Gerichts zum Aufenthaltsbestimmungsrecht und zur Herausgabe des in Deutschland lebenden Kindes.
Mitte 2005 zog die Antragsgegnerin zu dem Antragsteller nach Spanien, wo beide dann in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebten. Am 31. Mai 2006 wurden die gemeinsamen Zwillingskinder der Parteien als Frühgeburten geboren. Der Sohn Merlin konnte das Krankenhaus im September 2006 verlassen. Die Tochter Samira konnte nach zwischenzeitlich eingetretenen Komplikationen erst im März 2007 entlassen werden.
Zuvor hatte sich das Verhältnis der Parteien deutlich verschlechtert. Die Antragsgegnerin wollte mit ihren Kindern nach Deutschland zurückkehren, während der Antragsteller damit zunächst nicht einverstanden war. Am 30. Januar 2007 schlossen die Parteien eine notarielle Vereinbarung, wonach die Antragsgegnerin mit den Kindern nach Deutschland zurückkehren durfte und dem Antragsteller ein Umgangsrecht mit den Kindern zustehen sollte. Die Antragsgegnerin beabsichtigte sodann, mit ihrem (aus einer früheren Beziehung hervorgegangen) Sohn D. und den beiden gemeinsamen Kindern nach Deutschland zurückzukehren. Als Samira wegen eingetretener Komplikationen und eines notwendigen chirurgischen Eingriffs nicht aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte, reiste die Antragsgegnerin am 2. Februar 2007 mit Merlin nach Deutschland. Nach ihrem Vortrag sollte Samira nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ebenfalls nach Deutschland gebracht werden.
Der Antragsteller, der sich nicht mehr an die notarielle Vereinbarung gebunden fühlte, leitete im Juni 2007 in Spanien ein einstweiliges Sorgerechtsverfahren ein. In diesem Verfahren erließ das spanische Gericht erster Instanz am 8. November 2007 die hier relevante einstweilige Maßnahme mit folgendem Inhalt:
"Als dringende und sofortige einstweilige Maßnahme wird … vorsorglich beschlossen:
Die Übertragung des Sorgerechts für die beiden Kinder Samira und Merlin … an den Vater …; die elterliche Gewalt verbleibt bei beiden Elternteilen.
Zur Ausführung dieser Verfügung muss die Mutter den minderjährigen Sohn Merlin seinem in Spanien ansässigen Vater zurückgeben. …"
In den Gründen der Entscheidung stellte das spanische Gericht unter anderem fest, dass sich der Antragsteller auf das Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (Art. 1 und 2), auf die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 und auf Art. 8 des Deutsch-Spanischen Abkommens vom 14. November 1983 über die Zuständigkeit der spanischen Gerichte berufe. Weiter führte es aus, dass sich das spanische Gericht angesichts der angeführten europäischen Gesetzgebung und der zwischen Spanien und Deutschland geschlossenen Abkommen eindeutig als zuständig erweise. Sodann begründete das spanische Gericht seine Zuständigkeit insbesondere mit Art. 769.3 der spanischen Zivilprozessordnung und Art. 1 des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980. Im Einzelnen verwies es insbesondere auf den letzten Wohnsitz der Familie, den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes bis zur Ausreise nach Deutschland, die Staatsangehörigkeit des Antragstellers, seinen ständigen Wohnsitz in Spanien und den Umstand, dass das vorliegende Verfahren das erste in der Sache eingeleitete Verfahren sei. Außerdem erwähnte es die Auffassung der spanischen Staatsanwaltschaft, die zusätzlich zu den bereits genannten Gesichtspunkten berücksichtige, dass die notariell beglaubigte Urkunde in Spanien ausgefertigt und das Kind Merlin in Spanien geboren worden sei, und die außerdem bezweifle, dass die Ausreise Merlins aus Spanien ordnungsgemäß erfolgt sei.
Der Antragsteller hat beantragt, die spanische Entscheidung für in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckbar zu erklären. Entsprechend hat das Amtsgericht beschlossen, dass die Entscheidung des spanischen Gerichts mit der Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Antragsgegnerin nach wie vor die Ablehnung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung.
Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 10. Juni 2009 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Vorschriften der Art. 21 ff. der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und im Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel IIa-VO = EuEheVO) über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten auch auf vollstreckbare einstweilige Maßnahmen hinsichtlich des Sorgerechts im Sinne von Art. 20 Brüssel IIa-VO anwendbar sind. Der Gerichtshof hat diese Frage mit Urteil vom 15. Juli 2010 (Rs. C-256/09, FamRZ 2010, 1521) grundsätzlich verneint.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Ablehnung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, Gründe, die einer Vollstreckbarkeit der Entscheidung des spanischen Gerichts entgegenstünden, seien nicht ersichtlich. Zwar handle es sich um eine einstweilige Maßnahme. Die Brüssel IIa-VO unterscheide im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten aber nicht nach der Entscheidungsform, sondern fordere lediglich eine "gerichtliche Entscheidung".
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 15. Juli 2010 (Rs. C-256/09, FamRZ 2010, 1521) die Vorlagefrage dahingehend beantwortet, dass die Vorschriften der Art. 21 ff. Brüssel IIa-VO nicht auf einstweilige Maßnahmen hinsichtlich des Sorgerechts nach Art. 20 dieser Verordnung anwendbar sind. An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden.
Hieraus ergibt sich allerdings nicht, dass von dem Gericht eines Mitgliedstaates erlassene einstweilige Maßnahmen in einem anderen Mitgliedstaat generell nicht anerkannt und vollstreckt werden können. Diese Schlussfolgerung ist bereits deshalb unzutreffend, weil nicht jede von einem Mitgliedstaat erlassene einstweilige Maßnahme auf Art. 20 Brüssel IIa-VO beruht. Vielmehr ist ein nach Art. 3 ff. Brüssel IIa-VO zuständiges Gericht nicht nur für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig, sondern auch für den Erlass einstweiliger Maßnahmen. Demgegenüber erfasst Art. 20 Brüssel IIa-VO nur Maßnahmen von nach der Brüssel IIa-VO unzuständigen Gerichten (EuGH FamRZ 2010, 1521 Rn. 62 ff. - im Vorlageverfahren; Schlussanträge der Generalanwältin vom 20. Mai 2010 im Vorlageverfahren - juris Rn. 106, 132, 155; Helms FamRZ 2009, 1400, 1401 mwN; AnwK-BGB/Gruber Art. 20 EheVO 2003 Rn. 6 f.). Die Frage nach der Anerkennungsfähigkeit und Vollstreckbarkeit lässt sich daher nicht einheitlich beantworten. Vielmehr ist - jedenfalls für den Bereich des Sorgerechts - folgende Differenzierung angezeigt:
a) Erlässt ein nach Art. 8 ff. Brüssel IIa-VO in der Hauptsache zuständiges Gericht eine einstweilige Maßnahme, richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung dieser Maßnahme in anderen Mitgliedstaaten nach Art. 21 ff. Brüssel IIa-VO (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - C-296/10 - NJW 2011, 363 Rn. 73; Schlussanträge der Generalanwältin vom 20. Mai 2010 im Vorlageverfahren - juris Rn. 132, 155).
b) Erlässt demgegenüber ein nach Art. 8 ff. Brüssel IIa-VO unzuständiges Gericht eine einstweilige Maßnahme, kann diese Maßnahme Art. 20 Brüssel IIa-VO zur Grundlage haben. Art. 20 Brüssel IIa-VO begründet dabei allerdings keine Zuständigkeit im Sinne der Verordnung (EuGH FamRZ 2010, 1521 Rn. 61, 87 - im Vorlageverfahren; Schlussanträge der Generalanwältin vom 20. Mai 2010 im Vorlageverfahren - juris Rn. 106, 169; Rauscher/Rauscher EuZPR/ EuIPR [2010] Art. 20 Brüssel IIa-VO Rn. 17; AnwK-BGB/Gruber Art. 20 EheVO 2003 Rn. 10). Entsprechend sind auf eine derartige Maßnahme - wie der Gerichtshof der europäischen Union im Vorlageverfahren entschieden hat - die Art. 21 ff. Brüssel IIa-VO nicht anwendbar.
Dies steht indes der Anerkennung und Vollstreckung einer auf der Grundlage des Art. 20 Brüssel IIa-VO ergangenen Maßnahme in anderen Mitgliedstaaten nicht von vornherein entgegen. Vielmehr handelt es sich bei Art. 20 Brüssel IIa-VO um eine Öffnungsklausel. Während die Brüssel IIa-VO grundsätzlich unter den in Art. 59 bis 63 der Verordnung genannten Voraussetzungen Vorrang vor den meisten einschlägigen internationalen Übereinkommen hat (EuGH FamRZ 2010, 1521 Rn. 69 - im Vorlageverfahren), lässt Art. 20 Brüssel IIa-VO unter den dort genannten Voraussetzungen den Rückgriff auch auf an sich nachrangige Übereinkommen und gegebenenfalls auf das nationale Recht zu. Dies bedeutet nicht nur, dass sich die Zuständigkeit für einstweilige Maßnahmen unter den Voraussetzungen des Art. 20 Brüssel IIa-VO aus nachrangigen Übereinkommen und dem nationalen Recht ergeben kann (Schlussanträge der Generalanwältin vom 20. Mai 2010 im Vorlageverfahren - juris Rn. 177; AnwK-BGB/Gruber Art. 20 EheVO 2003 Rn. 7, 10; Rauscher/Rauscher aaO Art. 20 Brüssel IIa-VO Rn. 17), sondern auch, dass die Anerkennung und Vollstreckung solcher Maßnahmen auf der Grundlage der dort enthaltenen Rechtsinstrumente in Betracht kommt (EuGH FamRZ 2010, 1521 Rn. 92 - im Vorlageverfahren; Schlussanträge der Generalanwältin vom 20. Mai 2010 im Vorlageverfahren - juris Rn. 176 f.; Helms FamRZ 2009, 1400, 1401).
c) Sind schließlich auch die Voraussetzungen des Art. 20 Brüssel IIa-VO nicht gegeben, kommt eine Anerkennung und Vollstreckung der von einem nach der Brüssel IIa-VO unzuständigen Gericht erlassenen einstweiligen Maßnahme grundsätzlich nicht in Betracht. Art. 20 Brüssel IIa-VO erlaubt den Rückgriff auf die genannten anderen Rechtsinstrumente nur, wenn die zu treffende Maßnahme dringlich ist, einstweiligen Charakter hat und sich auf Personen oder Vermögensgegenstände bezieht, die sich in dem Mitgliedstaat befinden, in dem das mit der Sache befasste Gericht seinen Sitz hat (EuGH FamRZ 2010, 1521 Rn. 77 - im Vorlageverfahren; EuGH FamRZ 2010, 525 Rn. 39 f.; 2009, 843 Rn. 47). Ist dies nicht der Fall, bleibt es bei dem abschließenden Charakter der Brüssel IIa-VO.
Dabei ist das Gericht, das über die Anerkennung und Vollstreckung einer von einem nach der Brüssel IIa-VO unzuständigen Gericht erlassenen Maßnahme zu befinden hat, nicht daran gehindert zu überprüfen, ob bei Erlass der Maßnahme die Voraussetzungen des Art. 20 Brüssel IIa-VO gegeben waren (vgl. EuGH FamRZ 2010, 1521 Rn. 78 - im Vorlageverfahren). Denn da die Art. 21 ff. Brüssel IIa-VO auf derartige Maßnahmen nicht anwendbar sind, greift auch Art. 24 Brüssel IIa-VO nicht, der ansonsten eine Überprüfung der Zuständigkeit verbieten würde (Schlussanträge der Generalanwältin vom 20. Mai 2010 im Vorlageverfahren - juris Rn. 179).
d) Aus den vorstehend erläuterten Grundsätzen folgt, dass für die Anerkennung und Vollstreckung einer einstweiligen Maßnahme von entscheidender Bedeutung ist, auf welcher Grundlage sie beruht.
aa) Maßgebend für die Abgrenzung kann insofern nicht sein, ob das die einstweilige Maßnahme erlassende Gericht tatsächlich in der Hauptsache zuständig war. Vielmehr ist der Anwendungsbereich der Art. 21 ff. Brüssel IIa-VO danach abzugrenzen, ob das Ursprungsgericht seine Zuständigkeit auf Art. 8 ff. Brüssel IIa-VO gestützt hat. Denn Art. 24 Brüssel IIa-VO untersagt es dem Vollstreckungsgericht, die Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats zu überprüfen. Hat das Ursprungsgericht seine Zuständigkeit nach Art. 8 ff. Brüssel IIa-VO bejaht, ist das Vollstreckungsgericht an diese Beurteilung der Zuständigkeit gebunden. Dies ist Ausfluss des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens, auf dem die vereinfachte Anerkennung und Vollstreckung gemäß Art. 21 ff. Brüssel IIa-VO beruhen (21. Erwägungsgrund der Brüssel IIa-VO; EuGH FamRZ 2010, 1521 Rn. 71 f., 74 - im Vorlageverfahren und FamRZ 2010, 525 Rn. 45; Schlussanträge der Generalanwältin vom 20. Mai 2010 im Vorlageverfahren - juris Rn. 92, 112, 125).
bb) Indes kann zweifelhaft sein, worauf das Ursprungsgericht seine Zuständigkeit gestützt hat. In derartigen Fällen verbietet es Art. 24 Brüssel IIa-VO nicht, anhand der in der Entscheidung des Ursprungsgerichts enthaltenen Ausführungen zu prüfen, ob dieses seine Zuständigkeit auf eine Vorschrift der Brüssel IIa-VO stützen wollte. Denn eine derartige Prüfung beinhaltet keine Nachprüfung der Zuständigkeit des Ursprungsgerichts, sondern dient nur der Ermittlung der Grundlage, auf der das Gericht seine Zuständigkeit bejaht hat (EuGH FamRZ 2010, 1521 Rn. 75 - im Vorlageverfahren; Schlussanträge der Generalanwältin vom 20. Mai 2010 im Vorlageverfahren - juris Rn. 139).
cc) Ergibt diese Prüfung, dass die zu vollstreckende Entscheidung keine eindeutige Begründung für die Zuständigkeit des Ursprungsgerichts in der Hauptsache unter Bezugnahme auf eine der in den Art. 8 bis 14 Brüssel IIa-VO genannten Zuständigkeiten enthält, und ergibt sich die Hauptsachezuständigkeit auch nicht offensichtlich aus der erlassenen Entscheidung, so ist davon auszugehen, dass die zu vollstreckende Entscheidung nicht nach den Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel IIa-VO ergangen ist. In diesem Fall ist anhand von Art. 20 der Verordnung zu prüfen, ob die einstweilige Maßnahme unter diese Öffnungsklausel fällt (EuGH FamRZ 2010, 1521 Rn. 76 - im Vorlageverfahren; vgl. außerdem EuGH Slg. 1999, I-2277 Rn. 50, 53 ff. zum Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen).
(1) Nur eine derartige Sichtweise entspricht den Zielen der Brüssel IIa-VO. Denn wäre in den vorgenannten Zweifelsfällen zu vermuten, dass sich das Gericht des Ursprungsmitgliedstaates auf seine Zuständigkeit in der Hauptsache gestützt hat, bestünde die Gefahr einer Umgehung der Brüssel IIa-VO (vgl. EuGH Slg. 1999, I-2277 Rn. 47, 55 zum Übereinkommen vom 27. September 1968 aaO).
(2) Auch der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens erfordert keine Vermutung zugunsten der Inanspruchnahme einer Hauptsachezuständigkeit. Denn dieser Grundsatz ist mit der Erwartung verknüpft, dass das Gericht, welches über die Anordnung einer einstweiligen Maßnahme zu befinden hat, seine Zuständigkeit anhand der Art. 8 bis 14 Brüssel IIa-VO überprüft und dass aus der von ihm erlassenen Entscheidung klar hervorgeht, dass es sich den in dieser Verordnung vorgesehenen unmittelbar anwendbaren Zuständigkeitsvorschriften hat unterwerfen wollen oder nach diesen entschieden hat (EuGH FamRZ 2010, 1521 Rn. 68, 73 mwN - im Vorlageverfahren).
(3) Das Vollstreckungsgericht ist in Zweifelsfällen auch nicht verpflichtet, sich zunächst bei dem Gericht des Ursprungsmitgliedstaates zu erkundigen, auf welcher Grundlage dieses sich für zuständig erachtet habe (so aber die Schlussanträge der Generalanwältin vom 20. Mai 2010 im Vorlageverfahren - juris Rn. 144 f., 155). Zwar hat der EuGH in einem zwischen den Parteien dieses Verfahrens geführten Parallelverfahren entschieden, dass das später angerufene Gericht zu Erkundigungen beim Ursprungsgericht verpflichtet sein kann, wenn es die Frage nach einer etwa entgegenstehenden Rechtshängigkeit gemäß Art. 19 Abs. 2 Brüssel IIa-VO zu klären hat (EuGH Urteil vom 9. November 2010 - C-296/10 - Purrucker - NJW 2011, 363 Rn. 81 f.). Diese Entscheidung lässt sich indes nicht auf die hier zu entscheidende Frage der Vollstreckbarkeit einer ausländischen Entscheidung übertragen. Ob das später angerufene Gericht das Verfahren gemäß Art. 19 Abs. 2 Brüssel IIa-VO auszusetzen hat, hängt unter anderem davon ab, welches der Gegenstand des vor dem zuerst angerufenen Gericht anhängigen Verfahrens ist, also von Umständen, die außerhalb des Verfahrens des später angerufenen Gerichts liegen. Insoweit liegt es nahe, in Zweifelsfällen weitere Ermittlungen und gegebenenfalls Erkundigungen zu fordern. Demgegenüber betrifft die Frage nach der Grundlage einer zu vollstreckenden Entscheidung allein deren Auslegung, also eine ureigene Aufgabe des Vollstreckungsgerichts. Eine Verpflichtung zur Rückfrage wäre insoweit systemfremd und wurde dementsprechend vom Gerichtshof der Europäischen Union im Vorlageverfahren auch nicht thematisiert.
3. Nach diesen Grundsätzen kann die einstweilige Anordnung des spanischen Gerichts vom 8. November 2007 nicht für in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckbar erklärt werden.
a) Eine Hauptsachezuständigkeit ergibt sich nicht offensichtlich aus der Entscheidung des spanischen Gerichts.
aa) Die Voraussetzungen des Art. 10 Brüssel IIa-VO sind nicht offensichtlich erfüllt. Vielmehr ist in Anbetracht der in der Entscheidung vom 8. November 2007 mitgeteilten Umstände zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin das Kind Merlin widerrechtlich nach Deutschland verbracht oder dort widerrechtlich zurückgehalten hat.
Erfolgt eine auf Dauer angelegte Ausreise eines Kindes mit Zustimmung aller Sorgeberechtigter, ist das Verbringen des Kindes ebenso wenig widerrechtlich wie dessen dauerhafter Aufenthalt im Zielstaat. Der Aufenthalt wird auch nicht dadurch nachträglich widerrechtlich - mit der Folge, dass nunmehr ein widerrechtliches Zurückbehalten zu bejahen wäre -, dass ein Sorgeberechtigter nach der Ausreise nicht mehr mit dem weiteren Aufenthalt des Kindes im Zielstaat einverstanden ist und dessen Rückkehr fordert (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 239; Geimer/Schütze/Dilger Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Art. 10 Brüssel IIa-VO Rn. 11; Rauscher/Rauscher aaO Art. 2 Brüssel IIa-VO Rn. 26).
Wie sich aus der zu vollstreckenden Entscheidung vom 8. November 2007 ergibt, haben die Parteien am 30. Januar 2007 eine notarielle Vereinbarung geschlossen, wonach die Antragsgegnerin mit den Kindern nach Deutschland zurückkehren durfte. Mag diese Vereinbarung mangels gerichtlicher Genehmigung auch nicht vollstreckbar sein (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin vom 20. Mai 2010 im Vorlageverfahren - juris Rn. 51), so kommt in ihr doch zum Ausdruck, dass der Antragsteller zunächst mit der auf Dauer angelegten Ausreise der Kinder nach Deutschland einverstanden war.
Weiter folgt aus der zu vollstreckenden Entscheidung nicht ohne weiteres, dass der Antragsteller bereits vor der Ausreise Merlins nicht mehr mit dieser einverstanden war. Zwar wird einerseits in der Entscheidung mitgeteilt, dass der Antragsteller noch vor der Ausreise die Polizei aufgesucht habe, weil er eine Ausreise der Antragsgegnerin mit beiden Kindern befürchtet habe, und dass er bei der Gemeindeverwaltung um Auskunft und Hilfe gebeten habe. Andererseits wird aber von erst nach der Ausreise eingetretenen Umständen berichtet, die der Antragsteller zum Anlass genommen habe, sein vor dem Notar erklärtes Einverständnis zurückzuziehen, was für einen erst nach der Ausreise erfolgten Sinneswandel des Antragstellers sprechen könnte.
Weil somit nicht unzweifelhaft davon ausgegangen werden kann, dass die auf Dauer angelegte Ausreise Merlins ohne Zustimmung des Antragstellers erfolgte, ist ein widerrechtliches Verbringen oder Zurückhalten nicht offensichtlich zu bejahen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Antragsteller ausweislich des zu vollstreckenden Beschlusses angedeutet hat, die notarielle Vereinbarung könnte unter betrügerischem Einfluss und unter Druck unterzeichnet worden sein. Dies gilt schon deshalb, weil der Antragsteller solches nicht einmal konkret behauptet hat.
bb) Ebenso wenig hatte Merlin im Zeitpunkt der Einleitung des Eilverfahrens vor dem spanischen Gericht seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Art. 8 Brüssel IIa-VO offensichtlich noch in Spanien. Zwar waren bei Einleitung des Eilverfahrens seit der Ausreise weniger als vier Monate vergangen. Jedoch kommt der Erwerb eines gewöhnlichen Aufenthalts im Zielstaat auch nach derart kurzer Zeit dann in Betracht, wenn der Aufenthalt von vornherein auf Dauer angelegt ist und die auf Dauer angelegte Ausreise rechtmäßig erfolgt ist (OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 239 mwN; vgl. auch Senatsbeschluss BGHZ 163, 248, 257 = FamRZ 2005, 1540, 1543) - was aus den vorstehenden Gründen nicht ausgeschlossen werden kann. Die für die Frage nach dem gewöhnlichen Aufenthalt maßgebenden Umstände des Einzelfalls begründen vor diesem Hintergrund nicht offensichtlich einen fortbestehenden gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien.
cc) Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte mitgeteilt, die eine Zuständigkeit nach Art. 9 oder Art. 12 ff. Brüssel IIa-VO rechtfertigen könnten. Insbesondere fehlt es an einer Anerkennung der Zuständigkeit der spanischen Gerichte durch die Antragsgegnerin im Sinne des Art. 12 Abs. 3 Brüssel IIa-VO. Sie hat der Zuständigkeit der spanischen Gerichte vielmehr ausdrücklich widersprochen.
b) Weiter findet sich in der Entscheidung des spanischen Gerichts keine eindeutige Begründung für dessen Hauptsachezuständigkeit unter Bezugnahme auf eine der in den Art. 8 bis 14 Brüssel IIa-VO genannten Zuständigkeiten.
Zwar mag die zu vollstreckende Entscheidung einige Anhaltspunkte dafür aufweisen, dass sich das Gericht nach der Brüssel IIa-VO in der Hauptsache für zuständig gehalten hat (vgl. im Einzelnen Schlussanträge der Generalanwältin vom 20. Mai 2010 im Vorlageverfahren - juris Rn. 61, 104, 146). Unzweifelhaft ist dies indes nicht. Vielmehr entsprechen mehrere Umstände, auf die sich das Gericht zur Begründung seiner Zuständigkeit bezogen hat, nicht solchen Kriterien, die eine Zuständigkeit der spanischen Gerichte nach der Brüssel IIa-VO begründen könnten. Die Erwähnung dieser Umstände - etwa die Staatsangehörigkeit des Antragstellers und die Ausfertigung der notariellen Urkunde in Spanien - ergibt nur dann einen Sinn, wenn man unterstellt, dass das spanische Gericht über die Öffnungsklausel des Art. 20 Brüssel IIa-VO Zuständigkeiten in Anspruch genommen hat, die aus gegenüber der Brüssel IIa-VO nachrangigen Übereinkommen bzw. aus nationalem Recht folgen. Erst recht lassen die Ausführungen des spanischen Gerichts nicht erkennen, nach welcher Vorschrift der Brüssel IIa-VO das Gericht gegebenenfalls seine Zuständigkeit bejaht haben könnte (vgl. EuGH FamRZ 2010, 1521 Rn. 65 f. - im Vorlageverfahren).
c) Ist somit davon auszugehen, dass die Entscheidung des spanischen Gerichts nicht nach den Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel IIa-VO ergangen ist, kommt eine Vollstreckbarerklärung der Entscheidung nicht in Betracht. Denn auch die Voraussetzungen der Öffnungsklausel des Art. 20 Brüssel IIa-VO, die eine Vollstreckbarerklärung in Anwendung anderer internationaler oder nationaler Rechtsvorschriften ermöglichen könnte, sind nicht erfüllt. Es fehlt bereits am erforderlichen Inlandsbezug, da sich Merlin im Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Maßnahme nicht in Spanien, sondern in Deutschland befunden hat.
III.
Nach alledem ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst abschließend entscheiden, da weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind. Da eine Vollstreckbarerklärung der Entscheidung des spanischen Gerichts nicht in Betracht kommt, war der entsprechende Antrag des Antragstellers abzulehnen.
Hahne Weber-Monecke Dose
Schilling Günter