Entscheidungsdatum: 05.07.2016
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 21. Januar 2016 insgesamt aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 16. April 2015 im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung und Abänderung wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Von Rechts wegen
Die Parteien streiten noch um die Erstattung eines bei Auszahlung eines Wohnraumförderdarlehens von der beklagten Sparkasse einbehaltenen Abschlags in Höhe von 625 €.
Die Beklagte gewährte dem Kläger im Mai 2006 aus Mitteln eines Förderprogramms der Kreditanstalt für Wiederaufbau (nachfolgend: KfW) zu einem Zinssatz von nominal 2,75% p.a. ein grundpfandrechtlich besichertes Darlehen in Höhe eines Nennbetrags von 31.250 € mit einer Konditionenfestschreibung bis zum 30. Juni 2026 (nachfolgend: Förderdarlehen).
In Ziffer 2.2 des Darlehensvertrages heißt es:
"Es wird ein Disagio (Abzug vom Nennbetrag des Kredits) von 4,00 v.H. erhoben. Dieses umfasst eine Risikoprämie von 2,00 v.H. für das Recht zur außerplanmäßigen Tilgung des Kredits während des Zinsbindungszeitraums. Das Disagio kann grundsätzlich bei der Auszahlung des Kredits verrechnet werden. Die Risikoprämie wird bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens nicht - auch nicht teilweise - erstattet. Das gleiche gilt für den gesamten Disagiobetrag, wenn dessen Rückzahlung gemäß den Bestimmungen des Förderinstituts nicht vorgesehen ist."
Nach Ziffer 9 des Darlehensvertrages gelten für das Förderdarlehen "Allgemeine Bestimmungen für Investitionskredite - Endkreditnehmer -" der KfW (nachfolgend: AB-EKn). Dort heißt es u.a.:
"4. Berechnung von Kosten und Auslagen
Die Kreditbearbeitungs- und Verwaltungskosten des unmittelbar refinanzierten Kreditinstituts sowie der Hausbank sind mit dem Zinssatz abgegolten, …
5. Vorzeitige Rückzahlung
(1) Sofern nicht anders geregelt, können Kredite mit einer Auszahlung von 100 % nur gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung und Kredite mit einer Auszahlung von weniger als 100 % während der ersten Zinsbindungsfrist jederzeit unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist von 20 Bankarbeitstagen ganz oder teilweise vorzeitig an die Hausbank zurückgezahlt werden. … Soweit ein Abzug vom Nennbetrag des Kredites bei der Auszahlung erfolgt, dient dieser - gemäß dem Kreditvertrag - der Abdeckung des Aufwands der Hausbank bei der Beschaffung des Kredites. Der Aufwand ergibt sich aus einem entsprechenden Abzug bei der Auszahlung des Refinanzierungskredites durch die KfW, der zur Abdeckung des Aufwands der KfW bei der Kreditbearbeitung und Geldbeschaffung sowie der Abgeltung des dem Kreditnehmer und der Hausbank eingeräumten Rechts zur außerplanmäßigen Tilgung des Kredites (Risikoprämie) dient. Die Abzugsbeträge beinhalten laufzeitunabhängige Gebühren und werden bei vorzeitiger Tilgung des Kredits nicht erstattet.
(2) …"
Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 625 € nebst Zinsen und Kosten verurteilt und die weitergehende Zahlungsklage des Klägers abgewiesen. Die von der Beklagten hiergegen eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren vollumfänglich weiter.
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils sowie zur Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils, soweit in diesem zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Die Klage ist auch im noch nicht rechtskräftig entschiedenen Teil abzuweisen.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung von 625 € aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu. Die Vereinbarung über das von der Beklagten einbehaltene "Disagio" sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB unwirksam, soweit sie sich auf den nicht auf die Risikoprämie entfallenden Teil beziehe. Bei diesem Teil handele es sich um ein Bearbeitungsentgelt. Die Klausel regele daher insoweit eine Preisnebenabrede, die der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterworfen sei.
Die Klausel halte einer Inhaltskontrolle insoweit nicht stand. Sie sei mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar, weil das "Disagio" laufzeitunabhängig ausgestaltet sei und damit vom gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB abweiche.
Diese Abweichung indiziere eine unangemessene Benachteiligung des Klägers. Die Beklagte könne sich auch nicht auf Gründe berufen, die die Klausel bei der gebotenen umfassenden Interessenabwägung gleichwohl als angemessen erscheinen lasse. Der vergleichsweise geringe Vorteil des Klägers hinsichtlich des Nominalzinses des Förderdarlehens werde durch die Bearbeitungsgebühr in Höhe von 2% des Kreditbetrages teilweise aufgezehrt. Zudem sei die Kreditgewährung mit für den Kreditnehmer nachteiligen Auflagen verbunden. Die Beklagte habe die Bearbeitungsgebühr "im Wege der eingeschränkten Refinanzierung" an die KfW weitergegeben, die ihren besonderen Aufwand im Wesentlichen auf die Beklagte als zwischengeschaltetes Kreditinstitut abgewälzt habe.
II.
Dies hält einer rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger ein Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung des einbehaltenen Abschlags aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB auch nicht in der hier noch im Streit stehenden Höhe zu. Die Klausel ist auch insoweit wirksam, weil sie den Kläger nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
1. In Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass der Kläger das noch streitige Entgelt in Höhe von 625 € im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB an die Beklagte geleistet hat.
Entgelt, das - wie hier - im Darlehensnennbetrag enthalten ist, wird mit dem entsprechenden Einbehalt der Bank sogleich im Wege der internen "Verrechnung" an diese geleistet. In solchen Fällen ist der Einbehalt als eine einvernehmlich bewirkte Verkürzung des Leistungswegs zu verstehen, weil der Darlehensnehmer das mitkreditierte Entgelt typischerweise nicht zur freien Verfügung erhalten soll (Senatsurteile vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 24 ff. und XI ZR 17/14, BKR 2015, 26 Rn. 21 sowie vom 16. Februar 2016 - XI ZR 454/14, WM 2016, 699 Rn. 14, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
2. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht allerdings an, dem Kläger stehe ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB auf Rückzahlung der Bearbeitungsgebühren zu. Die Leistung des Klägers ist nicht ohne rechtlichen Grund erfolgt. Die Regelung in Ziffer 2.2 des Förderdarlehensvertrages ist auch insoweit wirksam, als in ihr über die Risikoprämie hinaus ein weiterer Abzug in Höhe von 2% des Darlehensnennbetrags bestimmt ist.
a) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht noch angenommen, dass es sich bei den angegriffenen Regelungen in Ziffer 2.2 des Förderdarlehensvertrags um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt.
b) Zu Unrecht ist das Berufungsgericht allerdings von der Unwirksamkeit der verwendeten Klausel ausgegangen, soweit diese eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 2% bestimmt. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat (Senatsurteil vom 16. Februar 2016 - XI ZR 454/14, WM 2016, 699 Rn. 20 ff.), ist die Bestimmung in dem Förderdarlehensvertrag über den Abzug in Höhe von 2% für die Bearbeitungsgebühr zwar der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterworfen, hält dieser aber stand.
aa) Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen geht das Berufungsgericht davon aus, dass dieser Teil des Auszahlungsabschlags entsprechend den Förderbedingungen als Bearbeitungsentgelt anzusehen ist (vgl. zu einer inhaltsgleichen Entgeltklausel ausführlich Senatsurteil vom 16. Februar 2016 - XI ZR 454/14, WM 2016, 699 Rn. 29 ff.). Danach setzt sich der Auszahlungsabschlag aus der hier nicht mehr gegenständlichen Risikoprämie (2%) und dem noch streitigen Bearbeitungsentgelt (2%) zusammen.
bb) Die Risikoprämie einerseits und die Bearbeitungsgebühr andererseits sind in Ziffer 2.2 des Förderdarlehensvertrags selbstständig und aus sich heraus geregelt, sodass sie Gegenstand einer jeweils eigenständigen AGB-rechtlichen Wirksamkeitsprüfung sind (Senatsurteil vom 16. Februar 2016 - XI ZR 454/14, WM 2016, 699 Rn. 21).
cc) Die in Ziffer 2.2 des Förderdarlehensvertrags geregelte Bearbeitungsgebühr in Höhe von 2% des Darlehensnennbetrags hat das Berufungsgericht zu Recht als kontrollfähige Preisnebenabrede eingeordnet. Wie der Senat in dem am 16. Februar 2016 verkündeten Urteil in der Parallelsache XI ZR 454/14 (WM 2016, 699 Rn. 29 ff.) ausführlich begründet hat, handelt es sich weder um ein laufzeitabhängiges Entgelt für die Kapitalnutzung noch um Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung. Auch die Tatsache, dass die Beklagte die Bearbeitungsgebühr ihrerseits an die KfW abzuführen hat, entzieht die Klausel nicht der AGB-Kontrolle (Senatsurteil aaO Rn. 29, 34 ff.). Diese unterliegt vielmehr deswegen als Preisnebenabrede einer AGB-Kontrolle, weil mit ihr Aufwand bepreist wird, der bei der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung durch die Bank entsteht (Senatsurteil aaO Rn. 33).
dd) Die danach als Preisnebenabrede einzuordnende Klausel zur Erhebung einer Bearbeitungsgebühr von 2% hält entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts der Inhaltskontrolle stand. Zwar weicht die Klausel zur Bearbeitungsgebühr nach den vom Senat angewandten Grundsätzen (Senatsurteile vom 13. Mai 2014 - XI ZR 405/12, BGHZ 201, 168 Rn. 66 ff. und XI ZR 170/13, WM 2014, 1325 Rn. 71 ff.) von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab. Dadurch wird der Kläger aber nicht unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
(1) Wie der Senat in dem am 16. Februar 2016 verkündeten Urteil in der Parallelsache XI ZR 454/14 (WM 2016, 699 Rn. 38 ff.) für eine inhaltsgleiche Klausel dargelegt hat, weicht die Klausel mit der Festlegung einer laufzeitunabhängigen Bearbeitungsgebühr von wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Leitbilds in § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB ab, das ein laufzeitabhängiges Entgelt für die Darlehensgewährung vorsieht (vgl. Senatsurteil vom 13. Mai 2014 - XI ZR 405/12, BGHZ 201, 168 Rn. 67 f.). Zudem dient die Klausel der Abdeckung des Aufwands der Beklagten bei der Beschaffung des Förderdarlehens und wälzt folglich Kosten auf den Kläger ab, die für die Erfüllung der Hauptleistungspflicht der Beklagten anfallen (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 2016 - XI ZR 454/14, aaO Rn. 40).
(2) Diese Abweichungen von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung benachteiligen den Kläger entgegen der Meinung des Berufungsgerichts jedoch nicht unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners wird zwar indiziert, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist (Senatsurteile vom 18. Mai 1999 - XI ZR 219/98, BGHZ 141, 380, 390 und vom 13. Mai 2014 - XI ZR 405/12, BGHZ 201, 168 Rn. 69). Diese Vermutung ist aber widerlegt, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild auf Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung sachlich gerechtfertigt und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist (Senatsurteil vom 14. Januar 2014 - XI ZR 355/12, BGHZ 199, 355 Rn. 45 mwN).
Die danach vorzunehmende Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass der Kläger bei der gebotenen pauschalisierenden Gesamtbetrachtung durch den Einbehalt der Bearbeitungsgebühr bei der Gewährung des vorliegenden Förderdarlehens nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird.
(a) Wie der Senat in dem am 16. Februar 2016 verkündeten Urteil in der Parallelsache XI ZR 454/14 (WM 2016, 699 Rn. 44 ff.) dargelegt hat, verfolgt das Kreditinstitut hier die Beklagte bei der Vereinbarung eines solchen Bearbeitungsentgelts unmittelbar keine eigenwirtschaftlichen Zwecke, die es gegen die Interessen der Darlehensnehmer durchsetzt, sondern beide Parteien des Darlehensvertrags setzten die von der KfW vorgegebenen Förderbedingungen um.
Danach ist für die Interessenabwägung auf den Gesamtkontext der Bedingungen des Förderdarlehens abzustellen, nach denen die Bearbeitungsgebühr zu erheben war. Da es sich dabei nicht um einen Kredit handelt, der nach den Bedingungen des Kapitalmarktes vergeben wurde, sondern um die zweckgebundene Gewährung besonders günstiger Mittel zur Förderung wirtschaftspolitischer Ziele (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 19. Oktober 1993 - XI ZR 49/93, WM 1993, 2204, 2205), und das streitige Bearbeitungsentgelt Teil der vorgegebenen Förderbedingungen ist, ist der Kläger nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Denn die Gewährung von Förderdarlehen dient von vornherein nicht der Verfolgung eigenwirtschaftlicher Interessen der KfW, sondern dem staatlichen Auftrag, in den von § 2 Abs. 1 KredAnstWiAG erfassten Bereichen finanzielle Fördermaßnahmen durchzuführen.
(b) Dass die KfW auch im vorliegenden Fall mit dem über die Beklagte "durchgeleiteten" Förderdarlehen zweckgebundene, besonders günstige Mittel zur Förderung wirtschaftspolitischer Ziele zur Verfügung stellte, die gegenüber den am Markt erhältlichen Kreditmitteln im Durchschnitt niedriger verzinst sind, ziehen die Parteien nicht in Zweifel. In den wirtschaftlichen Vorteilen eines solchen Förderdarlehens gegenüber Krediten zu Marktbedingungen geht bei der gebotenen pauschalisierenden Gesamtbetrachtung eine nach den Förderbedingungen zu erhebende, laufzeitunabhängige Bearbeitungsgebühr auf (Senatsurteile vom 16. Februar 2016 - XI ZR 454/14, WM 2016, 699 Rn. 48 und XI ZR 63/15, juris Rn. 38). Der Kläger ist danach durch die nach Ziffer 5 Abs. 1 AB-EKn vorgesehene und von der Beklagten unverändert "durchgeleitete" Bearbeitungsgebühr nicht entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben benachteiligt.
Ellenberger Grüneberg Maihold
Menges Derstadt