Entscheidungsdatum: 20.03.2017
Die Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG kann nicht in Anspruch genommen werden, wenn zwar begünstigungsfähige Einkünfte vorhanden sind, das zu versteuernde Einkommen aber negativ ist.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2014 9 K 3297/13 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist an mehreren gewerblichen Mitunternehmerschaften beteiligt. In Bezug auf die Beteiligung an einer KG wurde für sie für das Streitjahr 2009 ein Gewinnanteil von 152.784,24 € und ein nach § 34a des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigter Teilbetrag von 111.545,18 € festgestellt.
Da der Klägerin aus den Beteiligungen an weiteren Mitunternehmerschaften Verluste zugewiesen wurden, wurden im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2009 vom 2. September 2011 per saldo Einkünfte aus Gewerbebetrieb von ./. 82.964 €, ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 17.090 € und ein zu versteuerndes Einkommen von ./. 46.153 € ausgewiesen. Die Einkommensteuer wurde auf 0 € festgesetzt.
Mit ihrem Einspruch begehrte die Klägerin, auf die Einkünfte aus der KG die Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG (28,25 % von 111.545 €) anzuwenden. Dies hätte für das Streitjahr zur Festsetzung einer höheren Einkommensteuer geführt.
Zur Begründung führte die Klägerin aus, § 34a EStG sei gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG vorrangig vor dem allgemeinen Steuertarif anzuwenden und damit auch lex specialis im Verhältnis zu der allgemeinen Einkommensermittlungsvorschrift des § 2 Abs. 5 EStG. Nur dies werde dem Willen des Gesetzgebers gerecht, der die nicht entnommenen Gewinne bei Personenunternehmen in etwa so wie thesaurierte Gewinne von Kapitalgesellschaften habe besteuern wollen.
Während des Einspruchsverfahrens erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) am 4. Januar 2012 einen geänderten Einkommensteuerbescheid, mit dem weitere Grundlagenbescheide ausgewertet wurden. Die festgesetzte Einkommensteuer belief sich unverändert auf 0 €.
Das FA wies den Einspruch am 30. August 2013 zurück. Zur Begründung verwies es im Wesentlichen auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 11. August 2008 (BStBl I 2008, 838). Nach Rz 1 dieses Schreibens seien die Regelungen über den Verlustausgleich vorrangig vor § 34a EStG zu beachten. Daher könne durch § 34a EStG kein Verlustvortrag nach § 10d EStG erzeugt werden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2015, 564). Es vertrat die Auffassung, anders als von § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG vorausgesetzt, seien im zu versteuernden Einkommen der Klägerin für 2009 keine begünstigten Gewinne "enthalten", weil das zu versteuernde Einkommen negativ sei. Aus § 34a Abs. 8 EStG folge nichts anderes, weil diese Regelung nur den Fall erfasse, dass bereits eine tarifbegünstigte Besteuerung stattgefunden habe. Ihre Bedeutung sei daher auf Änderungsveranlagungen beschränkt.
Mit ihrer Revision wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen aus den vorangegangenen Verfahrensabschnitten.
Der Wortlaut des § 34a Abs. 1 EStG sei nicht eindeutig. Gewinne könnten auch dann im zu versteuernden Einkommen "enthalten" sein, wenn sie --bei negativem zu versteuernden Einkommen-- lediglich in den entsprechenden Rechenvorgang eingegangen seien. Die Begünstigung nach § 34a EStG sei auf jeden einzelnen Betrieb bezogen. Dies wäre aber nicht möglich, wenn zunächst ein Verlustausgleich vorgenommen werden müsste.
Streitig sei indes weniger die Auslegung des § 34a Abs. 1 EStG, sondern vor allem die des § 34a Abs. 8 EStG. Zwar könne diese Vorschrift in dem vom FG vorgenommenen Sinne ausgelegt werden. Die --in der Literatur sehr zahlreich vertretene-- Gegenauffassung verstehe § 34a Abs. 8 EStG aber dahingehend, dass dadurch die begünstigungsfähigen Gewinne von vornherein aus dem System des Verlustausgleichs ausgeschieden würden. Lege man die Auffassung des FG zugrunde, liefe § 34a Abs. 8 EStG leer bzw. hätte nur für Änderungsveranlagungen Bedeutung. Es sei aber kein Grund dafür ersichtlich, Änderungsveranlagungen anders zu beurteilen als erstmalige Veranlagungen.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 7. Dezember 2015 einen hinsichtlich mehrerer Besteuerungsgrundlagen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2009 erlassen. Die festgesetzte Steuer beträgt unverändert 0 €.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 7. Dezember 2015 dahingehend zu ändern, dass Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 111.545 € mit dem besonderen Steuersatz nach § 34a EStG besteuert werden.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Es schließt sich im Wesentlichen der Auffassung des FG an.
II. Die Revision führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des FG-Urteils, aber zur erneuten Abweisung der Klage.
1. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil der während des Revisionsverfahrens ergangene geänderte Einkommensteuerbescheid vom 7. Dezember 2015 an die Stelle des angefochtenen Bescheids vom 4. Januar 2012 getreten ist. Zwar handelt es sich --mangels Änderung der festgesetzten Steuer-- nicht um einen echten Änderungsbescheid, sondern lediglich um eine wiederholende Verfügung. § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist aber im Hinblick auf den Zweck dieser Vorschrift auch auf wiederholende Verfügungen anwendbar (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Juni 2014 IV R 51/11, BFH/NV 2014, 1716, Rz 19, m.w.N.).
Damit kann das FG-Urteil keinen Bestand mehr haben, weil ihm ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt. Da es jedoch nicht an einem Verfahrensmangel leidet und die vom FG festgestellten tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs durch die Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts unberührt bleiben, bedarf es keiner Zurückverweisung nach § 127 FGO (vgl. zum Ganzen, Senatsurteile vom 26. November 2008 X R 31/07, BFHE 223, 471, BStBl II 2009, 651, unter II.1., m.w.N., und vom 26. November 2014 X R 20/12, BFHE 248, 34, BStBl II 2015, 325, Rz 47).
2. Die Klage ist zulässig.
Zwar begehrt die Klägerin bei einem auf 0 € lautenden Einkommensteuerbescheid eine höhere Steuerfestsetzung. In derartigen Fällen fehlt es regelmäßig an der nach § 40 Abs. 2 FGO erforderlichen Beschwer (vgl. Senatsurteil vom 23. April 2008 X R 32/06, BFHE 221, 102, BStBl II 2009, 7, unter II.2.a aa). Eine Klage ist aber gleichwohl zulässig, wenn der Steuerpflichtige sich durch die höhere Steuerfestsetzung in anderen Veranlagungszeiträumen Steuervorteile verspricht, die die für das Streitjahr festzusetzende Mehrsteuer übersteigen (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2011 VI R 26/11, BFHE 236, 127, BStBl II 2012, 415, Rz 10).
So liegt es hier. Die Klägerin hat auf den entsprechenden Hinweis der Senatsvorsitzenden dargelegt, dass sie durch den --im Falle eines Erfolgs ihres Begehrens-- vorzunehmenden Verlustrücktrag in das Jahr 2008 sowie durch die sich dann für 2009 auswirkenden, bisher leer laufenden Steuerermäßigungen auch unter Berücksichtigung der künftig nach § 34a Abs. 4 EStG festzusetzenden Nachsteuer per saldo einen steuerlichen Vorteil erlangt. Dies gilt auch dann noch, wenn man berücksichtigt, dass die Zuwendungen an politische Parteien im Streitjahr 2009 lediglich 250 € und nicht --wie in die Rechnung der Klägerin eingestellt-- 590 € betragen haben. Auf die Frage, in welchem Umfang der durch den zeitlichen Aufschub der Nachversteuerung entstehende Zinsvorteil bei der Prüfung der erforderlichen Beschwer zu berücksichtigen ist, kommt es danach im Streitfall nicht an.
3. Das Begehren der Klägerin kann aber aus materiell-rechtlichen Gründen keinen Erfolg haben.
Dies folgt zwar nicht schon aus dem Wortlaut des § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG, der in Bezug auf die hier zu entscheidende Frage neutral ist (dazu unten a). Allerdings ergibt sich die fehlende Separierbarkeit der begünstigungsfähigen Gewinne bei gleichzeitig negativem zu versteuerndem Einkommen aus der gesetzlichen Systematik (unten b). Die Gesetzesmaterialien (unten c) sowie aus dem Gesetzeszweck abgeleitete Überlegungen (unten d) sind für die vorliegend zu beurteilende Problematik wenig ergiebig; sie stehen der aus der Systematik abgeleiteten Lösung aber jedenfalls nicht entgegen. Auch aus § 34a Abs. 8 EStG folgt kein anderes Ergebnis (unten e).
a) Sind in dem zu versteuernden Einkommen nicht entnommene Gewinne u.a. aus Gewerbebetrieb "enthalten", ist die Einkommen-steuer für diese Gewinne auf Antrag des Steuerpflichtigen ganz oder teilweise mit einem Steuersatz von 28,25 % zu berechnen (§ 34a Abs. 1 Satz 1 EStG).
Anders als das FG meint, ist die Auslegung des Begriffs "enthalten" hier nicht eindeutig. Zwar ließe sich die Auffassung vertreten, dass nach allgemeinem Sprachgebrauch in einer Saldogröße, die einen Betrag von Null oder einen Negativbetrag aufweist, ein zuvor verrechneter positiver Bestandteil nicht mehr "enthalten" sein kann.
Der Klägerin ist allerdings zuzugeben, dass bei einer eher abstrakt-mathematischen Betrachtungsweise auch eine Auslegung denkbar ist, wonach die in § 2 Abs. 3 EStG angeordnete Saldierung lediglich rein rechnerisch wirkte und die Selbständigkeit der in die Saldierung eingestellten Einzelbeträge unberührt ließe. Auf dieser Grundlage könnten auch in einer Null- oder Negativgröße einzelne positive Bestandteile noch "enthalten" sein.
b) Entscheidend für die vom FG gefundene Auslegung des Gesetzes sprechen gesetzessystematische Gesichtspunkte.
aa) Bei § 34a EStG handelt es sich um eine Tarifvorschrift, die an das zu versteuernde Einkommen anknüpft. Dies setzt voraus, dass zunächst das zu versteuernde Einkommen --nach den hierfür geltenden Regeln-- ermittelt wird. Erst im Zuge der Anwendung des Steuertarifs wird das bereits ermittelte zu versteuernde Einkommen in einen regelbesteuerten und einen sondertarifierten Teilbetrag aufgespalten (zutreffend Schiffers, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2008, 1805, 1806).
Der in § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG verwendete Begriff des "zu versteuernden Einkommens" wird in § 2 Abs. 5 Satz 1 EStG definiert als "Einkommen, vermindert um die Freibeträge nach § 32 Absatz 6 und um die sonstigen vom Einkommen abzuziehenden Beträge". Das Einkommen wiederum ergibt sich, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen vermindert wird (§ 2 Abs. 4 EStG). Der Gesamtbetrag der Einkünfte entspricht der um die Beträge nach § 13 Abs. 3, § 24a, § 24b EStG verminderten Summe der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG), wobei zur Ermittlung der Summe der Einkünfte die positiven und negativen Ergebnisse aus den einzelnen Einkunftsarten (sowie innerhalb der jeweiligen Einkunftsarten bereits die Ergebnisse aus den einzelnen Einkunftsquellen) zu saldieren sind (horizontaler und vertikaler Verlustausgleich).
Dieser in § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG vorgenommene Rückgriff auf den im EStG selbst definierten Begriff des "zu versteuernden Einkommens", der seinerseits an die vorgelagerten Einkommensermittlungsregelungen in § 2 Abs. 3, 4 EStG anknüpft, zeigt unzweifelhaft, dass auch in den Fällen des § 34a Abs. 1 EStG ein horizontaler und/oder vertikaler Verlustausgleich vorzunehmen ist, der gleichermaßen diejenigen Einkünfte einbezieht, die nach § 34a EStG begünstigungsfähig wären (zutreffend daher BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 838, Rz 1 Sätze 2 ff.; ausführlich Schiffers, DStR 2008, 1805, 1806; Wacker, Finanz-Rundschau --FR-- 2008, 605, 607; Wendt, DStR 2009, 406, 407; Reiß in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 34a Rz 15, 17; ebenso Ley, Unternehmensbesteuerung 2008, 13; Paus, Ertragsteuer-Berater 2008, 322; Blümich/Ratschow, § 34a EStG Rz 10; Schmidt/Wacker, EStG, 36. Aufl., § 34a Rz 11, 35 f.; Lindberg in Frotscher, EStG, § 34a Rz 2b; Kaligin in Lademann, EStG, § 34a EStG Rz 48; Bäuml in Kanzler/Kraft/Bäuml, EStG, 2017, § 34a Rz 65; Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz 16.1, 34; a.A. Stein in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 34a EStG Rz 30 f., 95).
bb) Wenn der Gesetzgeber eine vollständige Separierung der Einkünfte aus bestimmten Quellen von den regelbesteuerten Einkünften anordnen will, dann bedient er sich einer ganz anderen Regelungstechnik als in § 34a EStG geschehen. So wird etwa auf bestimmte Einkünfte aus Kapitalvermögen ein ermäßigter Steuersatz angewendet (§ 32d EStG). In dieser Norm ist nicht davon die Rede, dass die begünstigten Einkünfte im zu versteuernden Einkommen "enthalten" seien. Im Gegenteil ordnet § 2 Abs. 5b EStG ausdrücklich an, dass die unter § 32d Abs. 1 EStG fallenden Kapitalerträge in das zu versteuernde Einkommen "nicht einzubeziehen" sind. Nur auf einen ausdrücklichen Antrag des Steuerpflichtigen werden diese Kapitaleinkünfte den Einkünften i.S. des § 2 EStG hinzugerechnet (so § 32d Abs. 6 EStG).
Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber die Sonderregelungen der § 32d und § 34a EStG zwar durch dasselbe Gesetz (Unternehmensteuerreformgesetz 2008 --UntStRefG 2008-- vom 14. August 2007, BGBl I 2007, 1912) eingeführt hat, sich hinsichtlich der Einbeziehung der jeweils begünstigten Einkünfte in das zu versteuernde Einkommen bei § 34a EStG aber einer gänzlich anders gearteten Regelungstechnik als bei § 32d EStG bedient hat, folgt gerade, dass die allgemeinen Regeln des § 2 Abs. 3 bis 5 EStG --und damit auch die vorrangige Verlustverrechnung-- im Fall des § 34a EStG Anwendung finden sollen (ebenso Schiffers, DStR 2008, 1805, 1806; Wacker, FR 2008, 605, 607; Reiß in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 34a Rz 15; ähnlich auch Blaufus/Hechtner/Hundsdoerfer, Betriebs-Berater 2008, 80, 85, die aus § 2 Abs. 5b EStG --zutreffend-- ableiten, dass die Steuer nach § 34a EStG Bestandteil der tariflichen Einkommensteuer und daher nach § 35 EStG begünstigungsfähig sei; für Gleichbehandlung von Thesaurierungsbegünstigung und Abgeltungsteuer aber HHR/Stein, § 34a EStG Rz 30).
cc) § 10d Abs. 1 EStG lässt einen Verlustrücktrag nur zu, wenn negative Einkünfte bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, der Gesamtbetrag der Einkünfte also negativ ist. Im Streitfall ist der Gesamtbetrag der Einkünfte aber positiv. Wer --wie die Klägerin-- in einem solchen Fall einen Verlustrücktrag erzeugen will, müsste also zugleich die Systematik des § 10d EStG durchbrechen, wofür kein Grund ersichtlich ist (ebenso Wendt, DStR 2009, 406, 407).
dd) Nichts anderes ergibt sich aus der --von der Klägerin betonten-- Betriebsbezogenheit der Thesaurierungsbegünstigung. Zwar kann das Wahlrecht für jeden Betrieb oder Mitunternehmeranteil gesondert ausgeübt werden (§ 34a Abs. 1 Satz 2 EStG). Dies verdrängt aber nicht den übergeordneten Grundsatz, dass höchstens die nach den allgemeinen Regelungen ermittelte Bemessungsgrundlage des Einkommensteuertarifs Grundlage für den niedrigeren Thesaurierungstarif sein kann (zutreffend Wendt, DStR 2009, 406, 408).
c) Die Gesetzesmaterialien sind in Bezug auf die hier zu entscheidende Frage wenig ergiebig. Im Fraktionsentwurf des UntStRefG 2008 vom 27. März 2007 (BTDrucks 16/4841, 62 f.) heißt es: "Ausgangspunkt für die Berechnung der Steuerermäßigung ist das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs. 5). Aus dem nach allgemeinen Grundsätzen ermittelten zu versteuernden Einkommen sind die begünstigungsfähigen Gewinne herauszurechnen und auf Antrag des Steuerpflichtigen mit dem ermäßigten Steuersatz von 28,25 Prozent (zuzüglich Solidaritätszuschlag) zu besteuern."
Damit geht auch der Gesetzgeber mit hinreichender Eindeutigkeit davon aus, dass im Zuge der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens der Verlustausgleich nach den allgemeinen Grundsätzen vorzunehmen ist. Der anschließend verwendete Begriff "herausrechnen" könnte zwar theoretisch in dem von der Klägerin bevorzugten abstrakt-mathematischen Sinne verstanden werden (so auch Bäumer, DStR 2007, 2089, 2091). Es gibt aber nicht den geringsten Anhaltspunkt in der --recht ausführlich gehaltenen-- Begründung des Gesetzentwurfs, dass der Gesetzgeber an den Fall, dass das zu versteuernde Einkommen negativ ist und daher auf die von ihm als begünstigungswürdig angesehenen Einkünfte ohnehin keine Einkommensteuer anfällt, überhaupt gedacht haben könnte. Vielmehr wird der Verlustfall in der gesamten Entwurfsbegründung nicht erwähnt. Der Senat geht daher davon aus, dass der Gesetzgeber --auch-- an dieser Stelle das "Herausrechnen" aus einer positiven Größe meint, nicht aber das --sehr spezielle und daher als erläuterungsbedürftig anzusehende-- Herausrechnen eines positiven Beitrags aus einer bereits negativen Saldogröße.
d) Auch aus dem Normzweck des § 34a EStG kann die Klägerin nichts ihr Günstiges ableiten. Ziel dieser Regelung ist es, Einzel- und Mitunternehmer mit ihren Gewinneinkünften "in vergleichbarer Weise" wie das Einkommen einer Kapitalgesellschaft tariflich zu belasten (Begründung zum Fraktionsentwurf, BTDrucks 16/4841, 62). Diese Formulierung ist im späteren Bericht des Finanzausschusses noch etwas abgeschwächt worden: Danach ist an eine "stärkere Belastungsneutralität der unterschiedlichen Unternehmensformen" gedacht (BTDrucks 16/5491, 3); § 34a EStG soll ein "weiterer Schritt auf dem Weg zur rechtsformneutralen Besteuerung von Unternehmen" sein (BTDrucks 16/5491, 15).
Aus diesen vorsichtigen Formulierungen folgt bereits, dass aus den Regelungen des § 34a EStG keine vollkommene Identität der steuerlichen Belastung von Einzel- bzw. Mitunternehmern mit Kapitalgesellschaften oder ihren Gesellschaftern abgeleitet werden kann und diese Norm daher auch in Zweifelsfällen nicht zwingend in dieser Weise auszulegen ist.
Im Übrigen wäre auch bei einer Kapitalgesellschaft, die aus verschiedenen mitunternehmerischen Beteiligungen einerseits Gewinne und andererseits Verluste bezieht, eine Saldierung dieser Ergebnisse vorzunehmen, bevor die Körperschaftsteuer auf die verbleibende Bemessungsgrundlage erhoben wird. Eine Kapitalgesellschaft hat nicht die Möglichkeit, zwar die Gewinne zu versteuern, aber die Verluste --wie es die Klägerin für ihre Einkommensbesteuerung begehrt-- zu separieren und auf das Vorjahr zurückzutragen.
e) Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die Regelung des § 34a Abs. 8 EStG. Sie lautet: "Negative Einkünfte dürfen nicht mit ermäßigt besteuerten Gewinnen im Sinne von Absatz 1 Satz 1 ausgeglichen werden; sie dürfen insoweit auch nicht nach § 10d abgezogen werden."
Der Klägerin ist allerdings zuzugeben, dass diese Norm in ihrem Zusammenwirken mit § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG erhebliche Verständnisprobleme aufwirft (für einen Ausschluss des Verlustausgleichs daher HHR/Stein, § 34a EStG Rz 95; ebenso --allerdings jeweils ohne tiefgehende Erörterung der Problematik-- U. Förster, Der Betrieb --DB-- 2007, 760, 764; Dörfler in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 34a Rz 180; Crezelius in Festschrift für Wolfram Reiß, 2008 S. 399, 410; Winkeljohann/Fuhrmann in PricewaterhouseCoopers, Unternehmensteuerreform 2008, Rz 564 ff.; unklar Thiel/ Sterner, DB 2007, 1099, 1103; Lausterer/Jetter in Blumenberg/ Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, S. 9, 20, sowie Heuermann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rz B 102 f., die einerseits auf Abs. 8, andererseits aber darauf hinweisen, dass das zu versteuernde Einkommen nach den allgemeinen Regeln zu ermitteln sei).
aa) Hier spricht der Gesetzeswortlaut indes eher für die vom FG und der Finanzverwaltung vertretene Auslegung. Wenn es in § 34a Abs. 8 EStG heißt, ein Verlustausgleich mit "ermäßigt besteuerten Gewinnen" sei ausgeschlossen, impliziert dies, dass eine ermäßigte Besteuerung nach § 34a Abs. 1 EStG bereits stattgefunden haben muss. Zu einer solchen Anwendung des in § 34a Abs. 1 EStG vorgesehenen ermäßigten Steuersatzes kommt es aber von vornherein nicht, wenn das zu versteuernde Einkommen wegen des --vorrangig vorzunehmenden (s. oben b)-- Verlustausgleichs bei 0 € liegt oder gar negativ ist.
Wäre die von der Klägerin vertretene Auffassung richtig, wonach § 34a Abs. 8 EStG eine Spezialregelung zu der in § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 5 und 3 EStG angeordneten vorrangigen Verlustverrechnung darstelle, hätte es in § 34a Abs. 8 EStG heißen müssen: "Negative Einkünfte dürfen nicht mit Gewinnen ausgeglichen werden, die nach Abs. 1 Satz 1 begünstigungsfähig sind." Von einer solchen Formulierung ist der tatsächliche Gesetzeswortlaut indes deutlich entfernt.
Hinzu kommt bei einer bloßen Betrachtung des Gesetzeswortlauts, dass sich die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge eines Verlustrücktrags in das Vorjahr aus diesem Wortlaut keinesfalls ableiten lässt. Selbst wenn man § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG dahin verstehen wollte, dass auch aus einem negativen zu versteuernden Einkommen ein positiver begünstigungsfähiger Betrag herausgerechnet werden könnte, im Falle einer entsprechenden Antragstellung mit dem dort genannten festen Steuersatz von 28,25 % zu besteuern wäre und dadurch ein --erstmaliger oder höherer-- negativer Gesamtbetrag der Einkünfte entstünde, dann würde § 34a Abs. 8 EStG doch nur anordnen, dass dieser Negativbetrag eben nicht nach § 10d EStG abgezogen werden darf. Denn die genannte Vorschrift ordnet an, dass negative Einkünfte insoweit, als sie ermäßigt besteuerten Gewinnen gegenüberstehen, nicht nach § 10d EStG abgezogen werden dürfen. Dieser Wortlaut ist eindeutig; er steht der von der Klägerin begehrten Rechtsfolge entgegen.
bb) Die Klägerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass eine Norm in aller Regel nicht dahingehend ausgelegt werden kann, dass ihr kein relevanter Anwendungsbereich mehr verbleibt (für eine Inhaltslosigkeit des Abs. 8 Fellinger, DB 2008, 1877; Rohler, GmbH-Steuerberater 2008, 238; Schiffers, DStR 2008, 1805, 1806; Lindberg in Frotscher, EStG, § 34a Rz 2b; Kaligin in Lademann, EStG, § 34a EStG Rz 48). Dies ist bei der Auslegung, die der Senat der Vorschrift des § 34a Abs. 8 EStG gibt, aber nicht der Fall.
Zum einen wirkt sie --wie unter aa dargelegt-- als Verstärkung der vom Senat gefundenen Auslegung des § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG, da negative Einkünfte, die ermäßigt besteuerten Gewinnen gegenüberstehen, in keinem Fall nach § 10d EStG abgezogen werden dürfen.
Zum anderen behält diese Regelung --wie auch in der Literatur vielfach vertreten wird (Bodden, FR 2012, 68, 69 f.; Reiß in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 34a Rz 18, 82; Blümich/Ratschow, § 34a EStG Rz 11, 85; Bäuml in Kanzler/Kraft/Bäuml, EStG, 2017, § 34a Rz 416 ff.; Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz 16.1, 208.1 ff.)-- einen eigenen und relevanten Anwendungsbereich in Fällen, in denen nach einer bereits durchgeführten Veranlagung, bei der --mit positivem zu versteuernden Einkommen-- die Begünstigung nach § 34a Abs. 1 EStG beantragt und gewährt worden ist, nachträglich Verluste bekannt und in die Veranlagung einbezogen werden. Bei einer solchen Änderungsveranlagung gilt dann, dass die (neuen) negativen Einkünfte nicht mit den bereits "ermäßigt besteuerten Gewinnen" (so der Gesetzeswortlaut) ausgeglichen werden dürfen. Eine solche "Festschreibung der Verwendung" bestimmter Beträge im Falle von Änderungsveranlagungen ist dem Ertragsteuerrecht durchaus nicht fremd (vgl. etwa § 28 Abs. 4 und § 54 Abs. 10a des Körperschaftsteuergesetzes 1999).
cc) Die Gesetzesmaterialien (BTDrucks 16/4841, 64) helfen bei der Auslegung des § 34a Abs. 8 EStG nicht. Sie äußern sich lediglich zu der --in § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG enthaltenen-- Regelung über den Verlustrücktrag in den Fällen des § 34a EStG, aber nicht zu dem eigentlichen Norminhalt des § 34a Abs. 8 EStG (ebenso Wacker, FR 2008, 605, 607).
dd) Im Übrigen neigt der Senat der auch in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung zu, dass § 34a Abs. 8 EStG ein Relikt aus früheren Überlegungen zur Fassung der Thesaurierungsbegünstigung ist, aber nicht in das System der letztlich Gesetz gewordenen Fassung der Vorschrift passt.
So hatten Teile der Literatur bereits im Jahr 2005 ein sogenanntes "T-Modell" vorgeschlagen, das ebenfalls eine Tarifbegünstigung für nicht entnommene Gewinne enthielt (Wissenschaftlicher Beirat des Fachbereichs Steuern bei der Ernst & Young AG, Betriebs-Berater --BB-- 2005, 1653). Es sah allerdings vor, dass der begünstigte Teil des Gewinns steuerlich zu separieren war und daher weder bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte noch beim Verlustabzug berücksichtigt werden durfte (vgl. den Entwurf eines § 32c Abs. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des "T-Modells", BB 2005, 1653, 1660). Insbesondere Autoren, die die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber habe sich bei Schaffung des § 34a EStG an diesem "T-Modell" orientiert, sind zugleich der Ansicht, auch die Gesetz gewordene Fassung des § 34a EStG untersage einen Verlustausgleich (vgl. z.B. Bäumer, DStR 2007, 2089).
Tatsächlich ist der Gesetzgeber der vom "T-Modell" vorgesehenen strikten Trennung der begünstigungsfähigen von den übrigen Einkünften aber gerade nicht gefolgt (zutreffend Söffing, Deutsche Steuer-Zeitung 2008, 471; ausführlich Wacker, FR 2008, 605, 607; Wendt, DStR 2009, 406, 408). § 34a Abs. 8 EStG, der noch auf einem anderen systematischen Grundsatz beruht, kann daher den Anwendungsbereich des § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht einschränken.
4. Der Senat hält es für angebracht, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90a Abs. 1, § 121 Satz 1 FGO.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.