Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 21.02.2012


BGH 21.02.2012 - X ZR 2/10

Patentrecht: Nichtigkeit eines Patents über die Verarbeitung von Telefonaten mit Prepaid-Karten


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
21.02.2012
Aktenzeichen:
X ZR 2/10
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend BPatG München, 2. September 2009, Az: 5 Ni 65/09 (EU), Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin und ihrer Streithelferin wird das am 2. September 2009 verkündete Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert. Das europäische Patent 0 572 991 wird im Umfang seiner Patentansprüche 1, 2, 3, 5 und 6 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte ist Inhaber des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 572 991 (Streitpatents). Das Streitpatent wurde am 2. Juni 1993 unter Inanspruchnahme der Priorität einer israelischen Patentanmeldung vom 2. Juni 1992 angemeldet. Es betrifft "a method of processing prepaid telephone calls" und umfasst sechs Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch:

"A method of processing telephone calls, particularly for use in connection with public telephones, comprising the steps of

(a) programming a respective Public Automatic Branch exchange (PABX) to become toll-free accessible for incoming calls through dialling any one out of a series of predetermined numbers stored in a data-bank of the PABX;

(b) enabling a calling party to complete a connection with a called party;

(c) cutting-off the said connection after a prefixed time/counter pulses interval;

(d) erasing from the data-bank any number that had once been dialled;

(e) marking the said series of numbers, each on a vendible carrier member in an invisible - however readily exposable - manner; and

(f) offering the vendible carrier members for sale to the general public,

so that purchasers of the carrier members, after exposing the respective number, are enabled to place a call for the duration of the said interval."

2

Mit Urteil vom 7. März 2006 hat der erkennende Senat eine Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent abgewiesen (X ZR 213/01, BGHZ 166, 305 - Vorausbezahlte Telefongespräche).

3

Mit der vorliegenden Nichtigkeitsklage machen die Klägerin und ihre Streithelferin geltend, die Gegenstände der Patentansprüche 1, 2, 3, 5 und 6 des Streitpatents seien nicht patentfähig.

4

Der Beklagte hat in erster Instanz das Streitpatent hilfsweise in der Fassung von zwei Hilfsanträgen verteidigt.

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Das Patentgericht hat das Streitpatent unter Abweisung der Klage im Übrigen dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es ihm (in deutscher Sprache) die Fassung des zweiten Hilfsantrags des Beklagten gegeben hat. Schritt (a) hat danach die folgende Fassung erhalten:

"Programmieren eines jeweiligen öffentlichen automatischen Zweigarms (PABX) zum gebührenfreien Zugang für eingehende Anrufe durch Wählen einer beliebigen Nummer aus einer Serie von vorbestimmten Nummern, die in einer Datenbank des PABX gespeichert sind und die sich von der Masse der relevanten Teilnehmernummern unterscheiden."

6

Schritt (e) lautet danach:

"Markieren der Serien von Nummern, jede auf einem verkäuflichen Trägerelement in Form einer Karte oder eines Tickets in unsichtbarer, jedoch leicht freilegbarer Weise, wobei die Nummer aufgedruckt und durch eine Schicht aus entfernbarem, undurchsichtigem Belag bedeckt ist."

7

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin und ihrer Streithelferin, die weiterhin die Nichtigerklärung des Streitpatents im Umfang des erstinstanzlichen Angriffs begehren.

8

Dem tritt der Beklagte entgegen, der mit seiner eigenen Berufung die vollständige Abweisung der Nichtigkeitsklage anstrebt und das Streitpatent weiterhin hilfsweise in der Fassung eines Hilfsantrags verteidigt. Danach soll Schritt (e) die im Urteil des Patentgerichts enthaltene Fassung erhalten.

9

Als gerichtlicher Sachverständiger hat Professor Dr. K.   , Universität B.   , ein mündliches Gutachten erstattet, in dem er sein im ersten Nichtigkeitsverfahren erstattetes schriftliches Gutachten ergänzt hat.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Berufung der Klägerin und ihrer Streithelferin ist begründet; die Berufung des Beklagten bleibt ohne Erfolg.

11

I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Verarbeiten (processing) von im Voraus bezahlten Telefonanrufen (prepaid telephone calls). Die Beschreibung bezeichnet es als neueste Entwicklung auf diesem Gebiet, die mit Münzen zu bedienenden öffentlichen Telefonapparate durch Apparate zu ersetzen, bei denen eine Magnetkarte zum Einsatz kommt. Diese Entwicklung habe sich aus der Erkenntnis der Nachteile der Münztelefone ergeben, die darin bestünden, dass der Benutzer im Besitz von passenden Münzen sein müsse sowie dass die Apparate regelmäßig gewartet werden müssten und Vandalismus und Diebstahl ausgesetzt seien.

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Bei dem Einsatz von bekannten Magnetkarten, speziellen Telefonkarten oder Kreditkarten sei, so die Beschreibung, zwar das Problem zum Teil, nämlich insofern gelöst, als eine Karte für eine größere Anzahl von Telefonanrufen eingesetzt werden könne. Nachteilig sei aber die beträchtliche Anfangsinvestition in die Ausstattung, Einrichtung und Instandhaltung für die mit Magnetkarten zu betreibenden Telefonapparate.

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Die Streitpatentschrift beschreibt sodann das Verfahren nach der US-Patentschrift 4 706 275 (E1; "Kamil"). Das dort vorgeschlagene Verfahren und System zur Verarbeitung im Voraus bezahlter Telefonanrufe stütze sich auf spezielle überprüfbare Codezahlen, die den Anrufern gegen Erwerb eines Guthabens zugeteilt würden. Die Guthaben würden im Computer spezieller Zentralstationen gespeichert, so dass Anrufe von jedem beliebigen privaten Telefon ermöglicht würden. An diesem Verfahren kritisiert die Streitpatentschrift als Nachteil, dass der an der Nutzung dieses Verfahren Interessierte eine Reihe vorbereitender Schritte durchlaufen müsse meistens über Kreditkartenunternehmen , um die Berechtigung zur Nutzung des Systems zu erhalten.

14

Die Streitpatentschrift bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, die Nachteile der öffentlichen Münz und Magnetkartentelefonanschlüsse zu vermeiden und zugleich jede vorherige Verbindung mit Telefon oder Kreditkartenunternehmen überflüssig zu machen.

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Patentanspruch 1 des Streitpatents schlägt dazu als Lösung ein Verfahren vor, das der Senat im ersten Nichtigkeitsurteil in folgende Schritte gegliedert hat:

a) Programmieren einer öffentlichen automatischen Nebenstellen- (oder Telekommunikation-)Anlage (Public Automatic Branch Exchange - PABX) zum gebührenfreien Zugang für eingehende Anrufe durch Wählen einer Nummer aus einer Serie von vorbestimmten Nummern, die in einer Datenbank des PABX gespeichert sind;

b) Ermöglichen, eine Verbindung mit einem Angerufenen herzustellen;

c) Abbrechen der Verbindung nach einer festgesetzten Zeit oder einem festgesetzten Zählimpulsintervall;

d) Löschen jeder Nummer, die einmal gewählt worden ist, aus der Datenbank;

e) Notieren jeder Nummer aus der Serie auf einem verkäuflichen Trägerelement in unsichtbarer, jedoch leicht freilegbarer Weise; und

f) Anbieten der verkäuflichen Trägerelemente zum Verkauf an das Publikum.

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Erfindungsgemäß wird die öffentlich zugängliche automatische Telekommunikationsanlage so eingerichtet, dass durch die Eingabe der in der Beschreibung als secret code number (SCN) bezeichneten Ziffernfolge ein Gespräch für eine vorbestimmte Dauer ermöglicht wird. Der Zugang zu dem programmierten System durch Wählen einer Nummer aus einer Serie von vorbestimmten Nummern soll nach Schritt (a) so eingerichtet sein, dass er für den Kunden gebührenfrei ist. Auf welche Weise dies geschehen soll, lässt das Streitpatent offen. Die Beschreibung (Sp. 2 Z. 46 bis 51) gibt an, dass die Geheimnummer zufällig aus einer Reihe von Nummern ausgewählt werde, die sich von den Teilnehmernummern ("the bulk of the relevant subscriber numbers") unterschieden. Eine solche Geheimnummer könne eine gebührenfreie Vorwahlnummer einschließen ("may include, as a prefix, the relevant toll-free number [800 as in the U.S.]"). In Patentanspruch 2 ist dies dahin formuliert, dass das Verfahren nach Patentanspruch 1 ferner den Schritt umfasse, zunächst eine gebührenfreie Zugangsnummer zum System zu wählen. Das bedeutet, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 eine gebührenfreie Vorwahl erlaubt, aber nicht erfordert. Soll mithin die Geheimnummer selbst den Zugang zum System ermöglichen, muss sie sich notwendigerweise von den "Zugangsnummern" anderer Teilnehmer unterscheiden. Eine solche Notwendigkeit besteht hingegen nicht, wenn bereits die gebührenfreie Vorwahl sicherstellt, dass der Anruf bei dem erfindungsgemäßen Telekommunikationssystem (PABX) eingeht. Schritt (d) sieht das Löschen (erasing) einer einmal (once) gewählten Geheimnummer aus der Datenbank vor. Damit wird erreicht, dass die Geheimnummer, die die zulässige Gesprächsdauer verkörpert, als "verbraucht" gekennzeichnet wird, wenn die Gesprächszeit abgelaufen und die Verbindung deswegen abgebrochen worden ist (Schritt (c)). Sonst könnte sie ein zweites Mal verwendet werden.

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II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

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Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung sei durch die im Prioritätsintervall veröffentlichte britische Patentanmeldung 2 252 270 (E5) nahegelegt. Die Priorität könne für diesen Patentanspruch nicht wirksam in Anspruch genommen werden, da insoweit nicht dieselbe Erfindung geschützt sei, wie sie in der Voranmeldung offenbart sei. Diese enthalte hinsichtlich der Geheimnummer eine einschränkende Definition. Die Geheimnummer müsse danach derart ausgewählt werden, dass sie selbst keine Teilnehmerrufnummer sei oder sich zumindest von der Masse der normalen Teilnehmerrufnummern unterscheide. Dagegen lehre Patentanspruch 1, dass es hinsichtlich der Auswahl der Geheimnummer keine sachlichen oder technischen Einschränkungen gebe. Außerdem verlange die Voranmeldung eine Maskierung der Geheimnummer ("masking said numbers"), wohingegen Patentanspruch 1 anstelle von "masking" von "marking" spreche. Der Fachmann, als den das Patentgericht einen Nachrichtentechniker und/oder Informatiker mit abgeschlossener Hochschulausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Telekommunikation angesehen hat, verstehe unter "masking" das Überdecken mit einer Schicht (Maske), demgegenüber verstehe er unter "marking" lediglich das Aufbringen der Zugangsnummer auf das Trägerelement, noch ohne dieses zu überdecken oder zu verdecken. Zwar verlange Patentanspruch 1 weiter, dass die Nummer unsichtbar, jedoch leicht freilegbar sein solle. Dazu böten sich aber unterschiedliche Maßnahmen, beispielsweise eine Überdeckung der ausgebrachten Nummer mit einer Schicht unmittelbar auf dem Trägerelement oder eine Umhüllung des gesamten Trägerelements, an.

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Auch der Gegenstand des Hilfsantrags I sei nahegelegt, da auch insoweit die Priorität nicht in Anspruch genommen werden könne.

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Dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags II komme dagegen das geltend gemachte Prioritätsrecht zu. Er sei weder durch die (bereits im Vorprozess diskutierte) E1 noch durch die von der Klägerin und ihrer Streithelferin behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen vorweggenommen oder nahegelegt. Vom Gegenstand der E1 unterscheide sich die Erfindung zumindest durch das Löschen der einmal gewählten Nummern aus der Datenbank und die Auswahl der Nummern derart, dass sie sich von der Masse der relevanten Teilnehmernummern unterschieden. Die behaupteten Vorbenutzungshandlungen offenbarten das erfindungsgemäße Verfahren gleichfalls nicht. Sie beträfen verschiedene Telefonkarten der Telekommunikationsunternehmen A.   ("T.   "), W.          ("A.   "-Telefonkarte), S.     und P.     , denen Folgendes gemeinsam sei:

● Die Karten umfassten ein Trägermaterial, auf das eine Nummer (Geheimzahl, PIN, SCN) in unsichtbarer, jedoch leicht freilegbarer Weise aufgebracht sei;

● die Karten seien mit einer Anleitung für den Käufer versehen, aus der hervorgehe, dass zur Benutzung der Karte eine bestimmte (gebührenfreie oder gebührenpflichtige) Zugangsnummer zu wählen sei, anschließend die Geheimzahl eingegeben werden müsse und darauf folgend der gewünschte Dienst (Ansage, Übersetzung, Telefongespräch) ausgewählt werden könne;

● die Karten seien für eine im Voraus festgelegte Gesprächsdauer in Form von Einheiten ("units") angeboten worden;

● die Karten umfassten selbst kein Speicherelement, in dem das Gesprächsguthaben gespeichert wäre, seien mithin keine "stored memory cards" oder "stored value cards", sondern sogenannte "remote memory cards".

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Die Karten als solche offenbarten aber nichts über die vermittelnde Telefonzentrale, weder, wie diese aufgebaut sei, noch, welche Verfahrensschritte in ihr abliefen, um dem Anrufer das Telefongespräch zu ermöglichen. Es sei nicht ersichtlich oder ableitbar, ob und wie die Gültigkeit einer Geheimzahl geprüft werde und ob diese dazu in einer Datenbank gespeichert oder nur eine Prüfvorschrift implementiert sei. Allein der schriftlich eingereichten Erklärung des als Zeugen angebotenen W.   J. S.   könne entnommen werden, dass bei den A.    -Karten die Nummern in der Datenbank des Vermittlungscomputers gespeicherte 9stellige Zahlen gewesen seien. Es bleibe jedoch offen, ob die einmal gewählten Geheimzahlen aus der Datenbank gelöscht worden seien, nach welchen Kriterien die Geheimzahlen ausgewählt worden seien und inwieweit sie sich von den Teilnehmernummern unterschieden hätten, und es könne auch nicht angenommen werden, dass dies durch Nachfrage bei der Telefongesellschaft in Erfahrung zu bringen gewesen sei.

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Das Löschen nicht mehr benötigter Geheimzahlen habe zwar nahegelegen. Für den Fachmann habe aber keine Veranlassung bestanden, besondere Kriterien für die Auswahl der Geheimnummer in Betracht zu ziehen, da Verwechselungen mit Teilnehmernummern schon dadurch ausgeschlossen gewesen seien, dass das System über eine spezielle eindeutige gebührenfreie oder gebührenpflichtige Zugangsnummer erreichbar gewesen sei.

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III. Dies hält im Ergebnis den Angriffen der Berufung des Beklagten, nicht aber der Berufung der Klägerin und ihrer Streithelferin stand.

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1. Der Senat hat im Vorprozess zur erfinderischen Tätigkeit ausgeführt (BGHZ 166, 305 Rn. 30):

"Der Fachmann, der es sich zur Aufgabe gestellt hatte, eine möglichst einfache und preiswerte Lösung für die Verarbeitung von im Voraus bezahlten Telefonanrufen zu finden, kannte die Möglichkeit, dazu Chip- oder Magnetkarten einzusetzen. Diese werden in der Streitpatentschrift ausdrücklich erwähnt. Sie haben den Nachteil, dass aufwendige Lesegeräte erforderlich sind und dass der Kunde nur ein Telefon benutzen kann, das ein solches Lesegerät aufweist. Die Lösung der US-Patentschrift (scil. E1) vermied zwar diese Nachteile, machte aber eine Verbindung zwischen der Verkaufsstelle und der Datenbank des Diensteanbieters und eine individuelle Abwicklung erforderlich; die Möglichkeit einer Vorkonfektionierung eröffnete sie nicht. Im Falle des Erwerbs eines Guthabens durch einen Kunden war es erforderlich, mittels elektrischer oder elektronischer Übermittlung Kontakt zu der Datenbank des Diensteanbieters aufzunehmen, wo das vom Kunden gewünschte Guthaben einem Spezialcode zugeordnet werden musste. Sodann musste diese Identifikationsnummer über die Verbindung mit der Verkaufsstelle dem Kunden zugänglich gemacht werden. Der Fachmann kannte damit zwei Arten der Speicherung der zur Durchführung vorbezahlter Telefonanrufe erforderlichen Daten, nämlich zum einen die Variante, bei der die Daten sämtlich auf einem auf der Karte befindlichen Chip oder Magnetstreifen gespeichert sind, und zum anderen die Variante, dass die Daten in einer Datenbank in der Weise gespeichert sind, dass ein bestimmtes Guthaben einer bestimmten Identifikationsnummer zugeordnet ist. Er kannte außerdem zwei Arten des Vertriebs von vorbezahlten Telefonanrufen, nämlich zum einen den "Verkauf" der Chip- oder Magnetkarte, auf der Guthaben mit standardisierten festen Beträgen gespeichert sind und die deshalb einen Vertrieb an variablen Verkaufsstellen ermöglichen, und zum anderen den Erwerb des Guthabens, die anschließende Zuordnung eines Spezialcodes zu diesem Guthaben und die Übermittlung des Spezialcodes an den Kunden als Legitimation zur Durchführung von vorbezahlten Telefonaten, der durch diesen Aufwand und die damit verbundenen Anforderungen an die Vertriebsstellen dem Vertrieb Grenzen setzte. Der gerichtliche Sachverständige hat es zwar für möglich gehalten, dass der Fachmann, der die verschiedenen Systeme mit ihren spezifischen Nachteilen kennt, in der Lage ist, diese zu kombinieren, er hat dies jedoch für den Zeitpunkt der Priorität des Streitpatents als "unsicher" bezeichnet. Der Senat hat keine Umstände feststellen können, die den Fachmann hierzu veranlassen konnten."

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2. Der Senat hat damit im Vorprozess angenommen (BGHZ 166, 305 Rn. 31), dass der Fachmann dem Stand der Technik (E1) die Möglichkeit entnehmen konnte, besondere Einrichtungen für eine Magnet- oder Chipkarte dadurch zu vermeiden, dass er die erforderlichen Daten, nämlich zum einen die Höhe des Guthabens und zum anderen die zum Nachweis der Anspruchsberechtigung erforderliche Identifikationsnummer (PIN), in einer zentralen Datenbank speicherte. Damit war jedoch nicht die Möglichkeit eröffnet, sich wie bei einer Magnet- oder Chipkarte durch den schlichten Erwerb eines Datenträgers Zugang zu einem Zeit- oder Einheitenguthaben zu verschaffen, das mittels eines beliebigen Telefons "abtelefoniert" werden konnte. Dazu musste vielmehr der "special (customer) code" der E1 von einer persönlichen Identifikationsnummer (PIN), die Zugang zu einem (persönlichen) Guthaben verschaffte, in eine ein (nur) betragsmäßig festgelegtes Telefoneinheitenguthaben "verbriefende" (Geheim-)Nummer umgewandelt werden. Der Senat hat angenommen, im Prioritätszeitpunkt habe der Fachmann hierzu dem Stand der Technik keine Anregung entnehmen können.

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3. Eine solche Anregung ergab sich indessen aus den nunmehr vorgelegten Presseveröffentlichungen vom 11. und 12. Mai 1992 (etwa drei Wochen vor dem Prioritätstag) über das von A.   vorgestellte "T.    ".

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Danach erfuhr der Fachmann aus dem "Wall Street Journal" (E603), der "New York Times" (E6-06) und dem Nachrichtenservice "Communications Daily" (E6-07) folgende Einzelheiten über das "T.    ":

● "A.   said it had introduced a foreign-language phone service that would enable visitors to the US to prepay for … telephone calls."

● "Customers can buy small credit-cardlike tickets similar to the coin cards for pay phones in France and Japan, although they do not insert the cards into phones or other devices. Customers won't have to search for a special phone that takes its debit card."

● "Customers purchase tickets in "unit" denomination of 10 ($6), 25 ($15) or 50 ($30). … A.   hopes to distribute the debit cards through numerous channels overseas, including travel agents, airlines and tourist bureaus."

● "When users call 800 number, computerized voice asks them to punch in number on ticket, and caller is told how many units are available."

● "… first dialing an "800" number, then a 10-digit "teleticket" number … an identification number that also tells the A.   system the customer's regular language."

● "Once the call is completed, the cost of the call is deducted from the customer's prepaid card account."

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Dies lässt sich wie folgt zusammenfassen:

● Das TeleTicket besteht aus einer kreditkartenähnlichen Karte, die jedoch keinen Magnetstreifen oder Chip enthält und nicht in ein hierfür eingerichtetes Telefongerät eingeführt wird. Sie ist insbesondere für ausländische Besucher der Vereinigten Staaten bestimmt und soll über verschiedene Vertriebskanäle wie Reise- und Tourismusbüros und Fluggesellschaften vertrieben werden.

● Die Karten haben standardisierte Werte von 6, 15 oder 30 $ (bzw. 10, 25 oder 50 Einheiten) und ermöglichen vorausbezahlte Telefongespräche.

● Ein besonderes Telefon ist hierfür nicht erforderlich. Es ist zunächst eine gebührenfreie Nummer zu wählen (800) und sodann eine 10stellige "TeleTicket-Nummer" einzugeben, die sich auf der Karte befindet.

● Nach Eingabe dieser "TeleTicket-Nummer", die A.   die (vermutete) Sprache des Kunden verrät, wird diesem in seiner Sprache das verfügbare Guthaben mitgeteilt.

● Der Kunde kann sodann zwischen verschiedenen Ansagen und einem Telefongespräch wählen.

● Nach Beendigung des Gesprächs werden die Kosten vom "prepaid card account" des Kunden abgezogen.

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Damit geht aus dieser Berichterstattung der entscheidende Gesichtspunkt hervor: Ein standardisiertes Guthaben wird einem "TeleTicket" zugeordnet und kann (wiederholt) durch Eingabe der 10-stelligen "TeleTicket"-Nummer mit der Folge genutzt werden, dass sich das Guthaben um die Kosten des jeweiligen Gesprächs vermindert. Dass nur eine Prüfvorschrift implementiert sein könnte, wie das Patentgericht gemeint hat, trifft mithin nicht zu. Ebenso ist nicht zweifelhaft, dass die Funktion der "TeleTicket"-Nummer, die Mitteilung des (Rest-)Guthabens zu ermöglichen, voraussetzt, dass in der A.   -Datenbank vor dem Versand an Reisebüros in aller Welt Informationen dazu vorhanden sind, was vermutlich die Sprache des Nutzers sein wird, und welches Einheitenguthaben für die von ihm eingegebene "TeleTicket"-Nummer verfügbar sein soll. Denn weil die "TeleTicket"-Nummer nicht einem bestimmten Kunden, sondern einem bestimmten Einheitenguthaben (und einem Sprachraum) zugeordnet ist, gibt es keinen Grund, die Zuordnung aufwendig erst anlässlich der Abgabe einer einzelnen Karte vorzunehmen.

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Es ist dann auch die vom Patentgericht zu Recht als selbstverständlich angesehene Maßnahme offenbart, dass die Geheimnummer nach dem Gespräch "gelöscht" wird, d.h. kenntlich gemacht wird, dass oder inwieweit das Guthaben verbraucht worden ist. Übrig bleiben dann nur die vom Patentgericht gesehenen besonderen Anforderungen an die Auswahl der Geheimnummer. Solche Anforderungen stellt das Streitpatent, wie ausgeführt, an die Geheimnummer indessen nicht. Es genügt vielmehr, dass die gebührenfreie Vorwahl sicherstellt, dass der Anrufer die Zentrale und nicht irgendeinen anderen Telekommunikationsanschluss erreicht. Nichts anderes geschieht sowohl bei der E1 als auch bei dem "TeleTicket".

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Es mag sein, wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass der Fachmann gegenüber der Berichterstattung in Zeitungsartikeln, die sich nicht an Fachleute, sondern an die breite Öffentlichkeit wenden, ein gewisses Misstrauen entgegengebracht hat und der Berichterstattung zudem keine Einzelheiten entnehmen konnte. Die Berichterstattung gab ihm jedoch Anlass dazu, sich Gedanken zu machen, wie die technische Umsetzung der dort beschriebenen Möglichkeit einer Kombination von Karte, standardisierten Werten und persönlicher Identifikationsnummer sich verwirklichen ließ. Dabei mag es sein, dass es eine offene Frage blieb, ob eine weitere Autorisierung des Kunden oder eine Aktivierung des Guthabens vor der Ermöglichung des Telefonats erforderlich blieben. Dies mag auch bei der nach dem Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung später verwendeten Variante, bei der die SCN auf dem die Karte enthaltenden Umschlag als Barcode aufgedruckt war, der Fall gewesen sein. Denn der aufgedruckte Barcode deutet darauf hin, dass ein Rest an Kommunikation zwischen der Verkaufsstelle und dem Diensteanbieter erforderlich blieb, bevor die Telefonkarte verwendet werden konnte. Dies ist hingegen nicht entscheidend, da das Streitpatent diesen Schritt nicht ausschließt. Als Anregung ausreichend ist, dass die Zeitungsartikel die grundsätzliche Möglichkeit der Vorkonfektionierung aufzeigten und dem Fachmann Veranlassung gaben, die Umsetzung zu realisieren.

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4. Die mit dem Hilfsantrag verteidigte Fassung unterscheidet sich vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung dadurch, dass als Trägerelement eine Karte oder ein Ticket angegeben wird und auf dieser die Nummer aufgedruckt und durch eine Schicht aus entfernbarem undurchsichtigen Belag bedeckt ist. Die Art und Weise, wie die Nummer dem Erwerber der Karte bekannt gegeben wird, betrifft nicht das Ermöglichen der vorausbezahlten Telefonanrufe selbst, sondern die Frage, wie die dem Erwerber der Karte bekannt zu gebende Nummer vor dem Zugriff Dritter geschützt werden kann. Bei der Lösung dieses Problems hatte der Fachmann Veranlassung, sich allgemein mit solchen Tickets oder Karten zu befassen, die aufgedruckte geheim zu haltende Nummern aufweisen. Sogenannte "Rubbelkarten" waren bekannt; darüber besteht auch zwischen den Parteien kein Streit. Im Übrigen ergab sich diese Lösung auch aus der europäischen Patentanmeldung 326 724 (E2).

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5. Auch in der Fassung, die das Patentgericht Patentanspruch 1 gegeben hat, beruht sein Gegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Wie ausgeführt, kann das hinzugefügte Merkmal, nach dem sich die gespeicherten Nummern von den Teilnehmernummern unterscheiden, in der Ausführungsform nach Patentanspruch 2 schon dadurch verwirklicht werden, dass der eigentlichen Geheimnummer eine gebührenfreie Vorwahlnummer vorangestellt wird. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils war daher ebenso nahegelegt wie der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der mit Haupt- und Hilfsantrag des Beklagten verteidigten Fassung.

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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, §§ 91, 101, 100 ZPO. Gemäß § 101 Abs. 2 ZPO ist § 100 ZPO anzuwenden, denn die Nebenintervenientin gilt als Streitgenossin der Hauptpartei. Die durch die Nebenintervention entstandenen Kosten hat danach gleichfalls der Beklagte zu tragen, ohne dass es eines besonderen Ausspruchs im Urteilstenor bedarf.

Meier-Beck                                          Keukenschrijver                                             Mühlens

                             Grabinski                                                    Hoffmann