Entscheidungsdatum: 23.01.2019
1. Hat ein Bauträger aufgrund der rechtsirrigen Annahme seiner Steuerschuld als Leistungsempfänger von ihm bezogene Bauleistungen nach § 13b UStG versteuert, kann er das Entfallen dieser rechtswidrigen Besteuerung geltend machen, ohne dass es darauf ankommt, dass er einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erfüllt oder die Möglichkeit für eine Aufrechnung durch das FA besteht (Anschluss an das BFH-Urteil vom 27. September 2018 V R 49/17, BStBl II 2019, 109; entgegen BMF-Schreiben vom 26. Juli 2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a) .
2. Sind Bauunternehmer und Leistungsempfänger bei einem vor Erlass des BFH-Urteils vom 22. August 2013 V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128) abgeschlossenen und durchgeführten Bauvertrag übereinstimmend von der Steuerschuldnerschaft des Bauträgers ausgegangen und hat der Bauträger die auf die erbrachten Leistungen des Bauunternehmers entfallende Umsatzsteuer an das FA abgeführt, steht dem Bauunternehmer aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags zu, wenn der Bauträger Erstattung der Steuer verlangt und deshalb für den Bauunternehmer die Gefahr entsteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer abführen zu müssen (Anschluss an das BGH-Urteil vom 17. Mai 2018 VII ZR 157/17, HFR 2018, 661) .
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 28. April 2017 1 K 2634/15 U wird zum Streitjahr 2010 als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 28. April 2017 1 K 2634/15 U wird für die Jahre 2009 und 2011 mit der Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, dass aus verfahrensrechtlichen Gründen das angefochtene Urteil für die Jahre 2009 und 2011 aufgehoben wird und die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2009 und 2011 vom 14. Februar 2018 dahingehend geändert werden, dass die Umsatzsteuer für das Jahr 2009 um ... € und für das Jahr 2011 um ... € herabgesetzt wird.
3. Unter Aufhebung der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils werden die Kosten des gesamten Verfahrens dem Beklagten auferlegt.
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Änderung eines Umsatzsteuerbescheids, mit dem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) für die Jahre 2009 bis 2011 (Streitjahre) gegenüber dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) u.a. zu Unrecht Umsatzsteuer für Bauleistungen gemäß § 13b des Umsatzsteuergesetzes in der in den jeweiligen Streitjahren geltenden Fassung (UStG) festgesetzt hat, in direkter oder entsprechender Anwendung des § 17 UStG oder nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verweigert werden darf.
Der Kläger ist selbständiger Malermeister. Daneben vermietet er in seinem Alleineigentum stehende Wohnungen. Er führt insoweit steuerfreie Umsätze i.S. des § 4 Nr. 12 UStG aus.
In den Streitjahren ließ der Kläger an seinen vermieteten Immobilien diverse Instandhaltungsarbeiten durchführen, die im Revisionsverfahren nach einer teilweisen Erledigungserklärung der Beteiligten, dem Erlass von Änderungsbescheiden und der Anpassung der Anträge noch hinsichtlich im Einzelnen näher bezeichneter Leistungen streitig sind.
Der Kläger ging zunächst --in Übereinstimmung mit der Finanzverwaltung (Abschn. 182a Abs. 11 der Umsatzsteuer-Richtlinien und Abschn. 13b.1 Abs. 11 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses)-- davon aus, dass er für die genannten Leistungen aufgrund seiner Tätigkeit als selbständiger Malermeister auch dann als Steuerschuldner gemäß § 13b UStG anzusehen sei, wenn er die Handwerkerleistungen für sein Vermietungsunternehmen bezogen habe, weil die Werkleistungen aus seiner Tätigkeit als selbständiger Malermeister mehr als 10 % seiner insgesamt erzielten Umsätze ausmachten. In den Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2009 bis 2011, die gemäß § 168 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) als Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung wirkten, meldete er daher auch die für sein Vermietungsunternehmen bezogenen Leistungen als solche an, für welche er die Umsatzsteuer gemäß § 13b UStG schulde. Außerdem waren den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre jeweils als Anlage zur Anlage V Einzelaufstellungen der Erhaltungsaufwendungen beigefügt, aus denen sich der jeweilige Rechnungsbetrag, der Name des leistenden Handwerkers sowie ggf. die Anwendung des § 13b UStG ergab.
Nach Durchführung einer Außenprüfung beim Kläger und einem sich daran anschließenden Rechtsbehelfsverfahren wegen vorliegend nicht mehr streitiger Punkte erließ das FA am 25. April 2014 auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützte Abhilfebescheide, in denen die vom Kläger gemäß § 13b UStG angemeldete Umsatzsteuer weiterhin enthalten war.
Hiergegen erhob der Kläger erneut Einspruch und beantragte unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128), die Umsatzsteuer 2009 bis 2011 um die zu Unrecht nach § 13b UStG abgeführten Beträge für die Leistungsbezüge im Zusammenhang mit den Vermietungsumsätzen herabzusetzen.
Mit Schreiben vom 12. Juni 2014 und 23. Januar 2015 bat das FA, zuletzt entsprechend dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 31. Juli 2014 (BStBl I 2014, 1073), um nähere Angaben zu den begehrten Änderungen.
Nachdem der Kläger die erbetenen Auskünfte unter Hinweis auf die dem FA vorliegenden Steuererklärungen nicht erteilt hatte, lehnte das FA mit Einspruchsentscheidung vom 7. August 2015 den Antrag ab.
Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 1217 veröffentlichten Urteil vom 28. April 2017 1 K 2634/15 U statt.
Im Laufe des Revisionsverfahrens hat das FA unter dem 14. Februar 2018 Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für die Streitjahre 2009 und 2011 erlassen, mit denen es dem Begehren des Klägers teilweise (in Bezug auf hier nicht streitgegenständliche Umsätze) abgeholfen hat. Die Beteiligten haben insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Nach Erlass des BFH-Beschlusses vom 27. Januar 2016 V B 87/15 (BFHE 252, 187) sei es zumindest zweifelhaft, ob in entsprechender Anwendung des § 17 UStG die "Erstattung" der Umsatzsteuer erst dann bewilligt werden kann, wenn der Kläger die Umsatzsteuer an den Bauunternehmer gezahlt habe oder mit ihr aufgerechnet werden könne. Darauf sei es im BFH-Urteil vom 23. Februar 2017 V R 16, 24/16 (BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 62) nicht angekommen. Aus der Formulierung werde deutlich, dass der BFH seine Auffassung noch nicht aufgegeben habe. Außerdem sei der Grundsatz von Treu und Glauben zu berücksichtigen. Dieser stehe der Durchsetzbarkeit des "Erstattungsanspruchs" gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 AO entgegen. Die zwischen den Bauhandwerkern und dem Kläger geschlossenen Verträge seien lückenhaft. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung oder wegen Störung der Geschäftsgrundlage stehe den Bauunternehmern ein Anspruch gegen den Kläger auf Nachzahlung von Umsatzsteuer zu. Der vom FA zu erstattende Betrag sei daher sofort an die Bauunternehmer auszukehren. Der Bauträger habe daher an der Erstattung kein Eigeninteresse. Das Risiko des Forderungsausfalls habe der Leistende zu tragen. In Rz 57 des BFH-Urteils in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760 habe der BFH außerdem ausgeführt, dass das Interesse an der Ausnutzung von "windfall profits" nicht schutzwürdig sei. Dies müsse auch für den Kläger gelten. Das Verhalten, sich die Umsatzsteuer erstatten zu lassen und sich zu weigern, diese dem leistenden Unternehmer zu zahlen, sei treuwidrig. Müsse der Leistungsempfänger die Steuer entweder an den Leistenden oder das FA zahlen, könne die Einwilligung zur Abkürzung des Zahlungswegs unterstellt werden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision des FA betreffend das Jahr 2010 als unbegründet zurückzuweisen und für die Jahre 2009 und 2011 mit der Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen, dass die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2009 und 2011 vom 14. Februar 2018 dahingehend geändert werden, dass die Umsatzsteuer für das Jahr 2009 um ... € und für das Jahr 2011 um ... € herabgesetzt wird.
II.
Die Revision ist in der Sache unbegründet; sie ist indes nur in Bezug auf das Streitjahr 2010 zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). In Bezug auf die Streitjahre 2009 und 2011 ist die Vorentscheidung aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, der Klage aber weiterhin stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat zu Recht angenommen, dass der Änderung der angefochtenen Bescheide weder § 17 UStG noch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen.
1. In Bezug auf die Streitjahre 2009 und 2011 ist die Vorentscheidung aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben und eine eigene Sachentscheidung durch den Senat zu treffen.
a) Die während des Revisionsverfahrens ergangenen Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für die Streitjahre 2009 und 2011 sind zum Gegenstand des Verfahrens geworden, denn sie ersetzen nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO die zuvor ergangenen Umsatzsteuer-Jahresbescheide für 2009 und 2011 vom 25. April 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. August 2015, über die das FG entschieden hat (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 5. Juni 2014 XI R 25/12, BFHE 245, 465, Rz 27; vom 9. September 2015 XI R 21/13, BFH/NV 2016, 597, Rz 18).
b) Damit liegen dem FG-Urteil für diese Streitjahre in ihrer Wirkung suspendierte Bescheide zugrunde mit der Folge, dass das FG-Urteil insoweit keinen Bestand haben kann (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 1. Oktober 2014 XI R 13/14, BFHE 248, 367, Rz 15; vom 10. Februar 2016 XI R 26/13, BFHE 252, 538, BStBl II 2017, 857, Rz 27).
c) Da die Sache spruchreif ist, sich durch die Änderungsbescheide hinsichtlich der hier noch streitigen Punkte keine Änderungen ergeben und der Kläger auch keinen weiter gehenden Antrag gestellt hat, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 127 FGO (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 2015 XI R 28/14, BFHE 252, 460, BStBl II 2016, 550, Rz 24; vom 18. November 2015 XI R 32/14, BFH/NV 2016, 789, Rz 25). Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats; sie fallen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nicht weg, wenn dieses nicht an einem Verfahrensmangel leidet (vgl. BFH-Urteile vom 15. März 2017 II R 10/15, BFH/NV 2017, 1153, Rz 12; vom 22. Februar 2018 VI R 17/16, BFHE 260, 532, Rz 17).
2. Das FG hat mit den Beteiligten zu Recht angenommen, dass der Kläger für die hier zu beurteilenden Umsätze nicht gemäß § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 UStG (2008) bzw. § 13b Abs. 2 Nr. 4, Abs. 5 Satz 2 UStG (2010) Umsatzsteuer schuldet (vgl. dazu allgemein BFH-Urteile in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128; vom 11. Dezember 2013 XI R 21/11, BFHE 244, 115, BStBl II 2014, 425). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
3. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass der vom Kläger begehrten Änderung der angefochtenen Bescheide weder § 17 UStG in unmittelbarer oder analoger Anwendung noch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegensteht.
a) Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf das BFH-Urteil vom 27. September 2018 V R 49/17 (BStBl II 2019, 109). Auf die Frage, ob der V. Senat des BFH seine im BFH-Beschluss in BFHE 252, 187 geäußerten ernstlichen Zweifel bereits mit dem BFH-Urteil in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760 (Rz 62) aufgegeben hat, was das FA in Abrede stellt, kommt es dabei nicht an.
b) Aus dem BFH-Urteil vom 16. Mai 2018 XI R 28/16 (BFHE 261, 451, Deutsches Steuerrecht 2018, 1663) folgt im Streitfall schon deshalb nichts anderes, weil § 17 UStG, auf den § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG verweist, im Streitfall weder direkt noch analog anwendbar ist.
c) Zu den vom FA befürchteten "windfall profits" kann es in diesem Zusammenhang nicht kommen: Besteht ein Anspruch des Bauunternehmers gegen den Leistungsempfänger auf Zahlung von Umsatzsteuer, kann das FA ihm gegenüber den Umsatzsteuerbescheid gemäß § 27 Abs. 19 UStG ändern (vgl. BFH-Urteil in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 24 ff.). Sind Bauunternehmer und Leistungsempfänger bei einem vor Erlass des BFH-Urteils vom 22. August 2013 V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128) abgeschlossenen und durchgeführten Bauvertrag übereinstimmend von der Steuerschuldnerschaft des Bauträgers ausgegangen und hat der Bauträger die auf die erbrachten Leistungen des Bauunternehmers entfallende Umsatzsteuer an das FA abgeführt, steht dem Bauunternehmer aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags zu, wenn der Bauträger Erstattung der Steuer verlangt und deshalb für den Bauunternehmer die Gefahr entsteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer abführen zu müssen (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 17. Mai 2018 VII ZR 157/17, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2018, 661, m. Anm. Treiber). Dieser Anspruch ist abtretbar (vgl. BFH-Urteil in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 61 f.). Eine eventuelle Abtretung hat das FA anzunehmen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 63 ff.).
d) Der Senat weicht mit dieser zivilrechtlichen Sichtweise nicht vom Urteil des V. Senats des BFH in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, das einen Anspruch auf Nachzahlung der Umsatzsteuer aufgrund von § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bejaht hat, ab; denn der V. Senat des BFH hat in Rz 58 seines Urteils in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760 ausdrücklich offengelassen, ob ein Anspruch auf Nachzahlung der Umsatzsteuer nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung besteht.
4. Der Rechtsstreit ist hinsichtlich der Streitjahre 2009 und 2011, zu denen in der Sache zu entscheiden ist, spruchreif i.S. der Stattgabe der Klage.
5. Das Erhebungsverfahren ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Deshalb kommt es auf die vom FA im Schriftsatz vom 14. Februar 2018 erklärte Aufrechnung mit der abgetretenen Forderung eines Bauhandwerkers nicht an. Ebenso greifen die erhobenen Einwendungen des FA gegen eine "Erstattung" der Steuer im Erhebungsverfahren nicht durch.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 und Abs. 2 FGO. Auch soweit das FA im Laufe des Revisionsverfahrens Änderungsbescheide erlassen hat, hat der Kläger obsiegt.