Entscheidungsdatum: 12.09.2013
1. NV: Ein Ablehnungsantrag muss als Prozesshandlung aus Gründen der prozessualen Klarheit eindeutig sein.
2. NV: Ein Ablehnungsantrag wird unzulässig, wenn der abgelehnte Richter (z.B. wegen seines Eintritts in den Ruhestand) nicht mehr mit der Sache befasst werden kann.
3. NV: Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Ablehnungsantrag entfällt erst, wenn keine Entscheidung des Richters mehr aussteht, also die Instanz mit allen Nebenentscheidungen beendet ist und auch eine Abänderung der Entscheidung nicht mehr in Betracht kommt.
4. NV: Verfahrensverstöße oder sonstige Rechtsfehler, die einem Richter unterlaufen sein sollen, stellen grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar. Eine Ausnahme gilt, wenn Gründe dargelegt werden, die dafür sprechen, dass eine ohne Weiteres feststellbare Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht.
5. NV: Auf vermeintliche Mängel des Mitwirkungsplans für die Verteilung der Geschäfte innerhalb des Senats (§ 21g GVG) kann ein Ablehnungsantrag nicht gestützt werden, wenn die konkrete Senatsbesetzung dem Mitwirkungsplan sowie seiner ständigen Auslegung und Anwendung entspricht und daher willkürfrei zustande gekommen ist.
1. Die Senatsvorsitzende ist nicht daran gehindert, an dem vorliegenden Beschluss mitzuwirken. Insbesondere kann den Äußerungen auf Bl. 13 des Schriftsatzes der Kläger, Beschwerdeführer, Rügeführer und Antragsteller (Kläger) vom 1. September 2013 nicht entnommen werden, dass damit ein Ablehnungsgesuch angebracht werden soll. Ein Ablehnungsgesuch muss als Prozesshandlung aus Gründen der prozessualen Klarheit eindeutig sein (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. November 2012 V S 11/13, BFH/NV 2013, 237, unter II.1.a, m.w.N.); daran fehlt es hier.
2. Der Ablehnungsantrag gegen den früheren Senatsvorsitzenden ist durch dessen Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand mit Ablauf des 31. Juli 2013 unzulässig geworden, weil der abgelehnte Richter mit der Sache nicht mehr befasst werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Oktober 1993 V B 62/93, BFH/NV 1994, 388, unter II.1.).
3. Die Ablehnungsanträge gegen die weiteren Senatsmitglieder, die am Beschluss vom 14. Mai 2013 X B 100/11 mitgewirkt haben sind bei erheblichen Zweifeln an ihrer Zulässigkeit zumindest unbegründet.
a) Den Anträgen steht nicht entgegen, dass die von den Klägern erhobene Nichtzulassungsbeschwerde durch den genannten Beschluss bereits zurückgewiesen worden ist. Das Rechtsschutzbedürfnis für ein Ablehnungsgesuch entfällt vielmehr erst dann, wenn keine Entscheidung des Richters mehr aussteht, wenn also die Instanz mit allen Nebenentscheidungen beendet ist und auch eine Abänderung der Entscheidung nicht mehr in Betracht kommt (Senatsbeschluss vom 24. November 1994 X B 149/94, BFH/NV 1995, 692, unter 1.). Vorliegend stehen aber die Entscheidungen sowohl über die Anhörungsrüge, mit der sich die Kläger gegen den genannten Senatsbeschluss wenden, als auch über den Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung dieses Beschlusses noch aus.
b) Nach § 42 Abs. 1 Alternative 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Ablehnung findet in diesen Fällen statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Dabei kommt es nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung darauf an, ob der Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger und objektiver Betrachtung davon ausgehen darf, der Richter werde nicht unvoreingenommen, sondern willkürlich entscheiden (BFH-Beschluss vom 24. August 2011 V S 16/11, BFH/NV 2011, 2087). Derartige Gründe sind vorliegend nicht gegeben.
aa) Die Kläger nehmen zur Begründung ihres Ablehnungsantrags zunächst auf die von ihnen erhobene Anhörungsrüge Bezug. Daraus kann eine Besorgnis der Befangenheit indes nicht abgeleitet werden.
(1) Soweit die Anhörungsrüge vermeintliche Gehörsverletzungen durch das Finanzgericht anführt, ist dies von vornherein nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit von Mitgliedern des beim BFH für die Überprüfung der finanzgerichtlichen Entscheidung zuständigen Senats darzulegen.
(2) Soweit die Anhörungsrüge geltend macht, auch der Senatsbeschluss über die von den Klägern erhobene Nichtzulassungsbeschwerde beruhe auf Gehörsverletzungen, ist darauf hinzuweisen, dass --vermeintliche-- Verfahrensverstöße oder sonstige Rechtsfehler eines Richters grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund darstellen. Das Institut der Richterablehnung soll eine unparteiische Rechtspflege sichern, nicht aber die Möglichkeit einer Überprüfung einzelner Verfahrenshandlungen eröffnen. Nur ausnahmsweise können Verfahrens- oder Rechtsverstöße eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Dies setzt indes die Darlegung von Gründen voraus, die dafür sprechen, dass eine --ohne Weiteres feststellbare-- Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (zum Ganzen vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1995, 692, unter 2.a, m.w.N.; zuletzt BFH-Beschluss vom 20. Juni 2013 IX S 12/13, BFH/NV 2013, 1444).
Dass die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalls vorliegend gegeben sein könnten, ist weder von den Klägern dargelegt worden noch sonst ersichtlich.
bb) Darüber hinaus tragen die Kläger vor, die abgelehnten Richter hätten gewusst, dass sie nicht die gesetzlichen Richter für das Beschwerdeverfahren X B 100/11 gewesen seien. Aus dem Mitwirkungsplan für die Verteilung der Geschäfte innerhalb des Senats (§ 21g des Gerichtsverfassungsgesetzes) ergebe sich eine andere Besetzung. Zudem hätten die abgelehnten Richter gewusst, dass der frühere Senatsvorsitzende den Klägern am 4. September 2012 eine unwahre Auskunft in Bezug auf die Entscheidung über die Senatsbesetzung erteilt habe.
(1) Diesen Rügen liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Nach Nr. I.3. Satz 1 des für das Geschäftsjahr 2011 geltenden Mitwirkungsplans vom 8. Dezember 2010 (gleichlautend Nr. I.3. Satz 1 des durch das seinerzeitige Ausscheiden des Senatsmitglieds A erforderlich gewordenen geänderten Mitwirkungsplans vom 30. August 2011) ergeben sich der Berichterstatter und der Mitberichterstatter grundsätzlich aus der letzten Zahl des Aktenzeichens des Senats (laufende Nummer des Jahrgangs). In Nr. III.5. der Mitwirkungspläne vom 8. Dezember 2010 und 30. August 2011 ist von "Zuschreibungen" die Rede; aus dem Sachzusammenhang ergibt sich, dass der Vorsitzende die Zuschreibungen vornimmt. Die Mitwirkungspläne enthalten keine ausdrückliche Regelung dazu, zu welchem Zeitpunkt die Zuschreibung vorzunehmen ist. Nach ständiger, im X. Senat langjährig geübter Praxis wird die Zuschreibung regelmäßig unverzüglich nach Eintritt der sogenannten "Zuschreibereife" vorgenommen; maßgeblich für die Bestimmung des Berichterstatters und Mitberichterstatters ist der in diesem Zeitpunkt geltende Mitwirkungsplan. Zuschreibereife ist eingetreten, wenn der Schriftsatzaustausch zwischen den Beteiligten beendet ist, d.h. die letzte einem Verfahrensbeteiligten von der Geschäftsstelle gesetzte Stellungnahmefrist zu einem Schriftsatz des anderen Beteiligten abgelaufen ist.
Im Beschwerdeverfahren X B 100/11 ging das per Post übersandte Exemplar der Gegenäußerung der Kläger auf die Stellungnahme des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) zur Beschwerdebegründung am 19. Oktober 2011 beim BFH ein. An diesem Tag nahm der damalige Senatsvorsitzende auch die Zuschreibung vor. Auf der Grundlage des seinerzeit geltenden Mitwirkungsplans vom 30. August 2011 waren danach --weil das Aktenzeichen des Verfahrens mit der Zahl "0" endete-- die Senatsmitglieder B und C zur Mitwirkung an der Entscheidung berufen. Diesen Senatsmitgliedern wurde die Sache auch zugeschrieben.
Die Kläger baten am 13. August 2012 darum, ihnen vor Ergehen einer Entscheidung die Senatsbesetzung mitzuteilen. Zugleich vertraten sie die Auffassung, die Besetzung müsse sich aus dem Mitwirkungsplan vom 8. Dezember 2010 ergeben, da die Beschwerde am 12. Juli 2011 --und damit vor dem Beschluss über die Änderung des Mitwirkungsplans vom 30. August 2011-- eingelegt worden sei. Zuständig seien danach die Senatsmitglieder A und D; aufgrund des Ausscheidens des Senatsmitglieds A trete gemäß der Übergangsregelung in Nr. III.5. des Mitwirkungsplans vom 30. August 2011 das Senatsmitglied E an ihre Stelle. Der frühere Senatsvorsitzende teilte den Klägern daraufhin am 4. September 2012 Folgendes mit: "Soweit es die Frage des gesetzlichen Richters betrifft, sind Ihnen die Mitwirkungspläne des Senats übermittelt worden. Der Senat wird im Rahmen der Beschlussfassung auch die Frage zu prüfen und zu entscheiden haben, welche Richter nach Maßgabe der Mitwirkungspläne zur Entscheidung berufen sind."
Der Senat, der am 14. Mai 2013 durch seinen früheren Vorsitzenden und die Senatsmitglieder B und C die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger zurückgewiesen hat, begründete in diesem Beschluss vorab ausdrücklich, dass er in der Besetzung entscheide, die sich aus dem Mitwirkungsplan vom 30. August 2011 für die Endziffer "0" ergebe. Die Übergangsregelung in Nr. III.5. des Mitwirkungsplans vom 30. August 2011 sei nicht einschlägig, da sie nur solche Verfahren erfasse, in denen die Zuschreibung bis zum 23. August 2011 vorgenommen worden sei.
(2) Für die Entscheidung über die Ablehnungsanträge kommt es nicht darauf an, ob die dargestellten Mitwirkungspläne des Senats Mängel aufgewiesen haben könnten. Entscheidend ist gemäß § 42 Abs. 2 ZPO vielmehr, ob ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Solches kann aber jedenfalls dann ausgeschlossen werden, wenn die konkrete Senatsbesetzung nicht willkürlich bestimmt worden ist (vgl. oben aa (2)), sondern --wie hier-- auf der ständigen Praxis der Anwendung und Auslegung von Mitwirkungsplänen beruht, deren Systematik im Senat seit vielen Jahren tradiert ist. Die Zuschreibung wurde im Verfahren X B 100/11 unverzüglich nach Eintritt der Zuschreibereife vorgenommen. Dies entspricht der allgemeinen Praxis des Senats und ist daher nicht willkürlich. Dies zeigt zugleich, dass aus der Anwendung der ständigen Zuschreibepraxis auch auf das von den Klägern geführte Beschwerdeverfahren keine Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit der mit dem Verfahren befassten Senatsmitglieder abgeleitet werden können.
(3) Eine Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Senatsmitglieder ergibt sich auch nicht im Hinblick auf das Schreiben des früheren Senatsvorsitzenden vom 4. September 2012. Darin wurde den Klägern mitgeteilt, der Senat werde im Rahmen der Beschlussfassung auch die Frage zu prüfen und zu entscheiden haben, welche Richter nach Maßgabe der Mitwirkungspläne zur Entscheidung berufen seien. Eine solche Prüfung ist --wie die Begründung des Beschlusses vom 14. Mai 2013 X B 100/11 zeigt-- im Rahmen der Beschlussfassung tatsächlich vorgenommen worden. Anhaltspunkte dafür, dass die abgelehnten Richter die entsprechende Erklärung des früheren Senatsvorsitzenden für unwahr gehalten haben könnten, sind danach nicht erkennbar.
4. Die Kläger äußern ferner "erhebliche Zweifel an einer korrekten und verfassungsgemäßen Richterbankbesetzung auch für dieses Verfahren mit dem Az. X S 30/13". Aus dem Zusammenhang ihrer Ausführungen folgt indes, dass sie damit nicht die Besetzung der (Vertreter-)Sitzgruppe rügen wollen, die in einem selbständigen Zwischenverfahren (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217, unter C.I.1.b) den vorliegenden Beschluss über die Ablehnungsanträge zu fällen hat, sondern allein die Besetzung der Sitzgruppe, die nachfolgend über die Anhörungsrüge zu entscheiden haben wird.