Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 21.12.2010


BGH 21.12.2010 - XI ZB 25/10

Haftung bei Kapitalanlageberatung: Aussetzung eines Verfahrens über Ansprüche des Anlegers aus Prospekthaftung und vertraglicher Pflichtverletzung wegen eines Musterverfahrens


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
21.12.2010
Aktenzeichen:
XI ZB 25/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG München, 29. Juli 2010, Az: 5 W 1562/10, Beschlussvorgehend LG München I, 18. Mai 2010, Az: 32 O 2740/09
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 29. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

1. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit der von ihr am 8. Dezember 2004 gezeichneten Beteiligung an der F. Medienfonds GmbH & Co. KG (im Folgenden: Fonds) sowie eines zur teilweisen Finanzierung dieser Beteiligung aufgenommenen Darlehens geltend.

2

Sie stützt ihr Klagebegehren zum einen auf eine angebliche Prospektverantwortung der Beklagten unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Prospekthaftung im engeren Sinne mit der Begründung, der für die Anlage herausgegebene Prospekt sei inhaltlich aus verschiedenen Gründen falsch. Zum anderen nimmt sie die Beklagte als die ihre Beteiligung finanzierende Bank in Anspruch mit der Begründung, die Beklagte habe Aufklärungspflichten bei Eingehung des Darlehensvertrages verletzt. Schließlich stützt sie ihr Klagebegehren auch auf einen Widerruf des Darlehensvertrages nach den Verbraucherdarlehensvorschriften.

3

Beim Oberlandesgericht München ist unter dem Aktenzeichen KAP 1/07 ein Verfahren nach dem Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (nachfolgend: KapMuG) anhängig. Die Beklagte ist dort Musterbeklagte zu 2). Zu klären sind in diesem Verfahren, soweit es die hiesige Beklagte betrifft, deren Prospektverantwortlichkeit und die Fehlerhaftigkeit des Prospekts.

4

2. Das Landgericht hat das Verfahren nach § 7 KapMuG ausgesetzt. Das Beschwerdegericht hat den Aussetzungsbeschluss auf die sofortige Beschwerde der Klägerin aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

5

Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde sei auch gegen den auf § 7 Abs. 1 KapMuG gestützten Aussetzungsbeschluss gemäß §§ 252, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, weil vorliegend der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 KapMuG nicht eröffnet sei und damit auch § 7 Abs. 1 Satz 4 KapMuG nicht zur Anwendung komme.

6

Die Entscheidung des Landgerichts habe auch in der Sache keinen Bestand. Die Aussetzung eines Verfahrens, dessen Ergebnis nicht vom Ergebnis eines Verfahrens nach dem KapMuG abhängig sei, habe in § 7 Abs. 1 KapMuG keine Grundlage. Das Landgericht habe vorliegend ausweislich der Gründe der Nichtabhilfeentscheidung nicht hinreichend geprüft, ob eine Haftung aus vorvertraglichem Verschulden nach § 311 Abs. 2 BGB in Betracht komme. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs komme eine Aussetzung nach § 7 KapMuG aber nur in Betracht, soweit eine Prospekthaftung im engeren Sinne und damit Ansprüche aufgrund einer fehlerhaften öffentlichen Kapitalmarktinformation geltend gemacht würden. Auf die daneben auch geltend gemachte Haftung auf (vor-)vertraglicher Grundlage sei § 7 KapMuG nicht anwendbar. Die Frage, ob der Prospekt richtig oder falsch sei, sei bei dem gegenwärtigen Prüfungsstand jedenfalls noch nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung.

7

Mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde begehrt die Beklagte die Aufhebung des Beschlusses des Beschwerdegerichts und die Wiederherstellung der Aussetzungsentscheidung des Landgerichts.

II.

8

Die statthafte Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) ist nicht begründet.

9

1. Zu Recht hat das Beschwerdegericht die Aussetzung des Rechtsstreits als unzulässig angesehen und den Aussetzungsbeschluss des Landgerichts trotz der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 4 KapMuG aufgehoben, da § 7 KapMuG auf das Streitverhältnis der Parteien insoweit keine Anwendung findet, als Ansprüche aus vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten aus dem Darlehensverhältnis im Streit sind.

10

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Rechtsstreitigkeiten, in denen Schadensersatzansprüche auf vertraglicher Grundlage oder aus § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 und 3 BGB bzw. aus der sogenannten Prospekthaftung im weiteren Sinne geltend gemacht werden, von vornherein nicht Gegenstand eines Musterverfahrens nach § 1 Abs. 1 KapMuG sein. Das gilt auch dann, wenn sich die Haftung aus der Verwendung eines fehlerhaften Prospektes im Zusammenhang mit einer Beratung oder einer Vermittlung ergibt (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 30. November 2010 - XI ZB 23/10, Rn. 11 mwN).

11

b) Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass das auch für Ansprüche des Anlegers gegen die die Anlage finanzierende Bank wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen aus dem Darlehensverhältnis gilt, wie sie hier in Rede stehen. Solche Ansprüche, die die Klägerin hier neben einem Anspruch aus Prospekthaftung im engeren Sinne geltend macht, können nicht Gegenstand eines Musterverfahrens sein. Das gilt auch dann, wenn die Haftung - etwa aus einem Wissensvorsprung - die Kenntnis von einer durch fehlerhafte Prospektangaben begangenen arglistigen Täuschung voraussetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 30. November 2010 - XI ZB 23/10, Rn. 13 f. mwN). Erst Recht gilt dies für Ansprüche, die auf ein Widerrufsrecht nach den Verbraucherdarlehensvorschriften gestützt werden.

12

c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ändert die Tatsache, dass die Beklagte auch als Prospektverantwortliche nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinne in Anspruch genommen wird, nichts daran, dass über die daneben geltend gemachten Ansprüche aus vertraglichen oder vorvertraglichen Pflichtverletzungen zu entscheiden ist, bevor eine Aussetzung nach dem KapMuG in Betracht kommt (vgl. Senatsbeschluss vom 30. November 2010 - XI ZB 23/10, Rn. 15 f. mwN).

13

Das Beschwerdegericht hat auch rechtsfehlerfrei angenommen, dass aufgrund des Sach- und Streitstandes eine Haftung der Beklagten als Darlehensgeberin unter dem Gesichtspunkt einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung nicht ohne weiteres verneint werden kann. Das Landgericht muss diesem Sachvortrag daher nachgehen und auch unter Einbeziehung der bereits durchgeführten umfangreichen Beweisaufnahme prüfen, ob der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung gegeben ist.

14

2. Eine Kostenentscheidung ergeht nicht. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens bilden einen Teil der Kosten des Rechtsstreits, die unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens die nach §§ 91 ff. ZPO in der Sache unterliegende Partei zu tragen hat (Senatsbeschluss vom 30. November 2010 - XI ZB 23/10, Rn. 18 mwN).

Wiechers                                               Ellenberger                                                   Maihold

                            Matthias                                                         Pamp