Entscheidungsdatum: 21.11.2018
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 35. Senats (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 13. September 2016 wird zurückgewiesen.
I. Die Antragsgegnerin ist eingetragene Inhaberin des Gebrauchsmusters 20 2004 021 930 (Gebrauchsmusters), das einen "Tupfer zur Aufnahme von biologischen Proben" betrifft. Das Gebrauchsmuster ist im Wege der Abzweigung aus dem am 31. März 2004 angemeldeten europäischen Patent 1 608 268 unter Inanspruchnahme der Priorität einer italienischen Patentanmeldung vom 1. April 2003 am 24. Oktober 2012 angemeldet worden. Das Gebrauchsmuster ist durch Ablauf der Schutzdauer am 31. März 2014 erloschen.
Die Antragstellerin hat zunächst beantragt, das Gebrauchsmuster wegen fehlender Schutzfähigkeit und unzulässiger Erweiterung zu löschen. Nach Ablauf der Schutzdauer hat sie ihren Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters umgestellt. Die Antragsgegnerin hat das Gebrauchsmuster zuletzt nur noch in folgender Fassung des Schutzanspruchs 1 beschränkt verteidigt (wobei ein offensichtlicher Schreibfehler im Tatbestand des angegriffenen Beschlusses hinsichtlich der Merkmale der letzten beiden Spiegelstriche korrigiert ist):
"Tupfer zur Aufnahme von zu analysierenden biologischen Proben,
- wobei der Tupfer (20) einen Stab aufweist, der in eine Spitze (16) ausläuft, und eine Faserschicht (17), die die Spitze (16) bedeckt,
- wobei die einzelne Faser hydrophile Eigenschaften aufweist und die Fasern durch Flockung auf der Oberfläche der Spitze aufgebracht sind,
- wobei die Faserschicht (17) eine Faserfeinheit zwischen 1,7 und 3,3 Dtex aufweist und
- wobei die Menge an Fasern, die abgelagert ist, um die geflockte Schicht zu bilden, ausgewählt ist, um 100 Mikroliter einer Probe zu absorbieren."
Das Patentamt hat festgestellt, dass das Gebrauchsmuster, soweit es über die zuletzt von der Antragsgegnerin verteidigte Fassung hinausgeht, von Anfang an unwirksam war.
Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin, gegen die sich die Antragsgegnerin mit dem Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde sowie mit fünf Hilfsanträgen beschränkt verteidigt hat, hat das Patentgericht den Beschluss des Patentamtes aufgehoben und festgestellt, dass das Gebrauchsmuster in vollem Umfang unwirksam war.
Mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr Begehren aus der Beschwerdeinstanz weiter.
II. Das Rechtsmittel ist zwar statthaft, da mit der Rechtsbeschwerde die eine Zulassung nicht voraussetzenden Gründe der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG) und des Fehlens von Gründen (§ 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG) geltend gemacht werden, aber nicht begründet.
1. Das Recht der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt worden.
a) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, das Patentgericht habe sich nicht mit ihrer "Kernargumentation" auseinandergesetzt, wonach die im Gebrauchsmuster genannte und objektive Aufgabe der Erfindung darin bestanden habe, den Stand der Technik durch eine Ausgestaltung zu verbessern, die eine möglichst vollständige Abgabe der Probe sicherstelle, da die Gefahr von falsch-negativen Ergebnissen durch eine möglichst vollständige Auswertung der aufgenommenen Probe verringert und die vollständige Abgabe der aufgenommenen Probe dadurch erreicht werde, dass die Probe durch Kapillareffekte zwischen den dünnen Fasern gehalten und nicht in die Spitze aufgenommen werde, da nur das zwischen den Fasern gehaltene flüssige Material leicht und relativ vollständig abgegeben werde.
b) Die Rüge ist nicht begründet.
(1) Das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist verletzt, wenn im Einzelfall deutlich wird, dass Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Dabei ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, ohne dass es verpflichtet wäre, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen (st. Rspr.: etwa BVerfG, Beschluss vom 26. November 2008 - 1 BvR 670/08, NJW 2009, 1584 Rn. 14; BGH, Beschluss vom 24. Juli 2007 - X ZB 17/05, GRUR 2007, 996 Rn. 11 - Angussvorrichtung für Spritzgießwerkzeuge; Beschluss vom 28. November 2011 - X ZB 6/11 GRUR 2013, 318 Rn. 9 - Sorbitol).
(2) Das Patentgericht hat das Vorbringen der Antragsgegnerin bei der Bestimmung der dem Gebrauchsmuster zugrunde liegenden Aufgabe nicht außer Acht gelassen. Ausgehend von den Erläuterungen der Gebrauchsmusterschrift, dass bei bekannten Tupfern, die aus einem zylindrischen Stab mit einer Spitze, um die ein Bausch von Fasern mit hydrophilen Eigenschaften gewickelt sei, der bedeutendste Nachteil eines solchen Bausches darin bestehe, dass nicht die gesamte absorbierte Probe für die Analyse freigesetzt werden könne, hat das Patentgericht bei der Bestimmung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe auch das Vorbringen der Antragsgegnerin berücksichtigt, wonach mit dem Tupfer eine Probensubstanz in überraschend großer Menge aufgenommen und wieder abgegeben werde, wenn die Tupferspitze mit dünnen (1,7 - 3,3 Dtex) hydrophilen Fasern beflockt sei und bei Abstreichen des Tupfers die Kapillarräume entweder komprimiert oder erweitert würden, wodurch in beiden Fällen die Speicherfähigkeit der aufgeflockten Florschicht reduziert werde, so dass die Analyseflüssigkeit fast vollständig wieder freigegeben werde. Entsprechend hat das Patentgericht die objektive Aufgabe nicht nur in einer erhöhten Probenaufnahme, sondern auch in einer erhöhten Probenabgabe gesehen.
(3) Bei der Erörterung des erfinderischen Schritts hat das Patentgericht das Vorbringen der Antragsgegnerin zur Aufgabenstellung ebenfalls in seine Überlegungen mit einbezogen. In dem angegriffenen Beschluss wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich dem Fachmann ausgehend von der Aufgabe, einen Tupfer mit erhöhter Flüssigkeitsaufnahme und –abgabe zu entwickeln, auch Lösungen anboten, welche Tupfer bzw. Applikationen verwenden, wie sie neben anderen Vorveröffentlichungen auch in der deutschen Übersetzung 697 00 145 der europäischen Patentschrift 826 323 betreffend einen Applikator zum Auftragen eines flüssigen oder halbflüssigen Produkts (D11) offenbart seien.
Das Patentgericht hat weiterhin im Einzelnen ausgeführt, weshalb sich der Gegenstand von Schutzanspruch 1 für den Fachmann aus dem Offenbarungsgehalt der D11 in Verbindung mit weiteren Vorveröffentlichungen sowie dem allgemeinen Fachwissen in naheliegender Weise ergab. Der Umstand, dass der Beschluss dabei nicht mehr ausdrücklich das Ziel einer möglichst vollständigen Abgabe der Probe erwähnt, lässt nicht darauf schließen, dass das Patentgericht die Argumentation der Antragsgegnerin insoweit außer Acht gelassen hat. Dabei hat es in Rechnung gestellt, dass sich aus der technischen Lehre des Gebrauchsmusters zwar Vorgaben zur Mindestmenge der zu absorbierenden Probe ergeben, dieser aber keine Aussage über die für die Analyse freigesetzte Menge zu entnehmen ist.
(4) Das Patentgericht hat die "Kernargumentation" der Antragsgegnerin auch bei der Beurteilung der Hilfsanträge nicht außer Acht gelassen.
Im Ausgangspunkt zutreffend legt die Rechtsbeschwerde dar, dass sämtliche Hilfsanträge gegenüber dem Hauptantrag weitere Merkmale umfassen, die in unterschiedlichen Formulierungen zum Ausdruck bringen, dass nur die Faserstoffe und nicht der Kern der Spitze die flüssige Probe aufnimmt. Nicht beigetreten werden kann ihr jedoch darin, dass sich das Patentgericht mit dem Naheliegen dieser Merkmale nicht auseinandergesetzt hat. In dem angegriffenen Beschluss wird vielmehr unter Bezugnahme insbesondere auf die deutsche Patentanmeldung 199 37 571 (D4) ausgeführt, dass Tupfer mit Stab und Spitzen aus einem Material, das keine Flüssigkeit aufnimmt, dem Fachmann geläufig gewesen seien. Aus den Erläuterungen des Beschlusses ergibt sich zudem, dass diese Ausführungen nicht nur für Hilfsantrag 1, sondern auch für die weiteren von der Antragsgegnerin gestellten Hilfsanträge gelten. Soweit die Rechtsbeschwerde darauf hinweist, dass in der D11 eine zentrale Seele, welche eine poröse Struktur definiere, die eine Ladung des Applikators durch innere Kapillarwirkung ermögliche, vorgesehen sei, übersieht sie, dass nach den Feststellungen des Patentgerichts in der D11 auch alternative Ausgestaltungen der Seele aus Sintermaterial, Kunststoff (Polyethylen), Elastomer oder Metall, mithin aus nicht porösen Materialien, gelehrt werden.
2. Dem Beschluss des Patentgerichts fehlen auch keine Gründe (§ 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG).
a) Die Rechtsbeschwerde rügt, der Beschluss des Patentgerichts enthalte keine Ausführungen dazu, wie der Fachmann die Aufgabe, eine Verbesserung der Flüssigkeitsabgabe zu erreichen, ohne erfinderisches Zutun habe lösen können. Insbesondere hinsichtlich der Hilfsanträge fehle jede Begründung dafür, warum die vom Fachmann zur Verbesserung der Probenabgabe vorzunehmenden Überlegungen nur routinemäßige Maßnahmen darstellen sollten, insbesondere im Hinblick auf die Kombination der geringen Faserdichte von nur 1,7 bis 3,3 Dtex mit einer Spitze, die keine Flüssigkeit aufnehme.
b) Daraus ergibt sich kein Begründungsmangel.
(1) Nach der Rechtsprechung ist eine Entscheidung zwar nicht nur dann nicht mit Gründen nach § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG versehen, wenn sie überhaupt keine Rechtsgründe enthält, sondern auch, wenn sie zwar Gründe aufweist, sich aber wegen deren Unverständlichkeit oder Verworrenheit nicht erkennen lässt, welche tatsächlichen Feststellungen oder rechtlichen Erwägungen für die Entscheidung maßgeblich waren, oder die Gründe sachlich inhaltslos sind und sich auf leere Redensarten oder auf die Wiedergabe des Gesetzestexts beschränken (BGH, Beschluss vom 10. August 2011 - X ZA 1/11, GRUR 2011, 1055 Rn. 6 - Formkörper mit Durchtrittsöffnungen).
(2) Der Beschluss des Patentgerichts enthält aber keinen solchen Begründungsmangel. Darin wird vielmehr in nachvollziehbarer Weise dargelegt, von welcher Aufgabe der Fachmann ausgehe und aufgrund welcher Überlegungen der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 durch die D11, den übrigen Stand der Technik und das allgemeine Fachwissen für den Fachmann naheliegend gewesen sei. Dem Beschluss ist insbesondere zu entnehmen, aufgrund welcher Vorveröffentlichungen das Patentgericht es als für den Fachmann naheliegend angesehen hat, für die Spitze des Tupferstabs Fasern zu wählen, die eine Faserdichte zwischen 1,7 bis 3,3 Dtex aufweisen, und für die Spitze zugleich ein Material zu wählen, das keine Flüssigkeit aufnimmt. Selbst wenn einzelne Elemente der Begründung, die das Patentgericht für das Fehlen eines erfinderischen Schritts gegeben hat, ihrerseits nicht erschöpfend erörtert sein sollten, stellte dies nicht in Frage, dass das Patentgericht im Sinne des § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG eine Begründung für den von ihm bejahten Löschungsgrund gegeben hat.
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