Entscheidungsdatum: 08.07.2010
Fälschungssicheres Dokument
Zum Offenbarungsgehalt einer Patentanmeldung gehört im Zusammenhang mit der Frage, ob eine unzulässige Erweiterung vorliegt, nur das, was den ursprünglich eingereichten Unterlagen "unmittelbar und eindeutig" zu entnehmen ist, nicht hingegen eine weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann (vgl. BGH, 16. Dezember 2008, X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Tz. 25 - Olanzapin m.w.N.) .
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27. März 2007 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert. Das europäische Patent 455 750 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 455 750 (Streitpatents), das am 16. Januar 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität einer US-Anmeldung vom 18. Januar 1989 angemeldet worden ist und ein Verfahren zur Herstellung eines fälschungssicheren Dokuments betrifft. Das Streitpatent umfasst vier Ansprüche. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch:
"A method of making a document that is not faithfully replicable by scanning-type copying devices, the document using a visible original image (10, 40) comprising art, pictures and/or image forms made of curvilinear lines, dots and/or swirls, the method comprising the steps of
determining the scanning pitch distance (p) and width of the scanning lines (36) of the copying devices;
producing a grid pattern of parallel lines (32) having a pitch distance (d) minutely more or less than the scanning pitch distance (p), the difference between the pitch distance (d) of the parallel lines and the scanning pitch distance (p) being within a range from about one-half the width of the scanning lines to about one-half the scanning pitch distance (p); and
overlaying the grid pattern on the original image to produce on the document a printed image which comprises the original image having a superimposed transmitted or obstructed print pattern conforming to the grid pattern and in which the print pattern normally is not discernible by the naked eye, such that the original image and the printed image appear to the naked eye to be generally the same, the print pattern causing visibly discernable interference (e.g., moire) patterns and/or false tones, colors or omissions to be produced in the printed image in copies of the document made by the copying devices."
Die weiteren Patentansprüche sind auf Patentanspruch 1 zurückbezogen.
Die Beklagte hat die Klägerin vor dem Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaft (jetzt: Gericht der Europäischen Union) wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommen. Das Gericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen (EuG, Beschl. v. 5.9.2007 - T-295/05, Slg 2007, II-2835).
Die Klägerin hat gegen das Streitpatent in neun Staaten Nichtigkeitsklage erhoben. In Großbritannien, Frankreich, Österreich und Belgien ist das Streitpatent mit Wirkung für das jeweilige Gebiet für nichtig erklärt worden (European Central Bank v. Document Security Systems Incorporated, [2007] EWHC 600 (Pat) und [2008] EWCA Civ 192; Tribunal de Grande Instance de Paris, Urt. v. 9.1.2008 - RG no 2006/5848; Cour d’Appel de Paris, Urt. v. 17.3.2010 - RG no 08/09140; Österreichisches Patentamt - Nichtigkeitsabteilung, Beschl. v. 30.10.2009 - N 3/2006-20; Rechtbank Brüssel, Urt. v. 30.10.2009 - 06/4392/A). In den Niederlanden und in Spanien ist die Nichtigkeitsklage in erster Instanz erfolglos geblieben (Rechtbank s’Gravenhage, Urt. v. 12.3.2008, 269923 / HA ZA 06-2495; Juzgado de lo mercantil no 7 de Madrid, Urt. Nr. 79/2010 v. 18.3.2010).
Im vorliegenden Rechtsstreit macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und sei nicht patentfähig. Das Patentgericht hat die auf Nichtigerklärung des Streitpatents gerichtete Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Die Beklagte tritt der Berufung entgegen.
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. L. ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
I. Die Klage ist auch nach dem Erlöschen des Streitpatents wegen Zeitablaufs weiterhin zulässig. Das seit dem 17. Januar 2010 erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich daraus, dass die Klägerin, die nach Art. 282 Abs. 3 Satz 1 AEUV rechtsfähig ist, weiterhin besorgen muss, von der Beklagten auch in Deutschland wegen Verletzung des Streitpatents in der Vergangenheit in Anspruch genommen zu werden. Hierbei ist unerheblich, ob eine solche Klage im Ergebnis Erfolg hätte. Mit der von ihr angestrebten Nichtigerklärung kann die Klägerin in der gegenwärtigen Verfahrenslage jedenfalls auf einfacherem Weg zu einer Klärung der Rechtslage gelangen.
II. Das Patentgericht hat seine die Klage abweisende Entscheidung wie folgt begründet:
Der Gegenstand des Streitpatents sei mit allen seinen Merkmalen für den Fachmann in den ursprünglichen Unterlagen offenbart. Bei den Verfahren nach den Patentansprüchen 1 bis 12 in der Fassung der Anmeldung würden Linienstrukturen (lineations) in die Bildteile von Dokumenten eingefügt oder seien als Bildbestandteile vorausgesetzt. Diese Linienstrukturen stellten jeweils Gitterstrukturen bzw. Gittermuster dar. Es werde davon Gebrauch gemacht, dass in den durch Kopiervorrichtungen der Abtastbauart hergestellten Kopien dieser Dokumente Moiré-Muster oder Weglassungen aufträten, wenn die Linien der genannten Linienstrukturen (bereichsweise) einen bestimmten Abstand hätten. Der Verfahrensschritt der Überlagerung eines Gittermusters auf ein Originalbild zur Erzeugung eines Bildes auf dem Dokument sei für den hier angesprochenen Fachmann erkennbar in Patentanspruch 13 der Anmeldung. Dieser Anspruch sei auf die Herstellung eines nicht getreu reproduzierbaren Dokuments durch einen Kopiervorgang gerichtet. Das Kopieren eines Originaldokuments mit Bildinhalt (image content) mit einer Kopiervorrichtung ergebe eine Originalkopie des Dokuments (replicant document) mit einer Gitterstruktur im Bild (image lineations). Das im Anspruch genannte bewusste Erzeugen der Gitterstrukturen bzw. der Gittermuster durch den Kopiervorgang in der Darstellung des Originals verstehe der Fachmann als eine Überlagerung der Gitterstrukturen bzw. des Gittermusters auf das Originalbild. In der Beschreibung der Anmeldung werde ferner geschildert, wie der Erfinder das für die Erfindung grundlegende Phänomen aufgefunden habe, indem er einen Original-Reisescheck durch einen Farbkopierer der Abtastbauart kopiert und dann festgestellt habe, dass auf Kopien, die von dieser ersten Kopie angefertigt würden, deutlich erkennbare Fehler (tell-tales) aufträten. Der gefundene Effekt der Überlagerung der Gitterstruktur auf das Originalbild mit Fehlanpassung bezüglich der Kopiervorrichtung solle nach den Ausführungen in der Anmeldung (K13 S. 8 Z. 7 bis 12) als Schutz gegen Fälschung des Dokuments eingesetzt werden.
In der Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen sei der Gegenstand des Streitpatents damit entgegen der von Kitchin J im Verfahren vor dem High Court of Justice geäußerten Auffassung hinreichend offenbart. Zwar seien dem ursprünglichen Anspruchsbegehren die Begriffe "grid" und "overlay", also "Gitter" und "Überlagerung", nicht entnehmbar, und die diese Begriffe enthaltenden Ausführungen in der Beschreibung zu Figur 1 bezögen sich auf Verfahren, die nicht Gegenstand des erteilten Patents seien. Angesichts der in den ursprünglichen Unterlagen ausführlich behandelten Problemstellung der Erfindung und der Diskussion vorbekannten Stands der Technik habe der Fachmann aber aus der Beschreibung der Eigenschaften einer Originalkopie (replicant document) und von dieser mit einer Kopiervorrichtung der Abtastbauart angefertigten weiteren Kopien die Überlagerung des Gittermusters in der im Streitpatent beschriebenen Weise als Teil des erfindungsgemäßen Druckverfahrens erkannt. Dass die Patentansprüche in der Fassung der Anmeldung auf andere Arten der Herstellung eines fälschungssicheren Dokuments fokussiert gewesen seien, dürfe den Patentsucher nicht hindern, im Prüfungsverfahren auf Beschreibungsteile zurückzugreifen, um aus diesen Merkmale in das Anspruchsbegehren zu überführen.
Der Gegenstand des Streitpatents sei auch patentfähig. In den Entgegenhaltungen K4 und K5 würden jeweils im Originalbild enthaltene Bereiche durch schon mit bloßem Auge sichtbare Schraffuren so gestaltet, dass diese Schraffuren selbst beim Kopiervorgang die Moiré-Muster erzeugten. In K6 würden Moiré-Erscheinungen in der Reprotechnik erläutert und Wege angegeben, wie solche Effekte beim Drucken verhindert werden könnten. K7 betreffe Maßnahmen zum Kopierschutz, die auf richtungsabhängigen Verschwärzungseffekten von Kopiervorrichtungen beruhten. K8 enthalte eine physikalisch-mathematische Analyse von Moiré-Erscheinungen. Auch bei den von der Klägerin vorgelegten Banknoten ergäben sich die aufgetretenen Moiré-Muster, die bei Auflegen eines Liniengitters auf die Geldscheine sichtbar würden, jeweils durch die Linienstruktur der Bildteile auf den Banknoten selbst. Aus dem Stand der Technik ergebe sich demgegenüber keine Anregung, ein zusätzliches Gittermuster zu erzeugen und dies in der im Streitpatent festgelegten Weise dem Originalbild zu überlagern.
Diese Beurteilung hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren nicht Stand.
III. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines fälschungssicheren Dokuments.
1. In der Streitpatentschrift wird einleitend dargelegt, beim Druck von Geldscheinen, Wertpapieren und anderen wertvollen Dokumenten komme meist der so genannte Linientiefdruck (line intaglio) zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um ein Tiefdruckverfahren, also ein Verfahren, bei dem die farbübertragenden Bereiche der Druckplatte gegenüber der Umgebung vertieft angeordnet sind. Beim Linientiefdruck bestehen diese Bereiche aus Linien. Unterschiedliche Helligkeitswerte können erreicht werden, indem die Breite oder Tiefe der einzelnen Linien oder die Anzahl der Linien innerhalb einer bestimmten Fläche variiert werden. Als weiteres Tiefdruckverfahren wird in der Streitpatentschrift der Rastertiefdruck genannt. Bei diesem bestehen die farbübertragenden Bereiche aus kleinen Näpfen, die in einem Gittermuster angeordnet sind. Dieses Verfahren wird eher beim Druck von Katalogen, Zeitschriften, Zeitungsbeilagen und dergleichen verwendet.
In der Beschreibung des Streitpatents wird weiter ausgeführt, mit modernen Farbkopierern, insbesondere solchen mit Laserdruckwerk, sei es auch mit geringen Fachkenntnissen möglich, US-Banknoten, Reiseschecks, Führerscheine und Ausweise so zu kopieren, dass die Kopie im täglichen Geschäftsverkehr nicht ohne weiteres als solche erkannt werde. Versuche, dieses Problem zu lösen, seien erfolglos geblieben. Insbesondere sei es nicht gelungen, Geldscheine oder sonstige wichtige Dokumente mit einem Merkmal zu versehen, das mit bloßem Auge nicht erkennbar sei, auf einer Kopie aber deutlich sichtbar zu Tage trete.
Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, ein Dokument so herzustellen, dass eine mittels eines modernen Farbkopierers hergestellte Kopie mit bloßem Auge deutlich vom Original unterschieden werden kann.
2. Zur Lösung dieses Problems wird in Patentanspruch 1 des Streitpatents ein Verfahren vorgeschlagen, das folgende Merkmale aufweist (im angefochtenen Urteil werden abweichende Gliederungszeichen verwendet, die nachfolgend in eckigen Klammern aufgeführt werden):
1. Das Verfahren dient zur Herstellung eines Dokuments,
a) das durch Kopiervorrichtungen, bei denen das zu kopierende Dokument abgetastet (gescannt) wird, nicht getreu reproduzierbar ist [A] und
b) ein sichtbares Originalbild verwendet, das Kunstwerke, Bilder oder Bildformen aufweist, die aus gekrümmten Linien, Punkten oder Wirbeln gebildet sind [B].
2. Der Abtastteilungsabstand p und die Breite der Abtastlinien der Kopiervorrichtungen werden bestimmt [C].
3. Es wird ein Gittermuster aus parallelen Linien (32) erzeugt
a) mit einem Teilungsabstand d, der geringfügig größer oder kleiner ist als der Abtastteilungsabstand p [D],
b) wobei die Differenz zwischen dem Teilungsabstand d der parallelen Linien und dem Abtastteilungsabstand p innerhalb eines Bereiches von ungefähr der Hälfte der Breite der Abtastlinien bis zu ungefähr der Hälfte des Abtastteilungsabstandes p liegt [E].
4. Das Gittermuster wird dem Originalbild überlagert zur Erzeugung eines gedruckten Bildes auf dem Dokument,
a) welches das Originalbild aufweist mit einem darüber liegenden übertragenen oder abgedeckten Druckmuster entsprechend dem Gittermuster [F] und
b) in welchem das Druckmuster normalerweise mit bloßem Auge nicht erkennbar ist, so dass das Originalbild und das gedruckte Bild dem bloßen Auge als im Allgemeinen gleich erscheinen [G].
5. Das Druckmuster führt dazu, dass in Kopien, die mit den Kopiervorrichtungen hergestellt werden, in dem gedruckten Bild visuell erkennbare Interferenzmuster (z. B. Moiré-Muster) oder falsche Farbtöne, Färbungen oder Weglassungen erzeugt werden [H].
3. Einige Merkmale bedürfen besonderer Erörterung.
a) Ein Dokument im Sinne von Patentanspruch 1 ist ein Geldschein, ein Wertpapier oder eine ähnliche Urkunde, die vor unbefugter Vervielfältigung geschützt werden soll. Hiervon zu unterscheiden sind zum einen Kopien, also Vervielfältigungsstücke, die von diesem Dokument mittels einer Kopiervorrichtung hergestellt werden, und zum anderen das so genannte Originalbild. Dies ist eine Vorlage, deren Inhalt nur dahin festgelegt ist, dass er aus gekrümmten Linien, Punkten oder Wirbeln gebildet ist. Das Originalbild wird im Dokument "verwendet", d. h. darin wiedergegeben. Diese Wiedergabe - das gedruckte Bild - stimmt nicht vollständig mit dem Originalbild überein. Vielmehr wird das Originalbild gemäß Merkmalsgruppe 3 durch ein Gittermuster überlagert, das im gedruckten Bild als Druckmuster erscheint. Dieses Druckmuster ist mit bloßem Auge nicht erkennbar, führt aber dazu, dass das Bild in einer Kopie deutlich sichtbare Unterschiede gegenüber seiner Wiedergabe im Dokument aufweist. Diese Unterschiede bestehen in Interferenzmustern, falschen Farbtönen oder Weglassungen, die - anders als die Druckmuster im Dokument - mit bloßem Auge ohne weiteres sichtbar sind.
b) Diese Unterschiede werden dadurch hervorgerufen, dass die einzelnen Linien des Gittermusters, die gemäß Merkmal 3 untereinander parallel sind, einen Teilungsabstand d aufweisen, der geringfügig kleiner oder größer ist als der Teilungsabstand zwischen zwei Abtastlinien der Kopiervorrichtung. Dies setzt voraus, dass die Kopiervorrichtung das zu kopierende Dokument in der Weise abtastet (scannt), dass einzelne Bildpunkte oder Linien erfasst werden, die einen bestimmten, gleichbleibenden Abstand zueinander aufweisen. Dieser Abstand - genauer: der Abstand zwischen den einander entsprechenden Seiten von zwei benachbarten Linien - wird in der Streitpatentschrift als Abtastlinienabstand p bezeichnet. Hiervon zu unterscheiden ist die Breite der Abtastlinien, die kleiner, gleich groß und theoretisch auch größer sein kann als der Linienabstand p. Sowohl die Breite als auch der Abstand der Abtastlinien sind gemäß Merkmal 2 im Rahmen des patentgemäßen Verfahrens zu ermitteln. Auf welche Weise dies geschieht, ist im Streitpatent nicht näher festgelegt.
Nach Merkmal 3 b liegt die Differenz zwischen dem Abstand d der Linien des Gittermusters und dem Abstand p der Abtastlinien ungefähr zwischen der Hälfte der Breite der Abtastlinien und der Hälfte des Abstandes p. Daraus folgt, dass die beiden Werte p und d nicht beliebig nahe zusammenliegen dürfen. Vielmehr ist für die Differenz zwischen den beiden Werten eine Untergrenze festgelegt, nämlich die Hälfte der Breite einer Abtastlinie. Je breiter eine Abtastlinie ist, umso mehr müssen sich die beiden Abstände folglich voneinander unterscheiden. Die hiervon abweichende Auffassung der Beklagten, die aus Merkmal 3 a folgern will, dass d und p stets beliebig nahe zusammenliegen dürfen, findet weder im Patentanspruch noch im sonstigen Inhalt der Streitpatentschrift eine Stütze. Dass die Differenz zwischen den beiden Abständen gemäß in Merkmal 3 a nur geringfügig ("minutely more or less") sein darf und eine Differenz, die sich der Hälfte des Wertes p annähert, zur Erzeugung von Moirémustern eher ungeeignet ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die vage Vorgabe "geringfügig" wird in Merkmal 3 b durch eine klare Bereichsangabe konkretisiert. Diese Konkretisierung ist für die Auslegung von Patentanspruch 1 maßgeblich.
Die Bereichsangabe in Merkmal 3 b beruht auf der Annahme, dass die Breite der Abtastlinien geringer ist als ihr Abstand. Eine solche Anordnung ist in Figur 2b der Streitpatentschrift dargestellt, die nach den Ausführungen in der Beschreibung (Abs. 20 Sp. 8 Z. 23-26) ein schematisches Beispiel für das Abtastmuster einer Kopiervorrichtung wiedergeben soll.
Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen wurde bei kommerziell erhältlichen abtastenden Kopiereinheiten die Linienbreite bereits am Prioritätstag meist so gewählt, dass sie möglichst gleich groß ist wie der Linienabstand. Diese Funktionsweise ist auch in dem Handbuch für den Digitalkopierer Canon CLC erläutert (Jo11 S. 2-7 Fig. 2-22), der vor dem Prioritätstag auf dem Markt erhältlich war. Bei Geräten dieser Art wird der in Merkmal 3 b angegebene Bereich für die Differenz der Linienabstände p und d auf ein Minimum reduziert, weil der obere und der untere Grenzwert identisch sind. Die Differenz zwischen p und d muss dann stets "ungefähr" dem halben Linienabstand p entsprechen, was nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen einen eher ungünstigen Wert darstellt, um das mit dem Streitpatent angestrebte Ziel zu erreichen. Dies ändert nichts daran, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 auch solche Verfahren umfasst. Weder aus der beispielhaften Darstellung in Figur 2b noch aus dem sonstigen Inhalt der Streitpatentschrift kann abgeleitet werden, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 entgegen dem Wortlaut des Anspruchs auf Verfahren beschränkt ist, bei denen die Breite der Abtastlinien geringer ist als deren Abstand. Andererseits kann Patentanspruch 1 auch nicht dahin ausgelegt werden, dass die Vorgaben in Merkmal 3 b nicht gelten sollen, wenn Breite und Abstand der Abtastlinien identisch sind. In diesem Fall ergibt sich aus Merkmal 3 b vielmehr, dass der Linienabstand d ungefähr die Hälfte oder das Eineinhalbfache des Abtastlinienabstandes p betragen muss. Ob die Festlegung der Differenz auf einen geringeren Wert als Verwirklichung des Merkmals mit äquivalenten Mitteln anzusehen wäre, bedarf im vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung.
c) Die in der Streitpatentschrift als typisches Beispiel für Interferenzmuster hervorgehobenen Moirémuster ergeben sich, wenn zwei periodische Strukturen so überlagert werden, dass ihre Kombination eine neue Struktur mit größerer Periode ergibt. Dies kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass zwei Strichmuster mit gleicher Periode übereinandergelegt und gegeneinander verdreht oder dass zwei Strichmuster mit gleicher Ausrichtung, aber geringfügig unterschiedlicher Periode übereinandergelegt werden. Interferenzen dieser Art sind in den beiden nachfolgenden Abbildungen dargestellt.
|
|
Beim Drucken von Dokumenten können solche Effekte auftreten, wenn das Druckbild ein Raster aufweist und im Rahmen des Druckvorgangs mehrere Einzelbilder übereinander gedruckt werden, was insbesondere beim Vierfarbdruck im Rastertiefdruck-, Offsetdruck- und Laserdruck-Verfahren geschieht. In diesem Zusammenhang sind Moiréeffekte unerwünscht. Um sie zu unterbinden, werden die einzelnen Farbraster üblicherweise unterschiedlich ausgerichtet. Ergänzend kann anstelle einer amplitudenmodulierten Rasterung, bei der unterschiedliche Helligkeitswerte durch unterschiedliche Größe der Bildpunkte erzeugt werden, eine frequenzmodulierte Rasterung vorgenommen werden, bei der unterschiedliche Helligkeitswerte durch die Anzahl einzelner Bildpunkte in einer definierten Rasterzelle repräsentiert werden und die Punkte innerhalb der Zelle stochastisch, also mit Mitteln der Wahrscheinlichkeitsrechnung, verteilt werden.
Bei Kopiervorrichtungen, die einen Scanner aufweisen, entstehen periodische Strukturen unabhängig von der Art der Druckausgabe schon dadurch, dass die Vorlage zeilenweise abgetastet wird. Anders als beispielsweise beim Laser- oder Offsetdruck ist dabei zwar keine Rasterung in der Weise erforderlich, dass jedem einzelnen Bildpunkt nur die Werte "weiß" oder "schwarz" bzw. eine Grundfarbe zugewiesen werden können. Vielmehr ist auch die Zuweisung von Graustufen oder Farbtönen möglich. Dennoch entsteht eine periodische Struktur, weil nur eine endliche Zahl von Zeilen und Bildpunkten erfasst werden kann. Kontinuierliche Farbverläufe müssen deshalb in eine Abfolge aus einzelnen Graustufen- oder Farbtonwerten umgewandelt werden, deren Schrittweite durch den Abstand der Abtastlinien bestimmt wird. Beim Verfahren nach Patentanspruch 1 des Streitpatents wird dieser Effekt genutzt, indem das Dokument gezielt mit einem gitterförmigen Druckmuster versehen wird, dessen Linienabstand so auf den zuvor bestimmten Abstand der Abtastlinien abgestimmt wird, dass die eingescannten Bilddaten Interferenzmuster enthalten.
Dem Streit der Parteien, ob eine Vorlage durch den Scanvorgang "lückenlos" erfasst wird, kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Auch wenn die gesamte Fläche einer Vorlage abgetastet wird, weil die Breite der Abtastlinie gleich groß ist wie der Abstand zwischen zwei Abtastlinien, kann, wie der gerichtliche Sachverständige erläutert hat und wie dies besonders anschaulich auch in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten von Prof. Ing. Z. (Jo10a S. 2-7) erläutert wird, für jede abgetastete Teilfläche nur ein einheitlicher Wert erfasst werden, unabhängig davon, ob diese Teilfläche in der Vorlage gleichmäßig abgedeckt ist oder nicht. Wenn die Vorlage periodische Strukturen enthält, deren Linienabstand geringfügig vom Abstand der Abtastlinien abweicht, entsteht bereits durch den Scanvorgang eine Bildinformation, die ein Moirémuster enthält (Jo10a S. 7).
d) Als Mittel, um die Interferenzmuster herbeizuführen, dienen nach den Merkmalsgruppen 3 und 4 nicht die gemäß Merkmal 1 b im Originalbild enthaltenen gekrümmten Linien, Punkte oder Wirbel, sondern ein diesem Originalbild überlagertes Gittermuster, das im Dokument als über dem Originalbild liegendes Druckmuster enthalten ist.
(1) Wenn das Dokument durch Linientiefdruck erstellt wird, genügt es deshalb nicht, einige der zum Originalbild gehörenden Linien so anzuordnen, dass sie den in Merkmalsgruppe 3 definierten Abstand aufweisen. Vielmehr müssen diese Linien ihrerseits mit einem Gittermuster überlagert sein, dessen Teilungsabstand den Anforderungen der Merkmalsgruppe 3 genügt.
Die Beklagte macht demgegenüber geltend, eine Überlagerung gemäß den Merkmalsgruppen 3 und 4 könne auch dadurch erfolgen, dass die Linien, Punkte und Wirbel so angeordnet werden, dass sie in das patentgemäße Gittermuster passen. Diese Auslegung, nach der die Erzeugung eines Gittermusters und dessen Überlagerung auf das Originalbild ein rein "imaginärer" Vorgang sein könnte, findet weder in den Patentansprüchen noch im sonstigen Inhalt der Streitpatentschrift eine Stütze.
Allerdings wird in der Beschreibung ausgeführt, das grundlegende Verfahren des Fälschungsschutzes bestehe im Einfügen von Linien, Punkten oder Wirbeln, die in künstlerischen Darstellungen, Bildern oder anderen Abbildungen enthalten und als integraler Bestandteil davon ausgebildet sind (Abs. 9 Sp. 5 Z. 12-15). Auch in den allgemeineren Ausführungen am Beginn der Beschreibung wird das der Erfindung zu Grunde liegende Prinzip dahin beschrieben, ein Muster, das aus Linien und Punkten mit gleichem Abstand geformt sei, werde in weiten Teilen unsichtbar, wenn es durch ein einem Schneezaun gleichenden Gitter aus parallelen Linien überlagert sei, deren Abstand geringfügig größer oder kleiner sei als der Abstand der Linien und Punkte im Hintergrund (Abs. 4 Sp. 3 Z. 25-38).
In den Ausführungen zu den Figuren 1a bis 1c wird dieser Gedanke nochmals aufgegriffen.
Die Darstellung in Figur 1a gibt ein Muster aus Linien, Punkten und Wirbeln wieder, das im Wege des Linien- oder Rastertiefdrucks ausgedruckt worden ist (Abs. 18). In Figur 1b ist ein Gittermuster dargestellt, das in Figur 1c dem Originalmuster überlagert ist. Hierzu wird ausgeführt, wenn die Linien 17 von einem Scanner nicht erfasst würden und die verbleibenden Flächen den Abtastlinien entsprächen, sehe das kopierte Bild aus wie in Figur 1c dargestellt. Diese Kopie weise für das bloße Auge kaum sichtbare Unterschiede auf. Wenn aber der in Figur 1a gezeigte Druck zweckmäßig angeordnet werde (arranged cleverly), um zu gewährleisten, dass der überwiegende Teil des Bildes vom Abtastprotokoll nicht erfasst werde, weise die Kopie starke Störungen auf und sei voll von Moiré-Interferenzmustern und Auslassungen (Abs. 19 Sp. 8 Z. 1-13).
Das Verfahren nach Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung beschränkt sich aber nicht darauf, Linien, Punkte oder Wirbel in der genannten Weise in eine Abbildung zu integrieren und so anzuordnen, dass beim Abtasten besonders starke Moiréeffekte entstehen. Vielmehr ist als zusätzlicher Schritt vorgesehen, das mit diesen Elementen versehene Originalbild mit einem Gittermuster aus parallelen Linien zu überlagern. Dieses Gittermuster kann nicht identisch sein mit den eingangs genannten Linien, Punkten oder Wirbeln, weil diese schon in einem vorgelagerten Verfahrensschritt vorhanden sind.
Die Ausführungen der Beklagten zur allgemeinen Bedeutung des Wortes "overlay" und zu der am Prioritätstag bereits bekannten Technik, eine Zeichnung in mehrere Ebenen (layer) aufzuteilen, die jeweils einzelne Elemente enthalten und übereinandergelegt die gesamte Zeichnung ergeben, führen zu keiner anderen Beurteilung. Damit die im Originalbild enthaltenen Linien, Punkte oder Wirbel mit einem Gittermuster aus parallelen Linien überlagert werden können, genügt es gerade nicht, die Linien, Punkte oder Wirbel in geeigneter Weise anzuordnen und in das Originalbild zu integrieren. Damit es überlagert werden kann, muss das Gittermuster vielmehr in einer anderen Ebene angeordnet sein als die Linien, Punkte und Wirbel des Originalbildes. Dies bestätigt, dass das Gittermuster eine eigene Struktur darstellt, die von den im Originalbild enthaltenen Linien, Punkten und Wirbeln zu unterscheiden ist.
Aus den Figuren 3a und 3b der Streitpatentschrift lassen sich ebenfalls keine abweichenden Schlussfolgerungen ziehen.
In Figur 3a wird ein Ausschnitt aus einem Dokument - einem American Express Reisescheck - dargestellt, das nicht nach dem Verfahren des Streitpatents gegen Fälschung gesichert ist. Figur 3b zeigt die entsprechende Stelle mit einem Muster, das als typisch für die geschützte Erfindung bezeichnet wird (Abs. 22 Sp. 9 Z. 7-12). In diesem Muster sind lediglich Punkte, Linien und Wirbel erkennbar, nicht aber ein diesen real oder imaginär überlagertes Gittermuster aus parallelen Linien. Das dargestellte Ausführungsbeispiel betrifft mithin nicht ein Verfahren mit den Merkmalsgruppen 3 und 4 von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung, sondern ein Verfahren mit den Merkmalen von Patentanspruch 1 in der Fassung der Anmeldung, bei dem die einzelnen Punkte, Linien und Wirbel von vornherein so angeordnet sind, dass sie beim Einscannen mit einem Kopiergerät nicht vollständig originalgetreu erfasst werden können.
Aus dem Umstand, dass in der Beschreibung des Streitpatents nicht näher erläutert wird, in welcher Weise ein Gittermuster gemäß den Merkmalsgruppen 3 und 4 erzeugt und auf das Originalbild überlagert werden soll, und dass es - wie der gerichtliche Sachverständige nachdrücklich bestätigt hat - für das angestrebte Ergebnis weitgehend belanglos ist, auf welche Weise die zur Moirébildung führenden Linien erzeugt werden, kann ebenfalls nicht gefolgert werden, dass diese Merkmale bereits durch zweckmäßige Ausgestaltung der Linien, Punkte und Wirbel im Originalbild verwirklicht werden können. In der Beschreibung des Streitpatents werden die beiden in Rede stehenden Methoden - zweckmäßige Ausgestaltung der Linien im Originalbild und Überlagerung eines Gittermusters auf ein Originalbild mit beliebig ausgestalteten Linien - voneinander unterschieden. In Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sind nur Verfahren beansprucht, bei denen das Gittermuster auf das Originalbild überlagert wird. Damit ist der Gegenstand des Streitpatents beschränkt auf Verfahren, die diesen Schritt umfassen. Ob der Verfahrensschritt unter technischen Gesichtspunkten erforderlich ist oder ob das mit dem patentierten Verfahren angestrebte Ergebnis auch ohne ihn erzielt werden könnte, ist hierbei unerheblich. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann ein Verfahren, bei dem die Linien im Originalbild selbst so angeordnet werden, dass sie in ein Gittermuster gemäß den Merkmalsgruppen 3 und 4 passen, auch nicht als "imaginäre" Verwirklichung dieser Merkmale angesehen werden. Soweit in der Streitpatentschrift von einer Überlagerung die Rede ist, geht es durchweg um die Überlagerung eines vorhandenen Bildes durch ein zusätzliches Gittermuster, das insbesondere durch Abtasten mit einem Digitalkopierer erzeugt werden kann. Diese Methode ist nicht in jeder Hinsicht vergleichbar mit der zweckmäßigen Anordnung der im Originalbild enthaltenen Linien. Die Überlagerung eines Gittermusters auf ein vorhandenes Originalbild hat, wie Kitchin J im Verfahren vor dem High Court of Justice in anderem Zusammenhang näher dargelegt hat (aaO, [2007] EWHC 600 (Pat) Rdn. 163), den Vorteil, dass grundsätzlich jedes Originalbild ohne Änderungen übernommen werden kann, so dass bei der inhaltlichen Gestaltung dieses Bildes keine Rücksicht auf Belange der Fälschungssicherheit genommen werden muss. Ob diesem Vorteil in der Praxis wesentliche Bedeutung zukommt, kann dahingestellt bleiben. Er bestätigt jedenfalls, dass die Überlagerung eines Gittermusters auf ein Originalbild im Sinne von Merkmalsgruppe 4 und die Erzeugung oder Anpassung eines Originalbilds durch zweckmäßige Anordnung der darin enthaltenen Linien zwei unterschiedliche Verfahrensweisen sind, die nicht beide unter den Wortsinn von Patentanspruch 1 subsumiert werden können.
(2) Als implizites Beispiel für die Überlagerung eines Gittermusters auf ein Originalbild in diesem Sinne können die Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents angesehen werden, der Erfinder habe zufällig entdeckt, dass die mit einem Farbkopierer erstellte Kopie eines Reiseschecks nicht als Vorlage für eine originalgetreue weitere Kopie verwendet werden könne, die zweite Kopie vielmehr unabhängig von den Kopierereinstellungen stets Auffälligkeiten der einen oder anderen Art aufweise (Abs. 8). Die - in der Streitpatentschrift nicht mitgeteilte - Erklärung für diesen Effekt kann darin gesehen werden, dass die erste Kopie eine Rasterung aufweist, die zu Moiréeffekten führt, wenn sie mit gleichem Linienabstand eingescannt wird - sei es, weil die beim zweiten Kopiervorgang als Vorlage genutzte erste Kopie nicht exakt ausgerichtet ist, sei es, weil der Linienabstand aufgrund von Ungenauigkeiten beim Drucken oder Scannen geringfügig voneinander abweicht.
Die Klägerin macht demgegenüber unter Berufung auf das von ihr vorgelegte Privatgutachten von Dr. S. (Jo5) geltend, die in der Beschreibung des Streitpatents geschilderten Moiréeffekte könnten nicht beim erneuten Einscannen der ersten Kopie, sondern erst beim Aufbereiten dieser Daten für die Ausgabe der zweiten Kopie entstehen. Sie beruft sich hierzu auf das so genannte Nyquist-Shannon-Theorem, wonach bei jedem Abtastprozess nur solche Frequenzen fehlerfrei abgebildet werden, die nicht größer sind als die halbe Abtastfrequenz. Deshalb könne die erste Kopie nur noch Frequenzen enthalten, die beim zweiten Abtastvorgang fehlerfrei abgebildet würden. Hierbei übersieht die Klägerin, dass die in der ersten Kopie auftretenden Frequenzen nicht allein durch das Scannen, sondern, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, auch durch die Aufbereitung und Ausgabe des Druckbildes im Rahmen des ersten Kopiervorgangs beeinflusst werden. Unabhängig davon ergibt sich aus dem genannten Theorem nur, dass Frequenzen, die höher sind als die halbe Abtastfrequenz, in der ersten Kopie nicht richtig wiedergegeben werden, nicht aber, dass die erste Kopie keine Muster mit solchen Frequenzen mehr enthält.
e) Sofern die Kopiervorrichtung eine Ausgabeeinheit umfasst, die nach dem Prinzip des Rasterdrucks arbeitet, können die nach dem Verfahren gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents erstellten Druckmuster dazu führen, dass Interferenzmuster auch bei der Ausgabe der Kopie entstehen. Um die Entstehung solcher Muster sicherzustellen, muss der Teilungsabstand des zur Erzeugung des Dokuments eingesetzten Gittermusters abgestimmt sein auf den Teilungsabstand des Druckrasters der Kopiervorrichtung. Ein solcher Verfahrensschritt ist in Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht vorgesehen. Gemäß Merkmal 2 wird nur der Teilungsabstand der Abtastlinien bestimmt. Dies ist, wie Kitchin J im Verfahren vor dem High Court of Justice (aaO, [2007] EWHC 600 (Pat) Rdn. 80-88) nach Auffassung des Senats überzeugend ausgeführt hat, der Linienabstand, der beim Einscannen des Dokuments verwendet wird.
4. Ein Gittermuster im Sinne der Merkmalsgruppen 3 und 4 muss aus parallelen Linien bestehen. Hierbei genügt es, wenn alle Linien, die das Gitter bilden, in derselben Richtung verlaufen.
Weder aus dem Wortlaut von Patentanspruch 1 noch aus dem sonstigen Inhalt der Streitpatentschrift kann entnommen werden, dass es mehrere Scharen von parallelen Linien geben muss, die in unterschiedlichen Richtungen verlaufen. Zwar ist in den Figuren 1b und 1c ein Muster aus zwei zueinander in rechtem Winkel verlaufenden Linienscharen dargestellt. In den Erläuterungen zu diesen Figuren wird aber ausgeführt, dass nicht alle darin dargestellten Gitterlinien 17 und 19 benötigt würden; vielmehr seien die vertikalen Linien 19 entbehrlich. Dies bezieht sich zwar, wie bereits oben dargelegt wurde, nur auf das Abtastmuster des Scanners. Aus dem in Merkmalsgruppe 3 definierten Zusammenhang zwischen den beiden Gittermustern ergibt sich aber, dass in diesem Fall auch das Linienmuster im Dokument nur in einer Richtung zu verlaufen braucht.
IV. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents geht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
1. Gemäß Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ und Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG ist ein europäisches Patent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären, wenn sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Der danach maßgebliche Inhalt ist anhand der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Unterlagen zu ermitteln. Er ist nicht auf den Gegenstand der in der Anmeldung formulierten Patentansprüche beschränkt. Entscheidend ist vielmehr, was der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen als zur angemeldeten Erfindung gehörend zu entnehmen ist (vgl. nur BGH, Urt. v. 22.12.2009 - X ZR 28/06, GRUR 2010, 513 Tz. 29 - Hubgliedertor II). Innerhalb dieses Rahmens können die Patentansprüche bis zur Erteilung weiter gefasst werden als in der Anmeldung. Die Änderung darf aber nicht dazu führen, dass der Gegenstand des Patents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus verallgemeinert (BGH, Urt. v. 17.9.1991 - X ZR 81/90, bei Bausch, BGH 1986-1993, 620, 625) oder zu einem aliud abgewandelt wird (Sen.Urt. v. 14.5.2009 - Xa ZR 148/05, GRUR 2009, 936 Tz. 25 - Heizer).
2. Im Streitfall ist der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Unterlagen, deren Inhalt der Veröffentlichung WO 90/08046 (K13) entspricht, ein Verfahren, das sowohl die Merkmale 3 a und 3 b als auch das Merkmal 4 a umfasst, nicht als zur Erfindung gehörend zu entnehmen.
a) Das Patentgericht hat ausgeführt, die Patentansprüche 1 bis 12 in der Fassung der Anmeldung beträfen Verfahren, bei denen das Dokument Linienstrukturen (lineations) enthalte, die Linien, Punkte und Wirbel umfassten und zugleich Gitterstrukturen bzw. Gittermuster bildeten. Diese Beurteilung, zu der auch die Rechtbank s'Gravenhage im niederländischen Verfahren auf der Basis des dortigen Sach- und Streitstands gelangt ist (aaO Rdn. 4-38), ist zutreffend und wird von den Parteien nicht angegriffen. Die genannte Vorgehensweise entspricht dem in der Patentschrift und auch in der Anmeldung geschilderten Ausführungsbeispiel, das in den Figuren 3a und 3b illustriert wird. Sie umfasst nicht den in Merkmal 4 a definierten Verfahrensschritt, die Linienstrukturen des Originalbildes mit einem Gittermuster aus parallelen Linien zu überlagern.
Die Beklagte macht geltend, aus mehreren Passagen der Anmeldung - die wortgleich auch in der Streitpatentschrift enthalten sind - ergebe sich, dass die in Merkmal 4 a vorgesehene Überlagerung des Originalbildes mit einem Gittermuster auch dadurch geschehen könne, dass die Linien, Punkte oder Wirbel in dem Originalbild in geeigneter Weise angeordnet werden, wie dies schon in Patentanspruch 1 in der Fassung der Anmeldung beschrieben werde. Diese Argumentation beruht aus den bereits oben dargelegten Gründen auf einer unzutreffenden Auslegung des Streitpatents und vermag deshalb die zutreffende Beurteilung des Patentgerichts nicht in Frage zu stellen.
b) Die bereits oben erwähnten Ausführungen am Beginn der Beschreibung des Streitpatents, die Erfindung beruhe auf dem Prinzip, dass ein Muster, das aus Linien und Punkten mit gleichem Abstand geformt sei, in weiten Teilen unsichtbar werde, wenn es durch ein Gitter aus parallelen Linien überlagert sei, deren Abstand geringfügig größer oder kleiner sei als der Abstand der Linien und Punkte im Hintergrund (Abs. 4 Sp. 3 Z. 25-40 = K13 S. 5 Z. 14 bis S. 6 Z. 8), betreffen nicht die Überlagerung eines Originalbildes mit einem Gittermuster im Dokument. Das an dieser Stelle erwähnte Gittermuster entspricht dem Abtastmuster beim Einscannen des Dokuments im Rahmen eines Kopiervorgangs. Dies ergibt sich aus dem unmittelbar nachfolgenden Hinweis, es sei nicht erforderlich, Mittel zum Überlagern eines Gittermusters vorzusehen, weil moderne Kopiervorrichtungen das zu kopierende Bild ohnehin mit einem Abtastsystem mit festem Abstand abtasteten, also bereits ein Gitter mit festem Abstand enthielten, das zur Ansicht des zu vervielfältigenden Bildes benutzt werde (Abs. 4 Sp. 3 Z. 40-47 = K13 S. 6 Z. 8-13). Eine Überlagerung des Originalbildes findet folglich nur beim Einscannen statt, nicht bei der Herstellung des Dokuments. Aus den von der Beklagten ergänzend hervorgehobenen Ausführungen, die einfache Möglichkeit, mittels einer Kopiervorrichtung des Abtasttyps ein Gittermuster zu überlagern, biete sich in wundervoller Weise zur Verwendung im Rahmen der Erfindung an (Abs. 19 Sp. 7 Z. 47-61 = K13 S. 15 Z. 1-3), ergeben sich keine abweichenden Schlussfolgerungen. Auch in diesem Zusammenhang geht es um die in den Figuren 1b und 1c dargestellte Überlagerung bei der Herstellung einer Kopie. Aus dem allgemein gehaltenen Hinweis, dieses Phänomen könne für die Zwecke der Erfindung genutzt werden, ergibt sich auch im Zusammenhang mit dem übrigen Inhalt der Streitpatentschrift nicht eindeutig und unmittelbar, dass der beschriebene Effekt nicht nur für die Kenntlichmachung einer Kopie, sondern auch für die Erzeugung des fälschungssicheren Dokuments nutzbar gemacht werden soll.
c) Ein Verfahren, das die Merkmale 3 a, 3 b und 4 a umfasst, ist auch in Patentanspruch 13 in der Fassung der Anmeldung nicht offenbart.
(1) Der genannte Patentanspruch betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines vervielfältigten Dokuments, das seinerseits nicht ohne auffällige Fehler kopiert werden kann. Hierzu wird ein herkömmliches, nicht erfindungsgemäß geschütztes Originaldokument mit einem Farbkopierer kopiert, so dass ein vervielfältigtes Dokument entsteht, dessen Linien nicht mit dem Linienabstand des Originaldokuments übereinstimmen. Dieses vervielfältigte Dokument kann im Ergebnis wie ein echtes Dokument eingesetzt werden. Der Versuch, das vervielfältigte Dokument seinerseits mit einem Farbkopierer oder einer anderen elektro-optischen Abtastvorrichtung zu kopieren, ergibt hingegen eine Kopie, die als unecht erkannt werden kann, weil sie Auslassungen, Verzerrungen und Moireéffekte aufweist. Dieser Patentanspruch knüpft an die bereits erwähnten Ausführungen in der Beschreibung an, der Erfinder habe zufällig entdeckt, dass die mit einem Farbkopierer erstellte Kopie eines Reiseschecks nicht als Vorlage für eine originalgetreue weitere Kopie verwendet werden könne (Abs. 8 = K13 S. 7 Z. 22 bis S. 8 Z. 3).
Die darin definierten Verfahrensschritte stimmen, wie neben dem Patentgericht auch die Rechtbank s'Gravenhage (aaO Rdn. 4.39) und die Nichtigkeitsabteilung des österreichischen Patentamts (aaO S. 20) entschieden haben, insoweit mit den Verfahrensschritten nach Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung überein, als zur Herstellung des fälschungssicheren Dokuments ein Originalbild mit einem Gittermuster aus parallelen Linien überlagert wird. Das Originalbild besteht bei dem Verfahren gemäß Patentanspruch 13 in der Fassung der Anmeldung aus einem auf konventionelle Weise erstellte Reisescheck. Daraus wird in einem ersten Kopiervorgang ein vervielfältigtes Dokument (replicant document) erstellt. Dieses - und nicht das Originaldokument - entspricht dem gegen Fälschung zu sichernden Dokument im Sinne von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung. Die Überlagerung mit dem Gittermuster wird herbeigeführt, indem das Originaldokument mit einem Kopiergerät vervielfältigt wird, das ein Linienmuster erzeugt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dieses Linienmuster als Gittermuster im Sinne von Merkmal 4 anzusehen. Ob es beim Einscannen des Originaldokuments oder bei der Ausgabe der ersten Kopie entsteht, wird in der Anmeldung nicht angegeben. Dies ist unerheblich, weil auch Merkmal 4 a offen lässt, in welcher Weise die Überlagerung des Linienmusters erfolgen soll.
Abweichend von der Einschätzung der britischen und französischen Gerichte ([2007] EWHC 600 (Pat) Rdn. 119; [2008] EWCA Civ 192 Rdn. 41; TGI Paris, aaO S. 9 f; CA Paris, aaO S. 5) ist der Senat der Auffassung, dass sich das in Patentanspruch 13 in der Fassung der Anmeldung offenbarte Verfahren nicht darauf beschränkt, eine mittels eines Digitalkopierers erstellte Kopie eines konventionellen Originaldokuments durch Herstellung einer zweiten Kopie als Fälschung zu entlarven. Zwar wird auch diese Anwendungsmöglichkeit in der Beschreibung der Anmeldung erwähnt (K13 S. 8 Z. 25 bis S. 9 Z. 2). Im gleichen Zusammenhang wird aber ausgeführt, die erfindungsgemäße Methode könne auch zur Herstellung eines fälschungssicheren Produkts angewendet werden (K13 S. 8 Z. 24-25). Diese Ausführungen sind nicht auf ein bestimmtes Ausführungsbeispiel bezogen und deshalb auch im Zusammenhang mit Patentanspruch 13 heranzuziehen. Bestätigt wird dies durch den Wortlaut dieses Anspruchs, der nicht die Überprüfung eines vorgefundenen Dokuments, sondern die Herstellung eines vervielfältigten Dokuments (replicant document) durch Kopieren eines konventionell hergestellten Originals betrifft.
(2) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung in der Anmeldung aber nicht vollständig offenbart (ebenso die Nichtigkeitsabteilung des österreichischen Patentamts, aaO S. 20 und die Rechtbank Brüssel, aaO Rdn. 25; abweichend insoweit die Rechtbank s'Gravenhage, aaO Rdn. 4.43 f.).
Aus Patentanspruch 13 und den ergänzenden Ausführungen in der Beschreibung der Anmeldung ergab sich für den Fachmann, den das Patentgericht zutreffend als einen auf Optik spezialisierten Diplom-Physiker mit langjähriger Erfahrung in der Entwicklung von fälschungssicheren Dokumenten charakterisiert hat, zwar ein Verfahren, bei dem ein vor Fälschung geschütztes Dokument dadurch hergestellt wird, dass ein Originalbild mit Hilfe eines Kopiergeräts mit einem Linienmuster überlagert wird. Weder in diesem Patentanspruch noch im sonstigen Inhalt der Anmeldung ist aber unmittelbar und eindeutig offenbart, dass über diesen speziellen Anwendungsfall hinaus schlechthin jedes Verfahren zur Erfindung gehören soll, bei der in irgend einer Weise die Überlagerung eines Gittermusters herbeigeführt wird.
Nicht offenbart war zudem die zusätzliche Anweisung, den Teilungsabstand d des Gittermusters so zu bestimmen, dass er geringfügig größer oder kleiner ist als der Abtastteilungsabstand p der Kopiervorrichtung, und die Differenz so auszugestalten, dass sie in dem in Merkmal 3 b definierten Bereich liegt. Patentanspruch 13 sieht insoweit lediglich vor, dass der Abstand der in der ersten Kopie enthaltenen Linien - dies entspricht dem Abstand d - abweicht vom Abstand der Linien im Originaldokument. Über das Verhältnis zum Abtastlinienabstand p ist nichts ausgesagt. Eine Abstimmung von d und p könnte allenfalls darin liegen, dass entsprechend dem in der Beschreibung geschilderten Beispiel zum Herstellen der ersten und der zweiten Kopie dasselbe Kopiergerät verwendet wird. Dies führt aber - unter der Prämisse, dass die überlagerten Linien in der ersten Kopie bereits beim Einscannen erzeugt worden sind - dazu, dass die beiden Abstände gleich groß sind, und damit zu einer vom Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung abweichenden Lehre. Hinweise darauf, dass die Abstände trotz der Verwendung desselben Geräte zwar ähnlich sind, aber geringfügig voneinander abweichen - was beispielsweise auch in der von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme des Sachverständigen R. aus dem britischen Verfahren (dort Rdn. 58 f.) als Ursache für die Moirémuster genannt wird - finden sich in der Anmeldung nicht. Die Annahme, dass die überlagerten Linien erst beim Ausdrucken der ersten Kopie entstanden sind, führt insoweit ebenfalls nicht weiter; unter dieser Prämisse sind keine Aussagen über das Verhältnis der Linienabstände möglich. Kopiergeräte verwenden beim Einscannen häufig eine andere Auflösung als bei der Ausgabe. Ein Hinweis, die Auflösung so zu wählen, dass die Linienabstände geringfügig voneinander abweichen, findet sich für das Verfahren gemäß Patentanspruch 13 in der Anmeldung nicht.
(3) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lässt sich dem Inhalt der Anmeldung auch nicht bei zusätzlicher Berücksichtigung der darin formulierten Patentansprüche 1 bis 12 als zur Erfindung gehörend entnehmen.
Zwar ist beispielsweise in den Patentansprüchen 1 und 9 in der Fassung der Anmeldung vorgesehen, den Teilungsabstand der Abtastlinien in der in Merkmalsgruppe 3 beschriebenen Weise anzupassen. Diese Anpassung bezieht sich aber auf die im Originalbild enthaltenen Linien und nicht auf die Linien eines Gittermusters, das dem Originalbild in der in Patentanspruch 13 beschriebenen Art überlagert wird. Dabei kann offen bleiben, ob die in der Beschreibung und den Patentansprüchen 1 bis 12 der Anmeldung geschilderten Ausführungsbeispiele dem Fachmann Veranlassung gaben, in Weiterentwicklung dieser Lösungen auch das bei dem Verfahren nach Patentanspruch 13 erzeugte Linienmuster auf das Abtastlinienmuster abzustimmen. Um zu einem solchen Verfahren zu gelangen, genügten jedenfalls nicht die ausdrücklichen und konkludenten Ausführungen in der Anmeldung. Der Fachmann musste vielmehr die in der Anmeldung nicht offenbarte Schlussfolgerung ziehen, dass es vorteilhaft ist, den Linienabstand des beim ersten Kopiervorgang überlagerten Gittermusters so zu wählen, dass er geringfügig vom Teilungsabstand der Abtastlinien abweicht, und in Umsetzung dieser Erkenntnis einzelne Verfahrensschritte aus unterschiedlichen Ausführungsbeispielen der Anmeldung in neuer Kombination miteinander verknüpfen. Darin liegt sowohl eine Verallgemeinerung als auch eine Abwandlung der in der Anmeldung offenbarten Lehre.
(4) Zu keiner anderen Beurteilung führen schließlich die Ausführungen in der Beschreibung, wonach der Wiederholabstand zwischen den verschiedenen Musterelementen auch dadurch variiert werden kann, dass die Dimensionen des Dokuments insgesamt geringfügig verändert werden, beispielsweise durch Wärmeeinwirkung, wie sie bei Farbkopiergeräten im Rahmen des Druckvorgangs ohnehin auftrete (Abs. 23-24, Sp. 9 Z. 44 bis Sp. 10 Z. 5 = K13 S.18 Z. 27 bis S. 19 Z. 17).
Bei einer Zusammenschau aller zitierten Passagen könnte der Fachmann allerdings möglicherweise zu einem Verfahren gemäß Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung gelangen. Hierzu müsste er annehmen, dass das bei dem Verfahren nach Patentanspruch 13 der Anmeldung beim ersten Kopiervorgang überlagerte Gittermuster denselben Teilungsabstand hat wie das Abtastmuster des zweiten Kopiervorgangs und dass dieser Abstand durch die beim Ausdrucken der ersten Kopie auf das Papier einwirkende Wärme geringfügig verändert wird, so dass sich ohne weitere Maßnahmen ("casually", vgl. K13 S. 19 Z. 13) die angestrebte Differenz zwischen den Abständen d und p einstellt. Zusätzlich hätte er die Vermutung anstellen müssen, dass sich diese Differenz innerhalb des in Merkmal 3 b definierten Bereichs bewegt.
Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, hätte der Fachmann jedoch ebenfalls verschiedene Einzelelemente miteinander kombinieren müssen, die in der Anmeldung nur im Zusammenhang mit einzelnen Beispielen beschrieben waren. Darüber hinaus hätte er die in Patentanspruch 13 der Anmeldung offenbarte Lösung dahin verallgemeinern müssen, dass für den ersten und den zweiten Kopiervorgang nicht zwingend derselbe Typ von Kopiergerät verwendet werden muss, sofern der Gitterabstand d gezielt eingestellt wird. Ein solchermaßen verallgemeinertes Verfahren ist in der Anmeldung nicht offenbart. Zum Offenbarungsgehalt einer Patentanmeldung gehört auch im Zusammenhang mit der Frage, ob eine unzulässige Erweiterung vorliegt, nur das, was den ursprünglich eingereichten Unterlagen "unmittelbar und eindeutig" zu entnehmen ist, nicht hingegen weitergehende Erkenntnisse, zu denen der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann (vgl. BGHZ 179, 168 Tz. 25 - Olanzapin m.w.N.).
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 91 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck |
Keukenschrijver |
Mühlens |
||
Bacher |
Richter am Bundesgerichtshof |
|||
Meier-Beck |