Entscheidungsdatum: 15.05.2012
Calcipotriol-Monohydrat
Im Rahmen der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit kann für die Frage, ob der Fachmann aus dem Stand der Technik eine Anregung erhalten hat, dort beschriebene Maßnahmen aufzugreifen und sie auf einen bekannten Stoff anzuwenden, die Überlegung Bedeutung gewinnen, ob sich aus diesen Maßnahmen eine angemessene Erfolgserwartung für die Lösung des sich stellenden technischen Problems ergab (Fortführung von BGH, Urteil vom 6. März 2012, X ZR 50/09, juris; vergleiche auch BGH, Urteil vom 10. September 2009, Xa ZR 130/07, GRUR 2010, 123 - Escitalopram).
Die Berufung gegen das am 17. März 2009 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 679 154 (Streitpatents), das am 7. Januar 1994 angemeldet worden ist und eine Unionspriorität vom 15. Januar 1993 in Anspruch nimmt. Das Streitpatent betrifft "a New Crystalline Form of a Vitamin D Analogue" und umfasst fünf Patentansprüche, die in der erteilten Fassung wie folgt lauten:
"1. Calcipotriol (1α,3β,5Z,7E,22E,24S)-24-Cyclopropyl-9,10-secochola-5,7,10(19),22-tetraene-1,3,24-triol, monohydrate.
2. Pharmaceutical composition containing the compound of claim 1.
3. Pharmaceutical composition according to claim 2 which is a cream.
4. Pharmaceutical composition according to claim 2 which is a gel.
5. Pharmaceutical composition according to any one of claims 2 - 4 with a content of the active component of 1 - 100 μg/g of the composition."
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und mit zwei Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent antragsgemäß für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung und verteidigt das Streitpatent in der erteilten Fassung und mit drei Hilfsanträgen, bei denen Patentanspruch 1 jeweils wie folgt lautet:
"Hilfsantrag 1:
1. Calcipotriol (1α,3β,5Z,7E,22E,24S)-24-Cyclopropyl-9,10-secochola-5,7,10(19),22-tetraene-1,3,24-triol, monohydrate, wherein the monohydrate exhibits a solid state CPMAS-NMR spectrum comprising the following characteristic resonances: 147.9, 146.5, 134.8, 130.3, 129.0, 126.5, 116.0, 109.4, 75.5, 68.2, 67.2, 56.9, 55.2, 47.8, 47.5, 42.9, 42.0, 41.3, 30.7, 28.9, 25.6, 23.1, 22.6, 19.5, 14.6, 6.2 and 1.9 ppm, respectively.
Hilfsantrag 2:
1. Pharmaceutical composition containing a crystal suspension of calcipotriol (1α,3β,5Z,7E,22E,24S)-24-Cyclopropyl-9,10-secochola-5,7,10(19),22-tetraene-1,3,24-triol, monohydrate.
Hilfsantrag 3:
1. Pharmaceutical composition containing a crystal suspension of calcipotriol (1α,3β,5Z,7E,22E,24S)-24-Cyclopropyl-9,10-secochola-5,7,10(19),22-tetraene-1,3,24-triol, monohydrate, wherein the monohydrate exhibits a solid state CPMAS-NMR spectrum comprising the following characteristic resonances: 147.9, 146.5, 134.8, 130.3, 129.0, 126.5, 116.0, 109.4, 75.5, 68.2, 67.2, 56.9, 55.2, 47.8, 47.5, 42.9, 42.0, 41.3, 30.7, 28.9, 25.6, 23.1, 22.6, 19.5, 14.6, 6.2 and 1.9 ppm, respectively."
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr. K. , Hochschule O. , , Pharmatechnik, ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Parteien haben zahlreiche Privatgutachten sowie das gerichtliche Sachverständigengutachten der Sachverständigen F. in einem Verfahren vor dem Landgericht T. vorgelegt.
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
I. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Erfindung betreffe ein Calcipotriol-Hydrat - eine neue kristalline Form von Calcipotriol - mit überlegenen technischen Eigenschaften, beispielsweise bei der Zubereitung kristalliner Suspensionsformulierungen, und mit überlegenen Stabilitätseigenschaften. Calcipotriol sei bereits in der Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung WO 87/00834 - die zu dem europäischen Patent 227 826 (Ni4; Ausgangspatent) geführt hat - beschrieben (Beschr. S. 2 Z. 5 bis 7). Dieser Stoff besitze ein bemerkenswertes biologisches Aktivitätsprofil, das sich für die topische Behandlung von Psoriasis als sehr nützlich erwiesen habe. Wegen der geringen Stabilität von Calcipotriol in bestimmten Lösungen würden in einigen Formulierungen, insbesondere in Cremes und Gelen, bevorzugt Kristallsuspensionen verwendet (Beschr. S. 2 Z. 16 bis 19).
Zur Herstellung geeigneter Kristallsuspensionsformulierungen sei es nach dem Streitpatent zwingend erforderlich, die Kristallgröße zu kontrollieren; dieser Parameter sei im Hinblick auf eine reproduzierbare Freisetzung der aktiven Verbindung aus der Formulierung von Bedeutung. Die kristalline Wirkstoffmasse werde üblicherweise einer Mikronisierung oder einem Feuchtmahlverfahren unterworfen, um die Kristallgröße zu verringern, bevor die endgültige Suspensionsformulierung hergestellt werde. Im Fall des Calcipotriols sei ein Kugelmühlen-Feuchtmahlverfahren verwendet worden. Es habe sich als technisch schwierig herausgestellt, dieses Verfahren durchzuführen, wenn die in der internationalen Anmeldung WO 87/00834 beschriebene wasserfreie Kristallform verwendet werde. Es sei schwierig, diese Kristalle zu befeuchten. Sie entwickelten während des Mahlprozesses einen stabilen Schaum, was die Erzielung einer geeigneten, kleinen und einheitlichen Teilchengröße erschwere.
Überraschenderweise sei gefunden worden - so das Streitpatent - dass diese Schwierigkeiten vermieden werden könnten, wenn eine bislang unbekannte kristalline Form des Calcipotriols, das Calcipotriol-Hydrat, anstatt der bekannten wasserfreien Form verwendet werde. Das Hydrat sei der wasserfreien Form technisch überlegen. Es sei leicht zu befeuchten und das Kugelmühlen-Feuchtmahlverfahren verlaufe glatt (Beschr. S. 2 Z. 20 bis 22)
Das Monohydrat von Calcipotriol sei vollkommen kristallin, überraschend stabil und gut geeignet zur Anwendung in der modernen Therapie. Dies werde durch Stabilitätsdaten bei 40°C veranschaulicht: Während die wasserfreie Form von Calcipotriol bei dieser Temperatur einen bemerkenswerten Zersetzungsgrad aufweise und nach zwölfmonatiger Lagerung mehr als 30% Zersetzung beobachtet würde, weise die erfindungsgemäße Verbindung, Calcipotriol-Monohydrat, nach zwölfmonatiger Lagerung bei dieser Temperatur keine Zersetzung auf.
Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung erweise sich als nicht patentfähig, da es für den Fachmann, einen promovierten Chemiker, der mit der Synthese und Analytik organisch-chemischer Wirkstoffe sowie deren Anwendung im Bereich der Pharmazie befasst und vertraut sei, über besondere Erfahrung auf dem Gebiet von Vitamin D-Analoga verfüge und in ein Team zur Entwicklung eines zu formulierenden Wirkstoffs eingebunden sei, nahegelegen habe, das Monohydrat des Calcipotriols ausgehend vom Stand der Technik betreffend Monohydrate anderer Vitamin D-Analoga unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung zu Formulierungszwecken bereitzustellen.
Calcipotriol-Monohydrat sei im Stand der Technik weder ausdrücklich vorbeschrieben noch aus diesen zu entnehmen. In den Herstellungsbeispielen des Ausgangspatents (Ni4) würden vielmehr kristalline Verbindungen erhalten, die kein Wasser aufwiesen. Die Anwesenheit von Hydratkristallen sei auszuschließen, da zu Beginn des experimentellen Teils ausdrücklich auf den Einsatz getrockneter und damit praktisch wasserfreier Lösungsmittel im Zuge der Synthese und Produktaufarbeitung hingewiesen werde (Ni4, S. 12 Z. 50).
Ob die von der Klägerin geltend gemachte inhärente Bildung des Calcipotriol-Monohydrats bei der Zubereitung von Cremes und entsprechend der Lehre der Veröffentlichung der internationalen Anmeldung WO 91/12807 (Ni5) tatsächlich stattfinde und demnach eine implizite neuheitsschädliche Offenbarung darstelle, könne im Streitfall dahinstehen, da die Bereitstellung des beanspruchten Calcipotriol-Monohydrats jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Die Lösung des Streitpatents sei ausgehend von den vorveröffentlichten Erkenntnissen zur Stabilitätsverbesserung bei anderen, bereits vor dem Prioritätstag des Streitpatents für die Behandlung unter anderem auch von Psoriasis in Betracht gezogenen Vitamin D(D3)-Analoga naheliegend.
Vitamin D3, auch als Cholecalciferol oder Calciol bezeichnet, sei die metabolische Vorstufe des 1,25-(OH)2-D3, dem auch als Calcitriol bezeichneten aktiven Vitamin D. Vitamin D3 wiederum werde durch UV-Licht in der Haut aus dem mit Cholesterin direkt im metabolischen Gleichgewicht stehenden Dehydrocholesterin gebildet. 1OHD3, 1, 24(OH)2-D3, 1, 25(OH)2-D3 sowie andere Vitamin D(D3)-Analoga übten Einfluss auf den Calciumstoffwechsel aus und seien deshalb als pharmazeutische Wirkstoffe zur Behandlung von Vitamin D-assoziierten und mit dem Calciumstoffwechsel in Zusammenhang stehenden Krankheitsbildern beschrieben. Daneben seien für diese und andere Vitamin D(D3)-Analoga, darunter auch für Calcipotriol, die Möglichkeit zur Behandlung von chronischen Hautkrankheiten, vor allem von Akne und von Psoriasis in zur topischen Anwendung geeigneten Zubereitungen beschrieben (Ausgangspatent Ni4, S. 1 Z. 55 bis 62, S. 2 Z. 2 bis 11; Ni5, S. 1 Z. 16, S. 2 Z. 25; Kragballe, Vitamin D Analogues in the Treatment of Psoriasis, J. Cell. Biochem. 49 (1992), 46 bis 52, Ni24).
Der mit der problematischen Stabilität von Calcipotriol konfrontierte Fachmann habe nicht umhin gekonnt, sich bei anderen Vitamin D(D3)-Analoga nach Anregungen zur Lösung des Stabilitätsproblems umzusehen. Dabei sei er zwangsläufig auf die US-Patentschrift 3 833 622 (Ni8, Upjohn), die US-Patentschrift 4 435 325 (Ni9, Roussel-Uclaf) und die Veröffentlichung der japanischen Patentanmeldung Sho 59104358 (Ni10, Teijin) gestoßen, in denen, neben der Herstellung und Verwendung, auch die Stabilisierung verschiedener Vitamin D(D3)-Analoga durch Bildung von Monohydraten beschrieben sei.
So betreffe die Ni8 kristalline Hydrate von 25Hydroxycholecalciferol und strukturverwandter Verbindungen, insbesondere das Monohydrat des 25Hydroxycholecalciferols (vgl. Ni8 Sp. 1 Z. 14 bis 17, Sp. 13 f., Beispiel 8, 11, 15, 23, 24, 30 sowie Sp. 2 Formel VI). Hierzu werde ausgeführt, dass man durch Kristallisierung, Reinigung und Stabilität der Hydrate dieser Vitamin D(D3)-Analoga, insbesondere des 25Hydroxycholecalciferols, die auf einfache Weise durch bloße Zugabe von Wasser in kristalliner Form aus Lösungen in organischen Lösungsmitteln erhalte, die gegenüber den entsprechenden wasserfreien Verbindungen verbessert seien (vgl. Ni8 Sp. 3 Z. 35 bis 50 sowie Sp. 6 Z. 33 bis Sp. 7 Z. 5). Diese Lehre und deren Ergebnisse würden durch die Ni9 ergänzt, aus der die Herstellung des kristallinen Monohydrats eines nicht nur am C25, sondern auch am C1 hydroxylierten Cholecalciferolderivats sowie dessen besondere Stabilität hervorgehe (Ni9, Sp. 1 Z. 47 bis 57). Dabei werde auf die Eignung dieses Monohydrats für die Herstellung verschiedenster Formulierungen in Gegenwart üblicher Formulierungshilfsstoffe, darunter wässrige und nicht wässrige Systeme, hingewiesen (vgl. Ni9 Sp. 2 Z. 4 bis 15).
In der Ni10 seien die Herstellung, Eigenschaften und Verwendung eines weiteren strukturverwandten Monohydrats, desjenigen von 1α, 24Dihydroxycholecalciferol, beschrieben. Dessen Bildung erfolge durch bloße Zugabe von Wasser zu einer Lösung des wasserfreien Dihydroxycholecalciferol in einem niedrigen Alkohol (vgl. Ni10 S. 2 letzter Abs.). Außerdem würden die Vorteile dieses Monohydrats hinsichtlich Löslichkeit, Stabilität, Verarbeitung und pharmazeutische Anwendung hervorgehoben (Ni10, S. 3 Abs. 2 iVm S. 4 letzter Abs.).
Bei der Suche nach einer für die Zubereitung pharmazeutischer Zusammensetzungen, insbesondere von Cremes und Lotionen, geeigneten stabilen Stoffform des Calcipotriols habe sich der Fachmann diesen Erkenntnissen nicht verschließen können. Vielmehr sei er nicht zuletzt wegen der Strukturnähe zu Calcipotriol angeregt gewesen, die durch die Ni8, Ni9 und Ni10 vermittelten Lehren aufzugreifen und bei Calcipotriol anzuwenden; auf diese Weise habe er ohne weiteres und unmittelbar zum kristallinen Monohydrat des Calcipotriols gelangen können. Gründe oder Umstände, die den Fachmann von der Anwendung dieser Lehren hätten abhalten können, seien nicht ersichtlich. Die in Ni8 bis Ni10 beschriebenen Arbeitsweisen führten, wie sich aus dem Vergleich mit den Arbeitsweisen des Streitpatents (Patentschrift S. 2 Z. 31 und 32 iVm Beispielen 13), ergebe, ohne wesentliche experimentelle Abänderungen auch bei Calcipotriol zur Bildung eines Monohydrats.
Das hiergegen gerichtete Vorbringen der Beklagten führt nach Auffassung des Patentgerichts nicht zum Erfolg.
Es treffe zwar zu, dass die wasserfreien Vitamin D-Analoga der Ni 8 bis Ni10, aus denen die Monohydrate hergestellt würden, nur in Form von amorphen oder schlecht kristallinen Feststoffen oder nur als Öle vorgelegen hätten, im Gegensatz zu Calcipotriol, das bereits in wasserfreier Kristallform vorbeschrieben sei. Jedoch sei daraus nicht abzuleiten, dass kein Anlass bestanden habe, nach einer stabilen Stoffform des Calcipotriols zu suchen. Die Untersuchung der Stabilität eines vorbeschriebenen und in der Entwicklung befindlichen pharmazeutischen Wirkstoffs, hier dem Calcipotriol, stelle eine wichtige Aufgabe aus dem typischen Aufgabenkreis zur Markteinführung eines Wirkstoffs dar. Spätestens seit der Veröffentlichung der Ergebnisse erfolgreicher pharmakologischer Studien in den Jahren 1989 bis 1991 - siehe die bei Kragballe (Ni24) zitierten Referenzen 37 bis 41 - und damit geraume Zeit vor dem Prioritätstag des Streitpatents habe ein großes Interesse und Bedürfnis bestanden, die Stabilität des Calcipotriols in Form seiner bis dahin bekannten wasserfreien Form zu untersuchen. Dass solche Stabilitätsprobleme tatsächlich bestünden und deshalb den damit befassten Fachmann veranlassten, nach Lösungen zu suchen, belegten die Ausführungen im Streitpatent, wonach die wasserfreie Form des Calcipotriols einen beträchtlichen Grad an Zersetzung zeige. Das Ausgangspatent (Ni4) sei für die Fachwelt Ansatz und Ausgangspunkt für Verbesserungen und Weiterentwicklung und hindere deshalb auch potentielle Wettbewerber nicht daran, die Lehre der Ni4 nachzuarbeiten und die darin offenbarten Stoffe auf ihre stofflichen Eigenschaften, zu denen vor allem auch die Stabilität gehöre, zu untersuchen.
Das Argument der Beklagten, die dem Streitpatent tatsächlich zugrundeliegende Aufgabe seien die technischen Probleme beim Nachvermahlen gewesen, zu deren Lösung aus dem vorgebrachten Stand der Technik keine Anregung zu erhalten gewesen sei, ändere nichts an der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Wenn die zu dem typischen Aufgabenkreis des Fachmanns gehörende Bewältigung des Stabilitätsproblems die Herstellung eines Monohydrats des Calcipotriols nahegelegt habe, beruhe diese Lehre auch dann nicht auf erfinderischer Tätigkeit, wenn der Stand der Technik für die damit zugleich erreichte Verbesserung der Lösung einer weiteren Problemstellung keine hinreichende Anregung vermittelt habe.
Zu einer anderen Beurteilung könne auch nicht das Vorbringen der Beklagten führen, am Prioritätstag seien bereits mehr als 600 Vitamin D3-Derivate bekannt gewesen, von denen nur drei als kristalline Monohydrate registriert gewesen seien, und dem Fachmann könne deshalb eine umfassende Kenntnis der Stoffeigenschaften sämtlicher dieser Vitamin D-Derivate nicht zugebilligt werden, weswegen er das Auftreten bestimmter kristalliner Formen bei strukturell verschiedenen Vitamin D-Derivaten nicht von vornherein als Anregung für die Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe berücksichtigt hätte. Gegen diese Ansicht spreche, dass es sich bei dem in den Entgegenhaltungen Ni9 und Ni10 beschriebenen Monohydraten um kristalline Monohydrate solcher Vitamin D-Analoga handele, die bereits in der vorveröffentlichten und auf der Titelseite des Streitpatents zitierten Arbeit von Kragballe (Ni24) im Vergleich zu Calcipotriol auf ihre Eignung zur Behandlung von Psoriasis nicht nur bewertet, sondern Calcipotriol auch strukturell gegenübergestellt seien. Der bei der Entwicklung einer topischen Formulierung des Calcipotriols für die Behandlung von Psoriasis befasste Fachmann werde bei Stabilitätsproblemen gerade auf solche Erkenntnisse und Lösungsmöglichkeiten zur Verbesserung der Stabilität zurückgreifen, die bereits bei anderen zur Behandlung von Psoriasis in Betracht gezogenen Vitamin D-Analoga erfolgreich gewesen seien und deshalb gerade bei den in der Arbeit von Kragballe (Ni24) abgehandelten Stoffen nach Ansatzpunkten zur Lösung des Stabilitätsproblems suchen.
Auch die gegenüber Calcipotriol unterschiedlichen Primärstrukturen der Vitamin D-Analoga der Entgegenhaltungen Ni8 bis Ni10 hätten den Fachmann von der Lehre dieser Entgegenhaltungen nicht Abstand nehmen lassen. Denn weder ein Positionswechsel einer der Hydroxylgruppen wie auch die Reduzierung auf lediglich zwei Hydroxylgruppen verhinderten die Monohydratbildung.
Der auf eine pharmazeutische Zusammensetzung enthaltend Calcipotriol-Monohydrat gerichtete Patentanspruch 2 sowie die darauf rückbezogenen Unteransprüche 3 bis 5 wiesen ebenso wie die Ansprüche nach den Hilfsanträgen keine über den Stand der Technik hinausgehenden gesonderten Merkmale auf und hätten deshalb mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand.
II. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand. Das Auffinden und Bereitstellen des Calcipotriol-Monohydrats beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ).
Nach dem Streitpatent hat - so auch der gerichtliche Sachverständige - Calcipotriol-Monohydrat dem wasserfreien Calcipotriol gegenüber überlegene technische Eigenschaften (verbesserte Nassmahlbarkeit) und überlegene Stabilitätseigenschaften (verringerte Zersetzungsrate). Zu dem technischen Hintergrund und der Bedeutung dieses Stoffes und des zum Prioritätszeitpunkt bereits bekannten wasserfreien Calcipotriols in der medizinischen und pharmazeutischen Praxis wird ergänzend auf die Darstellung in dem angegriffenen Urteil Bezug genommen.
2. Der Gegenstand des Streitpatents mag neu sein. Zu diesem Ergebnis sind jedenfalls J. F. im englischen Patentverletzungsverfahren, in dem Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents erhoben wurde, in seiner wenige Wochen nach dem angefochtenen Urteil ergangenen Entscheidung vom 15. Mai 2009 ([2009 EWHC 996 (Pat) - L. A/S et al. v. S. Ltd., Rn. 76 ff., B22a), das Amtsgericht Stockholm in dem Urteil vom 20. Mai 2011 betreffend das Streitpatent (T 9652-08, S. A/S und N. AB v. L. Ltd. A/S, B28, S. 95 bis 97) und ebenso die Rechtbank Den Haag in der Entscheidung vom 11. Februar 2009, betreffend u.a. die Widerklage wegen Nichtigkeit des Streitpatents (L. Ltd. A/S v. S. B.V., 306029 / HA ZA 08-733, Rn. 4.5 bis 4.9, Ni19) gelangt.
3. Die Frage der Neuheit kann jedoch dahinstehen, da das Auffinden und Bereitstellen der geschützten Substanz nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 56 EPÜ).
Ansatzpunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist das Auffinden des technischen Problems, das aus dem zu entwickeln ist, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik tatsächlich leistet. Die Ermittlung des technischen Problems ist Teil der Auslegung des Patentanspruchs. Dabei können in der Beschreibung enthaltene Angaben zur Aufgabe der Erfindung einen Hinweis auf das richtige Verständnis des Patentanspruchs enthalten; sie sind ein Hilfsmittel bei der Ermittlung des objektiven technischen Problems (st. Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 - X ZR 200/99, GRUR 2003, 693 - Hochdruckreiniger; Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 - Gelenkanordnung, Rn. 27; Urteil vom 15. April 2010 - Xa ZR 28/08, GRUR 2010, 607 - Fettsäurezusammensetzung; Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 - kosmetisches Sonnenschutzmittel III).
Im Streitfall richten sich die Patentansprüche auf die Substanz Calcipotriol-Monohydrat oder diese enthaltende pharmazeutische Mittel. Aus der Patentbeschreibung, deren Angaben heranzuziehen sind, ergeben sich zwei Aspekte eines technischen Problems, das durch das Streitpatent gelöst werden soll. Zunächst gibt die Beschreibung an, dass das aus der WO 87/00834 bekannte wasserfreie Calcipotriol (S. 2 Z. 5 bis 7) in bestimmten Lösungen eine geringe Stabilität aufweise. Wegen der geringen Stabilität von Calcipotriol würden in einigen Formulierungen, insbesondere in Cremes und Gelen, bevorzugt Kristallsuspensionen verwendet ("…Due to the poor stability of calcipotriol in certain solutions it is in some formulations, in particular in creams an gels, preferred to use crystal suspensions…"; S. 2 Z. 10, 11). Als weiteren Aspekt nennt die Patentbeschreibung es bei der Herstellung geeigneter Kristallsuspensionsformulierungen als zwingend erforderlich, die Kristallgröße kontrollieren zu können ("…it is mandatory to be able to control the crystal size…"; S. 2 Z. 12), da dieser Parameter im Hinblick auf eine reproduzierbare Freisetzung der aktiven Verbindung aus der Formulierung von Bedeutung sei. Die Durchführung des bei Calcipotriol angewendeten Kugelmühlenverfahrens habe sich als schwierig erwiesen, da diese Kristalle nur schwer zu befeuchten seien und während des Mahlprozesses einen stabilen Schaum entwickelten, was es wiederum erschwere, eine geeignete kleine und einheitliche Teilchengröße zu erzielen ("…these crystals are not easily wetted and during the milling process they develop a stable foam, which results in difficulties in obtaining a suitable small and uniform particle size…"; S. 2 Z. 17 bis 19).
b) Das von der Erfindung zu lösende technische Problem liegt danach in der Benetzung der Teilchen und der Beseitigung der Schaumentwicklung sowie der Kontrolle der Teilchengröße im Rahmen des Feuchtmahlverfahrens und auch in der geringen Stabilität des im Stand der Technik bekannten Calcipotriols in bestimmten Lösungen. Aus der Beschreibung des Streitpatents ergibt sich, dass das Stabilitätsproblem bei Calcipotriol auch tatsächlich bestanden hat. Dies spricht wiederum dafür - wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat -, dass zum Prioritätszeitpunkt Ergebnisse für Stabilitätsuntersuchungen in Lösung vorgelegen haben, wobei der Fachmann Anlass zur Untersuchung hatte, ob die geringe Stabilität auf physikalischen oder chemischen Gründen beruhte. Die Ausführungen in der Patentbeschreibung über den "considerable degree of decomposition at this temperature", d.h. bei 40°C (S. 2 Z. 25 bis 28) lassen darauf schließen, dass bereits im trocken gelagerten Pulver eine erhebliche chemische Zersetzung des Wirkstoffs stattfindet. In den Angaben der Patentbeschreibung zu der geringen Stabilität von Calcipotriol in bestimmten Lösungen ist nach alldem nicht schon ein Hinweis auf die Lösung nach dem Patent zu sehen, denn allein die Feststellung der geringen Stabilität eines Stoffes in der Patentbeschreibung enthält noch keine Aussage darüber, durch welches Erzeugnis dieses Problem zu überwinden ist und wie der Fachmann zu ihm gelangt.
c) Als Fachmann befasste sich zum Prioritätszeitpunkt mit der Lösung derartiger Probleme ein Galeniker, der im Bereich der Herstellung von Arzneimitteln arbeitet und - so der gerichtliche Sachverständige - spezielle Kenntnisse auf dem Gebiet pharmazeutischer Formulierungen hat. Er ist z.B. ein in der Arzneimittelforschung tätiger promovierter Apotheker, der in einem Team von Fachleuten arbeitet und durch einen analytisch ausgerichteten promovierten Chemiker unterstützt wird. Dies haben auch J. F. (B22a, Rn. 21, 22) und das Amtsgericht Stockholm (B28, S. 94) so gesehen.
aa) Der so vorgebildete Fachmann hatte sich mit der Prüfung der Mahlbarkeit und der Benetzbarkeit von Stoffen zu befassen; dies sei, so der gerichtliche Sachverständige, ein pharmazeutisch-technologisches Problem und damit "tägliches Brot" des Galenikers. Dem Fachmann war bekannt, dass die Benetzbarkeit abhängig ist von der Zustandsform und der Oberflächenspannung des zu benetzenden Stoffes. Um den im Streitpatent beschriebenen, im Stand der Technik aufgetretenen Schwierigkeiten des Feuchtmahlverfahrens zu begegnen, hatte der Fachmann zwei Möglichkeiten. Er konnte entweder die Grenzflächenspannung des Benetzungsmittels verändern oder nach einer noch besser benetzbaren Stoffform suchen. Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass der Fachmann zunächst der ersten Möglichkeit, z.B. durch Zugabe von Tensiden, den Vorzug gegeben hätte, sodann jedoch hätte erkennen müssen, dass auf diese Weise das Problem der Schaumbildung nicht nur nicht gelöst, sondern die Schaumbildung unter Umständen sogar verstärkt wird. Somit verblieb als zweite Möglichkeit, nach einer besser benetzbaren Stoffform zu suchen. Der Fachmann konnte dabei von der wasserfreien Form des Calcipotriols ausgehen, die als Lösung - mit dem bekannten Stabilitätsproblem - oder Suspensionscreme (Ni5, Beispiel 4) formuliert worden war.
Vor diesem Hintergrund hatte der Fachmann Anlass, die Hydratbildung des wasserfreien Stoffs zu untersuchen. Bei einer fachgerechten pharmazeutischen Entwicklung von verschiedenen Darreichungsformen werden, so nachvollziehbar der gerichtliche Sachverständige, Untersuchungen zur chemischen und physikalischen Stabilität des Wirkstoffs durchgeführt. Bei der Entwicklung feststoffhaltiger und wasserhaltiger pharmazeutischer Cremesysteme ist die Prüfung auf eine potenzielle Hydratbildung eine zentrale Aufgabe. Denn in der Regel weisen Hydrate, so der Sachverständige, in Wasser eine schlechtere Löslichkeit als die zugrunde liegende wasserfreie Substanz auf, da das Kristallwasser zusätzliche Valenzen im Molekülverband absättigt und daher zu einem energetisch günstigeren Zustand mit geringerer freier Energie, mithin zu erhöhter Stabilität führt.
In den US-Patenten 3 833 622 (Ni8) und 4 435 325 (Ni9) und der Veröffentlichung der japanischen Patentanmeldung Sho 59-104358 (Ni10) hat der Fachmann ein einfaches Verfahren zur Herstellung eines Hydrats vorgefunden.
Das US-Patent 3 833 622 (Ni8) beschreibt die Hydratform des 25-Hydroxycholecalciferols, das in seiner wasserfreien Form als Öl in amorpher Form anfällt. Dessen Reinigung müsse mit einer aufwendigen Kieselsäure-Adsorptionschromatographie erfolgen (Ni8, Sp. 3 Z. 30 bis 34). Demgegenüber sei das 25-Hydroxycholecalciferolhydrat nach Zusatz von Wasser zu mit Wasser mischbaren als auch nicht mischbaren Lösungsmitteln leicht erhältlich und besitze die gleichen biologischen Eigenschaften wie die wasserfreie Verbindung, sie sei leichter zu reinigen, stabiler und weniger empfindlich gegen Autooxidation als diese ("are more readily purified, and are more stable and less sensitive to autoxidation", Ni8 Sp. 3 Z. 48, 49).
Durch das US-Patent 4 435 325 (Ni9) wird das 1α,25-Dihydroxycholecalciferol-Monohydrat als vollständig kristallines und sehr stabiles Produkt vorgestellt. Die neue Vitaminzusammensetzung könne in verschiedenen Formulierungen, u.a. auch in wässrigen und nichtwässrigen Trägern vorliegen (Ni9, Sp. 2 Z. 4 bis 15). Die Monohydratform werde auf einfache Weise durch Lösen der Ausgangsverbindung in einem organischen Lösungsmittel unter Zugabe von Wasser gewonnen (Ni9, Sp. 1 Z. 58 bis 64).
Die Veröffentlichung der japanischen Patentanmeldung Sho 59-104358 (Ni10) betrifft das 1α,24-Dihydroxycholecalciferol-Monohydrat-Salz und Verfahren zu seiner Herstellung, die durch Zugabe von Wasser zu einer Lösung des wasserfreien 1α,24-Dihydroxycholecalciferols in einem niedrigen Alkohol erfolgt (Ni10, S. 2 letzter Absatz). Es wird auf die verbesserte Löslichkeit, Verarbeitung und pharmazeutische Anwendung hingewiesen, und nicht zuletzt - über den Hinweis auf die Instabilität des 1α,24-Dihydroxycholecalciferols - auf die verbesserte Stabilität.
Danach beschäftigen sich die drei genannten Entgegenhaltungen mit der Herstellung und der Stabilisierung von Vitamin D(D3)-Analoga durch die Bildung von Monohydraten. Der Fachmann hatte deshalb wegen der Strukturnähe der Stoffe aus den Entgegenhaltungen Ni9 und Ni10 zu Calcipotriol, die nicht zuletzt durch die Arbeit von Kragballe (Ni24), in der die orale und die topische Applikation verglichen wird, belegt ist, Anlass, die in den Ni9 und Ni10 beschriebene Art und Weise der Bildung von Monohydraten auch für Calcipotriol zu erwägen. Dieser Anregung ist die Lösung nach dem Streitpatent nachgekommen. Calcipotriol-Monohydrat wird nach dem Streitpatent ohne wesentliche experimentelle Änderungen wie die Monohydrate in den Entgegenhaltungen hergestellt, nämlich durch Auflösen von kristallinem oder nicht-kristallinem Calcipotriol in einem organischen Lösungsmittel unter anschließender Zugabe von Wasser und ggf. eines nichtpolaren Lösungsmittels (Beschr. S. 2 Z. 31, 32). Zu diesem Ergebnis kommt auch die Gutachterin F. in dem Verfahren vor dem Landgericht Turin (Gutachten Ni26/Ni27, Abs. 4.3.9). Dass in dem diskutierten Stand der Technik eine ausdrückliche Anregung für die durch das Streitpatent gefundene Lösung des weiteren Problembereichs - die Kontrolle der Kristallgröße - nicht zu finden ist, ändert nichts an der Beurteilung der erfinderischen Leistung (BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 - X ZR 200/99, GRUR 2003, 693 - Hochdruckreiniger; st. Rspr.).
bb) Den hiergegen vorgebrachten Gesichtspunkten kommt keine entscheidende Bedeutung zu.
Der Umstand, dass in den Entgegenhaltungen Ni8, Ni9 und Ni10 die wasserfreien Vitamin D-Analoga nicht wie das Calcipotriol in wasserfreier kristalliner Form, sondern in Form von amorphen oder schlecht kristallinen Feststoffen oder nur als Öl vorgelegen haben, hätte den Fachmann nicht davon abgehalten, nach einer weiteren stabilen kristallinen Stoffform für Calcipotriol zu suchen. Bereits zum Prioritätszeitpunkt war es - wie in der Stellungnahme des für die Beklagte tätigen Dr. R. ausgeführt (B25, Rn. 22 ff.) - erstrebenswert, einen Wirkstoff im Zuge der pharmazeutischen Entwicklung in kristalliner Form zur Verfügung zu stellen. In dieser Form kann ein Wirkstoff leichter aus einem Reaktionsgemisch abgetrennt werden, in der Regel weist er eine höhere Reinheit und eine höhere Stabilität als die amorphe Form auf. Die Wirkstoffmoleküle sind bei der kristallinen Form in regelmäßigen Gittern angeordnet, so dass sie eine geringere Neigung als die ungeordneten Moleküle der amorphen Form aufweisen, mit anderen Molekülen zu reagieren. Nach Auffassung von Dr. R. habe jedoch diese Grunderwartung des Fachmanns gera-de bei Vitamin D-Analoga nicht bestanden; bei diesen sei wegen ihrer Fragilität und wegen ihres dynamischen Gleichgewichts die Auswahl an experimentellen Bedingungen bei dem Versuch zu kristallisieren stark eingeschränkt gewesen. Da eine erste kristalline Form des Calcipotriols zur Verfügung gestanden habe, habe der Fachmann keinen Anlass gehabt, nach einer weiteren Form eines Vitamin D-Analogons zu suchen (Rn. 31).
Dieser Ansicht, die auch das Amtsgericht Stockholm im Rahmen seiner Beurteilung der Entgegenhaltungen Ni8, Ni9 und Ni10 (Urteil B28, S. 100, 101) teilt - im Verfahren in England lagen diese Entgegenhaltungen nicht vor -, kann nicht beigetreten werden. Bei einer fachgerechten Entwicklung von verschiedenen Darreichungsformen werden routinemäßig Untersuchungen zur chemischen und physikalischen Stabilität des Wirkstoffs durchgeführt. Bei der Entwicklung feststoffhaltiger wasserhaltiger pharmazeutischer Cremesysteme ist die Prüfung auf eine potentielle Hydratbildung durch polymorphe Umwandlung des Wirkstoffs ein zentrales Anliegen. Dies hat der gerichtliche Sachverständige - wie bereits ausgeführt - unter Bezugnahme auf die Veröffentlichung von Essig et al., Stabilisierungstechnologie - Wege zur haltbaren Arzneiform, Bd. 15, S. 19, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 1986, nachvollziehbar bestätigt. Dort (zitiert aus dem gerichtlichen Gutachten) wird angegeben, dass etwa ein Drittel aller neuen Substanzen zur Hydratbildung befähigt seien und es deshalb unerlässlich sei, den Bodenkörper einer wässrigen Suspension auf Kristallumwandlungen infolge Bildung eines Hydrats zu untersuchen. Diese Einschätzung teilen auch die Privatgutachter der Klägerin Dr. L. (Gut-achten Ni33, S. 14, 15) und Prof. F. (Gutachten Ni30, S. 24), die darauf abstellen, dass polymorphe Phasenumwandlungen die Eigenschaften von Cremes beeinflussen können. Am besten werde deshalb das Polymorph ausgewählt, das am wenigsten empfindlich im Hinblick auf Phasenumwandlungen und Kristallwachstum sei. Es sei deshalb zum Prioritätszeitpunkt selbstverständlich gewesen zu untersuchen, ob die wasserfreie Kristallform des Calcipotriols tatsächlich die stabilste Kristallform dieses Wirkstoffs darstellte. Dafür spricht auch, dass Calcipotriol, das Anfang der 1990er Jahre eine Zulassung zur Behandlung von Psoriasis (Kragballe aaO, Ni24 S. 1) erhalten hat, in der Fachwelt auf großes Interesse bis hin zu Nachahmungen gestoßen ist (vgl. Gutachten Dr. L. S. 4). Es lag demnach nahe, einen medizinisch sehr wirksamen kristallinen Stoff, der in einer bestimmten pharmazeutischen Formulierung keine ausreichende Stabilität bietet, auf stabilere kristalline Formen hin zu untersuchen.
Auch das weitere Argument der Beklagten, es gebe mehr als 1400 Vitamin D-Derivate, von denen nur 6 Monohydrate in der amerikanischen CAS-Registry-Datenbank eingetragen seien, weshalb die Hydratbildung eher eine Ausnahme als die Regel sei, greift nicht durch. In der Abhandlung von Kragballe (Ni24) sind neben Calcipotriol vier weitere Vitamin D-Analoga vorgestellt, deren zwei den Gegenstand der Entgegenhaltungen Ni9 und Ni10 bilden. Sie sind in dem Artikel von Kragballe dem Calcipotriol strukturell gegenübergestellt und auch auf ihre Eignung zur Behandlung von Psoriasis bewertet (Ni24, S. 48 re. Sp. Abs. 2, S. 49 li. Sp. Abs. 3, S. 50 re. Sp. Abs. 1, 2). Die an anderen als Calcipotriol zur Behandlung von Psoriasis in Betracht gezogenen Vitamin D-Analoga erfolgreich durchgeführte Hydratbildung gab dem Fachmann Anlass, entsprechende Maßnahmen auch bei Calcipotriol durchzuführen.
Es mag zutreffen, dass man - wie der Privatgutachter der Beklagten Prof. B. ausführt (Gutachten B12 Rn. 9, 11) - weder im Jahr 1993 noch heute die Bildung kristalliner Formen und damit auch die Bildung von Hydraten vorhersehen konnte und kann. Auf die Vorhersehbarkeit bestimmter Ergebnisse kommt es jedoch für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht notwendigerweise an. Maßgeblich ist, ob der Fachmann aus dem Stand der Technik eine Anregung erhalten hat, dort beschriebene Maßnahmen aufzugreifen und sie auf einen bekannten Stoff anzuwenden. Dabei kann die Überlegung Bedeutung gewinnen, ob sich aus diesen Maßnahmen eine angemessenen Erfolgserwartung für die Lösung des sich stellenden technischen Problems ergab (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2012 - X ZR 50/09, juris, Rn. 27; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. September 2009 - Xa ZR 130/07, GRUR 2010, 123 - Escitalopram Rn. 38 ff.; schweiz. Bundesgericht SMI 1995, 358, 369 f. = GRUR Int. 1996, 1059, 1063 - Manzana II; EPA T60/89, ABl. EPA 1992, 268 = GRUR Int. 1992, 771, 775 - Fusionsproteine).
Diese Anforderungen sind im Streitfall erfüllt. Aus den besprochenen Entgegenhaltungen Ni8, Ni9 und Ni10 hat der Fachmann die Anregung erhalten, die dort beschriebenen Maßnahmen - Lösung des Feststoffes in organischem Lösungsmittel unter Zugabe von Wasser - zu ergreifen und auf Calcipotriol anzuwenden; als Ergebnis hätte er Calcipotriol-Monohydrat erhalten. Die Durchführung dieser Maßnahmen wäre mit Blick auf die strukturverwandten Vitamin D-Analoga im Stand der Technik und eine mögliche vergleichbare Reaktion des Calcipotriol auch mit einer angemessenen Erfolgserwartung verbunden gewesen; auch stellt sich der einzubringende Aufwand - Einsatz von organischem Lösungsmittel und Wasser - in Beziehung zu einem zu erwartenden Ergebnis als verhältnismäßig dar.
4. Der Gegenstand der Patentansprüche nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 beruht ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
In Hilfsantrag 1 wird die Beschreibung der Substanz Calcipotriol mit der näheren Charakterisierung durch die Spektralresonanzen (CPMAS-NMR spektroskopische Daten) ergänzt. In Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist die Beschreibung des Stoffs Calcipotriol und seine Verwendung in pharmazeutischen Mitteln zusammengefasst und durch die Angabe näher charakterisiert, dass es sich um eine Kristallsuspension handelt. Patentanspruch 1 in Hilfsantrag 3, fasst die zusätzlichen Charakteristika der Hilfsanträge 1 und 2 zusammen.
Die Angabe bestimmter Messergebnisse und die Verschiebung einzelner Merkmale zwischen den Patentansprüchen fügt den Patentansprüchen in der erteilten Fassung nichts Erfinderisches hinzu. Der Umstand, dass in Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 - wie die Beklagte vorträgt - physikalische Eigenschaften klargestellt sind, lässt nichts eigenständig Erfinderisches erkennen. Dies gilt auch für den mit Hilfsantrag 2 beanspruchten Einsatz als Kristallsuspension. Eine Kristallsuspensionscreme war bereits aus dem Beispiel 4 der WO 91/12807 (Ni5) bekannt. Dass durch den Einsatz der Kristallsuspension - wie die Beklagte anführt - das Schaumproblem gelöst wurde, ist eine Wirkung des gefundenen Stoffs und nicht Gegenstand des Patentanspruchs.
5. Hinsichtlich der Gegenstände der Unteransprüche ist eine eigene erfinderische Leistung weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich (BGH, Urteil vom 29. September 2011 - X ZR 109/08, GRUR 2012, 149 - Sensoranordnung).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.
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