Entscheidungsdatum: 18.11.2015
NV: Der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG kommt auch dann in Betracht, wenn die nach dem Personenbeförderungsgesetz erforderliche Genehmigung mit Kraftfahrzeugen im Linienverkehr rückwirkend erteilt wird .
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Juni 2014 7 K 7090/13 aufgehoben.
Die Umsatzsteuer für die Streitjahre wird unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide für 2005 bis 2007 vom 19. Januar 2012 und für 2008 und 2009 vom 16. November 2011, in Gestalt der jeweiligen Einspruchsentscheidung vom 13. März 2013, sowie der Umsatzsteuerbescheide für 2010 und 2011 vom 18. November 2014 um ... € (2005), um ... € (2006), um ... € (2007), um ... € (2008), um ... € (2009), um ... € (2010) und um ... € (2011) herabgesetzt.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
I. Die vormals dafür zuständige Senatsverwaltung erteilte der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH & Co. KG, am 28. März 2000 die bis zum 30. März 2005 befristete Genehmigung, in … sog. "Open-Door-Stadtrundfahrten" (Stadtrundfahrten), bei denen die Fahrgäste an verschiedenen über das Stadtgebiet verteilten Haltestellen ein- und aussteigen können, durchzuführen.
Noch am selben Tag beantragte die Klägerin, die ihr erteilte Genehmigung auf die "… OHG" (B), die heutige "… GmbH & Co. KG", zu übertragen. Dem kam die Senatsverwaltung mit Verfügung vom 19. Juli 2000 nach.
Mit Vertrag vom 27. Dezember 2001 gestattete die B der Klägerin die vollständige, selbständige und exklusive Nutzung der Genehmigung zur Durchführung von Stadtrundfahrten ab dem 1. Januar 2002. Dafür erhielt sie, die B, ein Entgelt von jährlich … % der erzielten Nettoumsätze.
Am 23. März 2005 genehmigte die nunmehr zuständige Behörde (Landesamt) der B (erneut) die Durchführung von Stadtrundfahrten für den Zeitraum vom 1. April 2005 bis 31. März 2013.
Die Klägerin führte (ab dem 1. Januar 2002 und auch) in den Streitjahren 2005 bis 2011 die in Rede stehenden Stadtrundfahrten durch und unterwarf die Umsätze in den entsprechenden Umsatzsteuererklärungen dem ermäßigten Steuersatz.
Mit gleichlautenden Schreiben vom 14. November 2012 beantragten die Klägerin und B jeweils, die mit dem vorgenannten Vertrag vom 27. Dezember 2001 erfolgte Übertragung der Genehmigung (rückwirkend) ab dem 1. Januar 2002 gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 43 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) zu gestatten. Diese Anträge beschied das Landesamt mit Verfügung vom 19. November 2012 wie folgt: "Dem Antrag der beiden Unternehmen auf Übertragung der Betriebsführung der open-door-Stadtrundfahrten-Genehmigung, welche als Sonderlinienverkehr ... mit einer Gültigkeit vom 01.04.2005 bis zum 31.03.2013 genehmigt wurde, gebe ich statt. Die Betriebsführerschaft zur Ausübung des ursprünglich genehmigten Verkehrs wird somit auf die [Klägerin] übertragen. Grundlage meiner Entscheidung ist ... auch der neben dem Antrag der Unternehmen vorliegende privatrechtliche Vertrag zwischen dem Linieninhaber und dem neuen Betriebsführer. An dem rechtsbestimmten Inhalt der Verkehrsgenehmigung wird durch die Übertragung nichts geändert. Deshalb wird auch weder der Inhalt der Linienurkunde verändert noch findet eine Anpassung der Laufzeit statt. ... Dementsprechend war dem Antrag auf Übertragung der Betriebsführung zu entsprechen. Dieser Bescheid ergeht als Ergänzung zur bereits erteilten Genehmigung. Die mit der ursprünglich erteilten Genehmigung festgelegten Bedingungen und Auflagen gelten fortan und sind durch den Betriebsführer ebenso zu beachten."
Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführten, die Besteuerungszeiträume 2005 bis 2007 umfassenden Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) auch hinsichtlich der Folgejahre 2008 bis 2011 die Auffassung, die streitbefangenen Stadtrundfahrten unterlägen der Art nach nicht dem ermäßigten Steuersatz, weil sie nicht der "Raumüberwindung" dienten. Das FA erließ dementsprechend am 16. November 2011, 19. Januar 2012 und 13. Juni 2012 geänderte bzw. erstmalige Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre.
Hiergegen legte die Klägerin jeweils Einspruch ein.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 13. März 2013 entsprach das FA dem Begehren der Klägerin, soweit sie sich gegen die jeweilige Bemessungsgrundlage gewandt hatte, und wies die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurück. Es war nunmehr der Ansicht, die Klägerin sei in den Streitjahren nicht Inhaberin der erforderlichen Genehmigung für den Linienverkehr gewesen. Der die Übertragung der Betriebsführung betreffenden Verfügung des Landesamts vom 19. November 2012 komme keine Rückwirkung zu.
Im Verlauf des anschließenden Klageverfahrens änderte das FA am 23. April 2014 die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr 2011. Der Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 2011 vom 23. April 2014 wurde Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 1524 veröffentlichten Urteil aus, dass auch touristischen Zwecken dienende Stadtrundfahrten dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der für die Streitjahre geltenden Fassung (a.F.) unterliegen könnten, wenn es sich insoweit um genehmigten Linienverkehr handele.
Die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG a.F. erfordere, dass der Unternehmer, der Personen mit Kraftfahrzeugen im Linienverkehr befördere, im Besitz einer nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 42 oder § 43 PBefG erforderlichen Genehmigung sei. Erst die besonderen, mit der Genehmigung nach dem PBefG einhergehenden Pflichten, zu denen insbesondere die Betriebs- und Beförderungspflicht nach §§ 21, 22 PBefG gehörten, rechtfertigten die umsatzsteuerrechtliche Begünstigung.
In den Streitjahren habe keine Genehmigung für die Klägerin zur Durchführung des Linienverkehrs vorgelegen. Die am 19. November 2012 erteilte Genehmigung zur Übertragung der bereits zugunsten der B bestehenden Genehmigung zum Linienverkehr entfalte keine Rückwirkung.
Dem Personenbeförderungsrecht sei eine rückwirkende Linienver-kehrsgenehmigung fremd. Der Verfügung vom 19. November 2012 könne kein von dieser Rechtslage abweichender Inhalt entnommen werden. Das Landesamt habe den gleichlautenden Anträgen der Klägerin und B, der Übertragung der Genehmigung zuzustimmen, nicht rückwirkend entsprochen, sondern entschieden, dass die mit der ursprünglich erteilten Genehmigung festgelegten Bedingungen "fortan" gelten würden.
Gegen das Urteil des FG richtet sich die Revision der Klägerin.
Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und bringt im Wesentlichen vor, der am 19. November 2012 erteilten Zustimmung zur Übertragung der Betriebsführung komme Rückwirkung mit der Folge zu, dass sie, die Klägerin, in den Streitjahren berechtigt gewesen sei, die ursprünglich der B erteilten Linienverkehrsgenehmigungen zu nutzen.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 18. November 2014 die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2010 und 2011 erneut geändert. Die bisher berücksichtigten Vorsteuerbeträge wurden hierbei um … € (2010) bzw. … € (2011) entsprechend den zwischen den Beteiligten nicht streitigen Feststellungen einer bei der Klägerin durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung gemindert. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 1. Oktober 2014 dem FA gegenüber mitgeteilt, dass gegen den Erlass der entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheide für 2010 und 2011 keine Bedenken bestünden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2005 bis 2009 vom 16. November 2011 bzw. 19. Januar 2012 in Gestalt der jeweiligen Einspruchsentscheidung vom 13. März 2013 sowie der Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2010 und 2011 vom 18. November 2014 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um … € (2005), … € (2006), … € (2007), … € (2008), … € (2009), … € (2010) und … € (2011) herabgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Es hält die Vorentscheidung für zutreffend. Eine Linienbeförderungsgenehmigung habe in den Streitjahren jeweils nur für die B vorgelegen. Entgegen der Auffassung der Klägerin entfalte die am 19. November 2012 erteilte Zustimmung zur Übertragung der Betriebsführung keine Rückwirkung. Dieser Verfügung sei ein erkennbarer Wille der Genehmigungsbehörde, die Übertragung rückwirkend zu genehmigen, nicht zu entnehmen.
II. Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass die von der Klägerin ausgeführten Beförderungsumsätze nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
1. Die Vorentscheidung ist, soweit das FG über die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2010 und 2011 entschieden hat, bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil ihr nach Ergehen der die Umsatzsteuer für 2010 und 2011 betreffenden Änderungsbescheide vom 18. November 2014 nicht mehr existierende Bescheide zugrunde liegen.
a) Die während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheide vom 18. November 2014 haben die Umsatzsteuerbescheide für 2010 und 2011 vom 13. März 2013 bzw. 23. April 2014, die Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gewesen sind, i.S. von § 68 Satz 1 FGO ersetzt. Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen anderen Verwaltungsakt geändert oder ersetzt, so wird nach der auch im Revisionsverfahren (§ 121 FGO) geltenden Vorschrift des § 68 FGO der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens (vgl. dazu z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. November 2005 V R 63/02, BFHE 212, 161, BStBl II 2006, 337, unter II.1., Rz 17; vom 5. Juni 2014 XI R 25/12, BFHE 245, 465, BFH/NV 2014, 1692, Rz 27; jeweils m.w.N.). Damit liegen der Vorentscheidung in ihrer Wirkung suspendierte Bescheide zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil insoweit keinen Bestand haben kann (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 1. Oktober 2014 XI R 13/14, BFHE 248, 367, BFH/NV 2015, 451, Rz 15, m.w.N.).
b) Da sich hinsichtlich der streitigen Rechtsfrage durch die Änderungsbescheide vom 18. November 2014 keine Änderungen ergeben haben und die Klägerin im Revisionsverfahren auch keinen weiter gehenden Antrag gestellt hat, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 127 FGO. Der erkennende Senat kann auf der Grundlage der fortgeltenden finanzgerichtlichen Feststellungen entscheiden (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 12. September 2007 VIII R 38/04, BFH/NV 2008, 37, unter II., Rz 16; vom 18. September 2012 VIII R 45/09, BFHE 239, 226, BStBl II 2013, 479, Rz 15; jeweils m.w.N.).
2. Die Steuer betrug nach § 12 Abs. 1 UStG für jeden steuerpflichtigen Umsatz in den Streitjahren 2005 und 2006 16 % und in den Streitjahren 2007 bis 2011 19 % der Bemessungsgrundlage.
a) Die Steuer ermäßigte sich nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG a.F. auf 7 % u.a. für "die Beförderungen von Personen ... im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen ... aa) innerhalb einer Gemeinde oder bb) wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt".
b) Die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG a.F. beruhte auf Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Kategorie 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Danach konnten die Mitgliedstaaten auf die dort jeweils bezeichneten Lieferungen und Dienstleistungen --u.a. die "Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks"-- statt des in Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen allgemeinen Steuersatzes einen ermäßigten Steuersatz anwenden (ab dem 1. Januar 2007 gelten insoweit Art. 96 bzw. Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Nr. 5 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem).
c) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ist auch eine selektive Anwendung der Ermächtigung zur Einführung eines ermäßigten Steuersatzes erlaubt (vgl. dazu EuGH-Urteil Pro Med Logistik und Pongratz vom 27. Februar 2014 in den verbundenen Rechtssachen C-454/12 und C-455/12, EU:C:2014:111, BStBl II 2015, 437, Rz 43, m.w.N.).
aa) Die den Mitgliedstaaten zuerkannte Wahrnehmung der Möglichkeit einer selektiven Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes unterliegt allerdings der zweifachen Bedingung, dass zum einen für die Zwecke der Anwendung des ermäßigten Satzes nur konkrete und spezifische Aspekte der in Rede stehenden Kategorie von Leistungen herausgelöst werden und zum anderen der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird (vgl. dazu EuGH-Urteil Pro Med Logistik und Pongratz, EU:C:2014:111, BStBl II 2015, 437, Rz 45, m.w.N.).
bb) Diese Voraussetzungen der selektiven Anwendung des ermäßigten Steuersatzes sind hinsichtlich der Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG a.F. erfüllt. Denn die nur für die Personenbeförderung im genehmigten Linienverkehr geltende Betriebs- und Beförderungspflicht nach §§ 21, 22 PBefG ist geeignet, unterschiedliche Leistungen zu kennzeichnen, so dass diese Tätigkeit einen konkreten und spezifischen Aspekt der genannten Kategorie darstellen kann (zur Personenbeförderung im Verkehr mit Taxen vgl. BFH-Urteil vom 2. Juli 2014 XI R 22/10, BFHE 246, 537, BStBl II 2015, 416, Rz 50, m.w.N.). Die selektive Anwendung der Ermächtigung zur Einführung eines ermäßigten Steuersatzes hinsichtlich der begünstigten Personenbeförderungen im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen verstößt zudem nicht gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität. Aus maßgeblicher Sicht des Durchschnittsverbrauchers ist ein Unterschied zwischen Stadtrundfahrten, die im genehmigten Linienverkehr mit Betriebs- und Beförderungspflichten und solchen, die ohne diese Pflichten nicht im genehmigten Linienverkehr durchgeführt werden, gegeben (zur Personenbeförderung im Verkehr mit Taxen vgl. BFH-Urteil in BFHE 246, 537, BStBl II 2015, 416, Rz 64, m.w.N.).
3. Die Klägerin hat in den Streitjahren dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Beförderungsleistungen i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG a.F. ausgeführt.
a) Die streitbefangenen Stadtrundfahrten dienten der Beförderung von Personen. Denn die Klägerin hat Personen mit Kraftfahrzeugen als Beförderungsmittel fortbewegt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 30. Juni 2011 V R 44/10, BFHE 234, 504, BStBl II 2011, 1003, Rz 16 ff., m.w.N.).
b) Die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG a.F. setzte ferner eine Personenbeförderung "im genehmigten Linienverkehr" im verkehrsrechtlichen Sinne voraus (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 234, 504, BStBl II 2011, 1003, Rz 17). Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Die Klägerin hat die in Rede stehenden Stadtrundfahrten im genehmigten Linienverkehr ausgeführt. Denn die zugunsten der Klägerin gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 43 PBefG erteilte Genehmigung des Landesamts vom 19. November 2012 zur Übertragung der Betriebsführung des bereits der B genehmigten Linienverkehrs wirkt auf die Streitjahre zurück.
aa) Der erkennende Senat ist nach § 118 Abs. 2 FGO an die vom FG näher begründete Würdigung, der Genehmigung des Landesamts vom 19. November 2012 komme keine Rückwirkung zu, nicht gebunden. Denn die Auslegung eines Verwaltungsakts durch das FG ist im Revisionsverfahren überprüfbar (vgl. dazu BFH-Urteile vom 12. Juni 1997 I R 72/96, BFHE 183, 30, BStBl II 1997, 660; vom 24. August 2005 II R 16/02, BFHE 210, 515, BStBl II 2006, 36; vom 11. Juli 2006 VIII R 10/05, BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96; vom 4. Juni 2008 I R 72/07, BFH/NV 2008, 1977; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 118 FGO Rz 210, m.w.N.). Die Frage, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist vom Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit zu beantworten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 24. März 1998 I R 83/97, BFHE 186, 67, BStBl II 1998, 601; Lange in HHSp, § 118 FGO Rz 210, m.w.N.; einschränkend Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 118 Rz 25, m.w.N.).
bb) Welchen Regelungsinhalt ein Verwaltungsakt hat, ist über den bloßen Wortlaut hinaus im Wege der Auslegung zu ermitteln, wobei die §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch für öffentlich-rechtliche Willensbekundungen geltende Auslegungsregeln enthalten. Entscheidend ist danach, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen, mithin nach seinem "objektiven Verständnishorizont", den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96, unter II.3.b aa, Rz 36 f., m.w.N.).
cc) Nach diesen Auslegungsmaßstäben und nach den gesamten Umständen des Streitfalles konnte die Klägerin entgegen der vom FG vertretenen Auffassung die Genehmigung des Landesamts vom 19. November 2012 nur dahingehend verstehen, dass die Übertragung der Betriebsführung rückwirkend genehmigt wurde.
Das Landesamt hat mit der in Rede stehenden Verfügung vom 19. November 2012 den auf Genehmigung der Übertragung der Betriebsführung ab dem 1. Januar 2002 gerichteten Anträgen der Klägerin und B vom 14. November 2012 "stattgegeben". Es weist in dem Genehmigungsschreiben vom 19. November 2012 ausdrücklich darauf hin, dass Grundlage für die Entscheidung "auch der neben dem Antrag der Unternehmen vorliegende privatrechtliche Vertrag zwischen dem Linieninhaber und dem neuen Betriebsführer" gewesen sei, und führt im Anschluss an verkehrsrechtliche Erörterungen abschließend aus, "dementsprechend war dem Antrag auf Übertragung der Betriebsführung zu entsprechen". Danach hat das Landesamt den übereinstimmenden Anträgen der Klägerin und der B, die auf die Zustimmung zur "Übertragung der Betriebsführung ab dem 01. Januar 2002" gerichtet waren und denen der in der Genehmigung vom 19. November 2012 ausdrücklich als Entscheidungsgrundlage in Bezug genommene privatrechtliche Vertrag vom 27. Dezember 2001 beigefügt war, in vollem Umfang, mithin rückwirkend für die Streitjahre, stattgegeben.
Soweit das Landesamt in der Verfügung vom 19. November 2012 daneben ausgeführt hat, "die mit der ursprünglich erteilten Genehmigung festgelegten Bedingungen und Auflagen gelten fortan und sind durch den Betriebsführer ebenso zu beachten", lässt dies entgegen der vom FG vertretenen Auffassung nicht den Schluss darauf zu, dass die Behörde die Übertragung der Betriebsführung abweichend von den unmissverständlichen, auf die (rückwirkende) Genehmigung ab dem 1. Januar 2002 gerichteten Anträgen der Klägerin und B nur mit Wirkung für die Zukunft genehmigt hätte. Denn diese behördlichen Ausführungen bezogen sich nicht auf die Übertragung der Betriebsführung (als solche), sondern auf die (künftige) Beachtung der festgelegten Bedingungen und Auflagen.
dd) Da es auf die materielle Bindungswirkung der betreffenden Genehmigung ankommt, ist es vorliegend ohne Belang, ob die Verfügung vom 19. November 2012 möglicherweise verkehrsrechtlichen Vorschriften, die die rückwirkende Genehmigung zur Übertragung der Betriebsführung ausschließen, oder einer herrschenden Rechtspraxis, verkehrsrechtliche Genehmigungen nur mit Wirkung für die Zukunft auszusprechen, widerspricht. Es bedarf daher keiner Entscheidung darüber, ob die Genehmigung der Übertragung der Betriebsführung auf einen anderen i.S. von § 2 Abs. 2 PBefG rückwirkend möglich ist. Selbst wenn keine rückwirkende Genehmigung hätte erteilt werden können, wäre diese für diesen Fall rechtswidrige, jedoch nicht nichtige Entscheidung der Behörde rechtswirksam.
c) Die Rückwirkung der Genehmigung vom 19. November 2012 ist, anders als das FG meint, nicht auf den Zeitraum ab dem 1. April 2005 begrenzt. Entgegen den Feststellungen des FG war die Übertragung der erst am 1. April 2005 beginnenden Verkehrsgenehmigung vom 23. März 2005 nicht beantragt. Soweit das Landesamt auf diese der B erteilte Genehmigung vom 23. März 2005 in der Verfügung vom 19. November 2012 Bezug nimmt, ergibt sich nichts anderes. Denn den übereinstimmenden Anträgen der Klägerin und B, der Übernahme der Betriebsführung ab dem 1. Januar 2002 zuzustimmen, hat das Landesamt ohne Einschränkung entsprochen. Aufgrund des Bescheids vom 19. Juli 2000 lag auch eine Genehmigung vor, die übertragen werden konnte.
4. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Das angefochtene Urteil war daher auch hinsichtlich der Streitjahre 2005 bis 2009 aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Die Sache ist spruchreif.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.