Entscheidungsdatum: 13.09.2011
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 7. Februar 2011 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert beträgt 9.180 €.
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Kauf von L. Zertifikaten in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das dem Klägervertreter am 16. Juni 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. Juli 2010 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz von 16. August 2010 begründet. Die Begründung ist am 19. August 2010 beim Berufungsgericht eingegangen. Mit Verfügung vom 18. August 2010 hat das Berufungsgericht die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Berufung nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet worden ist.
Wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat die Klägerin am 20. August 2010 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, ihre Prozessbevollmächtigte habe die Berufungsbegründung am Morgen des 16. August 2010 gefertigt und sie ihrem ansonsten stets sehr zuverlässigen Ehemann mit der Bitte übergeben, die Berufungsbegründung zusammen mit einem weiteren Schriftsatz auf dem Weg zur Arbeit beim Berufungsgericht einzuwerfen. Erst am 19. August 2010 habe sie erfahren, dass ihr Ehemann vergessen habe, die Briefe einzuwerfen.
Das Berufungsgericht hat die Berufung unter gleichzeitiger Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei nicht ohne Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten daran gehindert gewesen, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Zwar dürfe sich ein Rechtsanwalt für Verrichtungen einfachster Art wie eines Botenganges auch nicht angestellter Personen bedienen, die ihm persönlich bekannt seien, hinreichend unterrichtet worden seien und sich in ähnlichen Fällen als zuverlässig erwiesen hätten. Diese Voraussetzungen seien jedoch nicht glaubhaft gemacht, denn es sei nicht dargetan, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ihren Ehemann bereits früher mit Botengängen zur Übermittlung fristwahrender Schriftsätze beauftragt gehabt habe, weshalb auch nicht festgestellt werden könne, dass der Ehemann sich in dieser Hinsicht als zuverlässig erwiesen habe. Außerdem sei nicht dargetan, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ihren Ehemann auf die Dringlichkeit des am letzten Tag vor Fristablauf gefertigten Schriftsatzes hingewiesen habe.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig.
Die Rechtsbeschwerde gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist zurückzuweisen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (Senatsbeschluss vom 9. November 2004 - XI ZB 6/04, BGHZ 161, 86, 87 mwN), nicht erfüllt sind. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Entscheidung des Beschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht erforderlich, denn die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht weder auf der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, namentlich des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs, noch steht sie in Divergenz zu einer Entscheidung des 20. Zivilsenats des Berufungsgerichts vom 2. September 2010 (20 UF 112/10).
1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe in ihrem Wiedereinsetzungsantrag dazu vortragen müssen, ob sie ihren Ehemann bereits früher mit Botengängen zur Übermittlung fristwahrender Schriftsätze beauftragt gehabt habe, ob er sich dabei als zuverlässig erwiesen habe und ob sie ihren Ehemann auf die Dringlichkeit des am letzten Tag vor Fristablauf gefertigten Schriftsatzes hingewiesen habe, ist rechtsfehlerfrei, so dass eine Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht in Betracht kommt.
a) Die Entscheidung des Berufungsgerichts entspricht langjähriger - durch das Bundesverfassungsgericht bestätigter (BVerfG, NJW 1995, 249, 250) - Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach trifft den mit der Einlegung einer Berufung befassten Rechtsanwalt eine erhöhte Sorgfaltspflicht, wenn er - wie hier - mit der Berufungsbegründung bis zum letzten Tag der dafür vorgesehenen Frist gewartet hat. Der Rechtsanwalt darf sich zwar auch in diesem Fall zur Beförderung der Berufungsbegründung eines nicht bei ihm angestellten Boten bedienen. Dies darf er allerdings nur, wenn dieser ihm persönlich bekannt ist, entsprechend unterrichtet wurde und sich bereits mehrfach zuvor in ähnlichen Fällen als zuverlässig erwiesen hat. Zudem muss der Bote auf den drohenden Fristablauf und die Notwendigkeit der Fristenwahrung ausdrücklich hingewiesen worden sein (BGH, Beschlüsse vom 13. Februar 1985 - IVa ZB 15/84, VersR 1985, 455, 456, vom 13. Januar 1988 - IVa ZB 13/87, NJW 1988, 2045, vom 26. Oktober 1988 - VIII ZB 24/88, VersR 1989, 166, vom 5. September 2001 - XII ZB 81/01, FamRZ 2003, 368 f., vom 27. Februar 2002 - I ZB 23/01, NJW-RR 2002, 1070, 1071 und vom 18. November 2003 - XI ZB 18/03, juris Rn. 8).
b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde betrafen diese Entscheidungen keineswegs nur Fallgestaltungen, in denen sich der Rechtsanwalt eines fremden Boten, wie etwa eines Freundes, einer Praktikantin oder eines Mandanten bedient hatte, sondern auch solche, in denen Familienangehörige und Ehegatten eingeschaltet waren (BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 1988 - IVa ZB 13/87, NJW 1988, 2045 und vom 5. September 2001 - XII ZB 81/01, FamRZ 2003, 368 f.). Ebenso wie gegenüber externen Boten ist auch hinsichtlich dieser Personen im Wiedereinsetzungsantrag vorzutragen, wie zuverlässig sie in der Vergangenheit bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze waren und dass im konkreten Fall auf den drohenden Fristablauf sowie auf das Erfordernis der Fristenwahrung hingewiesen wurde. Daran fehlt es hier, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat.
c) Das Berufungsgericht hat diesbezüglich auch das Recht der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht dadurch verletzt, dass es die Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor seiner Entscheidung nicht auf den insoweit unvollständigen Vortrag im Wiedereinsetzungsantrag hingewiesen hat. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war angesichts der langjährigen und gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den Anforderungen an einen Wiedereinsetzungsantrag in Fällen der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze durch Boten ein solcher Hinweis nicht veranlasst. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist der dem Beschluss des III. Zivilsenats vom 19. Juni 1951 zugrunde liegende Sachverhalt, in dem der die Wiedereinsetzung begehrende Rechtsanwalt zu den zeitlichen Abläufen und den organisatorischen Gründen einer durch einen Bürovorsteher versäumten Aktenvorlage nur lückenhaft vorgetragen hatte (BGH, Beschluss vom 19. Juni 1951 - III ZB 2/51, BGHZ 2, 342 ff.), mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar.
2. Die Entscheidung des Berufungsgericht steht - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - auch nicht in Divergenz zu dem Beschluss des 20. Zivilsenats des Berufungsgerichts vom 2. September 2010 (20 UF 112/10), weshalb auch insofern keine Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Betracht kommt. In dieser Entscheidung war einem Wiedereinsetzungsgesuch der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in einem anderen Verfahren stattgegeben worden, das sie mit denselben Umständen wie ihren vorliegenden Antrag begründet hatte.
a) Eine Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) in den Fällen einer Divergenz zulässig, wenn die angefochtene Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt jedoch nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung und dabei einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (Senatsbeschluss vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182, 186; BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 292 f., jeweils mwN). Die bloß ergebnisverschiedene Würdigung gleicher Sachverhalte durch verschiedene Gerichte für sich allein führt hingegen nicht zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde (Senatsbeschluss vom 16. September 2003 - XI ZR 238/02, WM 2003, 2278 mwN).
b) Dass beiden Entscheidungen sich widersprechende abstrakte Rechtssätze zugrunde gelegt worden sind, hat die Rechtsbeschwerde weder dargelegt (BGH, Beschluss vom 23. Juli 2002 - VI ZR 91/02, BGHZ 152, 7, 8 f.), noch ist diese Voraussetzung offenkundig (BGH, Beschluss vom 18. März 2004 - V ZR 222/03, NJW 2004, 1960, 1961).
Wiechers Joeres Mayen
Matthias Pamp