Entscheidungsdatum: 19.04.2011
1. Zum notwendigen Inhalt eines Wiedereinsetzungsgesuchs gehört grundsätzlich Sachvortrag, aus dem sich ergibt, dass der Antrag rechtzeitig nach Behebung des Hindernisses gestellt worden ist, es sei denn, die Frist ist nach Lage der Akten offensichtlich eingehalten (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 13. Dezember 1999, II ZR 225/98) .
2. Zum unzulässigen Nachschieben von Gründen im Verfahren auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist .
Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats in Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21. Dezember 2009 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert beträgt 99.925,17 €.
I.
Die Kläger machen gegenüber der Beklagten Ansprüche im Zusammenhang mit einem Darlehen geltend, mit dem sie den Erwerb einer Eigentumswohnung finanziert haben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Gegen das ihnen am 19. August 2009 zugestellte landgerichtliche Urteil haben die Kläger mit einem am Dienstag, dem 22. September 2009 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Mit Verfügung des Oberlandesgerichts vom 23. September 2009, die dem Klägervertreter am 28. September 2009 zugegangen ist, hat das Gericht den beiden Parteivertretern das Datum des Eingangs der Berufung mitgeteilt. Nach dem Hinweis des Oberlandesgerichts vom 13. Oktober 2009, dass beabsichtigt sei, die verspätet eingegangene Berufung als unzulässig zu verwerfen, haben die Kläger mit am 16. Oktober 2009 per Fax eingegangenem Schriftsatz - ohne Darlegung von Gründen - Wiedereinsetzung in die Berufungseinlegungs- und Berufungsbegründungsfrist sowie Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Auf den ebenfalls in diesem Schriftsatz gestellten Antrag hin sind die Gerichtsakten ihrem instanzgerichtlichen Bevollmächtigten mit Verfügung des Gerichts vom 20. Oktober 2009 zur Einsicht übersandt worden. Den Wiedereinsetzungsantrag haben die Kläger mit am 29. Oktober 2009 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz damit begründet, dass der Berufungsschriftsatz rechtzeitig am 15. September 2009 zur Post gegeben worden und daher mit seinem rechtzeitigen Eingang bei dem Oberlandesgericht zu rechnen gewesen sei. Das Berufungsgericht hat die Kläger mit Verfügung vom 18. November 2009 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, den nicht rechtzeitig eingegangenen Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig zu verwerfen. Hierauf haben die Kläger mit am 2. Dezember 2009 eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist beantragt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, dem Prozessbevollmächtigten der Kläger sei die Mitteilung des Gerichts vom 23. September 2009, mit der der Zeitpunkt des Eingangs der Berufung mitgeteilt worden sei, infolge eines Versehens des Kanzleivorstands nicht vorgelegt worden, so dass der Prozessbevollmächtigte erstmals durch die Verfügung des Senats vom 13. Oktober 2009, die ihm am 15. Oktober 2009 zugegangen sei, von dem verspäteten Eingang der Berufung erfahren habe.
Das Berufungsgericht hat die Berufung unter gleichzeitiger Zurückweisung der Anträge auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist und in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist sei nicht ausreichend begründet und daher unzulässig. Die Kläger hätten es versäumt, innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist Sachvortrag dazu zu halten, dass ihr Antrag rechtzeitig nach Behebung des Hindernisses, der Kenntnisnahme vom Zeitpunkt des Eingangs der Berufung, gestellt worden sei. Soweit sie mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2009 geltend gemacht hätten, ihr Prozessbevollmächtigter habe nicht schon am 28. September, sondern erst am 15. Oktober 2009 vom verspäteten Eingang der Berufung erfahren, sei ein solches Nachschieben eines neuen erheblichen Grundes nach Ablauf der Frist des § 234 ZPO nicht möglich. Vortrag, der in Verkennung der Rechtslage nicht rechtzeitig zur Begründung eines Wiedereinsetzungsgesuchs vorgebracht werde, rechtfertige auch keine Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist.
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2004 - XI ZB 6/04, BGHZ 161, 86, 87 mwN), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Kläger ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht vielmehr im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und verletzt nicht den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs oder wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG, NJW 2003, 281).
1. Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, der Fall werfe die Frage auf, ob in dem Schriftsatz vom 29. Oktober 2009 eine Äußerung der Kläger dazu, weshalb die Wiedereinsetzungsfrist nicht bereits am 28. September 2009 zu laufen begonnen hat, zu erwarten gewesen wäre, ist hiermit kein Zulassungsgrund dargetan. Weder kommt dem Fall insoweit grundsätzliche Bedeutung zu noch sind Fragen aufgeworfen, die eine Fortbildung des Rechts erfordern. Die Rechtsbeschwerde legt diese Zulassungsgründe schon nicht ordnungsgemäß dar. Vielmehr handelt es sich bereits ausweislich der Formulierung um eine Einzelfallfrage, die keine Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzuzeigen oder Gesetzeslücken zu schließen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 225 und vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 292).
Selbst wenn man die Rechtsbeschwerde - bei großzügiger Betrachtung - dahin versteht, hiermit solle geltend gemacht werden, der Fall werfe grundsätzliche Fragen zur zulässigen nachträglichen Erläuterung unklarer Angaben eines Wiedereinsetzungsgesuchs auf, hat sie keinen Erfolg. Die diesbezüglichen Grundsatzfragen sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinreichend geklärt. Danach ist ein Wiedereinsetzungsantrag unzulässig, wenn in ihm - wie im Streitfall - nicht dargelegt und glaubhaft gemacht wird, dass die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt ist; zum notwendigen Inhalt eines Wiedereinsetzungsgesuchs gehört grundsätzlich Sachvortrag, aus dem sich ergibt, dass der Antrag rechtzeitig nach Behebung des Hindernisses gestellt worden ist, es sei denn, die Frist ist nach Lage der Akten offensichtlich eingehalten (vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Dezember 1999 - II ZR 225/98, NJW 2000, 592 mwN), was das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint hat. Geklärt sind auch die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise nach Ablauf der zweiwöchigen Antragsfrist gehaltener Vortrag zu berücksichtigen ist. Grundsätzlich müssen nach § 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 ZPO alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist vorgetragen werden; lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, dürfen nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden; andernfalls liegt ein unzulässiges Nachschieben von Gründen vor (Senatsbeschlüsse vom 26. November 1991 - XI ZB 10/91, NJW 1992, 697 und vom 9. Februar 2010 - XI ZB 34/09, juris Rn. 9 mwN). Die Rechtsbeschwerde legt nicht dar, dass der vorliegende Rechtsstreit Anlass gibt, über diese Grundsätze hinaus zusätzliche Leitsätze zur Gesetzesauslegung aufzuzeigen. Mit ihren Ausführungen, eine Partei schiebe nicht etwa unzulässigerweise einen neuen Wiedereinsetzungsgrund nach, wenn sie nach Ablauf der Frist ergänzend schildere, warum die Frist für die Wiedereinsetzung nicht früher zu laufen begonnen habe, es handele sich insoweit vielmehr um eine zulässige Erläuterung und Vervollständigung erkennbar unklarer, ergänzungsbedürftiger Angaben, bewegt sie sich allein im Bereich der Einzelfallsubsumtion unter die genannten Leitsätze der Rechtsprechung und macht lediglich geltend, diese Subsumtion hätte richtigerweise zu einem von dem angefochtenen Beschluss abweichenden Ergebnis führen müssen.
2. Ein Grund, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist, ist hiermit ebenfalls nicht dargetan. Der Beschluss des Berufungsgerichts steht vielmehr im Einklang mit den Grundsätzen der oben darstellten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Wie auch die Rechtsbeschwerde nicht in Abrede stellt, haben die Kläger innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO keinen Vortrag dazu gehalten, dass die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist gewahrt war. Ihr Schriftsatz vom 29. Oktober 2009, mit dem sie erstmals ihren Wiedereinsetzungsantrag begründet haben, enthielt keinerlei Vortrag zur Einhaltung der Frist. Die im Schriftsatz vom 2. Dezember 2009 enthaltenen Ausführungen stellen sich damit nicht etwa als Ergänzung oder Erläuterung unklarer Ausführungen dar. Sie beinhalten - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat - vielmehr schlicht neuen Vortrag, der nach den dargestellten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu berücksichtigen war.
Anders als die Rechtsbeschwerde geltend macht, hätte das Berufungsgericht auch nicht etwa berücksichtigen müssen, dass die Kläger - nach Auffassung der Rechtsbeschwerde - bis zu dem Hinweis des Gerichts vom 18. November 2009 davon hätten ausgehen dürfen, weiterer Vortrag zur Einhaltung der Wiedereinsetzungsfrist sei nicht erforderlich. Hiermit übergeht die Rechtsbeschwerde, dass - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zu Recht hinweist - dem instanzgerichtlichen Bevollmächtigten der Kläger auf dessen Antrag mit Verfügung des Gerichts vom 20. Oktober 2009 die Gerichtsakten zur Einsicht übersandt worden waren. Spätestens bei deren Durchsicht musste die Mitteilung des Gerichts über den Eingang der Berufung auffallen, zumal sich auf der Verfügung vom 23. September 2009 sogar ein handschriftlicher Hinweis auf die mögliche Verfristung befand. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, wäre daher schon aus diesem Grund in dem Schriftsatz vom 29. Oktober 2009 eine Äußerung zur Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrags zu erwarten gewesen.
3. Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde schließlich, das Berufungsgericht habe den Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist vom 2. Dezember 2009 übergangen. Dabei kann dahinstehen, ob - wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung geltend macht - die Rechtsbeschwerde mit dieser Rüge schon deshalb ausgeschlossen ist, weil sie hierzu keinen Antrag gestellt hat. Anders als die Rechtsbeschwerde rügt, hat das Berufungsgericht diesen Antrag nämlich keineswegs übergangen. Das Berufungsgericht hat sich vielmehr ausdrücklich auch mit diesem Antrag befasst, ihn aber nicht für durchgreifend erachtet. Dies ist im Ergebnis schon deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, weil Wiedereinsetzung nur in eine schuldlos versäumte Wiedereinsetzungsfrist bewilligt werden kann, was voraussetzt, dass die Kläger auch die Frist für das Wiedereinsetzungsgesuch und die Nachholung der versäumten Prozesshandlung schuldlos versäumt haben (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2010 - XII ZB 22/10, NJW 2011, 153, Rn. 11). Daran fehlt es, weil die Kläger - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zu Recht hingewiesen hat - selbst bei einer versehentlichen Falschbehandlung der gerichtlichen Verfügung vom 23. September 2009 in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten jedenfalls durch die Akteneinsicht ihres instanzgerichtlichen Prozessbevollmächtigten im Oktober 2009 von dem möglichen Fristversäumnis Kenntnis hätten erlangen müssen. Das Vorbringen in dem Schriftsatz vom 2. Dezember 2009 kam daher jedenfalls zu spät.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Wiechers Mayen Grüneberg
Maihold Matthias