Entscheidungsdatum: 28.01.2010
Eine Klausel in den Teilnahmebedingungen für das Flugprämienprogramm eines Luftverkehrsunternehmens, nach der bei einer Kündigung des Teilnehmervertrags durch das Luftverkehrsunternehmen oder bei Beendigung des Prämienprogramms erworbene und bis dahin innerhalb von fünf Jahren nach Flugdatum gegen Prämienflüge einlösbare Bonuspunkte ihre Gültigkeit sechs Monate nach Zugang der Kündigung verlieren, benachteiligt den Flugreisenden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher unwirksam .
Auf die Revision des Klägers wird das am 20. März 2009 verkündete Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das am 16. Oktober 2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die auf dem Familienkonto des Klägers gutgeschriebenen 54.000 Punkte innerhalb von 60 Monaten nach dem jeweiligen Flugdatum zu den Bedingungen des Flugprämienprogramms "..." gegen Flugprämien einzulösen.
Im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger war Teilnehmer des Flugprämienprogramms der Beklagten. Nach den Teilnahmebedingungen der Beklagten hatten die teilnehmenden Kunden die Möglichkeit, eine flugstreckenabhängige Anzahl von "..." zu sammeln. Diese "..." hatten nach den Teilnahmebedingungen eine Gültigkeitsdauer von 60 Monaten nach dem Flugdatum. Sie konnten von dem Kunden beim Erwerb eines Prämientickets (im Verhältnis von 100 "..." = 1,-- €) unter der Voraussetzung eingelöst werden, dass mindestens die Hälfte der für den Erwerb eines Flugscheins erforderlichen Punkte gesammelt waren. Der Differenzbetrag war von dem Kunden durch Zukauf von "..." (im gleichen Verhältnis 1,-- € = 100 "...") aufzubringen. Die "..." waren nicht übertragbar. Unter der Überschrift "6. Kündigung, Verstoß gegen Teilnahmebedingungen, Beendigung des Programms" stellte die Beklagte ihren Kunden unter anderem die folgenden Vertragsbedingungen:
"6.1 Ordentliche Kündigung
Eine Kündigung durch ... ist nur unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen möglich, sofern die Kündigung nicht aus wichtigem Grund fristlos erfolgt.
6.2 Gültigkeit von ... bei Kündigung
Bei einer ordentlichen Kündigung durch den Teilnehmer oder ... behalten die ... ihre Gültigkeit für einen Zeitraum von sechs Monaten nach Zugang der Kündigung, sofern nicht ein früherer Verfall gemäß Ziffer 4.4 eintritt.
6.3 Beendigung des ... -Programms
... behält sich das Recht vor, das ... -Programm jederzeit ganz oder teilweise auch ohne Ankündigung zu beenden oder einzustellen und die Verträge mit den Teilnehmern ordentlich zu kündigen. In diesem Fall gelten die vorstehenden Ziffern 6.1 und 6.2 entsprechend."
Im September 2007 wies das Prämienkonto des Klägers 54.000 "..."auf. Mit Schreiben vom 20. September 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie das Flugprämienprogramm zum 31. Oktober 2007 einstelle. Zugleich kündigte sie den Teilnahmevertrag ordentlich zum 31. Oktober 2007. Am 9. Dezember 2007 flogen der Kläger und seine Familie mit der Beklagten nach Südafrika, wofür nach dem Flugprämienprogramm 12.000 "..." angefallen wären.
Der Kläger verlangt mit seiner Klage die Feststellung, dass die auf seinem Konto verbuchten 54.000 "..." ihre Gültigkeit von 60 Monaten behalten hätten und zudem weitere 12.000 "..." mit der Gültigkeit von 60 Monaten für den Flug vom 9. Dezember 2007 gutzuschreiben seien. Hilfsweise verlangt er die Zahlung von 660,-- € nebst Zinsen. Außerdem fordert er die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Die Beklagte tritt dem entgegen.
Die zulässige Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung des ersten Feststellungsantrags richtet; sie führt im Übrigen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Klauseln über den Verfall von "...", über die Kündigung und über die Übertragbarkeit seien weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtheit wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 305c BGB nichtig. Die Klauseln seien weder objektiv ungewöhnlich noch nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild der Teilnahmebedingungen, überraschend i.S. von § 305c BGB. Weiter sei die Tatsache, dass im Falle einer Kündigung die "Mindesthaltbarkeit" der bereits angesammelten "..." auf sechs Monate nach Kündigung verkürzt sei, nicht objektiv ungewöhnlich. In dem Umstand, dass sich die Verfallszeit für die "..." im Fall der Kündigung oder Beendigung des Programms von 60 Monaten ab Flugdatum auf sechs Monate ab Kündigung verkürze, liege auch keine De-facto-Vertragsstrafe für den Kläger mit der Folge, dass die Klauseln 6.1 bis 6.3 nach § 309 Nr. 6 BGB unwirksam wären. Schließlich verstießen die genannten Klauseln auch weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtheit gegen § 307 Abs. 2 oder § 307 Abs. 1 BGB. Es lasse sich keine Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht zum Nachteil des Klägers feststellen. Auch liege keine unangemessene Benachteiligung des Kunden vor. Auszugehen sei dabei von der Grundüberlegung, dass der Kunde keinen Anspruch darauf habe, dass die Beklagte überhaupt ein Kundenbindungsprogramm mit "..." oder irgendeiner anderen Zusatzleistung auflege, sondern dass es sich hier um eine reine unternehmerische Entscheidung der Beklagten handele. Der Kunde habe daher auch kein schutzwürdiges Interesse daran, dass dieses oder ein anderes Kundenbindungsprogramm von der Beklagten fortgeführt werde. Vielmehr habe der Kläger von der Beklagten eine für ihn kostenlose Zusatzleistung erhalten: um in den Genuss dieser Vorteile zu kommen, habe er nicht mehr Geld aufwenden müssen als andere Fluggäste, die nicht Teilnehmer des "..."-Programms gewesen seien. Da die Kündigung des Programms wirksam gewesen sei, habe der Kläger nach dessen Beendigung auch keine weiteren Punkte sammeln können.
II. Die Revision ist begründet, soweit sie sich gegen die Abweisung des ersten Feststellungsantrags (Einlösung von 54.000 "..." innerhalb von fünf Jahren nach dem jeweiligen Flugdatum) richtet.
1. Dass die Klauseln 6.1 bis 6.3 als Nebenabreden der Inhaltskontrolle unterliegen, hat das Berufungsgericht zu Recht nicht in Zweifel gezogen. Der Einwand der Revisionserwiderung, es werde durch die Teilnahmebedingungen nicht in eine Rechtsposition des Kunden eingegriffen, die dieser bereits anderweit in umfassenderer Form erworben hätte, geht fehl. Die Beklagte hat ihren Kunden mit dem "..."-Programm, wie die Revision zutreffend geltend macht, einen Rabatt oder eine Rückvergütung versprochen, die jedoch nicht in bar auszahlbar, sondern nur auf den Flugpreis für künftige Flüge anrechenbar sein sollte. Die Bedingungen für die Geltendmachung dieses Rabatts werden durch die streitigen Klauseln eingeschränkt; solche Einschränkungen eines vertraglichen Leistungsversprechens unterliegen der Inhaltskontrolle (BGHZ 148, 74, 77).
2. Bei dieser Inhaltskontrolle ist zwischen Nr. 6.1 und Nr. 6.3 Satz 1 der Bedingungen einerseits und Nr. 6.2 andererseits zu unterscheiden. Denn für die Frage, ob die Beklagte sich das Recht vorbehalten kann, das Kundenbindungsprogramm jederzeit einzustellen oder gegenüber dem Teilnehmer zu kündigen, sind andere Gesichtspunkte maßgeblich als für die Frage, ob die Beklagte für den Fall der - an keine Voraussetzungen gebundenen - Beendigung des Programms oder Kündigung des Teilnahmevertrages die "Gültigkeitsdauer" zuvor erworbener "..." auf sechs Monate nach Zugang der Kündigung beschränken durfte.
Gegen das Kündigungs- und Beendigungsrecht erhebt die Revision zu recht keine Einwände. Ein zur Kundenbindung eingeführtes Rabattprogramm ist eine freiwillige Leistung. Die Beklagte kann bei jedem Vertragsangebot neu entscheiden, ob sie ein solches Angebot machen will oder nicht. Sie ist auch grundsätzlich nicht gehindert, ein solches Rabattprogramm ganz einzustellen.
Schränkt die Beklagte jedoch die Möglichkeit, den vereinbarten Rabatt in Anspruch zu nehmen, ein, indem sie den Zeitraum, in dem die "..." einzulösen sind, auf bis zu ein Zehntel des bis dahin vorgesehenen Zeitraums beschränkt, werden ihre Kunden hierdurch entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist dann unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGHZ 143, 104, 113; BGH, Urt. v. 1.2.2005 - X ZR 10/04, NJW 2005, 1774, 1775). Die Anwendung dieses Maßstabs setzt eine Ermittlung und Abwägung der wechselseitigen Interessen voraus (BGH, Urt. v. 1.2.2005, aaO).
Im Rahmen des Flugprämienprogramms besteht das Interesse des Kunden darin, den in Aussicht gestellten Rabatt in Anspruch nehmen zu können. Mit diesem Vorteil hat die Beklagte Kunden geworben und an sich gebunden. Die Vergünstigung konnte der Kunde nach Nr. 5.2 der Teilnahmebedingungen nur erzielen, wenn er die Hälfte der für den Erwerb eines Prämientickets erforderlichen Punkte gesammelt hatte, mithin bei Kunden, die typischerweise Urlaubsreisende sind, erst nach mehrfacher Inanspruchnahme von Flugleistungen der Beklagten. Zudem waren die "..." nach Nr. 7.4 der Teilnahmebedingungen nicht übertragbar. Der Kunde musste also selbst ein Prämienticket erwerben. Eine Barauszahlung wird durch Nr. 7.4 der Teilnahmebedingungen gleichfalls ausgeschlossen. Daraus resultiert das Interesse des Kunden an einer möglichst langen Verwertbarkeit der Punkte, dem die Beklagte auch dadurch Rechnung getragen hat, dass gutgeschriebene "..." nach Nr. 4.4 der Teilnahmebedingungen erst fünf Jahre nach dem Tag der Gutschrift verfallen. Dieses Kundeninteresse besteht auch nach Kündigung des Teilnahmevertrags durch die Beklagte fort. Der Kunde, der sich mit dem Flugprämienprogramm hat werben lassen, will auch nach Einstellung des Programms den versprochenen Rabatt nutzen können. Darin wird er nicht unerheblich behindert, wenn er binnen eines halben Jahres einen Prämienflug buchen muss, zumal sich die Beklagte in Nr. 5.4 der Teilnahmebedingungen die Entscheidung vorbehalten hat, für welche Flüge sie Prämientickets zur Verfügung stellt ("Die Verfügbarkeit der Prämien kann nach Datum, Saison und Zielort variieren. Einzelne Flugprämien sind gegebenenfalls zu bestimmten Zeiten nicht verfügbar"). Ein Kunde, der etwa einmal jährlich mit der Beklagten in seinen Urlaub fliegt und diesen bereits gebucht hat, wenn er die Kündigung der Beklagten erhält, kann erhebliche Schwierigkeiten haben, wirtschaftlich sinnvoll über seine gesammelten Punkte zu disponieren.
Das Interesse der Beklagten bestand während der Dauer des Flugprämienprogramms darin sicherzustellen, dass die Kunden langfristig an ihre Fluglinie gebunden blieben, die "..." also nicht sofort, sondern erst nach mehrfacher Inanspruchnahme der Fluglinie eingelöst werden konnten. Die Teilnahme war auch aus diesem Grunde von vornherein auf einen langen Zeitraum angelegt. Dass dieses Interesse mit der Einstellung des Flugprämienprogramms erlischt, rechtfertigt eine drastische Verkürzung der Einlösefrist nicht, denn an der Einlösung der "..." hatte die Beklagte ohnehin kein eigenes Interesse.
Bei der Interessenabwägung spricht nicht zugunsten der Beklagten, dass sie das Flugprämienprogramm als Zugabe zu der Hauptleistung ohne zusätzlichen finanziellen Aufwand für den Kunden zur Verfügung gestellt hat. Das Berufungsgericht hat Gewicht auf das Argument gelegt, dass die Teilnehmer am "..."-Programm für den Flug nicht weniger gezahlt hätten als Nichtteilnehmer. Dies trifft jedoch nicht zu. Die Teilnehmer haben vielmehr ein Rückvergütungsversprechen in Form der "..." erhalten und insofern, da deren Einlösung eine gewisse Anzahl an Punkten erforderte, eine Art Mengenrabatt. Diesen Rabatt hat die Beklagte wie jeden Rabatt freiwillig, nichtsdestoweniger jedoch eigennützig gewährt. Ein Argument für ein Recht der Beklagten, dem Kunden die Vorteile dieses Rabatts teilweise wieder nehmen zu dürfen, ist nicht ersichtlich.
3. Soweit die Revisionserwiderung hilfsweise geltend macht, die Beklagte habe vom Kläger eine Vertragsanpassung verlangen können, hat sie damit keinen Erfolg. Die Beklagte hat in der Tatsacheninstanz die Unzumutbarkeit der vertragsgemäßen Weiterführung des Teilnahmevertrages mit dem Kläger nicht dargetan. Sie hat auch nicht dargelegt, dass sie dem Kläger ein Angebot zur Vertragsanpassung gemacht habe.
4. Dass der Kläger mit seinen Punkten in das "...-Bonus"-Programm von ... hätte wechseln können, lässt die Geltendmachung der Klageforderung jedenfalls deshalb nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) erscheinen, weil dieses Bonusprogramm insofern nicht gleichwertig mit demjenigen der Beklagten war, als die gesammelten Bonuspunkte danach eine geringere Laufzeit hatten als die "..." der Beklagten.
III. Soweit sich die Revision gegen die Abweisung des zweiten Feststellungsantrags (Gutschrift weiterer 12.000 "...") wendet, führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung.
Der betreffende Flug hat zwar erst nach Beendigung des Programms stattgefunden. Das Berufungsgericht hat allerdings keine Feststellungen dazu getroffen, wann der Kläger den Flug gebucht hat; die Revision macht geltend, dass dies vor der Kündigung geschehen sei. Sollte dies zutreffen, haben die Flugreisenden einen Anspruch auf Gutschrift der Punkte erworben, denn der Beförderungsvertrag ist dann mit dem entsprechenden "Rabattversprechen" geschlossen worden. In diesem Fall wird es nicht darauf ankommen, ob die weiteren Voraussetzungen der Nr. 4.2 der Teilnahmebedingungen für die Gutschrift erfüllt sind. Die Berufung darauf, dass diese Bedingungen nicht erfüllt seien, weil der Kläger die Gutschrift nicht rechtzeitig unter Vorlage der Bordkarten verlangt habe, wäre treuwidrig, da die Beklagte ohnehin nicht bereit war, dem Kläger für den Dezemberflug Punkte gutzuschreiben.
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