Entscheidungsdatum: 12.09.2017
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 22. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 31.803,62 €.
I.
Die Parteien streiten um die Rechtsfolgen nach Widerruf der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen der Kläger.
Die Parteien schlossen im Mai 2004 einen Darlehensvertrag über 136.600 € mit einer zehnjährigen Zinsbindung zu einem Nominalzins von 5,3% p.a. und einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 5,43%. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten diente eine Grundschuld. Bei Abschluss des Darlehensvertrags belehrte die Beklagte die Kläger unzureichend über das ihnen zustehende Widerrufsrecht.
Die Kläger kündigten das Darlehen nach Ablauf der Zinsbindung am 30. Mai 2014 und beglichen die Restschuld. Unter dem 29. August 2014 widerriefen sie ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen.
Ihre Klage auf Zahlung des von ihnen zu ihren Gunsten errechneten Saldos aus einem nach Widerruf entstandenen Rückgewährschuldverhältnis nebst Zinsen und auf Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten hat das Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht dem Zahlungsantrag teilweise entsprochen und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es - soweit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - ausgeführt, die Kläger müssten nach erfolgreichem Widerruf den Vertragszins gegen sich gelten lassen, da sie nicht nachgewiesen hätten, dass der Wert der von ihnen gezogenen Gebrauchsvorteile unter dem vereinbarten Vertragszins gelegen habe. Aus der von den Klägern als Beleg angeführten MFI-Zinsstatistik für das Neugeschäft der deutschen Banken - Wohnungsbaukredite an private Haushalte (siehe unter www.bundesbank.de) ergebe sich, dass der durchschnittliche Effektivzinssatz im Mai 2004 als dem maßgeblichen Monat des Vertragsschlusses für Kredite mit einer Zinsfestschreibung von bis zu zehn Jahren bei 4,91% p.a. und damit nur geringfügig unterhalb des Vertragszinses gelegen habe. Da es sich bei dem in der MFI-Zinsstatistik aufgeführten Zinssatz um einen Durchschnittswert handele, sei von der Marktüblichkeit des Vertragszinses auszugehen, wenn er wie hier innerhalb einer Streubreite von einem Prozentpunkt über dem Wert der MFI-Zinsstatistik liege. Eine monatliche Anpassung wie von den Klägern beansprucht sei nicht veranlasst.
Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen.
II.
Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger, mit der sie ihren Zahlungsantrag in reduziertem Umfang weiterverfolgen, hat keinen Erfolg, weil sie Zulassungsgründe nicht darlegt. Dazu genügt nicht der bloße Verweis auf wenige Stimmen in der Literatur ohne eine Auseinandersetzung mit der in großer Fülle vorhandenen, vom Rechtsstandpunkt der Nichtzulassungsbeschwerde überwiegend abweichenden instanzgerichtlichen Rechtsprechung.
III.
Im Übrigen wäre der Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger selbst bei Anlegung revisionsrechtlicher Maßstäbe (vgl. BVerfGK 6, 79, 81 ff.; 18, 105, 111 f.; 19, 467, 475) - was hier nicht veranlasst ist - der Erfolg zu versagen, weil das Berufungsurteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Kläger aufweist.
1. Soweit das Berufungsgericht fälschlich (Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 58) angenommen hat, es sei trotz des Zustandekommens eines Immobiliardarlehensvertrags zu vermuten, dass die Beklagte aus erlangten Zins- und Tilgungsleistungen Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen habe, sind die Kläger dadurch nicht beschwert. Ebenfalls nicht beschwert sind sie durch die - für sich richtige - Annahme des Berufungsgerichts, der Abschluss eines Aufhebungsvertrags vor Widerruf der auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung ändere nichts daran, dass der Darlehensgeber auch Nutzungen herauszugeben habe, die er auf Tilgungsleistungen gezogen habe (a.A. OLG Stuttgart, Urteil vom 23. Mai 2017 - 6 U 192/16, juris Rn. 54 f., das - statt der einvernehmlichen Vertragsbeendigung bei der Verwirkung ein maßgebliches Gewicht beizumessen [vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 Rn. 41] - rechtsfehlerhaft ausgeführt hat: "Die Einigkeit, dass das Darlehen als zurückgeführt behandelt werden soll, schließt es auch im Falle eines späteren Widerrufs aus, die zur Tilgung erbrachten Leistungen und daraus gezogene Nutzungen nicht dem Vermögen des Darlehensgebers zuzuordnen. Insofern ist die Rückabwicklung bereits einvernehmlich vollzogen, sodass kein Raum mehr für eine Nutzungsherausgabe nach § 346 Abs. 1 BGB besteht").
2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Kläger den ihnen nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (künftig: aF) in Verbindung mit § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB auferlegten Nachweis eines geringeren Werts des Gebrauchsvorteils nicht geführt haben.
a) Bei der Berechnung des Wertersatzes war im hier maßgeblichen Zeitraum auf der Grundlage der Verweisung des § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF im Falle des Widerrufs der auf Abschluss eines Immobiliardarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers nach § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Halbsatz 1 BGB der Vertragszins maßgeblich. Es oblag dem Darlehensnehmer, einen geringeren Gebrauchsvorteil nachzuweisen (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 20. Januar 2016 - 4 U 79/15, juris Rn. 96; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. Januar 2013 - 6 U 64/12, juris Rn. 35; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 17. Februar 2016 - 23 U 135/15, juris Rn. 18; OLG Hamm, Urteil vom 12. April 2017 - 31 U 52/16, juris Rn. 48; OLG Köln, Beschluss vom 3. Mai 2016 - 13 U 33/16, juris Rn. 17; OLG Nürnberg, Urteil vom 29. Mai 2017 - 14 U 118/16, juris Rn. 44; OLG Schleswig, BKR 2017, 22 Rn. 98; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 10. Mai 2010 - 7 U 84/09, juris Rn. 9; LG Bonn, WM 2015, 1988, 1990; LG Freiburg, BeckRS 2015, 08173; LG Limburg, Urteil vom 14. Januar 2016 - 2 O 204/15, juris Rn. 51; LG Mönchengladbach, Urteil vom 28. Juli 2016 - 10 O 235/15, juris Rn. 58; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 4. August 2015 - 6 O 7471/14, juris Rn. 73; LG Ulm, Urteil vom 25. April 2014 - 4 O 343/13, juris Rn. 51; MünchKommBGB/Gaier, 7. Aufl., § 346 Rn. 22 unter Verweis auf BT-Drucks. 14/9266, S. 45; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 346 Rn. 10 und 76. Aufl., § 357a Rn. 4; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, § 346 Rn. 160; § 357 Rn. 29 f.; Feldhusen, BKR 2015, 441, 442 ff.; Godefroid/Slama, Verbraucherkreditverträge, 3. Aufl., Rn. 494; Müller/Fuchs, WM 2015, 1094, 1096; Nobbe/Maihold, Kommentar zum Kreditrecht, 2. Aufl., § 357 Rn. 13;Piekenbrock/Rodi, WM 2015, 1085, 1087; Servais, NJW 2014, 3748, 3749; a.A. Kohler, AcP 213 [2013], 46, 96: "Verkehrswert"; Koch, WM 2002, 1593, 1596; Soergel/Lobinger, BGB, 13. Aufl., § 346 Rn. 104 f.). Das entspricht für Immobiliar-Verbraucherdarlehen auch der zur Zeit geltenden Rechtslage gemäß § 357a Abs. 3 BGB, mittels derer der Gesetzgeber das bis zum 12. Juni 2014 geltende Recht nicht ändern, sondern fortschreiben wollte (BT-Drucks. 17/12637, S. 65).
b) Die Kläger haben einen geringeren Gebrauchsvorteil durch Verweis auf die MFI-Zinsstatistik nicht dargelegt. Ausweislich der MFI-Zinsstatistik, die den marktüblichen Zins nicht betragsscharf abbilden will und kann (so auch Servais, NJW 2014, 3748, 3751), betrug der durchschnittliche effektive Jahreszins für Wohnungsbaukredite an private Haushalte mit anfänglicher Zinsbindung - hier: mit einer Laufzeit von über 5 Jahren bis 10 Jahre - in dem maßgeblichen Monat des Vertragsschlusses - hier: Mai 2004 - 4,91%. Der im Darlehensvertrag zugrunde gelegte anfänglich effektive Jahreszins lag mit 5,43% weniger als einen Prozentpunkt über diesem Wert. In diesem Fall geht der Senat davon aus, dass ein Kredit zu für Grundpfandkredite üblichen Bedingungen ausgereicht worden ist (Senatsurteile vom 19. Januar 2016 - XI ZR 103/15, BGHZ 208, 278 Rn. 18 und vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 324/06, WM 2008, 967 Rn. 29). Bei einem zu üblichen Bedingungen ausgereichten Kredit kommt eine Herabsetzung der Gebrauchsvorteile allein aufgrund der MFI-Zinsstatistik nicht in Betracht (vgl. auch OLG Brandenburg, Urteil vom 20. Januar 2016 - 4 U 79/15, juris Rn. 97; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 17. Februar 2016 - 23 U 135/15, juris Rn. 20; OLG Hamm, Urteil vom 12. April 2017 - 31 U 52/16, juris Rn. 48; OLG Nürnberg, Urteil vom 29. Mai 2017 - 14 U 118/16, juris Rn. 44 unter Verweis auf Senatsurteil vom 19. Januar 2016 aaO; LG Bielefeld, Urteil vom 24. Juni 2016 - 6 O 127/15, juris Rn. 64 ff.; a.A. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. Januar 2013 - 6 U 64/12, juris Rn. 36; KG, BKR 2015, 109 Rn. 50; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 4. August 2015 - 6 O 7471/14, juris Rn. 77; Feldhusen, BKR 2015, 441, 444; dies., VuR 2016, 21, 22; Müller/Fuchs, WM 2015, 1094, 1096; Servais, NJW 2014, 3748, 3749).
Weil § 346 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BGB den Vertragszins zur Richtgröße macht, bestimmt sich der nach § 346 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB maßgebliche Vergleichswert anhand der Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. Januar 2013 - 6 U 64/12, juris Rn. 36; OLG Köln, Beschluss vom 3. Mai 2016 - 13 U 33/16, juris Rn. 17; OLG Schleswig, BKR 2017, 22 Rn. 99, 101; LG Bielefeld, Urteil vom 24. Juni 2016 - 6 O 127/15, juris Rn. 67; LG Mönchengladbach, Urteil vom 28. Juli 2016 - 10 O 235/15, juris Rn. 58) und gegebenenfalls jeweils im Zeitpunkt vertraglich vereinbarter Zinsanpassungen (vgl. OLG Köln aaO; LG Bonn, WM 2015, 1988, 1991; LG Bielefeld aaO; LG Mönchengladbach aaO; a.A. Piekenbrock/Rodi, WM 2015, 1085, 1089 ff.; Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 9. Aufl., § 495 BGB Rn. 224a). Darauf, dass die MFI-Zinsstatistik für die Folgejahre wesentlich geringere Effektivzinssätze ausweist, kommt es mangels einer dynamischen Betrachtungsweise nicht an (eingehend Müller/Fuchs, WM 2015, 1094, 1096 ff.; a.A. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 4. August 2015 - 6 O 7471/14, juris Rn. 75 ff.; Servais, NJW 2014, 3748, 3750; für das neue Recht BeckOK-BGB/Müller-Christmann, 43. Edition [Stand: 15. Juni 2017], § 357a Rn. 13).
c) Dass das Berufungsgericht zulasten der Kläger sonst erhebliches Vorbringen übergangen oder von einer erforderlichen Beweisaufnahme abgesehen habe, macht die Nichtzulassungsbeschwerde mit einer Verfahrensrüge nicht geltend.
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