Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 19.05.2015


BGH 19.05.2015 - XI ZR 27/14

Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für eine Schadensersatzklage wegen Kapitalanlegerverlusten: Begründung des Gerichtsstands für Verbrauchersachen durch rügelose Einlassung in der Klageerwiderung einer irischen Bank zu ihrer Inanspruchnahme aus der Finanzierung einer Filmfondsbeteiligung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
19.05.2015
Aktenzeichen:
XI ZR 27/14
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG München, 17. Dezember 2013, Az: 5 U 2301/13vorgehend LG München I, 6. Mai 2013, Az: 34 O 13014/12
Zitierte Gesetze
Art 24 S 1 EGV 44/2001

Leitsätze

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß Art. 24 Satz 1 EuGVVO aF wird durch eine rügelose Einlassung in der Klageerwiderung begründet (Fortführung von BGH, Urteil vom 31. Mai 2011, VI ZR 154/10, BGHZ 190, 28 Rn. 35).

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. Dezember 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagten im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung an einem Filmfonds auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Am 5. Dezember 2001 zeichnete der damals im Bezirk des Landgerichts München II wohnende Kläger auf Empfehlung eines Mitarbeiters der Beklagten zu 1), der Fondsinitiatorin, eine Kommanditeinlage in Höhe von 160.000 € an dem Filmfonds "S.  "                        Fonds-Nr.  . Die Beteiligung wurde in Höhe von 41,4% über die Beklagte zu 2), eine in Dublin ansässige Gesellschaft irischen Rechts, finanziert.

3

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte zu 2) sei ihm aufgrund Prospekthaftung im weiteren Sinne, aus vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung bei der Anbahnung der Anteilsfinanzierung und gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 264a StGB neben der Beklagten zu 1) schadensersatzpflichtig. Er hat am 19. Dezember 2010 einen Güteantrag an einen Mediator gerichtet, der am 5. Mai 2011 das Scheitern des Güteverfahrens festgestellt hat. Nach Verlegung seines Wohnsitzes in die Schweiz hat der Kläger am 28. Juni 2012 Klage gegen beide Beklagten beim Landgericht München I eingereicht.

4

Das Landgericht hat die auf Zahlung und Feststellung gerichtete Klage gegen die Beklagte zu 2) durch Teilurteil als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist begründet.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Das Landgericht habe die Klage zu Recht wegen fehlender internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte als unzulässig abgewiesen. Da die Beklagte zu 2) eine eigenständige juristische Person mit Sitz in Irland sei, sei der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der bis zum 9. Januar 2015 geltenden Fassung (im Folgenden: EuGVVO aF) eröffnet, deren Gerichtsstände denen des nationalen Rechts vorgingen.

8

Eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach der EuGVVO aF sei nicht gegeben.

9

Im Zeitpunkt der Zeichnung der Fondsbeteiligung habe zwar ein Gerichtsstand gemäß Art. 15 Nr. 1 Buchst. c, Art. 16 EuGVVO aF bestanden. Darunter fielen nicht nur vertragliche Ansprüche, sondern alle Klagen, die zu einem Verbrauchervertrag eine so enge Bindung aufwiesen, dass sie von ihm nicht getrennt werden könnten. Dazu gehörten auch konkurrierende nichtvertragliche, insbesondere deliktische Anspruchsgrundlagen. Der Finanzierungsvertrag zwischen den Parteien sei ein Verbrauchergeschäft im Sinne des Art. 15 EuGVVO aF. Die Beklagte zu 2) habe ihre gewerbliche Tätigkeit auf Deutschland als damaligen Wohnsitzstaat des Klägers als Verbraucher ausgerichtet; im Rahmen dieser Tätigkeit sei der konkrete Vertrag geschlossen worden. Der Gerichtsstand in Deutschland gemäß Art. 15, 16 EuGVVO aF sei aber durch den Umzug des Klägers in die Schweiz vor Einreichung der Klage weggefallen. Maßgeblich sei der Wohnsitz des Verbrauchers im Zeitpunkt der Klageerhebung. Der Antrag des Klägers auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bei einem Anwaltsmediator rechtfertige keine andere Beurteilung, weil dieses Verfahren weder Rechtsprechungscharakter habe noch Voraussetzung für die Durchführung eines streitigen Gerichtsverfahrens sei.

10

Die Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich auch nicht aufgrund rügeloser Einlassung der Beklagten zu 2) gemäß Art. 24 EuGVVO aF. Die Beklagte zu 2) habe die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zwar nicht in der Klageerwiderung, aber noch rechtzeitig im Nachgang hierzu vor Eröffnung der mündlichen Verhandlung und in der mündlichen Verhandlung selbst gerügt.

11

Art. 5 und 6 EuGVVO aF begründeten keinen Gerichtsstand in Deutschland, weil sie hinter der abschließenden Regelung der Zuständigkeit für Verbrauchersachen in den Art. 15, 16 EuGVVO aF zurückträten.

12

Aus den Vorschriften des am 30. Oktober 2007 in Lugano geschlossenen Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: LugÜ II) ergebe sich ebenfalls keine Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Die Voraussetzungen des Art. 15 Nr. 1 Buchst. c LugÜ II lägen nicht vor, weil der Vertragsschluss zwischen den Parteien nicht die Folge einer Ausrichtung der Tätigkeit der Beklagten zu 2) auf die Schweiz als jetzigen Wohnsitzstaat des Verbrauchers, sondern das Ergebnis ihres Tätigwerdens in Deutschland sei. Zudem würde Art. 15 LugÜ II nur eine Zuständigkeit der Gerichte in der Schweiz begründen, da dort der Wohnsitz des Klägers sei. Art. 5 Nr. 3, Art. 6 LugÜ II seien nicht anwendbar, da es sich um eine Art. 15, 16 EuGVVO aF unterfallende Verbrauchersache handele. Der Umzug des Klägers in die Schweiz rechtfertige nicht die Anwendbarkeit der Art. 5 ff. EuGVVO aF/LugÜ II, die hinter die Spezialregelungen der Art. 15 ff. EuGVVO aF zurückzutreten hätten. Dem Verbraucherschutz werde ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass der Verbraucher in seinem neuen, von ihm selbst gewählten Wohnsitzstaat klagen könne.

II.

13

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

14

1. Gegen die von Amts wegen zu prüfende (BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 19 ff.) Zulässigkeit des erstinstanzlichen Teilurteils bestehen allerdings keine Bedenken. Ein Streitgenosse, bezüglich dessen die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit unzulässig ist, kann durch Teilurteil aus dem Prozess entlassen werden (BGH, Urteil vom 24. Februar 2015 - VI ZR 279/14, juris Rn. 6 ff.).

15

2. Ob die Auffassung des Berufungsgerichts, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich weder aus Art. 15, 16 EuGVVO aF noch aus Art. 6 Nr. 1 EuGVVO aF, rechtlicher Überprüfung standhält, bedarf keiner Entscheidung. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist jedenfalls, anders als das Berufungsgericht meint, kraft rügeloser Einlassung der Beklagten zu 2) vor dem Landgericht München I begründet.

16

a) Die Zuständigkeit kraft rügeloser Einlassung ist, da die Beklagte zu 2) ihren Sitz in Irland und damit in einem Mitgliedstaat der EU hat, nach Art. 24 Satz 1 EuGVVO aF, nicht nach Art. 24 Satz 1 LugÜ II zu beurteilen (Art. 64 Nr. 1 LugÜ II; vgl. Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., EuGVVO, Einl. Rn. 101).

17

b) Nach Art. 24 Satz 1 EuGVVO aF wird ein Gericht eines Mitgliedstaats, sofern es nicht bereits nach anderen Vorschriften der Verordnung zuständig ist, zuständig, wenn sich der Beklagte vor diesem Gericht auf das Verfahren einlässt, ohne den Mangel der Zuständigkeit zu rügen, und keine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit begründet ist. Von einer Einlassung auf das Verfahren ist auszugehen, wenn der Beklagte die Zuständigkeitsrüge nicht spätestens in der Stellungnahme erhebt, die nach dem innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist (vgl. zur inhaltsgleichen Vorschrift des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16. September 1988 [LugÜ I] BGH, Urteil vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, BGHZ 190, 28 Rn. 35 mwN; vgl. zu der inhaltsgleichen Vorschrift des Art. 18 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 [im Folgenden: EuGVÜ]: EuGH, Slg. 1981, I-1671 Rn. 15 f., IPRax 2014, 64 Rn. 37, ZIP 2014, 1142 Rn. 36; BGH, Beschluss vom 18. September 2001 - IX ZB 75/99, WM 2001, 2121, 2123). Vor den deutschen Zivilgerichten ist danach im Gegensatz zu § 39 ZPO keine Einlassung zur Hauptsache erforderlich; zuständigkeitsbegründend ist bereits eine rügelose Einlassung in der Klageerwiderung (BGH, Urteil vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, BGHZ 190, 28 Rn. 35). Nach diesen Grundsätzen sind die deutschen Gerichte mit Eingang der Klageerwiderung der Beklagten zu 2) zuständig geworden. In dieser hat die Beklagte zu 2) umfassende und ausführliche Einwendungen in der Sache erhoben, ohne die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu beanstanden. Eine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit gemäß Art. 22 EuGVVO aF besteht nicht. Die erstmals im Schriftsatz vom 6. Dezember 2012 erhobene Rüge vermochte die bereits begründete Zuständigkeit nicht zu beseitigen.

18

c) Diesem Ergebnis steht das vom Berufungsgericht angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. November 1996 (IX ZR 264/95, BGHZ 134, 127 ff.) nicht entgegen. Dort wird zwar ausgeführt, dass eine rügelose Einlassung nicht vorliegt, wenn der Beklagte bei seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung, zumindest gleichzeitig mit der Bezugnahme auf die vorbereitenden Schriftsätze, die internationale Unzuständigkeit rügt und zwar unabhängig davon, ob er diese Rüge bereits in der Klageerwiderung erhoben hat (BGH, aaO, S. 136). Diese Entscheidung betrifft jedoch ausdrücklich die Auslegung des § 39 ZPO bzw. dessen Verhältnis zu den § 282 Abs. 3, § 296 Abs. 3 ZPO und damit ausschließlich nationale Rechtsnormen. Die einschlägigen Vorschriften der EuGVVO aF bzw. des EuGVÜ fanden im damals zu entscheidenden Fall keine Anwendung, da der Beklagte seinen Wohnsitz nicht in einem Mitgliedstaat hatte (BGH, aaO, S. 136).

19

d) Auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, RIW 2008, 726, 728), nach der erst ein rügeloses Einlassen im Kammertermin die internationale Zuständigkeit nach Art. 24 EuGVVO aF begründet, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Bundesarbeitsgericht begründet seine Auffassung ausdrücklich mit den Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, das im Vergleich zur Zivilprozessordnung wesentlich stärker vom Grundsatz der Mündlichkeit und vom Verhandlungsgrundsatz geprägt sei. Das Gericht bezieht seine Auffassung ausschließlich auf arbeitsgerichtliche Verfahren und nicht auf Zivilverfahren im Allgemeinen.

III.

20

Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Ellenberger                    Joeres                       Matthias

                   Menges                    Dauber