Entscheidungsdatum: 21.04.2015
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 27. September 2012 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
Die Beklagte ist Inhaberin des am 6. April 2001 angemeldeten und mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 193 511 (Streitpatents). Das Streitpatent, das die Priorität einer japanischen Anmeldung vom 10. April 2000 in Anspruch nimmt, umfasst fünf Patentansprüche. Patentanspruch 1, auf den die weiteren Ansprüche unmittelbar oder mittelbar rückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:
"Retroreflective sheeting having a printed layer (2), the sheeting comprising at least a reflective element layer (5) made up of a large number of reflective elements (4) and a holding body layer (3) and a surface protective layer (1) provided on said reflective element layer (5), said printed layer (2) is provided on the lateral faces of said reflective elements (4) or between said holding body layer (3) and said surface protective layer (1) or on said surface protective layer (1), which is characterized in that said printed layer (2) is formed of a discrete repetitive pattern of unit patterns, and said unit patterns each have an area of 0. 15 mm2 to 30 mm2."
Die Klägerin hat das Streitpatent in vollem Umfang angegriffen und geltend gemacht, sein Gegenstand sei nicht patentfähig. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat das Streitpatent hilfsweise in zehn beschränkten Fassungen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
I. Das Streitpatent betrifft eine rückstrahlende Folie, die eine gedruckte Schicht aufweist.
1. Nach der Patentbeschreibung sind retroreflektierende Folien bekannt und werden in weitem Umfang eingesetzt, etwa bei Verkehrsschildern, Baustellenschildern, Nummernschildern, Sicherheitswesten oder für Sensoren. Zum Teil würden dabei Folien mit Mikroglasperlen verwendet. Ein sehr viel besseres Rückstrahlverhalten wiesen Folien auf, die den Effekt rückstrahlender Würfeleckenelemente nutzten und deren Einsatz wegen ihrer hervorragenden Rückstrahleigenschaften von Jahr zu Jahr zugenommen habe. Als bekannt schildert die Beschreibung auch Folien mit dreieckigen Würfelecken, bei denen die seitlichen Oberflächen ihrer dreieckigen reflektierenden Elemente mit Metall bedampft sind. Eine solche durch Dampfablagerung hergestellte Folie weise den Nachteil auf, dass ihr Erscheinungsbild durch den Einfluss der Metallfarbe verdunkelt werde. Zur Verbesserung des Farbtons bei rückstrahlender Folie mit dreieckigen Würfelecken und bei durch Dampfablagerung hergestellter rückstrahlender Folie mit dreieckigen Würfelecken habe man eine durchgehende gedruckte Schicht (continuous printed layer) in einem Teil der Folie vorgesehen. Jedoch hafte eine solche gedruckte Schicht schlecht an der Schicht aus reflektierenden Elementen und an der Oberflächenschutzschicht. Zudem biete sie eine schlechte Witterungsbeständigkeit und nehme leicht Wasser auf (Abs. 7). Werde eine solche gedruckte Schicht bei einer rückstrahlenden Folie mit Mikroglasperlen als reflektierenden Elementen eingesetzt, zeige diese keine befriedigenden Rückstrahleigenschaften (Abs. 11).
Die Übersetzung des Begriffs "printed layer" als gedruckte - nicht: bedruckte - Schicht soll verdeutlichen, dass die Druckfarbe nicht notwendig auf eine eigene Trägerschicht aufgetragen wird, sondern unmittelbar auf einen anderen Bestandteil des Schichtaufbaus, etwa die seitliche Oberfläche der reflektierenden Elemente, aufgetragen werden kann.
2. Vor diesem Hintergrund besteht das technische Problem darin, eine rückstrahlende Folie mit einer gedruckten Schicht zur Einstellung des Farbtons bereitzustellen, die eine verbesserte Witterungsbeständigkeit aufweist und einfach und kostengünstig herzustellen ist.
3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine Folie mit folgenden Merkmalen vor (Gliederung des Patentgerichts in eckigen Klammern):
Rückstrahlende Folie [1], umfassend
1. zumindest eine Schicht (5) aus reflektierenden Elementen, bestehend aus
a. einer großen Anzahl von reflektierenden Elementen (4) und
b. einer Haltekörperschicht (3); [1.2 teilweise]
2. eine Oberflächenschutzschicht (1), die auf der Schicht (5) aus reflektierenden Elementen vorgesehen ist; [1.2 Rest]
3. eine gedruckte Schicht (2), [1.1]
a. die vorgesehen ist entweder
(1) auf den seitlichen Oberflächen der reflektierenden Elemente [1.3.1], oder
(2) zwischen der Haltekörperschicht (3) und der Oberflächenschutzschicht (1), [1.3.2] oder
(3) auf der Oberflächenschutzschicht (1), [1.3.3]
b. die ein diskretes, sich wiederholendes Muster aus Einheitsmustern aufweist, [1.4]
c. wobei die Einheitsmuster jeweils eine Fläche von 0,15 mm2 bis 30 mm2 haben. [1.5]
4. Einige Merkmale bedürfen der näheren Erläuterung.
a) Patentanspruch 1 spricht allgemein von rückstrahlenden Folien, die zumindest eine Schicht mit einer großen Anzahl von reflektierenden Elementen aufweisen. Darunter fallen nicht nur Folien mit dreieckigen Würfelecken, sondern auch Folien, bei denen als reflektierende Elemente etwa eine Vielzahl von Mikroglasperlen Verwendung finden. Erst Patentanspruch 2 ist auf rückstrahlende Folien mit dreieckigen Würfeleckenelementen als reflektierenden Elementen beschränkt, während Patentanspruch 3 eine weitere Einschränkung auf Folien mit dreieckigen Würfelelementen aufweist, bei denen die seitliche Oberfläche eine mittels Dampf abgelagerte Schicht aufweist.
b) Die Übersetzung von Patentanspruch 1 in der Fassung der DE 601 25 484 ist, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, hinsichtlich des Schichtaufbaus der Folie nicht gelungen. Sie vermittelt den Eindruck, es gebe eine Schicht (5) mit einer großen Anzahl reflektierender Elemente (4), außerdem eine Haltekörperschicht (3) sowie eine Oberflächenschutzschicht (1). Wie die Absätze 18 und 20 der Beschreibung sowie die Figuren 1 bis 3 des Streitpatents zeigen, umfasst die Folie demgegenüber eine Schicht (5) aus reflektierenden Elementen, die ihrerseits aus einer großen Anzahl von reflektierenden Elementen (4) und aus einer Haltekörperschicht (3) besteht. Außerdem gibt es eine Oberflächenschutzschicht (1) sowie eine gedruckte Schicht (2). Die vorstehende Merkmalsgliederung gibt diesen Schichtaufbau wieder.
c) Nach der Fassung von Patentanspruch 1 ist nicht ausgeschlossen, dass die Folie weitere Schichten umfasst. Die Ausführungsbeispiele zeigen etwa eine Bindemittelschicht, eine Klebeschicht und eine ablösbare Folienbahn (siehe Abs. 20, Figuren 1 bis 3). Das Patentgericht hat auch zu Recht angenommen, dass Merkmal 3 a (2) keine Beschränkung dahin enthält, dass die gedruckte Schicht unmittelbar zwischen der Haltekörperschicht und der Oberflächenschutzschicht angeordnet sein muss. Patentanspruch 1 schließt nicht aus, dass zwischen diesen Schichten weitere Schichten angeordnet sind.
d) Merkmal 1 kann nicht entnommen werden, dass die Schicht (5) ausschließlich aus den reflektierenden Elementen (4) und einer Haltekörperschicht (3) besteht. In diese Richtung weist allerdings zunächst, dass Patentanspruch 1 an dieser Stelle nicht davon spricht, dass die Schicht (5) reflektierende Elemente und eine Haltekörperschicht umfasst, sondern dass sie aus ihnen besteht (made up of). Andererseits kann nach Merkmal 3 a (1) die gedruckte Schicht auf den seitlichen Oberflächen der reflektierenden Elemente aufgebracht sein und sich damit jedenfalls dann im Bereich der Schicht (5) aus reflektierenden Elementen befinden, wenn die Haltekörperschicht aus der Richtung des Lichteinfalls vor den reflektierenden Elementen liegt. Ein entsprechendes Ausführungsbeispiel zeigt die Figur 3 der Streitpatentschrift.
e) Merkmal 2 ist nicht dahin zu verstehen, dass die Oberflächenschutzschicht unmittelbar auf der Schicht aus reflektierenden Elementen aufgebracht sein muss. Dies ergibt sich, anders als die Beklagte meint, auch nicht daraus, dass die Oberflächenschutzschicht nach Merkmal 2 "auf" der Schicht aus reflektierenden Elementen vorgesehen ist ("... provided on said reflective element layer ..."). Die Figuren 1 und 2 zeigen Ausführungsbeispiele, bei denen zwischen den genannten Schichten eine gedruckte Schicht angeordnet ist. Etwas anderes kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die gedruckte Schicht diskrete Elemente aufweist, denn dies bedeutet nicht notwendig, dass die umgebenden Schichten in den unbedruckten Bereichen in unmittelbarem Kontakt miteinander stehen. Die Beschreibung sieht vielmehr auch die Möglichkeit vor, dass die Druckfarbe auf einen Acrylfilm aufgetragen wird (Abs. 85 f.), der dann - beispielsweise - zwischen der Haltekörperschicht und der Oberflächenschutzschicht angeordnet wird, so dass diese nicht in unmittelbarem Kontakt stehen.
f) Eine eindeutige Aussage darüber, ob die Haltekörperschicht als die Schicht, die die reflektierenden Elemente hält, aus der Richtung des Lichteinfalls gesehen vor oder hinter den reflektierenden Elementen liegt, ist Patentanspruch 1 nicht zu entnehmen. Da die gedruckte Schicht, wie sich aus dem Zusammenhang der Patentschrift ergibt, die optische Wahrnehmung des reflektierten Lichts beeinflussen soll, muss die Haltekörperschicht allerdings jedenfalls dann vor den reflektierenden Elementen liegen, wenn die gedruckte Schicht gemäß Merkmal 3 a (2) zwischen der Haltekörperschicht und der Oberflächenschutzschicht vorgesehen ist. Ist die gedruckte Schicht dagegen entsprechend den Varianten 3 a (1) oder (3) auf den seitlichen Oberflächen der reflektierenden Elemente oder auf der Oberflächenschutzschicht vorgesehen, ist auch ein Aufbau möglich, bei dem die reflektierenden Elemente auf der Haltekörperschicht angeordnet sind, diese also aus der Sicht des Lichteinfalls hinter jenen liegt.
g) Nach Merkmal 3 b weist die gedruckte Schicht ein diskretes, sich wiederholendes Muster (discrete repetitive pattern) aus Einheitsmustern auf. Dies bringt zum Ausdruck, dass eine Schicht gemeint ist, die bedruckte Bereiche aufweist, die voneinander beabstandet (diskret) sind, so dass zwischen ihnen unbedruckte Bereiche liegen. Das Streitpatent grenzt sich damit von dem eingangs beschriebenen Stand der Technik ab, nach welchem eine durchgehend gedruckte Schicht (continuous printed layer) vorgesehen war (Abs. 6). In der Beschreibung wird hierzu ausgeführt, das Maß des Abstands zwischen den einzelnen Einheitsmustern sei beliebig, solange sichergestellt sei, dass jedes Einheitsmuster einen unabhängigen Bereich bilde und zwischen den Einheitsmustern ein nicht bedruckter Bereich liege (Abs. 29). Der Abstand zwischen den einzelnen bedruckten Bereichen soll gewährleisten, dass Feuchtigkeit, die am seitlichen Rand der Folie auftritt und von der Druckfarbe absorbiert wird, nicht weiter in die Folie eindringt. Beispiele für ein patentgemäßes Muster zeigen Figuren 4 und 5, dagegen bietet Figur 6 ein Beispiel für eine - nicht patentgemäße - durchgehend gedruckte Schicht.
Ein sich wiederholendes Muster aus Einheitsmustern (unit patterns) meint dabei, dass die bedruckten Bereiche eine bestimmte, einheitliche Form aufweisen, die immer wiederkehrt. Als Beispiele für solche Einheitsmuster werden in der Streitpatentschrift Ellipsen, Quadrate, Rechtecke, aber auch Buchstaben und Symbole genannt (Abs. 26). Figuren 4 und 5 zeigen beispielhaft Muster aus Kreisflächen und Kreuzen als Einheitsmustern. Dass es sich um ein sich wiederholendes Muster aus Einheitsmustern handeln muss, schließt dabei nach der Beschreibung (Abs. 26) nicht aus, dass verschiedene solcher in Betracht kommenden Muster in der Weise miteinander kombiniert werden, dass sie sich regelmäßig wiederholen. Unter den Anspruch fiele etwa auch ein Muster, bei dem sich Kreisflächen und Kreuze regelmäßig abwechseln. Welche Farbe für den Druck verwendet wird, überlässt das Patent dem Fachmann.
h) Die in Merkmal 3 c genannte Fläche ist auf den jeweils einzelnen bedruckten Bereich bezogen. Wie sich aus Absatz 28 der Beschreibung ergibt, soll eine Mindestgröße der Einheitsmuster erforderlich sein, um eine Kontrolle des Farbtons zu ermöglichen, während die vorgesehene Obergrenze sicherstellen soll, dass die Klebekraft nicht zu sehr verringert wird. Angaben zum Maß der Abstände, die zwischen den Einheitsmustern liegen, enthält Patentanspruch 1 nicht.
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei dem Fachmann, einem Physiker oder Ingenieur mit Fachhochschul- oder Hochschulabschluss im Bereich Materialwissenschaften/Werkstofftechnik, der Erfahrung in der Entwicklung von bedruckten Folien, insbesondere mit retroreflektierenden Eigenschaften habe, dem die optische Wirkung solcher Folien bekannt sei und der im Hinblick auf Druckverfahren entweder selbst über gute Kenntnisse verfüge oder hierzu einen Druckingenieur zu Rate ziehe, sowohl nach der erteilten als auch nach den beschränkten Fassungen der Hilfsanträge durch den Stand der Technik nahegelegt.
Die internationale Anmeldung WO 98/47129 (K4) zeige retroreflektierende Elemente, die z.B. in Werbeschildern einsetzbar seien, und beschreibe einen Aufbau mit einer retroreflektierenden Folie und einer von dieser lösbaren bildtragenden Folie. Diese könne mittels eines transparenten Klebers oder rein adhäsiv auf der retroreflektierenden Folie angebracht werden. Neben einem Bildmotiv sei dort zur Aufhellung eine sehr helle weiße Schicht mit einer Bedeckung von 1 bis 10% vorgesehen. Das Bildmotiv werde nach K4 vorzugsweise im Vierfarbdruck mit einer gröberen Punktstruktur als üblich, z.B. einem 30er oder 45er Raster, aufgebracht. Für den Fachmann habe es sich angeboten, die zusätzliche helle weiße Schicht ebenso wie das Vierfarb-Rasterdruckmotiv aus rasterartig angeordneten, gleichmäßig über die gesamte Fläche verteilten Farbpunkten zu drucken. Auch wenn dies in K4 nicht ausdrücklich angegeben sei, dränge es sich für den Fachmann bereits aus Gründen der Einfachheit geradezu auf, die fünfte helle Schicht in einem ebenso großen Raster zu drucken wie für den Vierfarb-Rasterdruck verwendet. Damit ergäben sich Flächen von maximal 0,072 mm2.
In der internationalen Anmeldung WO 99/37470 (K6) sei die Herstellung einer retroreflektierenden Folie beschrieben, wobei auf einen transparenten Film Druckmuster aufgebracht werden, auf die eine Schicht aus teilweise verfestigten Prismen folge, die retroreflektierend ausgebildet sein könnten. Das Druckmuster könne nach K6 auch dazu dienen, die Weiße des Produkts zu verbessern. Als mögliches Muster seien u.a. Punkte in einer wiederholten Anordnung genannt. Figur 9 zeige eine retroreflektierende Folie mit einem Substrat, mit Kleber festgelegten Mikroprismen mit einer reflektierenden Metallschicht sowie einer transparenten Schutzschicht. Zwischen Mikroprismen und Schutzschicht sei eine gedruckte Schicht vorgesehen. Angaben zu den Abmessungen der Druckmuster enthalte K6 nicht.
Die europäische Patentanmeldung K7 sei als Übersetzung der vorveröffentlichten internationalen Anmeldung in japanischer Sprache WO 99/54740 (K7') anzusehen. Deren Figur 13 zeige eine rückstrahlende Folie mit einer Schicht aus reflektierenden Elementen und einer Haltekörperschicht sowie einer Oberflächenschutzschicht. Zu erkennen sei auch eine gedruckte Schicht, die nach der zugehörigen Beschreibung entweder zwischen der Oberflächenschutzschicht und der Haltekörperschicht oder auf der Oberflächenschutzschicht oder auf der reflektierenden Oberfläche der reflektierenden Elemente angebracht sein könne.
Die Auszüge aus den Fachbüchern "Allgemeine Fachkunde der Drucktechnik" von Armin Leutert (K44) und "Real World Scanning and Halftones" von David Blatner und Steve Roth (K45) zeigten, welches Fachwissen dem Fachmann zuzurechnen sei.
Es könne offen bleiben, ob mit einer Folie gemäß dem Gegenstand von Patentanspruch 1 eine Verbesserung der Witterungsbeständigkeit erreicht werde. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei dem Fachmann jedenfalls aufgrund anderer Überlegungen nahelegt. Der Fachmann, der von K6 ausgehe, ziehe die K4 heran. Diese wiederum lege ihm die Anordnung der weißen Punkte in einem regelmäßigen Raster mit grober Rasterung nahe. Da der Fachmann eine einheitliche Aufhellung und eine einfache Herstellung anstrebe, dränge es sich ihm geradezu auf, die Rasterpunkte einheitlich groß zu wählen. Während die in K4 vorgesehene Bedeckung mit Weiß von 5% für den dort verfolgten Zweck angemessen erscheine, weil die Retroreflektivität bereits durch die vier Farbschichten des Bildmotivs beeinträchtigt werde, könne der Fachmann, der die K6 zum Ausgangspunkt nehme, die nur eine einzige Druckschicht zur Aufhellung vorsehe, eine höhere Bedeckung in Betracht ziehen, um eine stärkere Aufhellung zu erreichen. Wäge der Fachmann zwischen Verbesserung der Weiße und Erhaltung der Retroreflektivität ab und stelle er hierbei die Verbesserung der Weiße in den Vordergrund, führe ihn dies ohne weiteres in den auch im Streitpatent als vorteilhaft bezeichneten Bereich einer Bedeckung von bis zu 40%. Lege man das in K4 genannte gröbste Raster (30 Punkte pro Zoll) zugrunde, gelange man zu Rasterpunkten von bis zu 0,36 mm2 und damit zu einem Wert, der innerhalb der in Patentanspruch 1 genannten Spannbreite liege.
Auch der Gegenstand von Patentanspruch 1 nach den Hilfsanträgen beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsrechtszug nicht stand.
1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist durch den Stand der Technik nicht vorweggenommen.
a) Die internationale Anmeldung WO 98/47129 (K4) befasst sich mit Schildern, insbesondere Werbeschildern oder Verkehrszeichen, die bei Tag und bei Nacht gleichermaßen gut erkennbar sein sollen. Eine solche Vorrichtung umfasst eine reflektierende Folie mit prismatischen Linsen und eine Bildträgerfolie, die vor der reflektierenden Folie angeordnet ist und dann unmittelbar an ihr anliegt. Die Bildträgerfolie kann von der reflektierenden Folie getrennt werden, etwa um einen Austausch des Bildes zu ermöglichen. Das Bild wird vorzugsweise im Vierfarbdruck aufgebracht. Dabei wird der Bildeffekt durch eine Auswahl einzelner Punkte erzielt, die entweder einzeln oder in teilweiser oder vollständiger Überlappung auf der Oberfläche angeordnet werden (S. 3, Z. 9 bis 12, S. 5, Z. 11 bis 14). K4 sieht vor, dass durch die Wahl einer gröberen Punktstruktur als herkömmlich, etwa eines Rasters von 30 bis 45 screens (= Rasterlinien oder Rasterpunkte pro Zoll), eine verbesserte Wirkung und ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen dem Einsatz bei Tag und bei Nacht erreicht wird (S. 4, Z. 3 bis 6). Der Druck des Bildes wird vorzugsweise auf der Rückseite eines transparenten Materials angebracht, damit die Punktstruktur so nahe wie möglich an der reflektierenden Folie ist (S. 4, Z. 13 bis 16).
Der erstrebte Ausgleich zwischen der Sichtbarkeit bei Tag und bei Nacht wird nach K4 befördert, wenn über das Bild noch ein weißer Schleier ("a very light screen of white") gedruckt wird. Dies bewirke eine deutliche Aufhellung des Bildes bei Tag, ohne die Retroreflektion bei Nacht nennenswert zu beeinträchtigen (S. 3, Z. 25 bis 30). Dieser weiße Schleier soll vorzugsweise einen Bedeckungsgrad von 1 bis 10% aufweisen, wobei 5% als besonders vorteilhaft beschrieben wird (S. 4, Z. 1 bis 2). Zu dieser weißen Schicht ist in K4 weiter ausgeführt, dass sie vorzugsweise auf der Rückseite des Bildträgers nach dem Vierfarbdruck des Bildes als fünfte Schicht mit einem Bedeckungsgrad von 5% aufgetragen wird (S. 4, Z. 17 bis 18, S. 5, Z. 15 bis 20, S. 7, Z. 33 bis 37). Erwähnt wird auch eine Ausführungsform, bei der nur die Bereiche, die nicht oder nur ganz leicht mit Farbe bedruckt sind, einen Bedeckungsgrad mit Weiß von 5% aufweisen (S. 8, Z. 1 bis 3).
Die nachstehende Figur 1 der K4 zeigt ein Ausführungsbeispiel.
Bezugszeichen 8 bezeichnet die reflektierende Schicht aus prismatischen Linsen (prismatic lens reflective sheeting), 7 die bildtragende Schicht (image carrying sheet), 6 die vordere Deckschicht (front cover sheet) und 2 die Stützschicht (backing sheet).
K4 offenbart damit eine rückstrahlende Folie mit einer Schicht aus reflektierenden Elementen, die eine große Anzahl von reflektierenden Elementen aufweist. Der Aufbau umfasst ferner eine gedruckte Schicht und eine Oberflächenschutzschicht. Unerheblich ist, dass diese nicht unmittelbar auf der Schicht aus reflektierenden Elementen vorgesehen ist, sondern sich vor der Bildträgerfolie befindet, denn Merkmal 2 kann, wie oben ausgeführt, nicht entnommen werden, dass die Oberflächenschutzschicht unmittelbar auf der Schicht aus reflektierenden Elementen angeordnet ist.
Ob der Fachmann die Stützschicht als Halteschicht ansieht, kann offenbleiben, weil K4 jedenfalls die Merkmale 3 b und 3 c nicht offenbart. Zwar sind in K4 getrennte Punkte erwähnt, die einzeln auf der Oberfläche der bildtragenden Folie angeordnet werden können. Damit ist jedoch kein sich wiederholendes Muster aus diskreten Einheitsmustern offenbart. K4 beschreibt an den entsprechenden Stellen lediglich die Vorgehensweise beim Vierfarbdruck, bei dem, je nach der gewünschten Farbe und Intensität, einzelne Punkte der vier Farben getrennt oder einander überlappend angeordnet werden. Merkmal 3 b stellt jedoch nicht auf den Druckvorgang, sondern auf dessen Ergebnis ab. Ob am Ende, nach dem Aufbringen der vier Farben, noch einzelne, voneinander getrennte und damit diskrete Punkte vorliegen und ob diese in einem sich wiederholenden Muster vorliegen, ist K4 nicht zu entnehmen. Zudem enthält K4 keine Angaben zu den Größen der bedruckten Bereiche, die sich am Ende - nach dem Auftrag von vier oder fünf Farben (einschließlich Weiß) - ergeben. Soweit dort die Verwendung eines gröberen Rasters als üblich als vorzugswürdig bezeichnet wird, bezieht sich das auf den Vierfarbdruck. Der Fachmann kann hieraus lediglich ableiten, welche Größe die Punkte der einzelnen Farben aufweisen, nicht jedoch, welche Fläche die bedruckten Bereiche nach der Beendigung des Drucks aufweisen. Allein auf deren Größe - nicht auf die Größe der Punkte, mit denen die einzelnen Farben aufgetragen werden - kommt es jedoch für die Offenbarung von Merkmal 3 c an.
Zum Auftrag der fünften, weißen Farbschicht, die K4 als vorzugswürdig bezeichnet, enthält das Dokument keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass auch diese in Punktform aufgetragen wird. K4 gibt nur für den Deckungsgrad einen Bereich von 1 bis 10% als vorzugswürdig an. Zur Erläuterung eines Beispiels wird bemerkt, dass die Punkte 5% der bedeckten Fläche abdecken ("... the dots cover 5% of the covered area ..."). Der Auffassung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, K4 offenbare implizit auch ein sich wiederholendes Muster aus diskreten Einheitsmustern (BB2 S. 13 = Übersetzung S. 16 unten), kann nicht gefolgt werden, da die weiße Farbe auch anders, etwa in der Form von Linien aufgebracht werden kann, um einen solchen Bedeckungsgrad zu erreichen. Selbst wenn dies aber angenommen würde, sind damit Merkmale 3 b und 3 c nicht vorweggenommen, da K4 den Auftrag der weißen Farbe nur als fünfte Schicht über dem Vierfarbdruck anspricht. Maßgeblich ist jedoch nicht, ob weiße Punkte in einem diskreten, sich wiederholenden Muster vorhanden sind, sondern ob die bedruckten Bereiche ein solches Muster bilden. Ein Eindringen von Wasser vom Rand der Folie soll nach der Lehre des Streitpatents dadurch vermieden werden, dass es zwischen den bedruckten Bereichen, die ein sich wiederholendes Muster aus Einheitsmustern bilden, nicht bedruckte Bereiche gibt. Nur dann liegt ein diskretes Muster vor.
b) Gegenstand der internationalen Anmeldung WO 99/37470 (K6) ist ein retroreflektierendes Material mit aufgedrucktem Muster. K6 schildert, dass dafür kubisch-eckige Reflektoren - wie dreieckige Würfelecken - verwendet werden. Auf einen transparenten Film wird ein Muster gedruckt, das auf der Prismenstruktur angebracht und durch eine Folie bedeckt wird (S. 3, Z. 2 bis 11). Das Muster kann auch zur Verbesserung der Weiße verwendet werden (S. 3, Z. 14 bis 16). Dazu können Linien oder Punkte, die ein Muster - wiederholend oder zufällig - bilden, aufgedruckt werden (S. 3, Z. 35 bis S. 4 Z. 2). Die nachstehend wiedergegebene Figur 9 der K6 zeigt ein Beispiel für den Aufbau eines solchen Materials, wobei das Licht von unten einfällt.
Dabei bezeichnet Bezugszeichen 96 ein Substrat, 97 eine Klebstoffschicht, 64 und 64A retroreflektierende Prismen, 20 einen bedruckten Bereich und 95 eine Schutzschicht.
Eine Folie mit diesem Aufbau entspricht Merkmal 1. Sie umfasst eine Schicht, die aus einer großen Anzahl reflektierender Elemente und einer Haltekörperschicht besteht. Als Haltekörperschicht ist die Klebestoffschicht 97 anzusehen. Dem steht, anders als die Beklagte meint, nicht entgegen, dass diese Schicht aus der Richtung des Lichteinfalls hinter den reflektierenden Elementen liegt, da Patentanspruch 1, wie ausgeführt, keine Beschränkung dahin enthält, dass sich die Haltekörperschicht vor den reflektierenden Elementen befindet. Die Schutzschicht 95 ist im Sinne von Merkmal 2 als Oberflächenschutzschicht anzusehen und auf der Schicht aus reflektierenden Elementen angeordnet. Offenbart ist auch Merkmal 3 a (2), da die gedruckte Schicht 20 zwischen der Klebstoffschicht 97 und der Schutzschicht 95 angeordnet ist. Merkmal 3 a (2) ist, wie ausgeführt, nicht zu entnehmen, dass zwischen den genannten Schichten keine weiteren Schichten angeordnet sein dürfen.
Nicht vollständig offenbart ist Merkmal 3 b. K6 spricht zwar von Punkten, die in einem sich wiederholenden Muster aufgedruckt sein können. Dass diese Punkte diskret angeordnet sind, sich also zwischen ihnen jeweils Bereiche befinden, die nicht bedruckt sind, lässt sich K6 jedoch nicht entnehmen. Die Offenbarung diskreter Elemente kann auch nicht darin gesehen werden, dass in Figur 9 rechts und links des bedruckten Bereichs 20 ein nicht bedruckter Bereich liegt.
K6 enthält ferner keine Angaben zu den Flächen der dort erwähnten Punkte, vielmehr wird dort gesagt, das Muster könne jede Form oder Größe haben (S. 10, Z. 4). Damit fehlt es an einer Vorwegnahme von Merkmal 3 c.
c) Die von der Klägerin vorgelegten, nach ihrem Vortrag offenkundig vorbenutzten Kfz-Kennzeichen und Kennzeichen-Aufkleber aus Deutschland, den USA und Kanada nehmen den Gegenstand von Patentanspruch 1 ebenfalls nicht vorweg. Diese Gegenstände zeigen jeweils eine Farbschicht, auf der mit anderer Farbe ein Muster aufgedruckt ist. Damit ist schon nicht dargetan, dass es sich um ein diskretes Muster handelt, dass sich also zwischen den mit Farbe bedeckten Bereichen der bedruckten Schicht jeweils unbedruckte Bereiche befinden. Für die Bestimmung der Fläche nach Merkmal 3 c kommt es zudem nicht darauf an, welche Fläche das Muster aufweist, das auf einer Farbschicht aufgedruckt ist, sondern auf die Größe der einzelnen Punkte, die diese Farbschichten bilden.
d) Die 3M-Folie Nr. 3821 stellt die Neuheit des Gegenstands von Patentanspruch 1 gleichfalls nicht in Frage. Merkmale 3 b und 3 c sind nicht offenbart. Die aus K21 ersichtlichen gelben Punkte bilden kein sich wiederholendes Muster, sondern sind unregelmäßig angeordnet. Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich zudem nicht entnehmen, dass diese Punkte ihrer Größe nach in dem in Merkmal 3 c bestimmten Bereich liegen.
e) Die Reflexite-Folie weist, wie aus K26 ersichtlich, kein Muster aus diskreten Elementen, sondern durchgehende Linien auf.
2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist durch den Stand der Technik auch nicht nahegelegt.
Dabei kommt der zwischen den Parteien umstrittenen Frage, welches technische Problem dem Streitpatent zugrunde liegt, keine maßgebliche Bedeutung zu.
Das Patentgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend zugrunde gelegt, dass eine Erfindung mehrere unterschiedliche technische Probleme betreffen kann. In solchen Konstellationen sind die einzelnen Problemstellungen bei der Prüfung der Patentfähigkeit gesondert zu betrachten. Die Patentfähigkeit ist nach der Rechtsprechung des Senats gegebenenfalls schon dann zu verneinen, wenn die Bewältigung eines dieser Probleme zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehört hat und die beanspruchte Erfindung von diesem Ausgangspunkt aus durch den Stand der Technik nahegelegt war (BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 - X ZR 41/13, GRUR 2015, 352 Rn. 13 - Quetiapin).
Entgegen der Auffassung der Beklagten betrifft das Streitpatent nicht nur die Verbesserung der Witterungsbeständigkeit, sondern auch die Sicherstellung einer ausreichenden Weiße bei Gewährleistung guter Retroreflektivität. In den Absätzen 12 und 13 der Beschreibung, auf die die Klägerin insoweit Bezug nimmt, wird das Ziel der Erfindung unter Hinweis auf die Nachteile des Standes der Technik beschrieben. Dies verweist einerseits auf Absatz 7, in dem beklagt wird, dass die gedruckte Schicht bislang eine mäßige Adhäsion und Witterungsbeständigkeit aufweise, andererseits aber auch auf Absatz 11, in dem beanstandet wird, dass bei retroreflektiven Folien mit Mikroglasperlen keine zufriedenstellende Retroreflektion erreicht wird, wenn eine gedruckte Schicht vorgesehen ist. Dementsprechend wird in Absatz 13 ausgeführt, die vom Streitpatent vorgeschlagene Gestaltung der gedruckten Schicht verbinde gute Witterungsbeständigkeit mit einem verbesserten Farbton. Eine rückstrahlende Folie nach den Merkmalen von Patentanspruch 1 führt zwar nicht notwendig zu einer Verbesserung des Farbtons, insbesondere einer besseren Weiße, weil der Patentanspruch weder die Farbe des Musters aus Einheitsmustern festlegt noch Angaben zu den Abständen macht, die zwischen den einzelnen Einheitsmustern liegen. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass das technische Problem, dessen Lösung mit dem Streitpatent verfolgt wird, allein in der Verbesserung der Witterungsbeständigkeit zu sehen ist.
Letztlich kommt es darauf jedoch nicht an, weil der Stand der Technik auch dem Fachmann, der, ausgehend von K7' oder K6, nach einer Verbesserung des Farbtons, insbesondere der Weiße der retroreflektierenden Folie strebt, keine Anregung zu einer Weiterentwicklung gibt, wie sie in den Merkmalen 3 b und 3 c beschrieben ist.
a) Als Ausgangspunkt für den Fachmann kommt insbesondere die internationale Anmeldung WO 99/54760 (K7') in Betracht, deren Figur 13 nachstehend wiedergegeben ist.
Diese Figur, bei der das Licht wiederum von unten einfällt, zeigt eine Schicht aus reflektierenden Elementen (Bezugszeichen 1), die aus einer Vielzahl reflektierender Elemente und einer Haltekörperschicht (2) besteht. Sie weist eine Oberflächenschutzschicht (4) auf, die auf der Haltekörperschicht und damit auf einem Bestandteil der Schicht aus reflektierenden Elementen vorgesehen ist. Figur 13 zeigt ferner eine gedruckte Schicht (5), die zwischen der Haltekörperschicht und der Oberflächenschutzschicht angeordnet ist.
K7' offenbart jedoch nicht, dass die gedruckte Schicht ein sich wiederholendes Muster aus diskreten Einheitsmustern aufweist (Merkmal 3 b). Solches lässt sich auch Figur 13 nicht entnehmen. Dort sind zwar fünf schwarze Striche (Bezugszeichen 5) zu sehen, die in regelmäßigem Abstand voneinander angeordnet sind. Dies dient indes nur der schematischen Darstellung, dass sich auf der Schicht bedruckte Bereiche befinden. Da auch die Beschreibung keine näheren Angaben hierzu enthält, lässt diese Darstellung auch die Möglichkeit offen, dass die Farbe in Linien aufgetragen ist. K7' enthält - folgerichtig - auch keine Angaben zur Fläche von Einheitsmustern (Merkmal 3 c).
Der Stand der Technik gibt dem Fachmann, der von der K7' ausgeht, keine Anregung, die bedruckte Schicht so weiter zu entwickeln, wie es in Merkmalen 3 b und 3 c von Patentanspruch 1 beschrieben ist.
aa) Eine solche Anregung wird er K6 nicht entnehmen. Dort ist zwar unter an derem beschrieben, dass ein Muster aus sich wiederholenden Punkten aufgedruckt werden könne, doch enthält K6 keinen Hinweis darauf, dass die Punkte diskret angeordnet sind, zwischen ihnen also jeweils ein nicht bedruckter Bereich liegen muss. Zudem entnimmt der Fachmann K6 keinerlei Hinweis dazu, welche Größe die Punkte aufweisen sollen.
bb) An dieser Beurteilung ändert sich nichts, wenn der Fachmann zusätzlich K4 in den Blick nimmt. Diese Schrift zeigt, wie ausgeführt, kein sich wiederholendes Muster aus diskreten Einheitsmustern. In K4 wird zwar darauf hingewiesen, dass es vorteilhaft sein könne, für den Druck ein gröberes Raster zu wählen, als sonst üblich, etwa ein Raster von 30 bis 45 lpi. Dies bezieht sich jedoch nur auf den dort angesprochenen Vierfarbdruck, bei dem mehrere Farbschichten übereinander gelegt werden, nicht auf die als fünfte Schicht aufgebrachte weiße Farbschicht. Da der Druck in mehreren - vier oder fünf - Schichten vorgesehen ist, entnimmt der Fachmann diesem Vorschlag zur Verwendung eines gröberen Rasters auch nicht, dass es zu einem sich wiederholenden Muster von voneinander beabstandeten Einheitsmustern einer bestimmten Größe führt.
cc) Die vom Patentgericht eingeführten Auszüge aus Fachbüchern zur Drucktechnik (K44, K45) befassen sich allgemein mit der Frage, welche Rasterung beim Druck verwendet werden kann und welche optischen Effekte damit einhergehen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb der Fachmann aus ihnen die Anregung erhalten sollte, bei der Herstellung einer gedruckten Schicht für eine retroreflektierende Folie ein besonders grobes Raster zu wählen und damit zu einer Anordnung von Punkten, Quadraten oder dergleichen zu gelangen, deren Fläche in dem durch Merkmal 3 c bestimmten Bereich liegt. Zudem ist nicht zu erkennen, inwiefern sich aus K44 und K45 eine Anregung ergeben soll, zu einem sich wiederholenden Muster diskreter Elemente zu gelangen. Diesen Dokumenten lässt sich damit lediglich entnehmen, dass der Fachmann bestimmte Auswahlentscheidungen, insbesondere hinsichtlich Rastergröße und Bedeckungsgrad, zu treffen hat. Aus ihnen ergibt sich jedoch keine konkrete Anregung dahin, diese Parameter gerade so zu wählen, dass sie zu einem Muster gemäß Merkmalen 3 b und 3 c führen.
dd) Auch durch die internationale Anmeldung WO 97/15453 (K46) wird die Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 nicht in Frage gestellt.
(1) Das auf diese Entgegenhaltung gestützte Vorbringen der Klägerin ist allerdings zuzulassen. Nachdem das Patentgericht in seinem Hinweis nach § 83 PatG zu der vorläufigen Einschätzung gekommen war, der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei durch den von der Klägerin vorgelegten Stand der Technik nahegelegt, war die Klägerin nicht gehalten, weiteres Material vorzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2014 - X ZR 151/12, GRUR 2015, 365 Rn. 47 - Zwangsmischer).
(2) Aus K46 ergeben sich jedoch keine Anregungen für eine Folie mit den Merkmalen des Streitpatents.
Die Schrift befasst sich mit dem Druck unter Verwendung mehrerer Farbschichten. Es geht darum, wie unerwünschte optische Eindrücke, die durch Ungenauigkeiten der Lage der verschiedenen Schichten zueinander entstehen können, vermieden werden. Figur 1 zeigt, wozu solche Ungenauigkeiten führen. Um dies zu vermeiden schlägt K46 vor, die Schichten so anzuordnen, dass entweder der Bereich der unteren Schicht von der oberen Schicht komplett überdeckt wird (Figur 2) oder aber die obere Schicht kleiner gewählt wird als die untere Schicht und komplett innerhalb deren Rändern angeordnet ist (Figur 3). Beides führt dazu, dass kleinere Lageungenauigkeiten sich nicht bemerkbar machen. Erwähnt wird ein Druckmuster, das aus einem Muster aus Punkten oder einer anderen Vielzahl von diskreten Elementen und/oder einem Gittermuster bestehen kann, das eine Vielzahl von unbedruckten Flächen umgibt (S. 9). Ferner ist von Punkten mit 1 mm Kantenlänge die Rede (S. 4 unten). K46 befasst sich danach mit einer Aufgabenstellung, die sich nur bei einem Druckverfahren ergibt, bei welchem mehrere Farbschichten übereinander gedruckt werden. In K6 und K7' geht es demgegenüber um eine retroreflektive Folie, bei der die gedruckte Schicht nur mit einer Farbe hergestellt wird. Der Fachmann, der von diesen Druckschriften ausgeht, wird daher nicht ohne weiteres die K46 heranziehen.
In K46 wird allerdings erläutert (S. 38 bis 40), dass die Erfindung auch bei der Herstellung retroreflektierender Platten Verwendung finden könne. Hierzu wird zunächst geschildert, in welchen Bereichen solche Vorrichtungen zum Einsatz kommen, auch wird erwähnt, dass das retroreflektierende Material z.T. mit opaken, transparenten oder transluzenten Farben bedruckt wird. Eine Anwendung der vorgeschlagenen Druckmethode wird dann jedoch nur für den Fall geschildert, dass eine retroreflektierende Druckfarbe, d.h. eine Farbe die retroreflektierende Mikrokugeln enthält, verwendet wird. Dazu führt K46 aus, eine solche Farbe könne als Hintergrundschicht oder als Musterdruckfarbe Verwendung finden. Danach befasst sich K46 nicht mit einer retroreflektierenden Folie, bei der es einerseits eine Schicht aus retroreflektierenden Elementen und anderseits eine bedruckte Schicht gibt. K46 enthält zudem keinen Hinweis darauf, die Farbpunkte so aufzubringen, dass sich ein sich wiederholendes Muster aus Einheitsmustern ergibt.
Für den Fachmann, der als Ausgangspunkt K7' zugrunde legt, ergibt sich danach aus K46 keine Anregung, zu einer Folie zu gelangen, die eine gedruckte Schicht nach den Merkmalen 3 b und 3 c aufweist.
b) Zu einer anderen Beurteilung führt es auch nicht, wenn als Ausgangspunkt K6 zugrunde gelegt wird. Für den Fachmann ergibt sich aus dem Stand der Technik keine Anregung, das in K6 vorgeschlagene Muster dahin weiter zu entwickeln, dass sich ein Muster aus diskreten Einheitsmustern der in Merkmal 3 c be- zeichneten Größe ergibt.
aa) Das Patentgericht hat angenommen, aus K4 ergebe sich eine Anregung zu einer Ausgestaltung der gedruckten Schicht gemäß Merkmalen 3 b und 3 c, und zur Begründung ausgeführt, es habe sich für den Fachmann angeboten, auch die weiße Schicht aus rasterartig angeordneten, gleichmäßig über die gesamte Fläche verteilten Farbpunkte zu drucken. Ferner habe es sich ihm schon aus Gründen der Einfachheit aufgedrängt, die fünfte Schicht mit dem gleichen - groben - Raster zu drucken wie die anderen Farbschichten und die Rasterpunkte einheitlich groß zu wählen. Entscheide er sich für die größte in K4 vorgeschlagene Bedeckung von 10% und das gröbste dort genannte Raster von 30 lpi, führe dies zu Punkten mit einer Fläche von maximal 0,072 mm2. Entscheide er sich dafür, bei einer Folie, wie sie ihm aus K6 bekannt sei, nur eine Farbschicht zur Aufhellung vorzusehen, liege es im Bereich üblichen fachmännischen Handelns, eine höhere Bedeckung in Betracht zu ziehen. Das Streben nach einer Verbesserung der Weiße führe ihn ohne weiteres zu einem Bedeckungsgrad von 40%, was bei einem Raster von 30 lpi Punkte mit einer Fläche von bis zu 0,36 mm2 ergebe. Die Beachtung dieser Vorgaben führe, wie K45 belege, zu diskret angeordneten Rasterpunkten.
bb) Die hiergegen von der Berufung erhobenen Einwendungen sind begründet. Der Fachmann, der von der K6 ausgeht und die K4 sowie die K7' heranzieht, muss mehrere Überlegungen anstellen und miteinander kombinieren, um zum Gegenstand von Patentanspruch 1 zu kommen. Eine Anregung hierzu durch den Stand der Technik ist nicht hinreichend dargetan.
(1) Es fehlt bereits an einer Anregung, ein Raster von 20 lpi zu wählen. Üblich sind beim Rasterdruck, wie das Patentgericht festgestellt hat, Raster von 60 lpi und mehr. Aus K4 ergab sich schon nicht ohne Weiteres eine Anregung, statt eines solchen Rasters ein gröberes Raster von 30 bis 45 lpi anzuwenden, denn dieses ist in K4 nur für den Vierfarbdruck vorgesehen. Angaben zur Rastergröße für die fünfte - weiße - Farbschicht enthält K4 nicht.
(2) Das Patentgericht hat auch nicht hinreichend begründet, wodurch der Fachmann veranlasst sein sollte, die weiße Farbe mit einem Bedeckungsgrad von 40% aufzutragen, der den in K4 vorgeschlagenen maximalen Bedeckungsgrad von 10% um das Vierfache übersteigt. Eine Anregung hierzu ergibt sich aus K4 nicht, vielmehr wird dort auch für Bereiche, die nicht oder nur geringfügig mit anderen Farben bedruckt sind, ein Bedeckungsgrad mit Weiß von 5% genannt (S. 8, Z. 1 bis 3). Die Annahme, dass der Fachmann einen derart hohen Bedeckungsgrad wählt, bedürfte - worauf die Berufung zutreffend hinweist - bereits deshalb einer näheren Begründung, weil ein höherer Bedeckungsgrad die Retroreflexivität beeinträchtigt.
(3) Das Patentgericht hat weiter keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass der Fachmann, der von K6 ausging, im Prioritätszeitpunkt bei Heranziehung der K4 und der K7' ohne erfinderisches Bemühen nicht nur zur Wahl eines solchen Rasters, zur Wahl eines solchen Bedeckungsgrads und zu der Entscheidung für ein sich wiederholendes Muster aus diskreten Einheitsmustern gelangte, sondern sich gerade auch dafür entschied, sie miteinander zu kombinieren.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG und § 91 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Bacher
Hoffmann Deichfuß