Entscheidungsdatum: 22.01.2013
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 11. Mai 2011 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Übertragung eines europäischen Patents.
Die Beklagte nahm im Jahr 2002 Kontakt zur Klägerin auf mit dem Ziel, eine Maschine zur Herstellung bestimmter Bohrwerkzeuge - entsprechend den Anforderungen einer Kundin - zu erwerben. Bis zur Bestellung einer solchen Werkzeugmaschine im August 2002 fertigte die Klägerin für die Beklagte verschiedene Probebohrer als Prototypen an, die teilweise auch bei der Kundin der Beklagten getestet wurden.
Am 23. Januar 2003 meldete die Beklagte ein Bohrwerkzeug unter Inanspruchnahme der Priorität einer Anmeldung zum Gebrauchsmusterschutz vom 18. Juli 2002 zum europäischen Patent an und gab ihren Geschäftsführer W. H. als Erfinder an. Der Hinweis auf die Ertei- lung des europäischen Patent 1 382 410 wurde am 26. April 2006 veröffentlicht; ein Einspruchsverfahren ist mit Rücksicht auf den vorliegenden Rechtsstreit ausgesetzt.
Patentanspruch 1 lautet:
"Bohrwerkzeug (1), hergerichtet zum Lösen und Aufbohren geschweißter oder gelöteter Verbindungselemente an Blechen, umfassend einen Schaft (3) mit einem ersten Ende (5) und einem zweiten Ende (7), wobei zumindest eines der Enden einen Bohrkopf (8, 81, 82) mit Spannuten (10) aufweist und das Bohrwerkzeug einen Zentrierkegel (11) aufweist, der aus einer Fläche, die durch Rotation des Bohrwerkzeugs um seine Schaftachse (2) von Hauptschneidkanten (91) beschrieben wird, hervorragt wobei die Hauptschneidkanten (91) des Bohrkopfs (8, 81, 82) zumindest abschnittsweise hinterschliffen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Bohrkopf zumindest drei Schneiden (9) aufweist und der Zentrierkegel (11) zumindest drei Schneidkanten (93) aufweist und die Schneidkanten (93) des Zentrierkegels (11) zumindest abschnittsweise positiv hinterschliffen sind."
Die Klägerin hat behauptet, die Erfindung sei von ihrem Geschäftsführer H. H. und einem ihrer Mitarbeiter, dem Maschinenbautechniker B. B. , gemacht worden, die ihre Ansprüche auf Übertragung der beiden Schutzrechte an die Klägerin abgetreten haben.
Das Landgericht hat die unter anderem auf Übertragung des europäischen Patents gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel hinsichtlich des europäischen Patents weiter; im Übrigen haben die Parteien übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin könne von der Beklagten nicht die Übertragung der Schutzrechte verlangen.
Die im europäischen Patent unter Schutz gestellte Erfindung betreffe im Kern ein Bohrwerkzeug mit zumindest drei Schneidkanten, die zumindest abschnittsweise hinterschliffen seien, und einem Zentrierkegel, der aus einer Fläche hervorrage, die durch die Rotation des Bohrwerkzeugs um seine Schaftachse von den Schneidkanten beschrieben werde, und ebenfalls mindestens drei Schneidkanten aufweise, die zumindest abschnittsweise positiv hinterschliffen seien. Ein solches Bohrwerkzeug ermögliche es, auch bei der Lösung punktgeschweißter Verbindungen sehr harter Bleche unter Verwendung einer Handbohrmaschine zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen. Die Beweisaufnahme habe nicht zur Überzeugung des Gerichts die Behauptung der Klägerin bestätigt, der Vorschlag, einen Bohrer mit drei Schneiden und einem Zentrierkegel einzusetzen, gehe auf ihren Geschäftsführer und ihren Mitarbeiter B. zurück. Die widerstreitenden Zeugenaussagen der von beiden Seiten angebotenen Zeugen hätten auch in Zusammenschau mit den weiteren Umständen des Geschehens zu keinem eindeutigen Bild geführt. Zugunsten der Klägerin könne unterstellt werden, dass einzelne Details der Bohrergeometrie, wie etwa bestimmte Winkelmaße, von ihrem Mitarbeiter B. entwickelt worden seien. Für die mit der Klage verfolgten Ansprüche komme es indessen darauf an, von wem die in den Schutzrechten unter Schutz gestellte Merkmalskombination entwickelt worden sei. Diese enthalte keine konkreten Angaben zu derartigen Details.
II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die erfindungsgemäß vorgesehenen drei Schneidkanten, die Anordnung des Zentrierkegels sowie die Maßnahme, die Hauptschneidkanten und die Schneidkanten des Zentrierkegels zumindest abschnittsweise zu hinterschleifen, auf den Geschäftsführer oder den an der Entwicklung beteiligten Mitarbeiter der Klägerin zurückgehen. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die dagegen von der Revision erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch; von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 564 ZPO).
Ein Anspruch der Klägerin auf Übertragung der Alleininhaberschaft an dem Patent scheidet damit aus.
2. Hingegen schließen die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht aus, dass der Klägerin ein Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung zusteht.
a) Die Frage, wer die technische Lehre eines Patents erfunden hat, ist nicht allein anhand der Ansprüche und der darin zum Ausdruck kommenden Merkmalskombination(en) zu beantworten. Schöpferische Beiträge zu der Erfindung (s. dazu BGH, Urteil vom 17. Oktober 2000 - X ZR 223/98, GRUR 2001, 226 unter 1 a mwN - Rollenantriebseinheit) können sich vielmehr auch in technischen Merkmalen von Ausführungsbeispielen und anderen Hinweisen der Beschreibung zu möglichen Ausgestaltungen der Erfindung widerspiegeln. Maßgeblich für die Erfassung einer möglichen schöpferischen Beteiligung an dem Gegenstand des Schutzrechts ist deshalb nicht allein die Formulierung der Ansprüche, sondern der Gesamtinhalt der Patentanmeldung einschließlich der Beschreibung und der Zeichnungen (BGH, Urteil vom 17. Mai 2011, GRUR 2011, 903 Rn. 17 - Atemgasdrucksteuerung). Auf die Fassung der Ansprüche des erteilten oder später beschränkten Patents kommt es dabei nur insofern an, als sich aus ihnen ergeben kann, dass ein Teil der in der Beschreibung dargestellten Erfindung nicht (mehr) zu demjenigen Gegenstand gehört, für den mit dem Schutzrecht Schutz gewährt wird, weil eine beschriebene Ausführungsform nicht (mehr) unter die Ansprüche subsumiert werden und daher eine Miterfinderschaft an dem geschützten Gegenstand auch nicht begründen kann (BGH, Urteile vom 20. Februar 1979 - X ZR 63/77, BGHZ 73, 337, 343 f. - Biedermeiermanschetten; vom 17. Mai 2011 aaO Rn. 16 - Atemgasdrucksteuerung).
b) Das Berufungsgericht durfte daher nicht offenlassen, ob Details der Bohrergeometrie, wie bestimmte Winkelmaße, auf den Maschinenbautechniker B. zurückgehen. Denn mit Patentanspruch 2 wird ein Bohrwerkzeug beansprucht, bei dem die Schneidkanten des Zentrierkegels schräg zur Vorschubrichtung verlaufen, insbesondere einen kleineren Spitzenwinkel als die Hauptschneiden aufweisen. Patentanspruch 8 sieht konvex geformte Bereiche der Freiflächen der Hauptschneiden vor, die nach Patentanspruch 9 derart geformt sein sollen, dass der Bohrer verkantungsfrei bis zu 10° zur Normalen einer Werkstückoberfläche arbeitet. In der Beschreibung der Patentschrift werden Winkelmaße verschiedentlich erörtert (Abs. 16, 23, 32 f., 35, 37). Die Feststellungen des Berufungsgerichts schließen nicht aus, dass hierin - gegebenenfalls in abstrahierter Form - schöpferische Beiträge des Mitarbeiters der Klägerin zu einer gegenüber Patentanspruch 1 konkretisierten vorteilhaften Geometrie des erfindungsgemäßen Bohrers zum Ausdruck kommen, die entweder bereits Gegenstand eines Unteranspruchs sind oder bei einer etwa notwendig werdenden Beschränkung des Patents im Einspruchsverfahren zum Gegenstand eines Patentanspruchs gemacht werden könnten, wie dies im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren geschehen ist, in dem Einzelheiten des Verlaufs der Schneidkanten in Schutzanspruch 1 aufgenommen worden sind.
III. Das Berufungsurteil erweist sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend. Für die von der Revisionserwiderung angenommene Verwirkung der Klageansprüche bieten die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts keine Grundlage.
IV. Die Sache ist daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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