Entscheidungsdatum: 24.01.2012
Elektronenstrahltherapiesystem
Dass die mobile Ausgestaltung eines klinischen Geräts zur wechselnden Verwendung in mehreren Operationssälen dem Fachmann grundsätzlich wünschenswert erscheint, rechtfertigt für sich genommen nicht, eine solche Ausgestaltung als nahegelegt anzusehen, wenn die im Stand der Technik verwendeten Geräte aufgrund ihres Umfangs und Gewichts weit davon entfernt sind, eine mobile Ausgestaltung zu erlauben, und der Stand der Technik keine Hinweise bietet, dass bestimmte technische Veränderungen eine solche Ausgestaltung erreichbar machen könnten.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5. März 2009 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.
Das europäische Patent 0 700 578 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass in Patentanspruch 1 nach den Worten "A mobile electron beam therapy system" die Worte "which is suitable for intraoperative electron beam therapy (IOEBT)" eingefügt werden und sich die weiteren Ansprüche auf den geänderten Anspruch 1 rückbeziehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 700 578 (Streitpatents), das am 22. Februar 1994 unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität international angemeldet worden ist. Das Streitpatent umfasst 15 Ansprüche, von denen Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut hat:
"A mobile electron beam therapy system including:
a housing (18); an electron generating means (12) disposed within said housing for generating an electron beam; a linear accelerator (14, 16) positioned in the housing relative to the electron generating means (12) so that the generated electron beam exits said linear accelerator collinearly in the direction electrons travel within said accelerator; and applicator means (19) disposed at the electron beam exit region of the housing (18) for defining the treatment field size;
characterised in that the electron beam generated by the electron generating means (12) follows a straight-line path to said applicator means (19); and in that means (50) is provided for positioning the housing (18) so that the applicator means (19) directs the electron beam to a predetermined location in patient treatment."
Die deutsche Übersetzung des Patentanspruchs 1 in der Patentschrift lautet:
"Therapiesystem mit beweglichem Elektronenstrahl, aufweisend:
Ein Gehäuse (18); eine Elektronenerzeugungseinrichtung (12), die in dem Gehäuse zum Erzeugen eines Elektronenstrahls angeordnet ist; einen Linearbeschleuniger (14, 16), der in dem Gehäuse relativ zu der Elektronenerzeugungseinrichtung (12) derart angeordnet ist, dass der erzeugte Elektronenstrahl den Linearbeschleuniger kolinear in Richtung der Elektronenbahn in dem Beschleuniger verlässt; und eine Applikatoreinrichtung (19), die in dem Elektronenstrahlaustrittbereich des Gehäuses (18) zum Festlegen der Behandlungsfeldgröße angeordnet ist;
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t, dass der durch die Elektronenerzeugungseinrichtung (12) erzeugte Elektronenstrahl einem gradlinigen Pfad zu der Applikatoreinrichtung (19) folgt; und dass eine Einrichtung (50) zum Positionieren des Gehäuses (18) derart vorgesehen ist, dass die Applikatoreinrichtung (19) den Elektronenstrahl zu einer vorbestimmten Stelle bei der Patientenbehandlung richtet."
Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus. Weiterhin sei die Lehre des Streitpatents nicht patentfähig, weil sie nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Das Patentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent in der erteilten Fassung mit der Maßgabe verteidigt, dass Patentanspruch 1 um das Merkmal ergänzt werden soll, dass das Elektronenstrahltherapiesystem für die intraoperative Elektronenstrahltherapie ausgelegt ist. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in beschränkten Fassungen mit sechs Hilfsanträgen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung - auch hinsichtlich der Hilfsanträge - zurückzuweisen.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Professor N. , Technische Universität M. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Die zulässige Berufung führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage, soweit sie sich gegen das Streitpatent in seiner zuletzt verteidigten Fassung richtet.
I. Das Streitpatent betrifft ein mobiles Gerät zur Erzeugung eines Elektronenstrahls.
1. Die Beschreibung des Streitpatents bezieht sich hierbei auf Geräte, die während einer Operation in einer Klinik am Patienten für therapeutische Zwecke eingesetzt werden können. Strahlung wird genutzt, um bei Krebserkrankungen während einer Operation nach der Entfernung des Großteils eines Tumors den minimalen Rest der Erkrankung einer krebszerstörenden Strahlungsdosis auszusetzen. In früheren Behandlungsverfahren wurden hierfür Röntgenstrahlen verwendet. Neuere Therapiemethoden nutzen hochenergetische Elektronenstrahlen, von denen eine homogene Strahlungsdosis ausgeht, deren Strahlungsintensität rasch abfällt, je tiefer der Strahl in das Gewebe eindringt. Dies minimiert die Strahlung auf krebsfreies Gewebe (Streitpatent Sp. 1 Abs. 2 und 3).
|
Der Streitpatentschrift zur Folge wiegt eine Anlage, die zum Anmeldetag einer an einem solchen System interessierten Klinik angeboten wurde, 5 bis 10 Tonnen und ist mit einem Linearbeschleuniger ausgestattet, der mit 5 bis 20 MeV betrieben wird sowie entsprechend der nebenstehenden Figur 1 aus der in der Streitpatentschrift zitierten US-amerikanischen Patentschrift 4 987 309 (NK 5) in einer kranartigen Halterung ("gantry") montiert ist. Um die Strahlen senkrecht von oben auf den Patienten auftreffen zu lassen, muss dabei der Elektronenstrahl mittels eines Umlenkmagneten (11) umgelenkt werden (Streitpatent Sp. 1 Abs. 4 und 5). Wegen des hohen Gewichts eines solchen Systems und dessen noch verbleibender Streustrahlung bedarf dieses eines speziellen Operationsraums mit einer starken Strahlungsabschirmung in den Wänden und der Decke sowie einem stark belastbaren Boden. Das System kann damit nur in dem jeweiligen Operationsraum eingesetzt werden, in dem es installiert ist. |
Das Patentgericht hat in Anlehnung an Absatz 8 der Beschreibung als Aufgabe formuliert, ein für die intraoperative Elektronenstrahltherapie verwendbares System bereitzustellen, das in einem oder mehreren existierenden chirurgischen Räumen eingesetzt werden kann, ohne dass zusätzlich eine aufwendige Strahlungsabschirmung und eine bauliche Abstützung der Operationsräume erforderlich ist. Dies nimmt die erfindungsgemäße Lösung teilweise vorweg, weil es das Lösungsmittel eines mobilen Systems zumindest andeutet, und bedarf daher der Korrektur. Das objektiv der Erfindung zugrunde liegende Problem kann dahin beschrieben werden, den Aufwand für die Abschirmung und die baustatische Verstärkung durch ein leichteres und kleineres System zu verringern, das in der Elektronenstrahltherapie intraoperativ eingesetzt werden kann.
2. Das erfindungsgemäße Elektronenstrahltherapiesystem nach der zuletzt verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 lässt sich wie folgt in Merkmale gliedern (in eckigen Klammern die Gliederung des Patentgerichts):
1. Das Elektronenstrahltherapiesystem [M1],
1.1 ist mobil [M1.1] und
1.1.1 für die intraoperative Elektronenstrahltherapie ausgelegt,
1.2 weist ein Gehäuse (18) auf [M2],
1.3 ist mit einer Einrichtung (50) zum Positionieren des Gehäuses (18) versehen [aus M7].
2. In dem Gehäuse (18) sind angeordnet [M3.1; M4.1]
2.1 eine Elektronenerzeugungseinrichtung (12) zum Erzeugen eines Elektronenstrahls [M3],
2.2 ein Linearbeschleuniger (14, 16) [M4],
2.3 eine Applikatoreinrichtung (19) [M5].
3. Der Linearbeschleuniger ist relativ zu der Elektronenerzeugungseinrichtung (12) derart angeordnet, dass der erzeugte Elektronenstrahl den Beschleuniger kolinear in Richtung der Elektronenbahn im Beschleuniger verlässt [M4.2].
4. Der durch die Elektronenerzeugungseinrichtung (12) erzeugte Elektronenstrahl folgt einem gradlinigen Pfad zu der Applikatoreinrichtung (19) [M6], die
4.1 im Elektronenstrahlaustrittsbereich des Gehäuses (18) zum Festlegen der Behandlungsfeldgröße angeordnet ist [M5.1] und
4.2 mittels der Einrichtung (50) zum Positionieren des Gehäuses (18) den Elektronenstrahl bei der Patientenbehandlung auf eine vorbestimmte Stelle richtet [M7].
3. Einige Merkmale bedürfen näherer Erörterung.
a) Die Mobilität des Elektronenstrahlsystems gemäß Merkmal 1.1 bezieht sich auf das gesamte System. Soweit der - nicht maßgebliche - Wortlaut der deutschen Fassung von Patentanspruch 1 mit "Therapiesystem mit beweglichem Elektronenstrahl" beginnt, handelt es sich um eine fehlerhafte Übersetzung.
b) Merkmal 1.1.1 setzt voraus, dass das Elektronenstrahltherapiesystem für die intraoperative Elektronenstrahltherapie geeignet sein muss.
Der Hinweis auf die intraoperative Elektronenstrahltherapie hebt zunächst den Zweck des erfindungsgemäßen Gegenstands hervor. Zweckangaben in einem Sachanspruch beschränken als solche dessen Gegenstand zwar regelmäßig nicht (BGH, Urteil vom 12. Juli 1990 - X ZR 121/88, BGHZ 112, 140, 155 f. - Befestigungsvorrichtung II). Die Zweckangabe ist damit aber nicht bedeutungslos. Mittelbar hat sie regelmäßig die Wirkung, den durch das Patent geschützten Gegenstand dahin zu definieren, dass er nicht nur die räumlich-körperlichen Merkmale erfüllen, sondern auch so ausgebildet sein muss, um für den im Patentanspruch angegebenen Zweck verwendbar zu sein (BGH, Urteil vom 7. November 1978 - X ZR 58/77, GRUR 1979, 149, 151 - Schießbolzen; Urteil vom 2. Dezember 1980 - X ZR 16/79, GRUR 1981, 259, 260 - Heuwerbungsmaschine II; Urteil vom 7. Juni 2006 - X ZR 105/04, GRUR 2006, 923 Rn .15 - Luftabscheider für Milchsammelanlage; Urteil vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 140/05, GRUR 2009, 837 Rn. 15 - Bauschalungsstütze), wie es Merkmal 1.1.1 auch mit den Worten "ist ... ausgelegt" zum Ausdruck bringt.
Daraus folgt, dass das System die erforderliche Elektronenstrahlenergie aufbringen muss, um den Zwecken dieser Therapie genügen zu können. Zudem muss es die spezifischen Vorrichtungen aufweisen, die bei einer intraoperativen Bestrahlung mit Elektronen für die Abschirmung des Strahls und in Bezug auf die hygienischen Anforderungen bei einer Behandlung in einer offenen Operationswunde zu beachten sind.
c) Merkmal 3 enthält die Anweisung, wie der Linearbeschleuniger mit den Elementen 14 (prebuncher - Vorbündelungseinrichtung) und 16 (standing wave cavaties - Stehwellenhohlräume) relativ zur Elektronenerzeugungseinrichtung 12 zu positionieren ist, so dass der Elektronenstrahl den Linearbeschleuniger an seinem Ende kolinear, also entsprechend der Richtung des Strahls innerhalb des Beschleunigers verlässt.
Eine Fokussierung des Elektronenstrahls auf das Zentrum des Linearbeschleunigers, was nach der Beschreibung mit der Solenoid- oder Fokussierwicklung 20 bewirkt werden kann (Streitpatent, Sp. 3 Abs. 14), ist damit nicht gemeint. Die Beschreibung des Streitpatents gibt zu einer solchen, weitergehenden Auslegung keinen Anlass.
d) Als Applikatoreinrichtung im Sinne der Merkmale 2.3 und 4 ist ein Bauteil zu verstehen, das tubusförmig im Elektronenstrahlaustrittsbereich die Behandlungsfeldgröße für den intraoperativen Einsatz an einer offenen Operationswunde begrenzt und bestimmt, indem es mit seinem Ende in die offene Operationswunde hineingehalten werden kann.
Aufgrund der Definition des Gegenstands des Streitpatents als gemäß Merkmal 1.1.1 für eine intraoperative Strahlentherapie geeignete Vorrichtung kommen für die Merkmale 2.3 und 4 nur solche Applikatoreinrichtungen in Betracht, die in einer offenen Operationswunde verwendet werden können. Dabei liegt der Begrenzung des Bestrahlungsfeldes gemäß Merkmal 4.1 das Prinzip zugrunde, umliegende gesunde Körperteile vor einer Bestrahlung abzuschirmen und dabei wegen des Kontaktes mit dem inneren Körpergewebe auch hygienischen Anforderungen zu genügen. Wegen diesen Anforderungen wurden zum Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents abnehmbare, tubusförmige Begrenzungen aus Metall oder Kunststoff verwendet. Dies war dem Fachmann, den das Patentgericht zutreffend als einen mit der Entwicklung von Strahlensystemen für die Medizintechnik vertrauten Diplom-Physiker definiert hat, welcher bei klinisch-medizinischen Fragestellungen einen Strahlenmediziner hinzuzieht, aus dem Stand der Technik allgemein bekannt. Der Begriff Applikatoreinrichtung hatte deshalb zu diesem Zeitpunkt für ihn die konkrete Bedeutung eines solchen, tubusförmig bis zur Operationswunde reichenden Bauteils, wie es auch in Figur 1 des Streitpatents mit dem Bezugszeichen 19 schematisch dargestellt wird.
II. Das Patentgericht hat angenommen, die Lehre des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil sie nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Dem Fachmann sei aus den Aufsätzen von E.L. Ginzton u.a. "History of Microwave Electron Linear Accelerators for Radiotherapy" in Int. J. Radiation Oncology Biol. Phys., Vol. 11 (1985), S. 205-216 (NK8) und "The Stanford Medical Linear Accelerator" in Stanford Medical Bulletin, Vol. 15 (1957), S. 123-140 (NK9) der Stanford-Beschleuniger bekannt, welcher sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 aufweise mit Ausnahme der Mobilität des Systems (Merkmal 1.1).
Der Stanford-Beschleuniger sei nicht nur als Röntgenstrahlbehandlungssystem, sondern auch als reines Elektronenstrahlsystem verwendet worden. Es komme dabei nicht darauf an, ob im Stand der Technik wie beim Stanford-Beschleuniger ein geringerer Spannungsbereich vorzufinden sei als nach der Lehre des Streitpatents, denn Patentanspruch 1 stelle für den Gegenstand des Streitpatents nicht auf bestimmte Spannungsbereiche ab.
Im Stanford-Beschleuniger wirke die "beam defining unit" wie eine Applikationseinrichtung, indem diese in dem Elektronenstrahlaustrittsbereich zum Festlegen der Behandlungsfeldgröße angeordnet sei. Diese Einrichtung sei deshalb im Sinne der vom Patentanspruch beanspruchten Applikationseinrichtung (Merkmal 2.3) auszulegen.
Der technische Überschuss der Lehre des Patentanspruchs 1 liege somit allein im Merkmal der technischen Ausgestaltung des Elektronenstrahltherapiegeräts. Es könne dahinstehen, ob der Stanford-Beschleuniger nicht bereits durch seine Aufhängung (moving mount) mobil (beweglich) ausgestaltet sei. Denn dieses Merkmal sei jedenfalls nahegelegt. Der Gegenstand des Streitpatents bestehe vorzugsweise aus zumindest teilweise kommerziell erhältlichen Einzelkomponenten, welche quasi als Katalogware baukastengleich zur fertigen Vorrichtung zusammengestellt würden. Dabei gehöre es zur stetigen technischen Weiterentwicklung, solche Komponenten kleiner und leichter auszugestalten. In dem Handbuch von S.C. Klevenhagen "Physics of Electron Beam Therapy" (NK 16) sei dazu auf Seite 11 die Anregung enthalten, moderne Einrichtungen mit stehender Welle zu nutzen, die zu einem kürzeren Aufbau führten, und damit das Elektronenstrahltherapiegerät mit einem gradlinigen Elektronenstrahlverlauf (ohne einen Ablenkmagneten) kleiner und leichter auszugestalten. Infolge eines solchen Aufbaus entspreche es dem fachmännischen Handeln, das Gerät wie bei anderen vergleichbaren medizinischen Großgeräten (z.B. einem mobilen Computertomografiegerät oder Röntgen- oder Gammabestrahlungsgerät) mobil zu gestalten.
III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren, soweit die Beklagte das Streitpatent noch verteidigt, nicht stand.
1. Patentanspruch 1 geht nicht über den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus (Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG). Auch ist er in der nunmehr von der Beklagten beschränkt verteidigten Fassung hinreichend deutlich gefasst (Art. 84 Satz 2 EPÜ).
a) Eine unzulässige Erweiterung ergibt sich nicht aus den Merkmalen 3 und 4.
aa) Den Inhalt der für die Frage einer unzulässigen Erweiterung maßgeblichen ursprünglichen Anmeldung bildet alles, was ihr der mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattete Fachmann des betreffenden Gebiets der Technik als zur angemeldeten Erfindung gehörend entnehmen kann. Eine Lehre zum technischen Handeln geht somit über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, wenn die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen nicht erkennen lässt, dass sie als Gegenstand von dem mit der Anmeldung verfolgten Schutzbegehren umfasst sein soll (BGH, Urteil vom 21. September 1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204 unter 3 a - Spielfahrbahn; Beschluss vom 5. Oktober 2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140 unter II B 2 a - Zeittelegramm). Hierfür sind nur die Anmeldungsunterlagen zu berücksichtigen, die zuerst eingereicht wurden. Im Streitfall ist die spätere Hinzufügung vom 8. August 1994 gemäß Art. 19 des Vertrages über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT) zur ursprünglichen Anmeldung vom 22. Februar 1994 (NK 6), mit der die Patentansprüche durch eine neue Fassung ersetzt wurden, für diesen Vergleich nicht zu berücksichtigen, weil es sich hierbei bereits um eine Änderung der ursprünglichen Fassung handelt, die deren ursprüngliche Priorität in Anspruch nimmt.
bb) Merkmal 3, das einen kolinearen Austritt des Elektronenstrahls nach Verlassen des Linearbeschleunigers vorsieht, ergibt sich aus der nachfolgenden (Figur 1 des Streitpatents entsprechenden) Figur 1 der Patentanmeldung,
die einen gradlinigen Austritt des Elektronenstrahls am Ende des Linearbeschleunigers 16 zeigt, wobei die Elektronenkanone 12 und die Vorbündelungseinrichtung 14 ebenfalls geradlinig zu dieser Richtung angeordnet sind. Die Zeichnungen einer Anmeldung dienen wie der Text der Beschreibung der Erläuterung einer erfindungsgemäßen Ausführungsform und sind daher ein grundsätzlich ausreichendes Offenbarungsmittel (BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 - Xa ZR 52/08, GRUR 2010, 599 Rn. 22 - Formteil). Zudem liest der Fachmann eine solche Austrittsrichtung aus dem Linearbeschleuniger bei der Beschreibung des Streitpatents in der Patentanmeldung ohne weiteres mit, wie es die Klägerin erstinstanzlich zu Recht vorgetragen hat, denn der Elektronenstrahl kann den Beschleuniger kaum unter einem nennenswerten Winkel zur Beschleunigungsrichtung verlassen. Eine weitergehende Bedeutung kommt dem Merkmal 3 nicht zu.
Ebenso zeigt Figur 1 der Patentanmeldung einen gradlinigen Verlauf des Elektronenstrahls bis hin zur Applikatoreinrichtung 19 entsprechend dem Merkmal 4. Insbesondere fehlt es insoweit an einem Umlenkmagneten, der dem Elektronenstrahl eine andere Richtung geben könnte. Diese damit ebenfalls aus der Zeichnung erkennbare erfindungsgemäße Ausgestaltung wird mit Merkmal 4 zulässigerweise im Wortlaut des Patentanspruchs 1 zum Ausdruck gebracht. Entgegen der Auffassung der Klägerin unterliegt es keinen Bedenken, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in Merkmal 4 nicht gleichzeitig auf die konkrete Ausgestaltung des Elektronenstrahltherapiesystems mit einem XBand-Mikrowellengenerator beschränkt worden ist, wie es dem Ausführungsbeispiel der Patentanmeldung entspricht, auf die sich die Figur 1 bezieht.
Wird eine in einem Ausführungsbeispiel gezeigte vorteilhafte Ausgestaltung zu einer Beschränkung des Gegenstands des Patentanspruchs herangezogen, ist der Anmelder nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht gezwungen, sämtliche Merkmale dieses Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch zu übernehmen. Er kann sich vielmehr, wenn mehrere Merkmale des Ausführungsbeispiels gemeinsam, aber auch je für sich dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, darauf beschränken, einzelne dieser Merkmale in den Patentanspruch aufzunehmen. Es darf sich hieraus lediglich kein Gegenstand ergeben, den der Fachmann den Ursprungsunterlagen nicht als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann (BGH, Beschluss vom 11. September 2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49 unter II 3 b cc - Drehmomentübertragungseinrichtung).
Nach diesen Grundsätzen musste im Streitfall die Schutzbeanspruchung nicht auf einen bestimmten Linearbeschleuniger beschränkt werden. Auch wenn die Patentanmeldung an verschiedenen Stellen zum Ausdruck bringt, dass ein X-Band-Generator zu bevorzugen sei, lässt die Anmeldung keinen Zweifel daran, dass die Erfindung sich auch auf Ausgestaltungen mit einem SBand-Generator bezieht (NK 6, S. 4 Z. 16-19). Der Hinweis in der Patentanmeldung, die Verwendung eines S-Band-Generators führe zu einer Gewichtszunahme, mit der der Nutzer zurechtkommen muss (NK 6, S. 4 Z. 19-20: "... users will be forced to contend with"), eine solche Anordnung werde aber gleichwohl ihre Funktion erfüllen (NK 6, S. 4 Z. 20-21: "Yet such a unit will be functional within the hospital environment."), zeigt deutlich, dass die Verwendung eines S-Band-Generators aus der Sicht des Anmelders zwar mit Nachteilen verbunden ist, diese Verwendung aber gleichwohl von der offenbarten Erfindung erfasst sein soll. Unabhängig davon, ob aus fachmännischer Sicht das mit einem X-Band-Generator gezeigte konkrete Beispiel dahin verstanden werden kann, dass hierfür ebenso ein S-Band-Generator Verwendung finden kann, ist aus der zeichnerischen Darstellung jedenfalls der mit dem Verzicht auf einen Umlenkmagneten verbundene gradlinige Pfad zur Applikatoreinrichtung als für sich vorteilhaftes Merkmal der Erfindung erkennbar.
b) Der mit Merkmal 1.1.1 (Ausgestaltung für den intraoperativen Einsatz) einhergehenden Beschränkung von Patentanspruch 1 fehlt nicht die gemäß Art. 84 Satz 2 EPÜ erforderliche (BGH, Urteil vom 18. März 2010 - Xa ZR 54/06, GRUR 2010, 709 = BlPMZ 2010, 360 - Proxyserversystem) Deutlichkeit. Mit der oben zur Auslegung dieses Merkmals gefundenen Bedeutung wird dem Fachmann dessen Sinngehalt hinreichend klar. Der intraoperative Einsatz der Elektronenstrahltherapie setzt für den Fachmann klar erkennbare Bedingungen voraus, die ein solches System aufweisen muss, um hierfür in Frage zu kommen. Eine weitere Konkretisierung dieser Bedingungen ist daher nicht erforderlich.
2. Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 ist patentfähig. Neben der nicht in Zweifel gezogenen Neuheit beruht er auch auf erfinderischer Tätigkeit, denn die Lehre des Streitpatents war durch den Stand der Technik nicht nahegelegt (Art. 56 EPÜ).
a) Aus den Entgegenhaltungen NK8 und NK9, welche den Stanford-Beschleuniger beschreiben, war dem Fachmann ein Elektronenstrahltherapiesystem mit den Merkmalen 1.2 bis 2.2 sowie 3 und 4 des Patentanspruchs 1 bekannt. Nicht verwirklicht waren bei diesem System die Merkmale 1.1 (Mobilität), 1.1.1 (Auslegung für intraoperativen Einsatz) und 2.3 (Applikatoreinrichtung). Der Stanford-Beschleuniger war nicht mit einer Applikatoreinrichtung im Sinne eines Applikatortubus gemäß Merkmal 2.3 ausgestattet. Die "beam defining units" waren vielmehr Blenden, die weder bestimmt noch geeignet waren, bis in eine offene Operationswunde hineinzuragen.
b) Die erste Auflage des Handbuchs "Linear Accelerators for Radiation Therapie" von Greene aus dem Jahre 1986 (Anl. NK42 = E2) beschreibt verschiedene Elemente eines Elektronenstrahltherapiesystems und dessen Ausgestaltung, die zusammen genommen sämtliche Merkmale des Streitpatents mit Ausnahme des Merkmals 1.1 (Mobilität) erkennen lassen. Gleichwohl offenbaren sie dem Fachmann kein solches System als eine konkrete Kombination. Zwar wird ein Elektronenstrahlsystem mit einem gradlinigen Elektronenstrahlpfad ohne Umlenkmagneten dargestellt (NK42, S. 5 Abs. 2). Für diese Variante stellt das Handbuch indessen deutlich heraus, dass sie nur für das untere Ende des Energiebereichs brauchbar sei ("arrangement shown in figure 1.3(a) is only usable for linear acceleration at the lower end of the energy range"), und genauer wird bei der Beschreibung des Behandlungskopfs auf Seite 53 ausgeführt, dass die Konfiguration nach Figur 1.3 a nur für Röntgenstrahlengeneratoren (mit festem target) und mit einer Leistung bis zu 6 MeV verwendet worden sei, was für einen intraoperativen Einsatz nicht genügt, so dass einer solchen Ausgestaltung auch das Merkmal 1.1.1 fehlt. Wählt der Fachmann hingegen anhand der NK42 eine Ausgestaltung mit höheren Elektronenenergien, die für einen intraoperativen Einsatz geeignet sind, bedarf es eines längeren Linearbeschleunigers, der aufgrund der Raumhöhen für Operationssäle nicht mehr vertikal angeordnet werden kann. Die damit erforderliche horizontale Anordnung des Linearbeschleunigers bedingt einen Umlenkmagneten, der den Elektronenstrahl vertikal auf den Patienten ausrichtet. Dieser, ebenfalls in der Entgegenhaltung dargestellten Variante fehlt das Merkmal 4 (geradliniger Elektronenstrahlpfad).
c) Diese drei Anordnungen eines Elektronenstrahltherapiesystems vermittelten dem Fachmann keine Anregung, die ihn zur Lehre des Streitpatents gelangen lassen konnte. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist und weder im angefochtenen Urteil noch von der Klägerin aufgezeigt wird, was den Fachmann hätte veranlassen können, anstelle der im Prioritätszeitpunkt entwickelten und im klinischen Bereich verwendeten Elektronenbeschleunigersysteme den nahezu vierzig Jahre alten Stanford-Beschleuniger zum Ausgangspunkt seiner Bemühungen zu nehmen (s. zur Notwendigkeit dieser Prüfung BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Rn. 51 - Olanzapin; Urteil vom 18. Juni 2009 - Xa ZR 138/05, GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger), gaben die Beschreibungen der NK8 und NK9 zum Stanford-Beschleuniger und die Ausgestaltung eines Systems mit einem gradlinigen Elektronenstrahlpfad nach der NK42 keinen Hinweis, dass und wie das System so gestaltet werden konnte, dass die Elektronenenergie für eine intraoperative Elektronenbestrahlung genügt hätte. Umgekehrt zeigte die Beschreibung der NK42 für ein intraoperativ verwendbares System mit Umlenkmagneten nicht, wie auf eine solche Umlenkung hätte verzichtet werden können.
Ein solcher Hinweis ergab sich auch nicht aus der Zusammenschau mit anderen Druckschriften aus dem Stand der Technik wie dem Aufsatz von McCullough/Biggs in Radiation Oncology Physics 1986, Intraoperative Electron Beam Radiation Therapy (S. 333, Anl. P5). Darin wurde zwar ein Elektronenstrahltherapiesystem für den intraoperativen Einsatz gefordert, das ausschließlich für diese Therapie verwendet werden sowie kleiner und leichter sein sollte als bisherige Systeme, so dass es in übliche Operationssäle nachträglich installiert werden könnte (P5, S. 335 Abs. 4). Die Hinweise zur Realisierung dieser Anforderungen erschöpften sich aber, wie die Anhörung des Sachverständigen bestätigt hat, darin, statt einem Klystron ein Magnetron als Mikrowellengenerator zu verwenden und auf eine isozentrische Aufhängung des Linearbeschleunigers zu verzichten. Beides verringert das Gesamtgewicht des Systems und führt zu einer kompakteren Bauweise. Indessen lehrt die P5 weder, auf einen Umlenkmagneten zu verzichten und den Elektronenpfad geradlinig zu gestalten noch sich - wie hierfür nötig - mit einer Elektronenenergie von höchstens 12 bis 13 MeV zu begnügen. Damit war eine Bauweise, die ein mobiles, in mehreren Operationssälen verwendbares Gerät erlaubt hätte, nicht realisierbar.
Dem Fachmann war zwar bekannt, dass bisherige Elektronenstrahltherapiesysteme auf unterschiedliche Energiestufen von 6 MeV bis 18 MeV eingestellt werden können, wie es beispielsweise in den Performance Specifications für das Mevatron-ME (Anl. P2) dargestellt war. Daraus ergab sich aber keine Anregung, eine Vorrichtung auf eine Höchstenergie von etwa 12 MeV auszulegen. Auch den weiteren von den Parteien vorgelegten Druckschriften war ein Hinweis in diese Richtung nicht zu entnehmen. Ein solcher Hinweis war auch nicht aus den Anforderungen zu erwarten, die von der Strahlenmedizin für das aus Anwendersicht erforderliche Leistungsvermögen eines Geräts für die intraoperative Strahlentherapie formuliert wurden. Wie sich aus der P5, Seite 334 Abs. 2 und der Schrift von Tepper und Million, Radiation Therapy and Surgery, Cancer Treatment Symposia, 1984, Seite 111, 115 ergibt und die Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen bestätigt hat, wurde im Prioritätszeitpunkt ein System mit einer Leistung von mindestens 18 MeV erwartet, weil dies eine Anwendungstiefe von bis zu 6 cm versprach und damit die Bandbreite der Anwendungsfälle für eine intraoperative Elektronenstrahltherapie vollständig abdeckte. Zwar mag schon damals bekannt gewesen sein, dass, wie sich aus nach dem Prioritätstag erschienenen Veröffentlichungen ergibt (s. etwa Biggs, Enzyclopedia of Medical Devices and Instrumentation, Second Edition, 2006, S. 21, Anl. P17[18]), in etwa 80 bis 90 % aller Fälle tatsächlich nur eine Elektronenenergie von bis zu 12 MeV für die Bestrahlung verwendet und benötigt wird. Solange aber kein Grund dafür erkennbar war, sich mit einer Vorrichtung zu begnügen, die nur einen, wenn auch wesentlichen Teil der üblichen (und möglicherweise künftig zu erwartenden) Einsatzmöglichkeiten eines Elektronenstrahltherapiesystems abdeckte, gab es weder für den Anwender einen Anlass, sich hiermit zu begnügen, noch bestand für den Konstrukteur Veranlassung auszuloten, ob anderweitige Vorteile, die mit einer Vorrichtung verringerter Leistungsfähigkeit verbunden waren, aus strahlenmedizinischer Sicht möglicherweise geeignet waren, den Nachteil eines in der Spitze beschränkten Leistungsspektrums auszugleichen oder jedenfalls hinnehmbar erscheinen zu lassen.
d) Die tatsächliche Entwicklung bestätigt, dass bis zum Prioritätstag auch bei ausschließlich für die intraoperative Elektronenstrahltherapie konzipierten Systemen an der Verwendung von Umlenkmagneten und aufwendigen und massiven Abschirmungsmaßnahmen sowohl am System selbst als auch bei den zur Aufnahme des Systems vorgesehenen Räumlichkeiten festgehalten worden ist. Belegt wird dies sowohl durch das S. -Gerät Mevatron-ME (s. Anl. P4) als auch - beispielsweise - durch die Beiträge zum 4. Internationalen IORT-Symposium 1992 in München (P10), auf dem verschiedene neuere Konzepte für speziell für die intraoperative Elektronenstrahltherapie ausgerüstete Operationssäle vorgestellt wurden.
e) Angesichts dieses Befundes war der Gegenstand der Erfindung auch nicht dadurch nahegelegt, dass dem Fachmann, wie der Sachverständige annimmt, bekannt gewesen sein mag, dass er mit einem X-Band-Beschleuniger die Beschleunigungsstrecke zumindest theoretisch deutlich verkürzen konnte. Bei Green (NK42 S. 26 unten) wird die Verwendung von X-Band-Beschleunigern noch als unpraktikabel bezeichnet ("In theory the use of the higher frequency has the advantage of bringing down the dimensions of the accelerating waveguide and thus permitting the design of a more compact system. It also has the disadvantage of bringing down the dimensional tolerances by the same factor. This, plus difficulties in finding reliable microwave generators to work at the required power level, has made it impracticable to operate X Band accelerators up to the present time."). Dies bestätigt das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht (konkret) bestrittene Vorbringen der Beklagten, dass 6MeV-S-Band-Beschleuniger trotz der niedrigeren Shunt-Impedanz wegen der unterschiedlichen Leistung der verfügbaren Magnetrone in der Praxis sogar deutlich kürzer als vergleichbare X-Band-Beschleuniger gewesen seien.
Auch wenn am Prioritätstag verbesserte Magnetrone verfügbar gewesen sein mögen - worauf zumindest die Beschreibung des Streitpatents hindeutet - und der Fachmann grundsätzlich Anlass hatte, bei der Entwicklung eines intraoperativen Bestrahlungssystems einer solchen Entwicklung Beachtung zu schenken, genügt dies nicht, um die erfindungsgemäße Lösung als nahegelegt ansehen zu können. Der Sachverständige hat unwidersprochen und einleuchtend erläutert, dass die Auslegung einer geeigneten Kombination von Linearbeschleuniger und Magnetron eine komplexe Aufgabe darstellt und nicht schlicht aus der höheren Frequenz eines X-Band-Beschleunigers auf seine bessere Eignung für den Linearbeschleuniger eines intraoperativen Bestrahlungssystems geschlossen werden kann. Es kommt hinzu, dass ein mobiles System erst dann in den Bereich des Realisierbaren geriet, wenn nicht nur der Linearbeschleuniger geeignet ausgewählt wurde und für diesen ein geeignetes Magnetron zur Verfügung stand, sondern außerdem die maximale Elektronenenergie auf deutlich weniger als 18 bis 20 MeV reduziert wurde und insofern, wie es der Sachverständige ausgedrückt hat, ein Kompromiss zwischen den Wünschen der Anwender nach einem "Allround-System" und den technischen Möglichkeiten einer mobilen Lösung eingegangen wurde. Obwohl andere Schwierigkeiten hinzugekommen sein könnten (s. die Stellungnahme des Parteigutachters Prof. M. , Anl. BP13 S. 2: "I was more concerned whether a straight through design could deliver multiple energies with sufficient stability. Up until then, all multi-energy units, in my experience, used a bend magnet to help select the correct energy and to provide stable operation"), mag ein solcher Kompromiss nicht fernliegend erscheinen, wenn der Gedanke gefasst ist, dass es möglich sein könnte, die voluminösen und tonnenschweren Linearbeschleunigersysteme, die man bislang verwendet hatte, "auf Räder zu setzen". In diese Richtung wies indessen nichts, und da ohnehin ein erheblicher Aufwand zur Abschirmung erforderlich war und auch keine anderen Vorrichtungen verfügbar waren, mit denen man den Energie-Spitzenbereich, wenn nötig, erreichen konnte, gab es auch keinen Grund zu erwägen, diesen zugunsten einer mobilen Ausgestaltung des Gesamtsystems entfallen zu lassen. Soweit der gerichtliche Sachverständige dies in seinem schriftlichen Gutachten anders gesehen hat, ist diese Beurteilung vor dem Hintergrund der auch dem Urteil des Patentgerichts zugrunde liegenden unzutreffenden Prämisse zu sehen, das der Fachmann vor der Aufgabe stand, einen mobilen Linearbeschleuniger für die intraoperative Elektronenbestrahlung zur Verfügung zu stellen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es vor diesem Hintergrund auch nicht zu beanstanden, dass Patentanspruch 1 - auch in der verteidigten Fassung - den geschützten Gegenstand weder auf ein System mit X-Band-Beschleuniger beschränkt noch sonst, außer dem geradlinigen Elektronenpfad und dem damit verbundenen Verzicht auf einen Umlenkmagneten, konkrete Mittel angibt, mit denen ein mobiles System für die intraoperative Elektronenstrahltherapie erreicht werden kann. Die Ausführbarkeit der Erfindung steht nicht in Streit, und die Beschreibung gibt hierfür - was ausreicht - nähere Hinweise. Im Übrigen gilt: Was die Klägerin als "aufgabenhafte Formulierung" des Patentanspruchs rügt, nämlich das - in der verteidigten Fassung durch die Eignung zur intraoperativen Behandlung ergänzte - Merkmal der Mobilität, bezeichnet nach dem Vorstehenden den Kern der erfindungsgemäßen Lösung, der es gelungen ist, einen Weg zur Bereitstellung eines mobilen Systems aufzuzeigen. Angesichts dessen liegt kein Fall vor, in dem es geboten wäre, den geschützten Gegenstand auf die konkret offenbarte Ausführungsform eines solchen mobilen Systems zu beschränken (s. dazu BGH, Urteil vom 25. Februar 2010 - Xa ZR 100/05, BGHZ 184, 300 - Thermoplastische Zusammensetzung).
3. Die Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 begründet ebenso die Rechtsbeständigkeit der von diesem abgeleiteten Unteransprüche 2 bis 12, soweit sie sich auf die von der Beklagten beschränkt verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 rückbeziehen. Ebenso begründet sie die Rechtsbeständigkeit der Nebenansprüche 14 und 15, zu denen ein den Ansprüchen 1 bis 13 entsprechendes Elektronenstrahltherapiesystem gehört.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits sind der Klägerin gemäß § 121 Abs. 2 PatG, § 91 Abs. 1 ZPO, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufzuerlegen.
Meier-Beck |
|
Richter am Bundesgerichtshof |
|
Bacher |
|
|
Meier-Beck |
|
|
|
Hoffmann |
|
Schuster |
|