Entscheidungsdatum: 15.04.2010
Telekommunikationseinrichtung
Bestand zwischen zwei Teilbereichen eines Fachgebietes (hier: Datenübertragung in öffentlichen Fernmeldenetzen und Datenübertragung mittels Internet- und LAN-Technologie) traditionell eine gedankliche Kluft, kann für den Fachmann dennoch Veranlassung bestehen, zur Lösung eines technischen Problems Vorschläge aus beiden Bereichen heranzuziehen, wenn sich am Prioritätstag bereits Anwendungen und Verfahren herausgebildet haben, die die Grenze zwischen den beiden Bereichen überschreiten (hier: Internet-Telefonie), und wenn sich das technische Problem in beiden Bereichen in ähnlicher Weise stellt .
Die Berufung gegen das am 5. April 2006 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Beklagte war Inhaberin des europäischen Patents 929 884 (Streitpatents), das am 7. Oktober 1997 unter Inanspruchnahme der Priorität zweier Patentanmeldungen vom 7. und 23. Oktober 1996 angemeldet worden ist und ein Verfahren sowie einen Switch zur Übertragung von Daten in einem Telekommunikationsnetz betrifft. Während des Berufungsverfahrens ist die S. Beteiligungsgesellschaft mbH als neue Inhaberin im Patentregister eingetragen worden.
Das Streitpatent umfasst 21 Patentansprüche. Die Patentansprüche 1, 2 und 17 lauten in der erteilten Fassung in der Verfahrenssprache Deutsch:
"1. Verfahren zur Übertragung von Daten von einem ersten Switch zu einem zweiten Switch, die Teil eines leitungsvermittelten Netzes sind oder Zugang zu einem leitungsvermittelten Netz haben, wahlweise per Leitungsvermittlung oder per Paketvermittlung, bestehend aus folgenden Schritten:
a) Aufbau einer Verbindung über das leitungsvermittelte Netz vom ersten Switch zu einem Zugangspunkt eines paketvermittelten Netzes,
b) leitungsvermitteltes Übertragen der Daten vom ersten Switch zum Zugangspunkt des paketvermittelten Netzes,
c) Paketierung der Daten, sofern diese noch nicht als Datenpakete vorliegen, und paketvermitteltes Übertragen der Datenpakete über das paketvermittelte Netz vom Zugangspunkt zum zweiten Switch,
d) wiederholtes Prüfen, ob ein durch den Nutzer eines Endgerätes oder ein Netzwerkmanagement ausgelöstes Steuersignal zum Übergang auf eine leitungsvermittelte Verbindung zum zweiten Switch vorliegt,
e) Aufbau einer leitungsvermittelten Verbindung vom ersten Switch zum zweiten Switch über das leitungsvermittelte Netz bei Vorliegen eines entsprechenden Steuersignals, sofern diese noch nicht vorhanden ist,
f) Wechseln auf eine leitungsvermittelte Datenübertragung während der bestehenden Verbindung und Übertragen der Daten zum zweiten Switch.
2. Verfahren zur Übertragung von Daten von einem ersten Switch zu einem zweiten Switch, die sowohl Teil eines leitungsvermittelten Netzes als auch eines paketvermittelten Netzes sind oder Zugang zu solchen Netzen haben, wahlweise per Leitungsvermittlung oder per Paketvermittlung, bestehend aus folgenden Schritten:
a) Paketierung der Daten im ersten Switch, sofern die Daten noch nicht als Datenpakete vorliegen,
b) paketvermitteltes Übertragen der Datenpakete über das paketvermittelte Netz zum zweiten Switch,
d) wiederholtes Prüfen, ob ein durch den Nutzer eines Endgerätes oder ein Netzwerkmanagement ausgelöstes Steuersignal zum Übergang auf eine leitungsvermittelte Verbindung zum zweiten Switch vorliegt,
e) Aufbau einer leitungsvermittelten Verbindung über das leitungsvermittelte Netz zum zweiten Switch bei Vorliegen eines entsprechenden Steuersignals, sofern diese noch nicht vorhanden ist,
f) Wechseln auf eine leitungsvermittelte Datenübertragung während der bestehenden Verbindung und Übertragen der Daten zum zweiten Switch.
17. Switch zur Verwendung in einem Verfahren nach Anspruch 1 oder 2 mit mindestens einer Paketier-Einrichtung (713, 714) zum Paketieren bzw. Depaketieren von Daten, einer Packet-Switching-Einrichtung (72) zum Routen von Datenpaketen, einer Line-Switching-Einrichtung (73) zum Verbindungsaufbau von Datenkanälen,
gekennzeichnet durch
eine Steuereinrichtung (71), die während einer bestehenden Verbindung in Abhängigkeit von Steuersignalen eines Nutzers eines Endgerätes oder eines Netzwerkmanagements ankommende Daten der Verbindung entweder an die Packet-Switching-Einrichtung (72) oder an die Line-Switching-Einrichtung (73) leitet."
Die übrigen Ansprüche sind auf einen dieser Ansprüche zurückbezogen.
Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in erster Instanz im Umfang der Patentansprüche 1 bis 16 verteidigt. Ergänzend hat sie vier Hilfsanträge gestellt, die jeweils Änderungen in den Patentansprüchen 1 und 2 betreffen.
Das Patentgericht hat das Streitpatent antragsgemäß mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent mit einem Hauptantrag und 32 Hilfsanträgen, die jeweils einen kompletten Anspruchssatz umfassen, in geänderter Fassung verteidigt. Nach dem Hauptantrag sollen die Patentansprüche 1, 11 und 17 folgende Fassung erhalten (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind hervorgehoben):
"1. Verfahren zur Übertragung von Daten einer individuellen Kommunikationsverbindung von einem ersten Switch zu einem zweiten Switch, die Teil eines leitungsvermittelten Netzes sind oder Zugang zu einem leitungsvermittelten Netz haben, wahlweise per Leitungsvermittlung oder per Paketvermittlung, bestehend aus folgenden Schritten:
a) Aufbau einer Verbindung über das leitungsvermittelte Netz vom ersten Switch zu einem Zugangspunkt eines paketvermittelten Netzes,
b) leitungsvermitteltes Übertragen der Daten vom ersten Switch zum Zugangspunkt des paketvermittelten Netzes,
c) Paketierung der Daten, sofern diese noch nicht als Datenpakete vorliegen, und paketvermitteltes Übertragen der Datenpakete über das paketvermittelte Netz vom Zugangspunkt zum zweiten Switch,
d) wiederholtes Prüfen, ob ein durch den Nutzer eines Endgerätes oder ein Netzwerkmanagement ausgelöstes Steuersignal zum Übergang auf eine leitungsvermittelte Verbindung zum zweiten Switch vorliegt,
e) Aufbau einer leitungsvermittelten Verbindung vom ersten Switch zum zweiten Switch über das leitungsvermittelte Netz bei Vorliegen eines entsprechenden Steuersignals, sofern diese noch nicht vorhanden ist,
f) Wechseln auf eine leitungsvermittelte Datenübertragung während der bestehenden Verbindung und Übertragen der Daten zum zweiten Switch , wobei
g) das Steuersignal, das einen Wechsel zwischen leitungsvermittelter und paketvermittelter Übertragung auslöst, bei Unter- bzw. Überschreiten bestimmter Anforderungen an die Qualität der Datenübertragung der individuellen Kommunikationsverbindung, nämlich Zeitverzögerung oder Rauschanteil, automatisch erzeugt wird.
2. Verfahren zur Übertragung von Daten einer individuellen Kommunikationsverbindung von einem ersten Switch zu einem zweiten Switch, die sowohl Teil eines leitungsvermittelten Netzes als auch eines paketvermittelten Netzes sind oder Zugang zu solchen Netzen haben, wahlweise per Leitungsvermittlung oder per Paketvermittlung, bestehend aus folgenden Schritten:
a) Paketierung der Daten im ersten Switch, sofern die Daten noch nicht als Datenpakete vorliegen,
b) paketvermitteltes Übertragen der Datenpakete über das paketvermittelte Netz zum zweiten Switch,
c) wiederholtes Prüfen, ob ein durch den Nutzer eines Endgerätes oder ein Netzwerkmanagement ausgelöstes Steuersignal zum Übergang auf eine leitungsvermittelte Verbindung zum zweiten Switch vorliegt,
d) Aufbau einer leitungsvermittelten Verbindung über das leitungsvermittelte Netz zum zweiten Switch bei Vorliegen eines entsprechenden Steuersignals, sofern diese noch nicht vorhanden ist,
e) Wechseln auf eine leitungsvermittelte Datenübertragung während der bestehenden Verbindung und Übertragen der Daten zum zweiten Switch , wobei
f) das Steuersignal, das einen Wechsel zwischen leitungsvermittelter und paketvermittelter Übertragung auslöst, bei Unter- bzw. Überschreiten bestimmter Anforderungen an die Qualität der Datenübertragung der individuellen Kommunikationsverbindung, nämlich Zeitverzögerung oder Rauschanteil, automatisch erzeugt wird.
17. Switch zur Verwendung in einem Verfahren nach Anspruch 1 oder 2 mit
- mindestens einer Paketier-Einrichtung (713, 714) zum Paketieren bzw. Depaketieren von Daten,
- einer Packet-Switching-Einrichtung (72) zum Routen von Datenpaketen über ein paketvermitteltes Netz zu einem weiteren Switch ,
- einer Line-Switching-Einrichtung (73) zum Verbindungsaufbau von Datenkanälen über ein leitungsvermitteltes Netz zu dem weiteren Switch , gekennzeichnet durch
- einer Steuereinrichtung (71), die während einer bestehenden, individuellen Kommunikationsverbindung in Abhängigkeit von Steuersignalen eines Nutzers eines Endgerätes oder eines Netzwerkmanagements ankommende Daten der individuellen Kommunikationsverbindung entweder an die Packet-Switching-Einrichtung (72) oder an die Line-Switching-Einrichtung (73) leitet , und
- einer Einrichtung zur Komprimierung und Dekomprimierung von Daten ."
Die frühere Klägerin zu 2 hat die Klage im Laufe des Berufungsverfahrens nach einer außergerichtlichen Einigung zurückgenommen. Die Beklagte hat insoweit keinen Kostenantrag gestellt. Die Klägerin zu 1 und ihre Streithelferin, die dem Rechtsstreit während des Berufungsverfahrens beigetreten ist, verteidigen das angefochtene Urteil.
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. J., öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Informations- und Kommunikationstechnik, Datenübertragungstechnik, H., ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
I. Die im Laufe des Berufungsverfahrens erfolgte Umschreibung des Patents hat gemäß § 265 Abs. 2 ZPO auf den Rechtsstreit keinen Einfluss (BGHZ 117, 144, 146 - Tauchcomputer; BGHZ 172, 98 Tz. 19 - Patentinhaberwechsel im Einspruchsverfahren).
II. Das Patentgericht hat seine der Klage stattgebende Entscheidung wie folgt begründet:
Der Gegenstand der Patentansprüche 1 und 2 habe sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach der Pressemitteilung NK22 in Verbindung mit seinem Fachwissen ergeben. Diese Entgegenhaltung betreffe ein Verfahren zum Übertragen von Daten wahlweise per Leitungs- oder Paketvermittlung, bei dem ein Wechsel von paket- auf leitungsvermittelte Übertragung erfolge, wenn das Internet überlastet sei. Bei diesem Verfahren sei zwangsläufig wiederholt zu prüfen, ob ein Steuersignal zum Übergang auf eine leitungsvermittelte Verbindung vorliege, und gegebenenfalls eine solche Verbindung zum zweiten Switch aufzubauen. Für die Erzeugung eines solchen Signals setze der Fachmann die Netzwerkmanagement-Software ein, mit der auch die Wahl der Verbindung erfolge. Der in Patentanspruch 1 geforderte Verbindungsaufbau vom ersten Switch zum paketvermittelten Netz unter Einbeziehung eines Zugangspunktes und das daran anschließende Übertragen der Daten auf diesem Weg seien dem Fachmann aus seinem Fachwissen heraus geläufig. Als Beleg dafür könne die Abhandlung K8 herangezogen werden. Aus dem Umstand, dass der Wechsel von einer paket- zu einer leitungsvermittelten Verbindung bei dem in NK22 beschriebenen Verfahren bei einer Überlastung des Internets ausgelöst werde, sei zu folgern, dass dieser Wechsel während einer bestehenden (paketvermittelten) Verbindung erfolge. Mehr sei auch nach den Patentansprüchen 1 und 2 des Streitpatents nicht erforderlich. Selbst wenn das Streitpatent Einzelheiten zum Wechsel selbst aufzeigen würde, seien diese dem Fachmann durch den Stand der Technik, insbesondere die Entgegenhaltungen K8, NK25, NK13 und NK14 nahegelegt.
Der Gegenstand des Streitpatents in den mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen sei ebenfalls durch die genannten Entgegenhaltungen nahegelegt.
Diese Beurteilung hält der Überprüfung in der Berufungsinstanz im Ergebnis stand.
III. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Übertragung von Daten in einem Telekommunikationsnetz.
1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift sind bei der Telekommunikation zwei grundlegende Verbindungs- und Schalttechniken zu unterscheiden.
Bei leitungsvermittelten Techniken (line-switching oder circuit switching) wird eine exklusive, feste Leitung zwischen zwei Punkten aufgebaut. Die Datenübermittlung erfolgt synchron, d.h. im Wesentlichen ohne zeitliche Verzögerung. Die gesamte Bandbreite der Leitung steht nur für die Verbindung zwischen den beiden Endpunkten zur Verfügung und kann während des Bestehens der Verbindung auch dann nicht anderweit genutzt werden, wenn keine Nutzinformationen übertragen werden. Die Leitungsvermittlung erfolgt über Telekommunikations-Anlagen (TK-Anlagen) oder Vermittlungsstellen des Netzanbieters. Die Leitungen gehören entweder zum konventionellen Telefon-Fernmeldenetz (auch Public Switched Telephone Network, PSTN, oder Plain Old Telephone Service, POTS, genannt) oder zum digitalen ISDN (Integrated Services Digital Network). Leitungsvermittelte Verbindungen werden in der Streitpatentschrift als teuer bezeichnet. Ihr Vorteil liege in einer zeitverzögerungsfreien und eine feste Bandbreite zur Verfügung stellenden Verbindung.
Bei paketvermittelten Techniken werden die zu übertragenden Daten in einzelne Pakete aufgeteilt, die über mehrere Stationen hinweg übertragen werden. Hierfür muss nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift keine Verbindung aufrechterhalten werden. Die Vermittlung erfolgt "verbindungslos", d.h. jedes Paket wird einzeln und nicht im Zusammenhang mit anderen behandelt. Bei der Übertragung mittels des Internet-Protokolls (IP) werden die einzelnen Datenpakete (IP-Pakete) über Paketvermittlungsanlagen (auch als IP-Switches, Router oder Host-Rechner bezeichnet) im Internet übertragen. Beim Umkopieren von Datenpaketen in einer Paketvermittlungsanlage treten wegen der Länge der einzelnen Datenpakete Zeitverzögerungen auf, die bei starker Belastung des Routers oder einer hohen Anzahl von zu durchlaufenden Routern erheblich sein können. Diese Verzögerungen können bei der Internet-Telefonie störend wirken. Die übliche und hinnehmbare Verzögerungszeit für Telefongespräche wird in der Streitpatentschrift mit einer halben Sekunde angegeben. Als Vorteil der Internet-Telefonie werden in der Streitpatentschrift die geringeren Kosten angegeben, weil in der Regel nur die lokalen Telefongebühren für die Verbindung zum nächsten Internet-Zugangspunkt (Point of Presence, POP) anfielen, nicht jedoch höhere Fernsprechgebühren.
Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das Problem, ein Verfahren sowie eine Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, die in Abhängigkeit vom Datenaufkommen und den Vorgaben eines Nutzers eine flexible Datenübertragung zwischen zwei Switches und insbesondere eine kostengünstige Datenübertragung in Echtzeit ermöglichen.
2. Zur Lösung schlägt das Streitpatent zwei Verfahren und eine dafür geeignete Vorrichtung vor.
a) Patentanspruch 1 betrifft in seiner im Berufungsverfahren zuletzt verteidigten Fassung ein Verfahren, das folgende Merkmale aufweist:
1.1. Das Verfahren dient der Übertragung von Daten einer individuellen Kommunikationsverbindung von einem ersten Switch zu einem zweiten Switch.
1.2. Die Switches sind Teil eines leitungsvermittelten Netzes oder haben Zugang zu einem leitungsvermittelten Netz.
1.3. Der Zugang ist wahlweise per Leitungsvermittlung oder per Paketvermittlung möglich.
1.4. Über das leitungsvermittelte Netz wird eine Verbindung vom ersten Switch zu einem Zugangspunkt eines paketvermittelten Netzes aufgebaut (Verfahrensschritt a).
1.5. Vom ersten Switch werden Daten leitungsvermittelt zum Zugangspunkt des paketvermittelten Netzes übertragen (Verfahrensschritt b).
1.6. Die Daten werden paketiert, sofern sie noch nicht als Datenpakete vorliegen, und
1.7. die Datenpakete werden über das paketvermittelte Netz paketvermittelt vom Zugangspunkt zum zweiten Switch übertragen (Verfahrensschritt c).
1.8. Es wird wiederholt geprüft, ob ein Steuersignal zum Übergang auf eine leitungsvermittelte Verbindung zum zweiten Switch vorliegt;
1.8.1 dieses Steuersignal wird ausgelöst durch ein Netzwerkmanagement (Verfahrensschritt d).
1.9. Bei Vorliegen eines entsprechenden Steuersignals wird eine leitungsvermittelte Verbindung vom ersten Switch zum zweiten Switch über das leitungsvermittelte Netz aufgebaut, sofern diese noch nicht vorhanden ist (Verfahrensschritt e).
1.10. Während der bestehenden Verbindung wird auf eine leitungsvermittelte Datenübertragung gewechselt
1.11. und die Daten werden darüber zum zweiten Switch übertragen (Verfahrensschritt f).
1.12. Das Steuersignal, das einen Wechsel zwischen leitungsvermittelter und paketvermittelter Übertragung auslöst, wird bei Unter- bzw. Überschreiten bestimmter Anforderungen an die Qualität der Datenübertragung der individuellen Kommunikationsverbindung, nämlich Zeitverzögerung oder Rauschanteil, automatisch erzeugt (Verfahrensschritt g).
b) Das Verfahren gemäß Patentanspruch 2 unterscheidet sich von diesem Verfahren dadurch, dass der erste Switch gemäß Patentanspruch 2 unmittelbaren Zugang sowohl zu einem leitungs- als auch zu einem paketvermittelten Netz hat, so dass es der in Patentanspruch 1 aufgeführten Verbindung über das leitungsvermittelte Netz zu einem Zugangspunkt zum paketvermittelten Netz nicht bedarf, und dass die Paketierung der Daten zwingend bereits im ersten Switch erfolgt.
Das Verfahren gemäß Patentanspruch 2 weist demgemäß folgende Merkmale auf:
2.1. Das Verfahren dient der Übertragung von Daten einer individuellen Kommunikationsverbindung von einem ersten Switch zu einem zweiten Switch.
2.2. Die Switches sind sowohl Teil eines leitungsvermittelten Netzes als auch eines paketvermittelten Netzes bzw. haben Zugang zu solchen Netzen.
2.3. Der Zugang ist wahlweise per Leitungsvermittlung oder per Paketvermittlung möglich.
2.4. Die Daten werden im ersten Switch paketiert, sofern sie noch nicht als Datenpakete vorliegen (Verfahrensschritt a).
2.5. Die Daten werden über das paketvermittelte Netz paketvermittelt zum zweiten Switch übertragen (Verfahrensschritt b).
2.6. Es wird wiederholt geprüft, ob ein Steuersignal zum Übergang auf eine leitungsvermittelte Verbindung zum zweiten Switch vorliegt;
2.6.1 dieses Steuersignal wird ausgelöst durch ein Netzwerkmanagement (Verfahrensschritt c).
2.7. Bei Vorliegen eines entsprechenden Steuersignals wird eine leitungsvermittelte Verbindung über das leitungsvermittelte Netz zum zweiten Switch aufgebaut, sofern diese noch nicht vorhanden ist (Verfahrensschritt d).
2.8. Während der bestehenden Verbindung wird auf eine leitungsvermittelte Datenübertragung gewechselt
2.9. und die Daten werden darüber zum zweiten Switch übertragen (Verfahrensschritt e).
2.10. Das Steuersignal, das einen Wechsel zwischen leitungsvermittelter und paketvermittelter Übertragung auslöst, wird bei Unter- bzw. Überschreiten bestimmter Anforderungen an die Qualität der Datenübertragung der individuellen Kommunikationsverbindung, nämlich Zeitverzögerung oder Rauschanteil, automatisch erzeugt (Verfahrensschritt f).
Beide Verfahren kombinieren die in der Streitpatentschrift aufgeführten Vorteile der beiden Übertragungsarten, indem grundsätzlich die preisgünstigere, aber weniger zuverlässige paketvermittelte Übertragung eingesetzt und nur im Bedarfsfall - der durch ein entsprechendes Steuersignal angezeigt wird - auf die teurere, aber zuverlässigere leitungsvermittelte Übertragung gewechselt wird.
c) Der in der Berufungsinstanz wieder verteidigte Patentanspruch 17 betrifft einen Switch mit folgenden Merkmalen:
17.1. Der Switch dient der Verwendung in einem Verfahren nach Patentanspruch 1 oder 2 und weist mindestens folgende Einrichtungen auf:
17.2. eine Paketier-Einrichtung zum Paketieren bzw. Depaketieren von Daten;
17.3. eine Packet-Switching-Einrichtung zum Routen von Datenpaketen über ein paketvermitteltes Netz zu einem weiteren Switch,
17.4. eine Line-Switching-Einrichtung zum Verbindungsaufbau von Datenkanälen über ein leitungsvermitteltes Netz zu dem weiteren Switch,
17.5. eine Steuereinrichtung, die während einer bestehenden, individuellen Kommunikationsverbindung in Abhängigkeit von Steuersignalen eines Netzwerkmanagements ankommende Daten der individuellen Kommunikationsverbindung entweder an die Packet-Switching-Einrichtung oder an die Line-Switching-Einrichtung leitet, und
17.6. eine Einrichtung zur Komprimierung und Dekomprimierung von Daten.
3. Einige Merkmale bedürfen besonderer Erläuterung.
a) Ein Switch im Sinne des Streitpatents ist, wie sich aus der Beschreibung ergibt, eine Vorrichtung zur Vermittlung von Leitungen oder Datenpaketen. Der Begriff umfasst sowohl Leitungsvermittlungsanlagen, die im privaten Bereich als Telekommunikations- oder TK-Anlage, im öffentlichen Bereich als Vermittlungsstelle bezeichnet werden, als auch Paketvermittlungsanlagen, die auch als Router, IP-Switch oder Host-Rechner bezeichnet werden (Sp. 1 Z. 30-40).
Der erste Switch im Sinne von Patentanspruch 1 muss lediglich die Fähigkeit zur Leitungsvermittlung haben. Er hat keinen direkten Zugang zu einem paketvermittelten Netz. Auch bei einer paketvermittelten Übertragung werden die Daten bis zum Zugangspunkt des paketvermittelten Netzes leitungsvermittelt übertragen. Die Paketierung der Daten kann wahlweise im ersten Switch oder erst am Zugangspunkt zum paketvermittelten Netz erfolgen (Sp. 5 Z. 26-33). Bei dem Verfahren gemäß Patentanspruch 2 muss die Paketierung hingegen gemäß Merkmal 2.4 bereits im ersten Switch erfolgen. Dieser muss ferner sowohl zur Leitungsvermittlung als auch zur Vermittlung von Datenpaketen in der Lage sein, weil er unmittelbaren Zugang sowohl zu einem leitungs- als auch zu einem paketvermittelten Netz hat.
b) Der Begriff "Verbindung" wird im allgemeinen fachlichen Sprachgebrauch und auch im Streitpatent in unterschiedlicher Bedeutung verwendet.
(1) Bei leitungsvermittelten Netzen besteht eine Verbindung, wenn eine bestimmte Leitung zwischen zwei oder mehr Datenübertragungs-Einrichtungen aufgebaut ist, beispielsweise zwischen zwei Telefonen oder zwischen einem Internet-Router und einem Zugangspunkt. Ohne eine solche Verbindung ist die leitungsvermittelte Übertragung von Daten von einer Datenübertragungs-Einrichtung zur anderen nicht möglich.
Eine Verbindung dieser Art ist bei dem Verfahren gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents für die in Merkmal 1.4 vorgesehene Strecke zwischen dem ersten Switch und dem Zugangspunkt zu dem paketvermittelten Netz erforderlich, weil die Datenübertragung auf dieser Strecke gemäß Merkmal 1.5 stets leitungsvermittelt erfolgt. Eine solche Verbindung ist ferner stets erforderlich, wenn die Datenübertragung zwischen den beiden Telekommunikations-Einrichtungen gemäß den Merkmalen 1.10 und 1.11 bzw. den Merkmalen 2.8 und 2.9 leitungsvermittelt erfolgt.
(2) In einem paketvermittelten Netz ist eine Verbindung in diesem Sinne weder vorhanden noch erforderlich. Alle an das paketvermittelte Netz angeschlossenen Datenübertragungs-Einrichtungen können ständig Datenpakete an jede andere angeschlossene Einrichtung senden, ohne dass zwischen einzelnen aufeinander folgenden Paketen ein Zusammenhang bestehen muss.
Um der daraus resultierenden Gefahr zu begegnen, dass einzelne Datenpakete nicht oder nicht in der richtigen Reihenfolge beim Empfänger ankommen, können in die übertragenen Nutzdaten Informationen aufgenommen werden, die es ermöglichen, die Übertragung auf Vollständigkeit zu überprüfen, nicht erhaltene Pakete nochmals anzufordern und die Reihenfolge der empfangenen Pakete zu korrigieren. In einem IP-Netz ist dies beispielsweise mit Hilfe des auf dem Internet-Protokoll aufsetzenden Transmission Control Protocol (TCP) möglich. Dieses ist, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten dargelegt hat, in seiner Reaktion zu langsam, um den Zeitbedingungen eines Dialogsprachsignals zu genügen. Zur Übertragung solcher Signale, insbesondere auch bei der im Streitpatent hervorgehobenen Internet-Telefonie, kommt üblicherweise das User Datagram Protocol (UDP) zum Einsatz, das verbindungslos ist. Auch bei einer UDP-Übertragung können Informationen über die Vollständigkeit und Übertragungsdauer der Datenpakete zwischen Empfänger und Sender ausgetauscht werden, wenn diese Informationen in die Nutzdaten der UDP-Pakete aufgenommen werden. Hierfür können das auf einer höheren Protokollschicht angesiedelte Real-Time Transport Protocol (RTP) und das dieses ergänzende Real-Time Transport Control Protocol (RTCP) eingesetzt werden, die einige Monate vor dem Prioritätszeitpunkt veröffentlicht worden sind.
Eine verbindungslose Übertragung ist nach Patentanspruch 1 des Streitpatents für die Strecke zwischen dem Zugangspunkt zum paketvermittelten Netz und dem zweiten Switch, nach Patentanspruch 2 für die Strecke zwischen den beiden Switches möglich, solange die Übertragung gemäß Merkmal 1.7 bzw. 2.5 paketvermittelt erfolgt. Paketvermittelte Übertragung wird in der Streitpatentschrift ausdrücklich als verbindungslos (Sp. 2 Z. 12 f.) bezeichnet.
Die paketvermittelte Übertragung im Sinne von Merkmal 1.7 bzw. 2.5 erfordert auch nicht zwingend den Einsatz eines verbindungsorientierten Protokolls wie beispielsweise TCP oder RTP. Sie kann auch ausschließlich mit einem verbindungslosen Protokoll wie beispielsweise UDP erfolgen. In der Streitpatentschrift werden TCP und UDP ausdrücklich erwähnt (Sp. 9 Z. 24-27; Sp. 11 Z. 31 f.); ohne dass zwischen beiden näher differenziert oder andere Protokolle ausgeschlossen werden. Ein Hinweis auf RTP oder RTCP findet sich in der Streitpatentschrift nicht.
(3) Weitergehende Anforderungen lassen sich auch nicht aus den Merkmalen 1.10 und 2.8 herleiten, wonach der Wechsel von der paket- zur leitungsvermittelten Übertragung während der bestehenden individuellen Kommunikationsverbindung zu erfolgen hat. Aus diesen Angaben kann nicht gefolgert werden, dass entgegen den Ausführungen in der Beschreibung die paketvermittelte Datenübertragung nur mit einem verbindungsorientierten Protokoll wie beispielsweise TCP erfolgen darf. Als individuelle Kommunikationsverbindung in diesem Sinne ist vielmehr, wie auch die Beteiligten übereinstimmend vortragen und der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, ein inhaltlich zusammengehöriger Kommunikationsvorgang zu verstehen, beispielsweise ein Telefonanruf, die Übertragung einer Sprach- oder Faxnachricht oder die Übermittlung einer Datei.
(4) Die Patentansprüche 1 und 2 lassen offen, was geschehen soll, wenn über das paketvermittelte Netz mehrere Übertragungsvorgänge gleichzeitig ablaufen - beispielsweise ein Telefonat, eine Telefaxsendung und eine Dateiübertragung - und für einen dieser Übertragungsvorgänge der in Merkmal 1.10 bzw. Merkmal 2.8 vorgesehene Wechsel auf leitungsvermittelte Verbindung vorgenommen wird. Nach dem Stand der Technik am Prioritätstag kommen hierfür mehrere Möglichkeiten in Betracht:
Zum einen können sämtliche Übertragungsvorgänge auf die leitungsvermittelte Verbindung umgestellt werden. Hierfür bedarf es entweder einer separaten Leitung für jeden Übertragungsvorgang oder eines Übertragungsverfahrens, mit dem mehrere Vorgänge über eine Leitung abgewickelt werden können, beispielsweise durch Bildung von Subkanälen (Multiplexing) oder durch Einteilung der Daten in verschiedene Pakete, die leitungsvermittelt übertragen werden. Die beiden zuletzt genannten Varianten werden in der Streitpatentschrift als mögliche Ausführungsform ausdrücklich erwähnt (Multiplexing: Sp. 6 Z. 42 bis Sp. 7 Z. 16; leitungsvermittelte Übertragung von Datenpaketen: Sp. 5 Z. 46-50).
Zum anderen besteht die Möglichkeit, es für die übrigen Übertragungsvorgänge bei der paketvermittelten Übertragung zu belassen, sofern diese nicht ihrerseits einen Wechsel zur Leitungsvermittlung anfordern.
In der Beschreibung des Streitpatents werden beide Möglichkeiten aufgezeigt. Als bevorzugte Ausführungsform wird ein Verfahren angegeben, bei dem für die paket- und für die leitungsvermittelte Übertragung derselbe Datenkanal, beispielsweise ein ISDN-B-Kanal, verwendet wird (Sp. 6 Z. 3-16). Dies hat zur Folge, dass der Kanal nach dem Wechsel auf leitungsvermittelte Übertragung nicht mehr für paketvermittelte Übertragung zur Verfügung steht. Als alternative Ausführungsform wird vorgeschlagen, zwei Datenkanäle zu nutzen, so dass Daten gleichzeitig paket- und leitungsvermittelt übertragen werden können (Sp. 6 Z. 29-41). Dies ermöglicht es, für einen Übertragungsvorgang einen Wechsel von paket- zu leitungsvermittelter Übertragung durchzuführen und für einen gleichzeitig laufenden anderen Übertragungsvorgang die paketvermittelte Übertragung beizubehalten.
c) Der in den Merkmalen 1.10 und 2.8 beschriebene Wechsel von paket- zu leitungsvermittelter Übertragung wird durch das in Merkmal 1.9 oder in Merkmal 2.7 vorgesehene Steuersignal ausgelöst. Hierzu wird gemäß Merkmal 1.8 oder Merkmal 2.6 wiederholt geprüft, ob ein solches Signal vorliegt. Gemäß Merkmal 1.8.1 oder Merkmal 2.6.1 wird das Signal durch ein Netzwerkmanagement ausgelöst. Nach der zuletzt verteidigten Fassung des Streitpatents wird das Steuersignal gemäß Merkmal 1.12 oder Merkmal 2.10 erzeugt, wenn bestimmte Anforderungen an die Qualität der Datenübertragung unter- bzw. überschritten werden. Als Qualitätsmerkmale werden hierbei der Rauschanteil oder die Zeitverzögerung herangezogen.
Aus dem Zusammenhang dieser Merkmale ergibt sich, dass die Qualitätsmerkmale, von denen das Auslösen des Steuersignals abhängig ist, während der paketübermittelten Datenübertragung wiederholt geprüft werden müssen. Sowohl der Rauschanteil als auch die Zeitverzögerung bei der Weiterleitung von Datenpaketen können typischerweise kurzfristigen Schwankungen unterliegen. Deshalb genügt es nicht, die maßgeblichen Werte für einen bestimmten Übertragungsweg einmal zu ermitteln und zur weiteren Verwendung abzuspeichern. Erforderlich ist vielmehr eine wiederholte Überprüfung in relativ kurzen Zeitabständen, damit der patentgemäße Wechsel zur leitungsvermittelten Übertragung erfolgen kann, wenn sich die Qualität während des Datenübertragungsvorgangs verschlechtert.
Das Streitpatent trifft keine Vorgaben dazu, in welchen zeitlichen Abständen, auf welche Weise und mit welcher Genauigkeit die Qualitätsmerkmale zu ermitteln sind und bei welchen konkreten Werten das Steuersignal zum Wechseln auf leitungsvermittelte Übertragung ausgelöst werden soll. Es überlässt die konkrete Ausgestaltung insoweit dem Fachmann.
Hieraus kann entgegen der vom gerichtlichen Sachverständigen im schriftlichen Gutachten geäußerten Einschätzung nicht gefolgert werden, dass die Qualitätsmessung zwingend "am fernen Ende" der Verbindung, also am zweiten Switch im Sinne des Streitpatents, erfolgen muss. Für die Übertragung von Dateien oder dergleichen können Zeitverzögerungen auch mittels des Protokolls TCP ermittelt werden, das nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen für derartige Zwecke ohnehin das Protokoll der Wahl ist. Für die paketvermittelte Übertragung von Telefongesprächen scheidet diese Möglichkeit zwar aus, weil mit TCP nicht die hierfür erforderlichen Zeitanforderungen eingehalten werden können. Bei Telefongesprächen ist jedes beteiligte Endgerät aber typischerweise sowohl Sender als auch Empfänger. Dies ermöglicht es, die Qualität des Übertragungswegs durch Rauschmessungen an den eingehenden Daten "am nahen Ende" zu ermitteln und hieraus Rückschlüsse auf die Qualität der Datenübertragung in die andere Richtung zu ziehen. Alternativ oder zusätzlich kann der abgehende Verkehr am ersten Router überwacht oder durch das regelmäßige Absetzen eines so genannten Ping-Befehls die Laufzeit eines einzelnen Datenpakets für den Hin- und Rückweg ermittelt werden. Diese beiden Methoden liefern zwar nur grobe Anhaltspunkte und ermöglichen keine Feststellung aller denkbaren Fehlersituationen. Der Streitpatentschrift lässt sich aber nicht entnehmen, dass die Prüfung der Qualitätsmerkmale besonders hohen Anforderungen genügen muss. Derartige Anforderungen lassen sich auch nicht daraus ableiten, dass das Verfahren unter anderem für die Übertragung von Telefongesprächen geeignet sein soll. Bei Datenübertragungen dieser Art können zwar schon geringfügige Zeitverzögerungen zu hörbaren Qualitätseinbußen führen. Daraus ergibt sich aber nicht zwingend, dass bei jeder auch nur kurzfristigen Störung zur leitungsvermittelten Übertragung gewechselt werden muss. Unter den in der Streitpatentschrift genannten Rahmenbedingungen, wonach die Paketvermittlung im Vergleich zur leitungsvermittelten Übertragung von Telefongesprächen eine weniger zuverlässige, aber preisgünstigere Alternative darstellt, kann es hinnehmbar sein, Störungen, die nur einige wenige Sekunden dauern, aus wirtschaftlichen Gründen in Kauf zu nehmen und dementsprechend auch die Prüfung der Qualitätsmerkmale nur nach einem relativ groben Raster vorzunehmen.
d) Weitergehende Anforderungen an Art oder Inhalt der Datenübertragung lassen sich den Patentansprüchen 1 und 2 in der erteilten Fassung nicht entnehmen. Zwar wird in der Beschreibung die Übertragung von Telefoniedaten über das Internet hervorgehoben. Weder aus dem Wortlaut der genannten Patentansprüche noch aus dem übrigen Inhalt der Streitpatentschrift ergibt sich aber, dass der Gegenstand dieser Patentansprüche auf die Verwendung bestimmter Netze, Übertragungsprotokolle oder Übertragungsinhalte beschränkt wäre.
IV. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags ist nicht patentfähig. Er ist zwar neu, aber durch den Stand der Technik nahegelegt.
1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist neu.
a) In der Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung WO 90/12466 (NK13; Farese) werden eine Vorrichtung und ein Verfahren für die Übertragung von Daten zwischen einem Arbeitsplatzrechner (Terminal, User PC) und einem Server (Host Computer) über ISDN beschrieben.
Hierbei sind die Merkmale 1.1, 1.2, 1.3, 1.6 und 1.7 offenbart. Nach den Ausführungen in NK13 kann umgeschaltet werden zwischen einer leitungsvermittelten Übertragung über den so genannten B-Kanal und einer paketvermittelten Übertragung über den so genannten D-Kanal (NK13 S. 12 Z. 9-14). Die Vorrichtung zum Umschalten zwischen leitungs- und paketvermittelter Übertragung wird in NK13 als ISDN switch bezeichnet. Sie erfüllt auch dieselbe Funktion wie ein Switch im Sinne des Streitpatents, nämlich die Vermittlung von Leitungen oder Datenpaketen. Die Verbindung zwischen dem Arbeitsplatzrechner und dem Server (host session) ist eine individuelle Kommunikationsverbindung im Sinne des Streitpatents. Durch das Einrichten der Hostsitzung wird eine Möglichkeit zum Datenaustausch zwischen den beiden beteiligten Rechnern geschaffen, die erst mit dem Beenden der Sitzung wieder entfällt. Dies entspricht dem Herstellen einer (paket- oder leitungsvermittelten) Kommunikationsverbindung zwischen zwei Telefongeräten. Dass über die in NK13 beschriebene Hostverbindung keine Telefoniedaten übertragen werden, ist unerheblich, denn eine Beschränkung auf Telefoniedaten findet sich in Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht.
Offenbart sind ferner die Merkmale 1.8, 1.8.1 und 1.9. Die Befehle zum Wechsel der Vermittlungsart werden in dem in NK13 beschriebenen Ausführungsbeispiel vom Hostrechner abgesetzt, von einem für Vermittlungsaufgaben eingesetzten PC (Broker PC) verarbeitet und an die Umschaltvorrichtung (ISDN switch) weitergeleitet (NK13 S. 13 Z. 14-25; im Einzelnen S. 48 Z. 33 bis S. 49 Z. 10). Der Hostrechner ist ein Endgerät im Sinne des Streitpatents. Sofern das Steuersignal automatisch erzeugt wird, erfüllt die dafür eingesetzte Software Funktionen des Netzmanagements. Damit ein Umschaltsignal umgesetzt werden kann, muss ferner regelmäßig geprüft werden, ob ein solches Signal vorliegt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind auch die Merkmale 1.10 und 1.11 offenbart. In der Beschreibung von NK13 werden die als Stand der Technik referierten Lösungen als nachteilig bewertet, weil dort zum Wechsel zwischen den Vermittlungsarten eine bestehende Verbindung zwischen den beiden Rechnern (host session) beendet und eine neue Verbindung aufgebaut werden müsse (NK13 S. 9 Z. 21-34). In NK13 wird demgegenüber ein Verfahren vorgeschlagen, bei dem der Wechsel ohne Unterbrechung einer bestehenden Hostsitzung erfolgen kann (NK13 S. 12 Z. 29 bis S. 13 Z. 12).
Dass der Hostrechner nach der Beschreibung in NK13 einen Wechsel der Vermittlungsart beispielsweise dann auslöst, wenn der Benutzer ein bestimmtes Programm aufruft (NK13 S. 14 Z. 32 bis S. 15 Z. 3), führt entgegen der Auffassung der Beklagten zu keiner anderen Beurteilung. Selbst wenn der gesamte Datenverkehr dieses Programms jeweils über dieselbe Vermittlungsart erfolgt, ändert dies nichts daran, dass die Hostverbindung als solche erhalten bleibt und darin möglicherweise parallel ablaufende Datenübertragungsvorgänge auf die jeweils andere Vermittlungsart umgestellt werden. Dass hierbei nicht die Möglichkeit erwähnt wird, für andere, parallel laufende Datenübertragungsvorgänge weiterhin die paketvermittelte Übertragung beizubehalten, ist schon deshalb unerheblich, weil diese Möglichkeit auch nach den Patentansprüchen 1 und 2 des Streitpatents nicht zwingend zu bestehen braucht, das Streitpatent es vielmehr dem Fachmann überlässt, welche Auswirkungen der Wechsel der Vermittlungsart auf die anderen Übertragungsvorgänge haben soll.
Unerheblich ist ferner, dass in Patentanspruch 3 von NK13 der leitungsvermittelte Kanal als "erste" und der paketvermittelte Kanal als "zweite" Verbindung bezeichnet wird. Die in NK13 offenbarte Lösung ermöglicht einen Wechsel in beide Richtungen (NK13 S. 12 Z. 9-14), also auch einen Wechsel vom D- zum B-Kanal (NK13 S. 14 Z. 14-19), d.h. von paket- zu leitungsvermittelter Übertragung, wie dies beim Streitpatent vorgesehen ist.
Nicht offenbart sind demgegenüber die Merkmale 1.4 und 1.5. Zur Übertragung von paketvermittelten Daten ist die Telekommunikations-Einrichtung nach NK13 unmittelbar an den paketvermittelten D-Kanal angeschlossen. Deshalb bedarf es keiner zusätzlichen Verbindung zwischen der ersten Telekommunikations-Einrichtung und einem Zugangspunkt zu einem paketvermittelten Netz. Ob es auch in einem ISDN solche nachgelagerten Zugangspunkte gibt, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung unter Vorlage von Auszügen aus einschlägigen Handbüchern vorgetragen hat, bedarf hierbei keiner Entscheidung. Solche Zugangspunkte sind in NK13 nicht erwähnt. Weder die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen noch die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen geben Anhaltspunkte dafür, dass der Fachmann eine solche Einrichtung bei der Lektüre von NK13 gleichsam mitliest.
Nicht offenbart ist schließlich das Merkmal 1.12. Als Kriterium für das Umschalten zwischen leitungs- und paketvermittelter Übertragung wird in NK13 nicht der aktuelle Zustand des Übertragungswegs zu einem bestimmten Zeitpunkt offenbart. Ein Wechsel soll vielmehr dann erfolgen, wenn der zuvor genutzte Übertragungsweg aufgrund seiner allgemeinen Eigenschaften - insbesondere der Bandbreite - für den vorgesehenen Übertragungsvorgang nicht geeignet ist.
b) In der US-Patentschrift 5 347 516 (NK14; Yoshida) wird ein System beschrieben, mit dem ein lokales paketvermitteltes Netzwerk (LAN) in der Weise an ein ISDN angeschlossen werden kann, dass die Übertragung im ISDN wahlweise paket- oder leitungsvermittelt erfolgen kann.
Auch in dieser Entgegenhaltung sind die Merkmale 1.1, 1.2, 1.3, 1.6 und 1.7 von Patentanspruch 1 des Streitpatents offenbart. Für die leitungs- und die paketvermittelte Übertragung wird in NK14 jeweils ein ISDN-B-Kanal eingesetzt (NK14 Sp. 5 Z. 43-45).
Offenbart sind ferner die Merkmale 1.8, 1.8.1 und 1.9. Nach Auslösen eines Wechselsignals wird zunächst die jeweils gewünschte Verbindung aufgebaut, der Datenverkehr darauf umgeleitet und anschließend die nicht mehr benötigte Verbindung beendet (NK14 Sp. 6 Z. 8-57 mit Fig. 4 und 5). Das Signal zum Wechseln der Vermittlungsart wird durch eine hierfür vorgesehene Einrichtung (channel changer) ausgelöst und von einer Steuereinrichtung (controller) verarbeitet (NK14 Sp. 56-64). Die als channel changer bezeichnete Vorrichtung wird zwar nicht näher beschrieben, kann aber aufgrund ihrer Funktion als Netzwerkmanagement-Einrichtung angesehen werden, zumal auch das Streitpatent insoweit keine näheren Festlegungen trifft.
Offenbart sind schließlich auch die Merkmale 1.10 und 1.11. Als Nachteil bekannter Systeme wird in NK14 geschildert, dass dort beim Wechsel der Vermittlungsart zunächst die bestehende Verbindung (virtual circuit) beendet und eine andere Verbindung aufgebaut werde, was den Datendurchsatz verringere (NK14 Sp. 1 Z. 66 bis Sp. 2 Z. 5). Bei dem in NK14 vorgeschlagenen System soll der Wechsel der Verbindung dagegen ohne Unterbrechung der Paketdatenübertragung (without interruption of transmission of packet data) erfolgen (NK14 Sp. 2 Z. 8-14). Dies entspricht dem in Merkmal 1.10 des Streitpatents vorgesehenen Wechsel der Vermittlungsart während einer bestehenden individuellen Kommunikationsverbindung.
Nicht offenbart sind die Merkmale 1.4 und 1.5. Ebenso wie bei der Entgegenhaltung NK13 ist die erste Kommunikationseinrichtung nach NK14 unmittelbar mit einem paketvermittelten Netz verbunden. Deshalb bedarf es auch hier keiner zusätzlichen Verbindung zu einem Zugangspunkt.
Nicht offenbart ist ferner das Merkmal 1.12. In NK14 wird nicht näher beschrieben, unter welchen Voraussetzungen ein Steuersignal für den Wechsel von paket- zu leitungsvermittelter Übertragung erzeugt wird. In den Ausführungen zum Stand der Technik wird dargelegt, Paketvermittlung sei wirtschaftlich, wenn eine geringe Anzahl von Datenpaketen pro Zeiteinheit übertragen werde (NK14 Sp. 1 Z. 55-57). Mit Leitungsvermittlung könne demgegenüber ein höherer Durchsatz erzielt werden (NK14 Sp. 1 Z. 62-65). Dies deutet darauf hin, dass der Wechsel zur leitungsvermittelten Übertragung allein anhand des angestrebten Datendurchsatzes durchgeführt wird. Dass hierbei auch der aktuelle Belastungszustand des eingesetzten Übertragungsweges ermittelt wird, ergibt sich aus NK14 nicht.
c) In der japanischen Offenlegungsschrift Hei 7-154426 (NK24, englische Übersetzung NK24a) ist ein ISDN-Endgeräteadapter (Terminal Adapter) offenbart, der automatisch zwischen paket- und leitungsvermittelter Übertragung umschalten kann. In den Ausführungen zum Stand der Technik wird dargelegt, bekannte Geräte dieser Art seien nicht in der Lage, die Übertragungsart zu wechseln, wenn die Verzögerungszeit während eines paketvermittelten Übertragungsvorgangs ansteige (NK24a Abs. 7). In NK24 wird demgegenüber ein Adapter beschrieben, der während des Übertragungsvorgangs die bei der Übertragung der Datenpakete auftretende Zeitverzögerung (data delay time) misst und bei Bedarf automatisch auf leitungsvermittelte Übertragung umstellt (NK24a Abs. 13). Die Messung der Verzögerung erfolgt anhand eines Quittungssignals (receive ready response packet, RR), das von der Empfängerseite übermittelt wird (NK24a Abs. 35). Wenn ein bestimmter Wert überschritten wird, sendet die Messeinrichtung ein Steuersignal (switching request) zum Umschalten auf Leitungsvermittlung aus (NK24a Abs. 36).
Damit ist ein Verfahren offenbart, das die Merkmale 1.1, 1.2, 1.3, 1.6, 1.7, 1.8, 1.8.1, 1.9 und 1.11 von Patentanspruch 1 des Streitpatents aufweist. Der in NK24 beschriebene Terminal Adapter erfüllt die Funktion eines Switch im Sinne des Streitpatents, mit dem Daten wahlweise per Leitungs- oder per Paketvermittlung übertragen werden können. Wenn die zum Adapter gehörende Messeinrichtung ein Steuersignal ausgibt, wird von paketvermittelter zu leitungsvermittelter Übertragung gewechselt.
Nicht offenbart sind die Merkmale 1.4 und 1.5. Wie in den Entgegenhaltungen NK13 und NK14 ist der Adapter unmittelbar mit einem paketvermittelten Netz verbunden, so dass es keiner Verbindung zu einem Zugangspunkt bedarf.
Nicht eindeutig offenbart ist ferner das Merkmal 1.10. Zwar wird das Signal zum Wechsel auf Leitungsvermittlung bei Bedarf während eines laufenden Übertragungsvorgangs erzeugt und umgesetzt. Aus den Ausführungen in NK24 ergibt sich jedoch nicht, ob der Übertragungsvorgang nach dem Wechsel nahtlos fortgesetzt werden kann.
Offenbart ist demgegenüber das Merkmal 1.12. Das Steuersignal zum Wechseln der Übertragungsart wird automatisch erzeugt, wenn die Verzögerungszeit einen bestimmten, in NK24 nicht näher spezifizierten Wert überschreitet.
d) In der Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung WO 96/28947 (S1; Vazvan) wird ein universelles multimodales Mobilkommunikationssystem beschrieben. In einem Ausführungsbeispiel wird als erfindungsgemäßes System ein Taschencomputer (Personal Digital Assistant, PDA) beschrieben, der über ein Terminal in verschiedenen drahtlosen Netzen - beispielsweise Mobilfunknetzen nach dem GSM-Standard (Global System for Mobile Communications) - und einem drahtlosen lokalen Netzwerk (Wireless Local Area Network, WLAN) arbeiten kann. Innerhalb der GSM-Netze kann die Übertragung wahlweise leitungs- oder paketvermittelt erfolgen. In dem Ausführungsbeispiel wird vorgeschlagen, zur Übertragung hoher Datenmengen eine leitungsvermittelte Verbindung zu nutzen und nach der Übertragung dieser Daten zu einem paketvermittelten Datendienst umzuschalten (S1 S. 11 Z. 31 bis S. 12 Z. 5). In der Beschreibung wird hervorgehoben, dass hierbei die Verbindung nicht unterbrochen wird (S1 S. 12 Z. 5 f.: "Note that the connection is not disconnected"). Das Gerät sucht ständig nach verfügbaren Netzen. Sobald ein Netz zur Verfügung steht, das einen günstigeren Tarif bietet, wird die Übertragung auf dieses Netz umgeschaltet. Dies erfolgt beispielsweise dann, wenn ein kostengünstigeres Mobilfunknetz oder ein WLAN zur Verfügung steht (S1 S. 12 Z. 9-16). Obwohl verschiedene Netze und Dienste genutzt werden, hat das Gerät stets eine Datenverbindung (S1 S. 12 Z. 21 f.: "The terminal had a data link all the time").
Damit sind die Merkmale 1.1 bis 1.8.1 von Patentanspruch 1 des Streitpatents offenbart. Das im Ausführungsbeispiel beschriebene Terminal erfüllt die Funktionen eines Switch im Sinne des Streitpatents. Es überträgt die Daten vom PDA wahlweise per Leitungs- oder Paketvermittlung und baut zur paketvermittelten Übertragung eine Verbindung zu einem Zugangspunkt auf. Sobald ein günstigeres Netz zur Verfügung steht, wird die Datenübertragung darauf umgeschaltet. Dies setzt voraus, dass ständig überprüft wird, ob ein entsprechendes Steuersignal vorliegt. Nicht ausdrücklich beschrieben ist, ob ein Übergang von paket- auf leitungsvermittelte Übertragung erfolgt. Aus den Ausführungen, wonach stets das günstigste Netz und die günstigste Übertragungsart gewählt werden, ergibt sich jedoch hinreichend deutlich, dass ein Wechsel auch in diese Richtung erfolgen kann. Hierbei bleibt, wie in S1 mehrfach hervorgehoben wird, die Datenverbindung stets aufrechterhalten.
Keine näheren Angaben enthält S1 zu der Frage, ob der Wechsel der Übertragungsart entsprechend den Merkmalen 1.9, 1.10 und 1.11 in der Weise erfolgt, dass zunächst eine leitungsvermittelte individuelle Kommunikationsverbindung aufgebaut und danach die Datenübertragung darauf umgeschaltet wird.
Nicht offenbart ist ferner das Merkmal 1.12. Aus den Ausführungen in S1 geht nicht hervor, dass das Steuersignal für den Wechsel zur Leitungsvermittlung aufgrund von Qualitätsmerkmalen wie Zeitverzögerung oder Rauschanteil erfolgt. Als maßgebliche Faktoren werden lediglich die anfallenden Gebühren und die Übertragungskapazität angesprochen.
e) In der einige Wochen vor dem Prioritätstag im Internet veröffentlichten Pressemitteilung des Anbieters Lucent (NK22) werden Internet-Telefonie-Server angekündigt, die es ermöglichen sollen, Telefongespräche sowie Fax- und Sprachnachrichten über das Internet zu übertragen. Hierfür könnten vorhandene Faxgeräte und Telefonapparate eingesetzt werden. Abschließend heißt es, die Netzwerkmanagement-Software werde "eventually" in der Lage sein, den Datenverkehr transparent entweder über das Intra-/Internet oder über das öffentliche Netz zu leiten. Wenn beispielsweise das Internet überlastet sei, könne der Server die Übertragung auf das öffentliche Netz zurückschalten ("could switch the transmission back to the public network").
(1) Die Veröffentlichung NK22 gehört zu dem nach Art. 54 Abs. 2 EPÜ zu berücksichtigenden Stand der Technik.
Dem steht nicht entgegen, dass ihr Inhalt im Wesentlichen werbenden Charakter hat und die darin beschriebenen Geräte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht am Markt verfügbar waren (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 9.1.2001 - X ZR 158/98, bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, BGH 1999-2001, 520). Der Veröffentlichung kann entnommen werden, welches Funktionsprinzip den beworbenen Geräten zu Grunde liegt. Der Fachmann, der sich mit dem dem Streitpatent zu Grunde liegenden technischen Problem befasste, hatte Anlass, sich mit diesen Ausführungen auseinanderzusetzen, und konnte ihnen trotz der erkennbar auf Absatzförderung zielenden Diktion die entscheidenden Anregungen zur Ausgestaltung eines geeigneten Verfahrens entnehmen. Dass er nicht in der Lage gewesen wäre, aufgrund seines allgemeinen Fachwissens Vorrichtungen zusammenzustellen oder zu entwickeln, mit denen das Verfahren ausgeführt werden kann, ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
Dass die Geräte, die auf die Ankündigung in NK22 hin auf den Markt gebracht wurden, keinen Wechsel während einer bestehenden Verbindung ermöglichten, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Offenbarungsgehalt der Veröffentlichung wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass ihr Herausgeber die darin enthaltenen Anregungen selbst nicht aufgegriffen hat.
(2) In NK22 ist ein Verfahren offenbart, das die Merkmale 1.1, 1.2 und 1.3 des Streitpatents aufweist.
Der beworbene Telefonie-Server mit der darauf laufenden Software erfüllt die Funktionen eines Switch im Sinne des Streitpatents, mit dem Daten wahlweise über das öffentliche Netz oder über das Internet übertragen werden können. Zwar wird die Vermittlungsart - leitungsvermittelt im einen Fall und paketvermittelt im anderen Fall - nicht explizit genannt. Der Fachmann liest jedoch ohne weiteres mit, dass die Übertragung im Internet oder einem Intranet paketvermittelt erfolgt und Telefongespräche zwischen herkömmlichen Endgeräten im öffentlichen Netz leitungsvermittelt übertragen werden. Der Fachmann erkennt deshalb auch, dass es sich bei dem in NK22 mehrfach erwähnten öffentlichen Netz um das öffentliche Telefonnetz handelt.
Dass das in NK22 beschriebene Verfahren nach Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen einen besonderen Server benötigt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Wie bereits dargelegt, enthält Patentanspruch 1 keine näheren Festlegungen darüber, wie ein Switch im Einzelnen aufgebaut sein muss. Bei der Beschreibung der erfindungsgemäßen Switches wird ausdrücklich ausgeführt, die Implementierung erfolge wahlweise durch Hardware oder Software, bevorzugt jedoch durch Software (Sp. 9 Z. 56 bis Sp. 10 Z. 1).
Entgegen der Auffassung der Beklagten ergeben sich aus NK22 keine Hinweise darauf, dass die Wahlmöglichkeit zwischen paket- und leitungsvermittelter Übertragung nur in der Weise besteht, dass bestimmte Empfängergeräte nur auf dem einen und andere Geräte nur auf dem anderen Weg erreicht werden können. In Absatz 4 der Veröffentlichung wird ausgeführt, dass der Telefonie-Server Fax- und Sprachdaten über das Internet übermitteln kann und die Kunden ihre vorhandenen Faxgeräte oder Telefonapparate nutzen können. Daraus ergibt sich, dass auch Telekommunikations-Einrichtungen, die nur zum Anschluss an leitungsgebundene Netze vorgesehen sind, über ein paketvermitteltes Netz miteinander verbunden werden können. Hierzu muss an einer Stelle vor dem Endgerät wieder von paket- auf leitungsvermittelte Übertragung gewechselt werden. Die Stelle, an der dies geschieht, erfüllt die Funktion des zweiten Switch im Sinne des Streitpatents.
(3) Auch wenn die Art der Datenübertragung und die Beschaffenheit der dafür eingesetzten Geräte - abgesehen von den an beiden Enden angeschlossenen herkömmlichen Telefon- oder Faxgeräten - in NK22 nicht näher beschrieben sind, offenbart die Entgegenhaltung auch die Merkmale 1.4 bis 1.9.
Um Telefongespräche über das Internet oder ein Intranet übertragen zu können, muss der beworbene Server eine Verbindung zu einem dieser paketvermittelten Netze aufbauen und über diese Verbindung Daten zu einem zweiten Switch übertragen. Dass der Aufbau der zweiten Einrichtung oder Einheit nicht näher beschrieben wird, ist schon deshalb unschädlich, weil auch Patentanspruch 1 des Streitpatents hierzu keine weiteren Vorgaben enthält.
Der Hinweis, die Datenübertragung könnte im Falle einer Überlastung des Internets auf das öffentliche Netz umgeschaltet werden, deutet ferner darauf hin, dass in irgendeiner Weise festgestellt werden muss, ob eine Überlastung vorliegt, und gegebenenfalls eine Verbindung zum öffentlichen Telefonnetz aufgebaut wird. Daraus ergeben sich die Merkmale 1.7, 1.8 und 1.8.1.
(4) Nicht offenbart sind demgegenüber die Merkmale 1.10 und 1.11.
Aus den allgemein gehaltenen Ausführungen in NK22, die Übertragung könnte bei Überlastung des Internets auf das öffentliche Netz zurückgeschaltet werden, geht nicht hervor, ob der Wechsel zur leitungsvermittelten Übertragung während einer bestehenden individuellen Kommunikationsverbindung im Sinne des Streitpatents, also während eines laufenden Telefongesprächs oder einer laufenden Übertragung einer Fax- oder Sprachnachricht erfolgen kann oder soll.
(5) Nicht offenbart ist ferner, dass das Steuersignal entsprechend Merkmal 1.12 für den Wechsel anhand von Zeitverzögerung oder Rauschanteil erfolgt.
2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist dem Fachmann, einem Diplomingenieur der Fachrichtung Nachrichtentechnik oder Diplominformatiker mit Fachhochschul- oder Universitätsausbildung und Spezialisierung auf Telekommunikationsnetztechnologien und Protokolle zur Steuerung von Nachrichtennetzen, jedenfalls durch die Veröffentlichungen NK13, NK14, NK24 und NK22 nahegelegt.
Die prinzipiellen Vor- und Nachteile der leitungs- und paketvermittelten Datenübertragung gehörten, wie sich auch aus den einleitenden Ausführungen in der Streitpatentschrift ergibt, am Prioritätstag zum allgemeinen Fachwissen. Aus den Entgegenhaltungen NK13, NK14 und NK24 waren verschiedene Verfahren bekannt, bei denen durch einen automatischen Wechsel - auch während eines laufenden Übertragungsvorgangs - die Vorteile der einzelnen Übertragungsarten kombiniert werden können. Sie unterscheiden sich von dem Verfahren gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents im Wesentlichen in zwei Punkten: Zum einen ist der erste Router unmittelbar in ein paketvermitteltes Netz integriert, so dass es einer besonderen Verbindung zu einem Zugangspunkt gemäß den Merkmalen 1.4 und 1.5 nicht bedarf. Zum anderen fehlt es an der Kombination der Merkmale 1.10 und 1.12. In NK13 und NK14 ist von dieser Kombination nur Merkmal 1.10, also der Wechsel der Übermittlungsart während einer bestehenden Verbindung offenbart, in NK24 nur Merkmal 1.12, also das automatische Auslösen des Steuersignals in Abhängigkeit von laufend ermittelten Qualitätsparametern. Darüber hinaus stammen alle diese Entgegenhaltungen aus dem ISDN-Bereich, dessen Entwicklung über lange Zeit hinweg getrennt von der Entwicklung IP-basierter Netze verlaufen ist.
Trotz dieser Unterschiede hatte der Fachmann, der mit dem dem Streitpatent zu Grunde liegenden technischen Problem befasst war, am Prioritätstag Veranlassung, sich auch mit vorhandenen Lösungen aus dem ISDN-Bereich zu befassen. Bis zum Prioritätstag hatten sich bereits Anwendungen und Verfahren herausgebildet, die die Grenze zwischen ISDN und IP-basierten Netzen überschritten hatten, insbesondere die auch im Streitpatent hervorgehobene Internet-Telefonie. Die dabei hinderlichen Nachteile der Paketvermittlung - insbesondere die Möglichkeit von Zeitverzögerungen - sind keine Besonderheit von IP-basierten Netzen, sondern können auch bei Paketvermittlung im ISDN auftreten. Angesichts dessen sprach alles dafür, das im ISDN-Bereich aus zahlreichen Entgegenhaltungen bekannte Prinzip der Ersatzschaltung auch bei der Nutzung IP-basierter Netze heranzuziehen. Eine entsprechende Anregung ergab sich zudem aus der Entgegenhaltung NK22, in der der Wechsel auf leitungsvermittelte Übertragung speziell für den Bereich der Internet-Telefonie ausdrücklich angesprochen wird. Für die weitere Ausgestaltung des damit aufgezeigten Lösungswegs konnte der Fachmann auf die Vorbilder in NK13 und NK14 einerseits sowie NK24 andererseits zurückgreifen, die für entscheidende Detailfragen - den Wechsel während einer bestehenden Verbindung und die automatische Erzeugung eines Steuersignals in Abhängigkeit von aktuellen Qualitätswerten des paketvermittelten Netzes - gangbare Lösungswege offenbaren. Eine Kombination dieser beiden Merkmale lag nahe, weil sie verschiedene Teilprobleme betreffen, die keine komplexen Überschneidungen aufweisen. Um diese Lösung universell mit IP-basierten Netzen einsetzen zu können, bedurfte es lediglich noch des Aufbaus einer Verbindung zu einem Zugangspunkt zu dem paketvermittelten Netz. Diese Vorgehensweise ist für die Nutzung des Internets aber ohnehin üblich.
Einer Verallgemeinerung der in NK13, NK14 und NK24 offenbarten Lösungsansätze, insbesondere der in NK24 vorgeschlagenen laufenden Messung der Zeitverzögerung stand nicht entgegen, dass im ISDN typischerweise Quittungssignale versendet werden, die es ermöglichen, auftretende Zeitverzögerungen auf einfache Weise festzustellen. Solche Quittungen stehen in IP-Netzen zwar nicht von Haus aus zur Verfügung. Dem Fachmann war aber bekannt, dass es Mechanismen mit vergleichbarer Funktion gibt. Hierzu gehört das Protokoll TCP, das für die Übertragung von Dateien - die ebenfalls zum Gegenstand von Patentanspruch 1 gehört - ohne weiteres geeignet ist. Für Übertragungen auf der Basis von UDP gab es die bereits erwähnten Möglichkeiten, durch Überwachung der ausgehenden Datenpakete am ersten Router oder durch von Zeit zu Zeit abgesetzte Ping-Befehle zumindest eine grobe Abschätzung der Übertragungsqualität vorzunehmen. Darüber hinaus waren am Prioritätstag bereits die Protokolle RTP und RTCP veröffentlicht, die auch bei UDP-Übertragungen Informationen über Vollständigkeit und Laufzeit der Pakete zur Verfügung stellen. Die Heranziehung dieser bekannten Hilfsmittel für Zwecke, für die sie explizit vorgesehen sind, gehört zum allgemeinen Fachwissen und vermag keine erfinderische Tätigkeit zu begründen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann kein relevanter Unterschied darin gesehen werden, ob das Verkehrsaufkommen des paketvermittelten Netzes insgesamt (NK22: "If the Internet was too congested") oder die Qualität einer individuellen Kommunikationsverbindung betrachtet wird. Die Qualität einer individuellen Verbindung kann stets nur so gut sein, wie die Qualität des paketvermittelten Übertragungsweges insgesamt dies erlaubt. Eine Qualitätsmessung hinsichtlich eines der Parameter erlaubt deshalb Rückschlüsse auf die Qualität des jeweils anderen Parameters. Dies führt zu der Vorgehensweise nach dem Streitpatent. Wie bereits oben ausgeführt wurde, legt dieses nicht im Einzelnen fest, wie oft, in welcher Weise und mit welcher Präzision die Qualität ermittelt werden soll.
V. Das Streitpatent hat auch in der Fassung der Hilfsanträge (deren Nummerierung mit 2 beginnt, weil der ursprüngliche Hilfsantrag 1 in der mündlichen Verhandlung zum Hauptantrag heraufgestuft worden ist) keinen Bestand. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 beruht auch auf der Grundlage dieser Fassungen nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
1. Hilfsantrag 2 basiert auf dem Hauptantrag und sieht zusätzlich folgende Änderung vor:
In Merkmal 1.4 (Verfahrensschritt a) wird am Ende hinzugefügt: ", wobei das paketvermittelte Netz nicht der X.25-Paketvermittlungsteil eines ISDNs ist" (Merkmal 1.4 2 , Verfahrensschritt a 2 )
Damit wird der Gegenstand von Patentanspruch 1 vom Inhalt der Entgegenhaltungen NK13, NK14 und NK24 abgegrenzt, bei denen die paketvermittelte Übertragung über ISDN erfolgt. Diese Abgrenzung ändert indes nichts daran, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 auch durch diese Entgegenhaltungen nahegelegt wird.
Die bereits erwähnte traditionelle Kluft zwischen Praktikern aus dem Bereich der öffentlichen Fernmeldenetze einerseits und dem Bereich der Internet- und LAN-Technologie andererseits führt zu keiner anderen Beurteilung. Wie bereits oben dargelegt hatten Fachleute aus beiden Bereichen am Prioritätstag hinreichend Veranlassung, Lösungen für konkrete technische Probleme auch im jeweils anderen Bereich zu suchen, insbesondere bei Anwendungen, die wie die Internet-Telefonie Berührungspunkte zu beiden Bereichen aufweisen.
Der Fachmann wurde von einer Heranziehung der genannten Entgegenhaltung auch nicht durch den vom gerichtlichen Sachverständigen bestätigten Umstand abgehalten, dass die X.25-Übertragung über den D-Kanal nicht die für Internet-Telefonie erforderliche Bandbreite bietet. Aus den Entgegenhaltungen NK14 und NK24 waren Verfahren bekannt, bei denen auch die paketvermittelte Übertragung mit einer für Internet-Telefonie ausreichenden Bandbreite erfolgte. Unabhängig davon ist das entscheidende Kriterium für das Wechseln zur leitungsvermittelten Übertragung nach der Lehre des Streitpatents nicht die zur Verfügung stehende Bandbreite, sondern eine Änderung hinsichtlich Zeitverzögerung oder Rauschanteil. Eine fortlaufende Messung der Verzögerungszeit und das Auslösen eines Wechselsignals bei Überschreiten eines bestimmten Wertes sind bereits in NK24 offenbart.
2. Hilfsantrag 2a basiert auf Hilfsantrag 2 und sieht zusätzlich folgende Änderung vor:
In Merkmal 1.12 (Verfahrensschritt g) wird nach den Worten "Anforderungen an die Qualität der Datenübertragung der individuellen Kommunikationsverbindung" eingefügt: ", nämlich an die Realzeitfähigkeit der Datenübertragung," (Merkmal 1.12 2a , Verfahrensschritt g 2a )
Damit wird - ergänzend zu den bereits im Hauptantrag benannten Qualitätsparametern (Zeitverzögerung und Rauschanteil) - die Realzeitfähigkeit als Kriterium für die Erzeugung des Steuersignals zum Wechsel auf leitungsvermittelte Übertragung benannt.
Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist der Gegenstand des Streitpatents auch mit dieser Änderung hinreichend bestimmt. Zwar ist "Realzeitfähigkeit" nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen kein feststehender Begriff, aus dem konkrete Grenzwerte für den Rauschanteil oder die Zeitverzögerung abgeleitet werden können. Realzeitfähig ist ein Übertragungsweg vielmehr dann, wenn die auftretenden Verzögerungszeiten - die sich bei Sprachübertragung auch in einem hohen Rauschanteil niederschlagen - so gering sind, wie es der jeweilige Übermittlungsvorgang erfordert. In der Beschreibung des Streitpatents wird der Begriff der Realzeitfähigkeit im Zusammenhang mit der Übertragung von Telefongesprächen verwendet. Realzeitfähigkeit im Sinne des Streitpatents liegt deshalb vor, wenn die Zeitverzögerung nicht mehr als eine halbe Sekunde beträgt. Dies ergibt sich aus den Ausführungen, wonach die Internet-Telefonie nicht mehr mit angenehmer Gesprächsqualität möglich ist, wenn die Verzögerungszeit der einzelnen Pakete mehr als eine halbe Sekunde beträgt (Sp. 2 Z. 31-39), und bei Überschreiten einer vorgegebenen Zeitverzögerung auf Leitungsvermittlung umgeschaltet werden soll (Sp. 12 Z. 51-58).
Auch mit dieser Einschränkung beruht die Lehre nach Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die laufende Überwachung der Zeitverzögerung und die Heranziehung dieses Werts als Kriterium für den Wechsel zur leitungsvermittelten Übertragung sind, wie bereits oben dargelegt wurde, durch den Stand der Technik nahegelegt. Zur Festlegung eines konkreten Grenzwertes war es unvermeidlich, die Anforderungen des jeweiligen Datenübertragungsvorgangs zu betrachten. Dass der kritische Wert für die Zeitverzögerung bei Internet-Telefonie im Bereich von einer halben Sekunde liegt, war, wie sich auch aus der Beschreibung des Streitpatents ergibt, am Prioritätstag bekannt. Damit hatte der Fachmann Veranlassung, diesen Wert bei der Übertragung von Telefongesprächen als Grenzwert heranzuziehen.
3. Hilfsantrag 3 basiert auf Hilfsantrag 2a und sieht zusätzlich folgende Änderungen vor:
- In Merkmal 1.1 wird hinter den Worten "einer individuellen Kommunikationsverbindung" eingefügt: ", nämlich eines Telefonanrufs," (Merkmal 1.1 3 ).
- In Merkmal 1.122a werden die Worte "der individuellen Kommunikationsverbindung" ersetzt durch: "des Telefonanrufs" (Merkmal 1.12 3 , Verfahrensschritt g 3 ).
Auch mit diesem Inhalt ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 durch den Stand der Technik nahegelegt. Zwar ist weder in NK13 noch in NK14 offenbart, dass der Wechsel der Übertragungsart nicht nur während einer bestehenden Hostsitzung oder eines sonstigen Datenübertragungsvorgangs, sondern auch während eines laufenden Telefongesprächs erfolgen kann. Der Fachmann konnte aber aus NK22 die Anregung entnehmen, die in NK13 und NK14 vorgeschlagene Vorgehensweise auch bei der Internet-Telefonie einzusetzen.
Dass der nahtlose Wechsel der Übertragungsart bei Telefongesprächen besonders von Vorteil ist, weil diese hohe Anforderungen an die Realzeitfähigkeit des Netzes stellen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar besteht bei der IP-basierten Übertragung von Telefongesprächen das Problem, dass hierfür typischerweise das Protokoll UDP eingesetzt wird, das keinen Aufschluss über Laufzeit und Vollständigkeit der Pakete gibt. Wie bereits oben dargelegt gab es am Prioritätstag jedoch allgemein verfügbare Lösungen für dieses Problem - einschließlich der kurz zuvor veröffentlichten Protokolle RTP und RTCP.
4. Hilfsantrag 4 basiert auf Hilfsantrag 3 und sieht zusätzlich folgende Änderung vor:
In Merkmal 1.12 3 werden die Worte "erzeugt wird" ersetzt durch:
"- aufgrund eines Befehls des Netzwerkmanagements oder eines Endgeräts erzeugt und von dem Endgerät oder einem anderen Switch an den ersten Switch gesandt wird, oder
- in dem ersten Switch durch das Netzwerkmanagement automatisch erzeugt wird, wenn eine bestimmte Bandbreite unter- bzw. überschritten wird und/oder wenn eine vorgegebene Verzögerungszeit beim Weiterleiten von Datenpaketen überschritten wird, wobei der erste Switch die Bandbreite der Datenübertragung überwacht."
(Merkmal 1.12 4 , Verfahrensschritt g 4 )
Damit werden alternativ verschiedene Stellen aufgezeigt, von denen aus das Steuersignal für das Umschalten der Übertragungsart erzeugt und an den ersten Switch übermittelt werden kann. Der Auswahl dieser Stelle kommt keine besondere Bedeutung zu. Sie ist im Wesentlichen beliebig und erfordert keine erfinderische Tätigkeit.
5. Hilfsantrag 5 basiert auf Hilfsantrag 4 und sieht zusätzlich folgende Änderung vor:
In Merkmal 1.1 3 wird hinter den Worten "zwischen einem ersten Switch" eingefügt:
", an den ein ISDN-Telefon, ein analoges Telefon oder ein Funktelefon über eine entsprechende Schnittstelle anschließbar ist," (Merkmal 1.1 5 ).
Die damit formulierte zusätzliche Anforderung, dass der erste Switch so ausgebildet sein muss, dass eine bestimmte Art von Endgeräten daran angeschlossen werden kann, führt zu keiner anderen Beurteilung der Patentfähigkeit. Die Entgegenhaltungen NK13, NK14 und NK24 enthalten keine Festlegung auf einen bestimmten Typ von Endgerät. In NK22 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass herkömmliche Telefonapparate eingesetzt werden können.
6. Hilfsantrag 6 basiert auf Hilfsantrag 5 und sieht zusätzlich folgende Änderungen vor:
- In Merkmal 1.4 2 (Verfahrensschritt a 2 ) werden die Worte "wobei das paketvermittelte Netz nicht der X.25-Paketvermittlungsteil eines ISDNs ist" ersetzt durch: "wobei das paketvermittelte Netz das Internet oder ein paketvermitteltes Mobilfunknetz ist." (Merkmal 1.4 6 , Verfahrensschritt a 6 )
- In Merkmal 1.10 (Verfahrensschritt f) wird hinter den Worten "während der bestehenden Verbindung" eingefügt: ", ohne dass dies eine Zusammenarbeit oder Abstimmung zwischen dem leitungsvermittelten Netz und dem paketvermittelten Netz erfordert," (Merkmal 1.10 6 , Verfahrensschritt f 6 )
Die erste Änderung grenzt das paketvermittelte Netz, über das die Übertragung erfolgt, noch weiter ein. Auch damit bleibt die geschützte Lehre jedoch nahegelegt. Der Fachmann verbindet mit dem allgemeineren Begriff "paketvermitteltes Netz unter Ausschluss des X.25-Paketvermittlungsteils eines ISDNs" ohnehin in erster Linie das Internet. Die in der Streitpatentschrift als weiteres Beispiel genannten Intranets weisen in der Regel denselben technischen Aufbau auf wie das Internet.
Mit der zweiten Änderung wird eine Abgrenzung zum Wechsel zwischen verschiedenen Mobilfunknetzen erreicht, bei denen üblicherweise ein so genanntes Handover, d.h. eine Abstimmung zwischen den beiden Netzen erfolgt. Dies ändert nichts daran, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 durch die Entgegenhaltungen NK13, NK14, NK24 und NK22 nahegelegt wird, bei denen ebenfalls kein Mobilfunknetz zum Einsatz kommt. Unabhängig davon wird in S1 nicht nur der Übergang zwischen zwei Mobilfunknetzen offenbart, sondern auch der Übergang von einem Mobilfunknetz zu einem WLAN.
7. Hilfsantrag 7 basiert auf Hilfsantrag 6 und sieht zusätzlich folgende Änderung vor:
In Merkmal 1.4 6 (Verfahrensschritt a6) werden die Worte "oder ein paketvermitteltes Mobilfunknetz" gestrichen.
Die damit erfolgte Einschränkung auf das Internet vermag aus den bereits zu Hilfsantrag 6 dargelegten Gründen eine erfinderische Tätigkeit ebenfalls nicht zu begründen.
8. Die Hilfsanträge 8 bis 14 entsprechen, soweit es um Patentanspruch 1 geht, dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 2 bis 7, mit folgendem Unterschied:
In Merkmal 1.1 entfallen jeweils die Worte "Teil eines leitungsvermittelten Netzes sind".
Damit wird der Gegenstand von Patentanspruch 1 beschränkt auf Verfahren, bei denen der erste und der zweite Switch nicht Teil des leitungsvermittelten Netzes sind, sondern lediglich Zugang zu einem solchen Netz haben. Diese Einschränkung führt zu keiner anderen Beurteilung hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit. Für das erfindungsgemäße Verfahren ist es unerheblich, ob ein Switch bereits Teil des leitungsvermittelten Netzes ist oder nur einen Zugang dazu hat. Die Einschränkung auf eine dieser Alternativen stellt eine beliebige Auswahl unter mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten dar. Hieraus ergibt sich keine erfinderische Tätigkeit.
9. Die Hilfsanträge 15 bis 29 entsprechen, soweit es um Patentanspruch 1 geht, dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 2 bis 14.
VI. Für die weiteren Patentansprüche gilt nichts anderes.
Der Gegenstand von Patentanspruch 2 ist aus denselben Gründen wie der Gegenstand von Patentanspruch 1 durch den Stand der Technik nahegelegt. Das Verfahren gemäß Patentanspruch 2 unterscheidet sich von demjenigen gemäß Patentanspruch 1 lediglich dadurch, dass der erste Switch neben einem Zugang zu einem leitungsvermittelten Netz zugleich auch über einen Zugang zu einem paketvermittelten Netz verfügt, so dass die Verbindung zu einem Zugangspunkt entfallen kann und die Paketierung zwingend im ersten Switch erfolgen muss. Vorrichtungen, die in dieser Weise mit zwei unterschiedlich arbeitenden Netzen verbunden sind, sind beispielsweise aus NK13, NK14, NK24 und S1 bekannt. Für die Ausführung des patentgemäßen Verfahrens ist die Art, in der ein Zugang vom ersten Switch zu einem paketvermittelten Netz hergestellt wird, nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Angesichts dessen ist mit dem Gegenstand von Patentanspruch 1 zugleich der Gegenstand von Patentanspruch 2 nahegelegt.
Der Nebenanspruch 17 betrifft eine Vorrichtung, deren Aufbau im Wesentlichen durch das in den Patentansprüchen 1 und 2 beanspruchte Verfahren bestimmt wird und der deshalb zusammen mit diesem durch den Stand der Technik nahegelegt ist. Dass der Gegenstand der abhängigen Patentansprüche 3 bis 16 und 18 bis 21 anders zu beurteilen wäre, ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO. Zu den von der Beklagten zu tragenden Kosten gehören gemäß § 101 Abs. 2 ZPO auch die Kosten der Streithelferin.
Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens
Bacher Hoffmann