Entscheidungsdatum: 13.04.2011
Enthält eine Versorgungsordnung die Regelung, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung wegfällt, wenn der Witwer oder die Witwe wieder heiratet (sog. Wiederverheiratungsklausel), kann ein geschiedener, wieder verheirateter Ehegatte von dem Träger der Versorgung auch dann nicht die Zahlung einer Ausgleichsrente im Wege des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs verlangen, wenn die zweite Ehe nach dem Tod des früheren Ehemannes, aber vor Eintritt in das Rentenbezugsalter geschlossen wird (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2005, XII ZB 39/01, FamRZ 2006, 326) .
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 15. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. Juni 2009 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.000 €
I.
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Wege des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs auf Zahlung einer Ausgleichsrente in Anspruch.
Sie war mit einem früheren Werksangehörigen der Antragsgegnerin verheiratet. Die Ehe wurde durch Verbundurteil des Familiengerichts vom 24. Januar 1985 geschieden; dabei blieb der Ausgleich der betrieblichen Altersversorgung des Ehemanns bei der Antragsgegnerin dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten.
Am 5. Mai 1986 verstarb der frühere Ehemann der Antragstellerin; am 4. Dezember 1992 heiratete diese erneut. Nach der Satzung (im Folgenden: Versorgungsordnung) der Antragsgegnerin steht der Witwe eines Versicherten eine Witwenrente zu. Gemäß § 32 lit. b der Versorgungsordnung wird die Witwenrente mit dem Ablauf des Monats der Wiederverheiratung eingestellt, wenn die Witwe sich wiederverheiratet. Gemäß § 33 der Versorgungsordnung erhält die wieder heiratende Witwe - sofern der Ehegatte als aktiver Mitarbeiter oder Invalide gestorben ist - 36 Monatsrenten als Abfindung; die wieder heiratende Witwe eines Pensionärs erhält 24 Monatsrenten als Abfindung.
Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin verpflichtet, an die Antragstellerin eine monatliche Ausgleichsrente von 619,71 € zu zahlen. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Beschwerdegericht den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und den Antrag auf Durchführung des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, jedenfalls aber eine Abfindung erstrebt.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1, 4 FGG-RG, § 48 Abs. 1, 2 VersAusglG noch das bis August 2009 geltende Verfahrensrecht und materielle Recht anzuwenden, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist und weil es weder am 1. September 2009 noch danach abgetrennt oder ausgesetzt und das Ruhen nicht angeordnet war (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100).
1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: § 3 a Abs. 1 Satz 1 VAHRG sehe nur dann einen Leistungsanspruch vor, wenn der Ausgleichsberechtigte bei angenommenem Fortbestehen der Ehe von dem Träger der Versorgung eine Hinterbliebenenversorgung als Witwe oder Witwer erhielte. Eine verlängerte schuldrechtliche Ausgleichsrente komme dann nicht in Betracht, wenn der Versorgungsträger die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft habe und diese Voraussetzungen in der Person des geschiedenen ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht vorlägen. Dies gelte insbesondere in Fällen, in denen eine Wiederverheiratungsklausel Bestandteil der Versorgungsordnung sei. Die geschiedene Frau eines später verstorbenen Mannes sei als "Witwe" im Sinne der Versorgungsordnung zu behandeln. Auch eine Abfindung nach § 33 der Versorgungsordnung stehe der Antragstellerin nicht zu, da diese voraussetze, dass der Anspruch auf Witwenrente zunächst entstand und erst infolge von Wiederheirat weggefallen sei.
2. Diese Ausführungen des Beschwerdegerichts halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Nach § 3 a Abs. 1 Satz 1 VAHRG kann der geschiedene ausgleichsberechtigte Ehegatte in den Fällen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs von dem Träger der auszugleichenden Versorgung, von dem er, wenn die Ehe bis zum Tod des ausgleichspflichtigen Ehegatten fortbestanden hätte, eine Hinterbliebenenversorgung erhielte, bis zur Höhe dieser Hinterbliebenenversorgung die Ausgleichsrente nach § 1587 g BGB verlangen, und zwar auch dann, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte noch keine Versorgung erlangt hatte. Durch die Verpflichtung, auch dem geschiedenen ausgleichsberechtigten Ehegatten des Versicherten in Form des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs eine Versorgung zu gewähren, wird der Versorgungsträger mit einem zusätzlichen Risiko belastet. Diese zusätzliche Belastung erschien dem Gesetzgeber nur hinnehmbar, wenn und soweit der Versorgungsträger dem geschiedenen ausgleichsberechtigten Ehegatten für den Fall, dass die Ehe mit dem Versicherten bis zu dessen Tod fortbestanden hätte, zur Zahlung einer (Hinterbliebenen-)Versorgung verpflichtet gewesen wäre. Daran fehlt es nicht nur dann, wenn der Versorgungsträger seinem Versicherten überhaupt keine Hinterbliebenenversorgung zugesagt hat. Eine verlängerte schuldrechtliche Ausgleichsrente kommt vielmehr auch dann nicht in Betracht, wenn der Versorgungsträger die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft hat und diese Voraussetzungen in der Person des geschiedenen ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht vorliegen (Senatsbeschluss vom 17. November 2004 - XII ZB 46/01 - FamRZ 2005, 189, 190).
Das ist hier der Fall: Die Antragsgegnerin hat in ihrer Versorgungsordnung zwar eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt. Die Gewährung dieser Hinterbliebenenversorgung steht jedoch unter der auflösenden Bedingung, dass der hinterbliebene Ehegatte erneut heiratet. Da § 3 a VAHRG die Antragstellerin nicht besser stellen will als sie stünde, wenn ihre Ehe durch den Tod ihres (ersten) Ehemannes aufgelöst worden wäre, schließt diese Wiederverheiratungsklausel einen Anspruch der wieder verheirateten Antragstellerin auf verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich unabhängig davon aus, ob die zweite Ehe vor oder nach dem Tod des geschiedenen Ehemannes geschlossen worden ist.
b) Soweit mit der Rechtsbeschwerde die Rechtswirksamkeit der in der Versorgungsordnung der Antragsgegnerin vorgesehenen Wiederverheiratungsklausel in Zweifel gezogen wird, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
aa) Wiederverheiratungsklauseln beruhen auf der Vorstellung, dass der hinterbliebene Ehegatte, der sich erneut verheiratet, in dem Zusammenleben mit dem neuen Ehegatten eine angemessene Versorgung findet und auf eine Versorgung nach seinem verstorbenen Ehegatten nicht länger angewiesen ist. Diese Vorstellung hat für die gesetzliche Rentenversicherung in § 107 SGB VI, der in der Versorgungsordnung der Antragsgegnerin nachgebildet ist, ihren Niederschlag gefunden. Die Überlegung rechtfertigt es, auch den Anspruch des geschiedenen Ehegatten auf verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich auszuschließen (Senatsbeschluss vom 17. November 2004 - XII ZB 46/01 - FamRZ 2005, 189, 190).
Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt wird und welchen Umfang diese hat, kann der Versorgungsträger frei bestimmen. Enthält eine Versorgungsordnung die Regelung, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nicht (mehr) besteht, so entfällt mithin auch eine Zahlungspflicht des Versorgungsträgers nach § 3 a VAHRG. Andererseits kann ein Anspruch nach § 3 a VAHRG nicht isoliert durch eine Bestimmung der Versorgungsordnung ausgeschlossen werden, etwa indem festgelegt wird, dass die Witwenrente nur im Fall des Fortbestehens der Ehe bis zum Tod des Ehemannes gezahlt wird. Denn durch eine solche Regelung würde die zwingende Vorschrift des § 3 a VAHRG umgangen, nach der eine vorgesehene Hinterbliebenenversorgung auch dem - geschiedenen - ausgleichsberechtigten Ehegatten zugutekommen muss. Hingegen stellt eine Wiederverheiratungsklausel, nach der im Fall der Wiederheirat des hinterbliebenen Ehegatten der Anspruch auf Hinterbliebenenrente ruht oder wegfällt, eine Regelung dar, durch die die Versorgung eines Hinterbliebenen unabhängig davon beschränkt wird, ob der Wiederverheiratung eine Ehescheidung oder das Vorversterben des Versicherten in bestehender Ehe vorausgeht. Sie enthält daher - anders als eine Scheidungsklausel - keine Umgehung der Regelung des § 3 a VAHRG (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2005 - XII ZB 39/01 - FamRZ 2006, 326, 327).
bb) Die Wiederverheiratungsklausel verstößt auch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG, weil der Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Zusatzversorgung dem Schutzbereich dieses Grundrechts nicht unterfällt (vgl. für die Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung: BVerfGE 97, 271, 283 ff.; für die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst: BGH Urteil vom 24. Februar 2010 - IV ZR 7/09 - NVwZ-RR 2010, 689, 692). Zwar können zu den von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtspositionen auch Ansprüche und Anwartschaften auf Rentenleistungen gehören, wenn es sich um vermögensrechtliche Rechtspositionen handelt, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet sind, auf dessen nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen und seiner Existenzsicherung dienen. Es fehlt hier aber bereits die Anknüpfung des Rentenanspruchs an eine individuell zurechenbare Eigenleistung des Rentenberechtigten, denn ähnlich wie bei der gesetzlichen Rente wird die Hinterbliebenenrente als Element des sozialen Ausgleichs dem Rentenempfänger ohne eigene Beitragsleistung und ohne eine gegenüber unverheirateten Versicherten erhöhte Beitragslast gewährt (BVerfGE 97, 271, 283 ff.).
cc) Entgegen dem von der Rechtsbeschwerde eingenommenen Standpunkt liegt in der Wiederverheiratungsklausel auch keine Benachteiligung gegenüber dem Falle einer im Ausland geschlossenen und als rechtswirksam zu behandelnden Mehrehe. Denn eine vor dem Tode des verstorbenen Versicherten geschlossene Zweitehe des hinterbliebenen Ehegatten stünde seiner Wiederverheiratung gleich und schlösse einen Witwer- und Witwenrentenanspruch ebenfalls aus. Das gilt in der betrieblichen Altersversorgung ebenso wie in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Juni 2004 - L 2 RA 429/03 - Juris; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II - SGB VI, Stand November 2005, § 46 Rn. 21). Daher schließt auch die in § 3 a Abs. 1 Satz 1 VAHRG enthaltene Fiktion des Fortbestandes der Erstehe es nicht aus, eine nach der Scheidung rechtswirksam erfolgte Wiederverheiratung in die Prüfung der satzungsgemäßen Anspruchsvoraussetzungen der Hinterbliebenenversorgung einzubeziehen.
c) Die Antragstellerin kann auch nicht deshalb eine verlängerte schuldrechtliche Ausgleichsrente von der Antragsgegnerin verlangen, weil in deren Versorgungsordnung einer (echten) Witwe oder einem (echten) Witwer für den Fall der Wiederverheiratung eine Abfindung zugesagt wird. Die Abfindung setzt nämlich stets voraus, dass der Anspruch auf Witwenrente zunächst entstanden ist, dann infolge der Wiederverheiratung eingestellt (§ 32 der Versorgungsordnung) und deshalb durch die Abfindung surrogiert wird (Senatsbeschluss vom 17. November 2004 - XII ZB 46/01 - FamRZ 2005, 189, 191).
So liegen die Dinge im vorliegenden Fall aber nicht: Hier hat die Antragstellerin, die nach dem Tod ihres (ersten) Ehemannes und noch vor dem Eintritt in das Rentenalter erneut geheiratet hat, schon keinen Anspruch auf verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gegen die Antragsgegnerin erworben. Ein solcher Anspruch konnte deshalb von vornherein auch nicht durch Zahlung eines bestimmten Betrages abgefunden werden. Darin liegt ebenfalls keine Umgehung der Vorschrift des § 3 a VAHRG, denn auch der Anspruch auf die Abfindung knüpft nicht an das Bestehen der Ehe im Renteneintrittszeitpunkt an, sondern daran, ob die Wiederverheiratung vor oder nach dem Eintritt in das Rentenbezugsalter erfolgt. Ein geschiedener Ehegatte, der sich erst nach dem Eintritt in das Rentenbezugsalter wiederverheiratete, erhielte die Abfindung.
Dose Weber-Monecke Schilling
Günter Nedden-Boeger