Entscheidungsdatum: 25.10.2011
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 25. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussrevision der Klägerin werden das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 25. Januar 2011 aufgehoben und das Urteil der Zivilkammer 2 des Landgerichts Berlin vom 6. April 2010 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
Die durch die Anrufung des unzuständigen Verwaltungsgerichts B. entstandenen Mehrkosten hat die Klägerin zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen
Die Klägerin nimmt die beklagte Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen auf Entschädigung nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (im Folgenden: EAEG) in Anspruch.
Die Klägerin beteiligte sich mit Beteiligungsverträgen vom 22. April 1998 und 12. Februar 2002 mit Anlagebeträgen von 18.735,41 € und 8.560 € jeweils einschließlich Agio an dem Phoenix Managed Account (im Folgenden: PMA), einer von der Phoenix Kapitaldienst GmbH (im Folgenden: P. GmbH) im eigenen Namen und für gemeinsame Rechnung der Anleger verwalteten Kollektivanlage, deren Gegenstand nach Nummer 1.4 der in den Geschäftsbesorgungsvertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (im Folgenden: AGB) die Anlage der Kundengelder in "Termingeschäften (Futures und Optionen) für gemeinsame Rechnung zu Spekulationszwecken mit Vorrang von Stillhaltergeschäften" war. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sahen ferner in Nummer 10.2 vor, dass der P. GmbH eine Verwaltungsgebühr von 0,5% pro Monat von dem jeweiligen Vermögensstand des PMA zustehen sollte.
Die P. GmbH war bis Ende 1997 auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt tätig. Ab dem 1. Januar 1998 wurde sie als Wertpapierhandelsbank eingestuft und der Aufsicht des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel unterstellt. Spätestens seit jenem Jahr legte die P. GmbH nur noch einen geringen Teil der von ihren Kunden vereinnahmten Gelder vertragsgemäß in Termingeschäften an. Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines "Schneeballsystems" für Zahlungen an Altanleger und für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten verwendet.
Im März 2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht der P. GmbH den weiteren Geschäftsbetrieb und stellte am 15. März 2005 den Entschädigungsfall fest. Am 1. Juli 2005 wurde über das Vermögen der P. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Klägerin meldete ihren Entschädigungsanspruch bei der Beklagten im April 2005 an. Im Juni 2009 erhob sie gegen die Beklagte vor dem Verwaltungsgericht B. Untätigkeitsklage mit dem Antrag, die Beklagte zur Bescheidung ihres Entschädigungsantrags, hilfsweise zur Zahlung von 20.000 € zu verpflichten. Das Verwaltungsgericht hat den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit mit Beschluss vom 23. Oktober 2009 an das Landgericht Berlin verwiesen. Bereits mit Schreiben vom 21. September 2009 hatte die Beklagte der Klägerin eine Teilentschädigung von 12.732,75 € gewährt. Darin stellte sie - nach Abzug von Agio, Handelsverlust und Bestandsprovisionen - den "Endstand der Beteiligung" der Klägerin mit 21.618,45 € fest. Ferner machte sie - neben der Berücksichtigung des gesetzlichen Selbstbehalts von 10% - einen Einbehalt in Höhe von 7.470,96 € wegen möglicher Aussonderungsrechte der Klägerin an den auf den (Treuhand-)Konten noch vorhandenen Geldern geltend. Insoweit berief sie sich darauf, dass der Insolvenzverwalter über das Vermögen der P. GmbH zur Frage des Bestehens von Aussonderungsrechten Rechtsgutachten eingeholt und Wirtschaftsprüfer beauftragt habe, die in ihren Gutachten zu unterschiedlichen Berechnungsmethoden mit unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien.
Mit der Klage hat die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von 90% des einbehaltenen Betrages, d.h. von 6.723,86 €, verlangt. Sie ist der Ansicht, der Einbehalt wegen etwaiger Aussonderungsrechte und - hilfsweise - die Abzüge der Bestandsprovisionen über 3.759,82 € seien nicht gerechtfertigt.
Das Landgericht hat der Klage nach dem Hauptantrag der Klägerin stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht der Klage nur in Höhe von 3.384,17 € stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin mit ihrer Anschlussrevision zunächst die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt hat. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 18. Juli 2011 eine weitere Teilentschädigung in Höhe von 6.723,86 € gewährt und anschließend gezahlt hat, hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Sie begehrt nunmehr - da die Beklagte der Erledigung widersprochen hat - die Feststellung, dass die Hauptsache erledigt ist.
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Dagegen ist auf die Anschlussrevision der Klägerin unter Aufhebung des Berufungsurteils und Abänderung des Urteils des Landgerichts festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, weil die Klage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (Kammergericht, Urteil vom 25. Januar 2011 - 9 U 117/10, juris) im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe zwar gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Entschädigungsanspruch aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG zu; bei dem PMA handele es sich um ein Finanzkommissionsgeschäft. Die Beklagte habe aber zu Recht wegen möglicher Aussonderungsrechte der Klägerin einen Einbehalt vornehmen dürfen. Durch Aussonderungsrechte gesicherte Verbindlichkeiten seien nach §§ 3, 4 EAEG nicht entschädigungsfähig. Da der Beklagten nicht die Prüfung und Klärung der offenen insolvenzrechtlichen Fragen im Verhältnis zwischen den Anlegern und dem Insolvenzverwalter obliege, dürfe sie die höchstrichterliche Klärung dieser Fragen abwarten.
Die Klägerin habe aber gegen die Beklagte einen weiteren - hilfsweise geltend gemachten - Teilentschädigungsanspruch in Höhe von 90% der abgezogenen Bestandsprovisionen, mithin in Höhe von 3.384,17 € (rechnerisch richtig: 3.383,84 €). Dieser Abzug sei zu Unrecht erfolgt. Die Klägerin sei so zu stellen, wie wenn sie die Beteiligungsverträge nach Aufnahme des Schneeballsystems gekündigt bzw. nicht abgeschlossen hätte. Die Provisionen müsse sie sich nicht anrechnen lassen, weil die P. GmbH ihren Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung mit Aufnahme des fortgesetzt betrügerischen und vertragswidrigen Verhaltens verwirkt habe.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand.
A. Revision der Beklagten
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Entschädigungsanspruch aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EAEG in Höhe von 90% der von der Beklagten abgezogenen Bestandsprovisionen, nach seiner von der Revision nicht angegriffenen Berechnung 3.384,17 €, zu Recht bejaht.
1. Die P. GmbH, ein unter anderem mit Finanzkommissionsgeschäften befasstes Kreditinstitut (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG), war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein der beklagten Entschädigungseinrichtung zugeordnetes Institut (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EAEG). Den Eintritt des Entschädigungsfalles hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gemäß § 1 Abs. 5, § 5 Abs. 1 EAEG festgestellt.
2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei eine Verbindlichkeit der P. GmbH gegenüber der Klägerin aus Wertpapiergeschäften bejaht.
a) Zwischen der Klägerin und der P. GmbH ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (hier: Derivate, § 1 Abs. 11 Sätze 1 und 4 KWG) im eigenen Namen für fremde Rechnung geschlossen worden. Dabei handelt es sich - wie der Senat mit Urteil vom 20. September 2011 (XI ZR 434/10, Rn. 15 ff., für BGHZ bestimmt) im Einzelnen begründet hat - um Finanzkommissionsgeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG und somit um Wertpapiergeschäfte nach § 1 Abs. 3 EAEG.
b) Es bestand auch eine Verbindlichkeit der P. GmbH gegenüber der Klägerin aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag.
Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010; vgl. hierzu Senatsurteil vom 23. November 2010 - XI ZR 26/10, BGHZ 187, 327 Rn. 15) sind Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften Verpflichtungen eines Instituts zur Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Wie der Senat mit Urteil vom 23. November 2010 (XI ZR 26/10, BGHZ 187, 327 Rn. 14 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, wird von dieser Vorschrift auch der von der Klägerin gegen die P. GmbH geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der von ihr eingezahlten Gelder, der seine Grundlage in § 675 Abs. 1, § 667 Fall 1 BGB hat, erfasst. Denn bei den vertragswidrig verwendeten Anlagegeldern handelt es sich um Gelder, die dem Anleger gehören und für dessen Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz bezweckt gerade auch den Schutz des Anlegers vor solchen Vertragsverletzungen eines Instituts, die den Anspruch des Kunden auf Rückzahlung der eingezahlten, aber vertragswidrig verwendeten Gelder vereiteln (Senatsurteil vom 23. November 2010, aaO, Rn. 28).
3. Wie das Berufungsgericht weiter zutreffend ausgeführt hat, umfasst der Entschädigungsanspruch auch die von der Beklagten in ihrem Schreiben vom 21. September 2009 - zu Unrecht - abgezogene Bestandsprovision.
a) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EAEG richtet sich der Entschädigungsanspruch des Anlegers nach Höhe und Umfang der ihm gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften unter Berücksichtigung etwaiger Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte des Instituts.
aa) Die Bemessung des Entschädigungsanspruchs erfolgt danach in zwei Schritten. Zunächst sind Höhe und Umfang der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften festzustellen. Diese umfassen nach § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG die Verpflichtungen des Instituts auf Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Sodann sind etwaige Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte des Instituts zu klären und gegebenenfalls nach allgemeinen Grundsätzen dem Entschädigungsanspruch gegenüberzustellen; die Darlegungs- und Beweislast trifft insoweit die Entschädigungseinrichtung (vgl. Senatsurteil vom 23. November 2010 - XI ZR 26/10, BGHZ 187, 327 Rn. 32). Der so bemessene Entschädigungsanspruch ist gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EAEG auf 90% der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften und einen Gegenwert von 20.000 € begrenzt.
bb) Entgegen der Auffassung der Revision sind die Bestandsprovisionen bei der Feststellung der Höhe und des Umfangs der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG nicht zu berücksichtigen.
(1) Bereits der Wortlaut des § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG spricht dafür, dass unter den Begriff der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften sämtliche Gelder fallen, die der Anleger dem Institut zur Anlage in Wertpapiergeschäften übergeben hat. Die Vorschrift stellt auf die Verbindlichkeiten des Instituts gegenüber dem Anleger auf Rückzahlung von Geldern oder Herausgabe von Instrumenten ab. Diese Ansprüche haben ihre Grundlage in § 675 Abs. 1, § 667 Fall 1 BGB.
Gegenansprüche des Instituts auf Provisionszahlung werden dagegen von dem Wortlaut des § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG nicht erfasst. Dies wäre nur dann anders, wenn es sich dabei um unselbständige Rechnungsposten der in dieser Vorschrift genannten Ansprüche handeln würde. Dies ist indes nicht der Fall. Die Provisionsansprüche sind eigenständige Ansprüche des Instituts, die ihre Grundlage in § 396 HGB bzw. hier in Nr. 10.2 AGB finden. Gegen die Einordnung als bloßer Rechnungsposten spricht im Übrigen auch, dass ein solcher nur im Rahmen eines Rückzahlungsanspruchs berücksichtigt, nicht dagegen dem Anspruch auf Herausgabe von Instrumenten entgegengesetzt werden könnte und für eine solche unterschiedliche Behandlung kein sachlicher Grund besteht.
(2) Diese Auslegung wird durch die Systematik der § 1 Abs. 4 Satz 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 EAEG bestätigt. Danach sind die Ansprüche des Anlegers gegen das Institut einerseits und die Gegenansprüche des Instituts gegen den Anleger ("Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte") andererseits voneinander zu trennen. Provisionsansprüche des Instituts sind Gegenansprüche.
(3) Davon ist auch nach dem Willen des Gesetzgebers auszugehen. Nach der Gesetzesbegründung zur bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung des § 1 Abs. 4 EAEG sollten in den Schutzbereich der Norm nur solche Verpflichtungen aus Wertpapiergeschäften fallen, die zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten gehören, nicht dagegen beispielsweise Schadensersatzansprüche aus Beratungsfehlern (BT-Drucks. 13/10188, S. 16). Mit der Neufassung des § 1 Abs. 4 EAEG durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010) sollten nach dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen redaktionelle Unklarheiten des Normtextes beseitigt werden (vgl. BT-Drucks. 14/8017, S. 69 f.), die den Schutzbereich der Vorschrift unberührt gelassen haben. Wenngleich die Unterscheidung zwischen Hauptleistungspflichten und Schadensersatzansprüchen aus Beratungsfehlern im Hinblick darauf zweifelhaft ist, dass auch die Beratungsleistung eine vertragliche Hauptleistungspflicht darstellen kann, ist das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel klar. Geschützt werden (nur) solche Ansprüche des Anlegers, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren richten. Dazu gehören auch Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten, durch die - wie etwa im Falle der Unterschlagung oder Untreue die Ansprüche des Kunden auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an Geldern oder Wertpapieren vereitelt werden (vgl. Senatsurteil vom 23. November 2010 - XI ZR 26/10, BGHZ 187, 327 Rn. 24 mwN). Maßgebend für die Bemessung des Entschädigungsanspruchs sind daher im Ausgangspunkt die Gelder, die der Anleger dem Institut zur Anlage in Wertpapieren überlassen hat. Dies ist der Nettobetrag seiner "Beteiligung".
(4) Diese Bestimmung des Schutzbereichs ist auch europarechtskonform. § 1 Abs. 4 Satz 1 EAEG beruht auf Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger (ABl. EG 1997 Nr. L 84 S. 22). Dieser bestimmt, dass dem Anleger Gelder zurückzuzahlen sind, die ihm geschuldet werden oder gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Weiterhin gewährleistet diese Norm, dass dem Anleger die Finanzinstrumente zurückgegeben werden, die diesem gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten, verwahrt oder verwaltet werden. Auch danach sind Ausgangspunkt für die Berechnung des Entschädigungsanspruchs die Gelder, die der Anleger dem Institut zur Anlage in Wertpapiergeschäften überlassen hat. Etwaige gesetzliche oder vertragliche Gegenansprüche des Instituts werden erst in Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie erwähnt. Beides ist daher zu trennen.
(5) Aus dem Senatsurteil vom 23. November 2010 (XI ZR 26/10, BGHZ 187, 327) ergibt sich nichts anderes. Darin hat der Senat entschieden, dass neben den Scheingewinnen (aaO, Rn. 22 ff.) - auch das auf die Beteiligungssumme gezahlte Agio (aaO, Rn. 30) und tatsächlich erzielte Handelsverluste (aaO, Rn. 31) nicht entschädigungspflichtig sind. Dies ist indes die Konsequenz aus dem vorstehend umrissenen Schutzumfang der Anlegerentschädigung. Das Agio ist nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht zur Wertpapieranlage bestimmt, sondern soll den Verwaltungsaufwand des Instituts abdecken. Aufgrund dessen kann der Anleger das Agio allenfalls als Schadensersatz wegen von vornherein beabsichtigter Nichtdurchführung der Vermögensanlage herausverlangen. Dieser Anspruch wird vom Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz indes - wie oben dargelegt - nicht geschützt. Entsprechendes gilt für den Ausgleich von Handels- oder Kursverlusten, die aufgrund einer fehlerhaften Anlagestrategie entstanden sind; auch diese kann der Anleger gegebenenfalls nur im Wege des Schadensersatzes von seinem Vertragspartner, nicht dagegen von der Entschädigungseinrichtung ersetzt verlangen, weil Beratungs- oder Anlagefehler nicht dem Schutz des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes unterfallen.
cc) Provisionsansprüche des Instituts können nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EAEG (nur) im Wege der Aufrechnung berücksichtigt werden. Diese Vorschrift verweist insoweit - was auch im Einklang mit Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 97/9/EG steht - auf die allgemeinen Vorschriften, hier der §§ 387 ff. BGB. Danach muss die Gegenforderung insbesondere gleichartig und wirksam sein. Lediglich das Merkmal der Gegenseitigkeit wird durch § 4 Abs. 1 Satz 1 EAEG modifiziert. Die zur Aufrechnung gestellte Forderung muss somit vollwirksam und fällig sein, d.h. es muss sich um eine Forderung handeln, deren Erfüllung erzwungen werden kann und die frei von Einwendungen oder Einreden ist (§ 390 BGB; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Juli 2005 - IX ZR 142/02, WM 2005, 1855, 1856).
b) Nach diesen Maßgaben kann die Beklagte der Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von Bestandsprovisionen nicht entgegenhalten. Für eine hier allein in Betracht kommende Aufrechnung fehlt es an einer Gegenforderung.
aa) Die P. GmbH hat ihren Anspruch auf die Verwaltungsgebühr, der seine Grundlage in Nr. 10.2 AGB hat, verwirkt.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Vergütungsanspruch nach dem Rechtsgedanken des § 654 BGB verwirkt sein, wenn ein Dienstverhältnis eine besondere Treuepflicht begründet und der Dienstleistende in schwerwiegender Weise diese Treuepflicht verletzt und sich dadurch als seines Lohnes unwürdig erweist. Das ist der Fall, wenn die Treuepflicht vorsätzlich, wenn nicht gar arglistig, mindestens aber in einer grob leichtfertigen Weise verletzt wird, die dem Vorsatz nahekommt (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2004 - IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 131 f.; Urteil vom 19. Mai 2005 - III ZR 322/04, WM 2005, 1480, 1481; Beschluss vom 23. September 2009 - V ZB 90/09, NJW-RR 2009, 1710 Rn. 8 ff. und Urteil vom 9. Dezember 2010 - IX ZR 60/10, WM 2011, 364 Rn. 14; jeweils mwN).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die P. GmbH schon vor der ersten Einzahlung der Klägerin die eingetretenen hohen Verluste zu verschleiern versucht, indem sie zunächst Buchungen manipulierte, später fiktive gewinnbringende Anlagegeschäfte über ein nicht existierendes Konto vortäuschte und die Einzahlungen der Anleger entgegen der vertraglichen Vereinbarung weit überwiegend nicht mehr für neue Anlagen, sondern für Auszahlungen an Altkunden und für die laufenden Kosten verwendete. Damit hat sie ihre Treuepflicht in besonders grobem Maße verletzt und ihren Provisionsanspruch verwirkt (ebenso BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 - IX ZR 60/10, WM 2011, 364 Rn. 14).
bb) Der Provisionsanspruch der P. GmbH kann auch nicht im Wege der fiktiven Betrachtung einer vertragsgemäßen Abwicklung der Wertpapiergeschäfte Berücksichtigung finden. Dafür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. § 4 Abs. 1 Satz 1 EAEG stellt ausdrücklich auf etwaige Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte ab. Damit sind - wie dargelegt - nur tatsächlich und rechtlich bestehende und durchsetzbare Ansprüche gemeint.
B. Anschlussrevision der Klägerin
Die Anschlussrevision der Klägerin hat Erfolg. Auf den geänderten Antrag der Klägerin ist die Erledigung der Hauptsache festzustellen, weil die mit dem Hauptantrag erhobene Zahlungsklage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses, d.h. bei Zahlung der Beklagten, zulässig und begründet gewesen ist. Der Klägerin stand gegen die Beklagte aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 und 2, § 5 Abs. 1 und 4 EAEG ein weiterer Teilentschädigungsanspruch in Höhe von 6.723,86 € zu, weil die Beklagte insoweit - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - zu Unrecht einen Einbehalt wegen möglicher Aussonderungsrechte der Klägerin an den auf den (Treuhand-)Konten noch vorhandenen Geldern geltend gemacht hat.
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass - wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung mit Urteil vom 20. September 2011 (XI ZR 434/10, Rn. 41 ff., für BGHZ bestimmt) entschieden und im Einzelnen begründet hat - § 4 Abs. 1 EAEG die Berücksichtigung von Aussonderungsrechten bei der Bemessung des Entschädigungsanspruchs gebietet. Indes hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 10. Februar 2011 (IX ZR 49/10, BGHZ 188, 317 Rn. 12 ff.) das Bestehen von Aussonderungs- oder Mitaussonderungsrechten der Anleger nach § 47 Abs. 1 InsO an den von der P. GmbH eingerichteten Einzahlungs- und Brokerkonten verneint. Dies wird auch von der Beklagten nicht mehr in Frage gestellt. Aufgrund dessen bestand der Anspruch - unter Abzug des 10%-igen Selbstbehalts - in der vom Landgericht zuerkannten Höhe.
2. Der Entschädigungsanspruch der Klägerin ist - wie der Senat ebenfalls mit Urteil vom 20. September 2011 (XI ZR 434/10, Rn. 50 ff., für BGHZ bestimmt) entschieden und näher begründet hat - zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses auch fällig gewesen. In diesem Zusammenhang hat der Senat (aaO, Rn. 63) ausgesprochen, dass für die Fälligkeit der Erlass des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 10. Februar 2011 (IX ZR 49/10, BGHZ 188, 317) keine Rolle spielte. Hierdurch ist zwar entschieden worden, dass den Anlegern an den Einzahlungs- und Brokerkonten der P. GmbH weder ein Aussonderungs- noch ein Mitaussonderungsrecht nach § 47 Abs. 1 InsO zusteht. Dieses von dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der P. GmbH gegen einen Großanleger mit einer Beteiligungssumme von 11.130.000 US-Dollar betriebene Verfahren stellt aber keinen (tauglichen) "Musterprozess" dar, dessen Ausgang die Beklagte abwarten durfte. Dies folgt bereits daraus, dass die Beklagte nicht "Herrin" des Verfahrens war und z.B. eine Unterbrechung des Verfahrens im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gegenpartei nicht hätte verhindern können. Aufgrund dessen ist das unter Beweisantritt gestellte neue Tatsachenvorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 18. Oktober 2011, sie habe über den Gläubigerausschuss auf dieses Verfahren einwirken können, unerheblich. Darüber hinaus hat die Beklagte auch nicht dargelegt, dass sie auf dieses Verfahren in gleichem Maße Einfluss auf die Prozessführung nehme konnte, wie ihr dies in einem von ihr selbst geführten Rechtsstreit möglich gewesen wäre.
Der von der Klägerin geltend gemachte Entschädigungsanspruch war daher bereits bei Klageerhebung und erst recht im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses fällig. Aufgrund dessen kann offenbleiben, ob - würde man entgegen der hier vertretenen Auffassung mit der Beklagten für den Eintritt der Fälligkeit im Ausgangspunkt erst auf den Erlass des Urteils des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 10. Februar 2011 (IX ZR 49/10, BGHZ 188, 317) zuzüglich einer weiteren Überlegungsfrist und der Frist des § 5 Abs. 4 Satz 6 EAEG abstellen - auch danach inzwischen Fälligkeit des von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruchs eingetreten wäre.
III.
Das Berufungsurteil ist daher auf die Anschlussrevision der Klägerin aufzuheben, weil das Berufungsgericht zu Unrecht den von der Klägerin mit ihrer Hauptbegründung verfolgten Zahlungsanspruch in Höhe von 6.723,86 € verneint hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da auch im Hinblick auf den infolge der Erledigung der Hauptsache geänderten Antrag der Klägerin keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt - unter Abänderung des Urteils des Landgerichts - zur Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
Frau RiBGH Mayen ist |
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Grüneberg |
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