Entscheidungsdatum: 03.05.2017
1. NV: Wird eine "kurze Zeit" nach Beendigung des Kalenderjahres ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit abgeflossene Umsatzsteuervorauszahlung entgegen § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG erst im Folgejahr als Betriebsausgabe angesetzt, liegt ein --die Anwendung von § 129 AO ausschließender-- Rechtsirrtum derart nahe, dass sich das FG mit dieser Frage in den Entscheidungsgründen näher befassen muss .
2. NV: Die Nichtberücksichtigung einer einzelnen Umsatzsteuervorauszahlung als Betriebsausgabe ist nicht "offenbar" i.S. von § 129 Satz 1 AO, wenn das betreffende Steuererklärungsformular (hier: "Anlage EÜR" zur Gewinnfeststellungserklärung) lediglich eine Gesamtbetragsangabe enthält. Die Möglichkeit eines "schlichten" Abgleichs mit der zeitgleich abgegebenen Umsatzsteuererklärung des nämlichen Jahres ändert hieran aufgrund der systematischen Unterschiede zwischen Einkommen- und Umsatzsteuererhebung nichts .
3. NV: Das Tatbestandsmerkmal "Annahme" in § 174 Abs. 3 AO setzt einen kognitiven Prozess bei dem tätig gewordenen Finanzamtsmitarbeiter voraus. Die rein mechanische Übernahme von Erklärungsfehlern des Steuerpflichtigen bzw. seines Beraters genügt insoweit nicht .
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 14. April 2015 1 K 1609/14 aufgehoben.
Die Sache wird an das Sächsische Finanzgericht zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Streitjahr 2011 Einkünfte aus der gewerblichen Vermietung von Arbeitsbühnen. Den Gewinn seines Einzelunternehmens ermittelte er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
Der Kläger beglich die Umsatzsteuervorauszahlung für November 2011 --unter Inanspruchnahme der Dauerfristverlängerung gemäß § 46 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung-- am 10. Januar 2012 mittels Lastschrifteinzug. Mit nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 7. Februar 2013 stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb im Streitjahr gesondert fest. Dem lagen die Angaben aus einer elektronisch an das FA übermittelten Einnahmen-Überschuss-Rechnung für 2011 zugrunde. Der darin in Zeile 45 angegebene Gesamtbetrag der an das FA gezahlten Umsatzsteuer umfasste die Umsatzsteuervorauszahlung für November 2011 nicht. Der Gewinnfeststellungsbescheid wurde bestandskräftig.
Der Kläger machte die Umsatzsteuervorauszahlung für November 2011 in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung für das Folgejahr 2012 als Betriebsausgabe geltend. Dagegen wandte das FA ein, diese Vorauszahlung könne nicht in 2012 angesetzt werden, weil sie am 10. Januar 2012 geleistet worden sei und damit wegen der Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG bereits im Jahr 2011 zu berücksichtigen gewesen wäre. Daraufhin beantragte der Kläger, den Gewinnfeststellungsbescheid 2011 entsprechend zu korrigieren.
Dies lehnte das FA mit der Begründung ab, es stehe keine Korrekturvorschrift zur Verfügung.
Im darauffolgenden Klageverfahren obsiegte der Kläger. Das Finanzgericht (FG) erkannte mit in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2016, 1200 veröffentlichtem Urteil, in Bezug auf den Gewinnfeststellungsbescheid 2011 lägen die Voraussetzungen einer Berichtigung nach § 129 der Abgabenordnung (AO) vor. Der Bescheid sei unrichtig, da die Umsatzsteuervorauszahlung für November 2011 im Jahr 2011 als Betriebsausgabe abzuziehen gewesen sei. Diese Unrichtigkeit sei auch offenbar. Der Kläger habe eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung für 2011 eingereicht und darin eine geleistete Vorauszahlung nicht berücksichtigt, obschon er diese Zahlung in der zeitgleich übermittelten Umsatzsteuererklärung für 2011 ausgewiesen habe.
Mangelnde Sachaufklärung sei nicht Ursache der Unrichtigkeit gewesen, denn dem FA sei bei Durchführung der gesonderten Feststellung bekannt gewesen, dass die Umsatzsteuervorauszahlungen des Klägers per Lastschrift geleistet worden seien. Daher habe sich aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten und somit auch aus Sicht des FA ergeben, dass der Kläger die umsatzsteuerlich berücksichtigte Zahlung nur aufgrund eines mechanischen Versehens nicht in seiner Feststellungserklärung aufgenommen habe. Diese Fehlerhaftigkeit sei für das FA anhand der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen, die sich nicht auf die Steuerart beschränkten, bei der der Fehler unterlaufen sei, ohne Weiteres erkennbar gewesen; es habe sich das Versehen des Klägers zu eigen gemacht.
Mit seiner Revision rügt das FA eine rechtsfehlerhafte Anwendung des § 129 AO. Außerdem habe das FG Verfahrensrecht verletzt, indem es den Inhalt der von ihm zur Urteilsbegründung herangezogenen Umsatzsteuererklärung 2011 nicht ausgeschöpft habe (Verstoß gegen das Vollständigkeitsgebot, § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Anders als das FG ausführe, sei die Vorauszahlung für November 2011 darin nicht gesondert ausgewiesen. Stattdessen enthalte die Jahreserklärung ebenfalls nur die Angabe eines Gesamtbetrags.
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat keinen Revisionsantrag gestellt.
II. Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
Die vom FG getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um einen --hier sehr naheliegenden-- Rechtsirrtum des Klägers bzw. seines steuerlichen Beraters bei der Erstellung der Einnahmen-Überschuss-Rechnung für 2011 auszuschließen. Schon aus diesem Grund kann die Anwendung des § 129 AO im Streitfall keinen Bestand haben (unter 1.b aa). Des Weiteren hat die Vorinstanz zu Unrecht in der Nichtberücksichtigung der Umsatzsteuervorauszahlung für November 2011 eine offenbare Unrichtigkeit des Gewinnfeststellungsbescheids 2011 gesehen (unter 1.b bb, cc). Die Sache ist gleichwohl nicht spruchreif, weil sich anhand der bisher vom FG getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen lässt, ob die vom Kläger begehrte Bescheidkorrektur ggf. auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO oder § 174 Abs. 3 AO gestützt werden kann (unter 2.). Sollte dies der Fall sein, wird sich das FG zudem mit eventuellen Anschlusssaldierungen gemäß § 177 Abs. 2 AO befassen müssen (unter 3.).
1. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit innerhalb der Verjährungsfrist berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen (§ 129 Satz 2 AO).
a) Offenbare Unrichtigkeiten i.S. von § 129 AO sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts eine offenbare Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist ferner nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO setzt grundsätzlich voraus, dass der offenbare Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. September 2015 IX R 37/14, BFHE 250, 332, BStBl II 2015, 1040, Rz 17). Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist die Vorschrift aber auch dann anwendbar, wenn das FA offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 27. August 2013 VIII R 9/11, BFHE 242, 302, BStBl II 2014, 439, Rz 15, m.w.N.).
Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage beurteilt werden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterworfen ist (vgl. zuletzt Senatsurteile vom 3. August 2016 X R 20/15, BFH/NV 2017, 438, und vom 26. Oktober 2016 X R 1/14, BFH/NV 2017, 257, jeweils unter II.1.a, m.w.N.).
b) Daran gemessen erweist sich die Würdigung des FG, der streitgegenständliche Gewinnfeststellungsbescheid könne gemäß § 129 AO berichtigt werden, als rechtsfehlerhaft.
aa) Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Vorinstanz erkennbar nicht in die Prüfung eingetreten ist, ob vorliegend ein --die Anwendung von § 129 AO ausschließender-- Rechtsirrtum für die Unrichtigkeit des Feststellungsbescheids ursächlich geworden sein könnte. Eine solche Prüfung war im Streitfall zwingend geboten, weil der Kläger bzw. dessen steuerlicher Berater nicht nur die am 10. Januar 2012 beglichene Umsatzsteuervorauszahlung entgegen § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG nicht in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung für 2011 angesetzt hat, sondern sie --unstreitig-- erst in derjenigen des Folgejahres als Betriebsausgabe berücksichtigen wollte. Mit diesem Erklärungsverhalten ist die tragende Schlussfolgerung des FG, der Kläger habe die in Rede stehende Umsatzsteuervorauszahlung nur aufgrund eines mechanischen Versehens nicht im Jahr 2011 berücksichtigt, unvereinbar. Weitere Feststellungen zu der Frage, weshalb die Vorauszahlung von Anfang an im unzutreffenden Jahr 2012 steuermindernd in Ansatz gebracht und nur nach einem Hinweis durch das FA ein entsprechender Korrekturantrag gestellt worden ist, fehlen. Somit stellt sich bereits die Sachverhaltswürdigung des FG als lückenhaft dar, was schon für sich gesehen die Urteilsaufhebung nach sich ziehen muss.
bb) Ungeachtet dessen kann im Streitfall nicht angenommen werden, die Unrichtigkeit des Gewinnfeststellungsbescheids sei "offenbar" gewesen. Die von der Vorinstanz durch Verweisung gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 FGO zum Urteilsgegenstand gemachte Einnahmen-Überschuss-Rechnung für 2011 enthält keine Angaben zu den einzelnen Umsatzsteuervorauszahlungen. Stattdessen sah Zeile 45 des Steuererklärungsformulars lediglich die Angabe eines Gesamtbetrags vor. Aus welchen Einzelpositionen --d.h. inklusive oder exklusive der Vorauszahlung für November 2011-- sich die dort angegebene Summe zusammensetzte, war nicht erkennbar. Um dies aufzudecken, hätte das FA bzw. ein gedachter objektiver Dritter den Gesamtbetrag in die zugrunde liegenden Einzelpositionen auflösen und einen Abgleich mit allen für das Kalenderjahr 2011 --unter Beachtung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG-- abgeflossenen Umsatzsteuervorauszahlungen vornehmen müssen. Auf andere Weise wäre bei der gegebenen Sachlage nicht feststellbar gewesen, dass die streitige Vorauszahlung nicht in der Gesamtsumme dieses Betriebsausgabenpostens enthalten war. In einer solchen, weitere Sachaufklärungsmaßnahmen und Berechnungen des FA notwendig machenden Situation ist die betreffende Unrichtigkeit aber nicht mehr offenbar (vgl. BFH-Urteil vom 1. August 2012 IX R 4/12, BFH/NV 2013, 1, unter II.2.).
cc) Daran änderte der vom FG herangezogene Inhalt der Umsatzsteuererklärung 2011 nichts.
(1) Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass der Senat aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht nachvollziehen kann, aufgrund welcher Tatsachen die Vorinstanz zu der Feststellung gelangt ist, der Kläger habe die Umsatzsteuervorauszahlung für November 2011 in der zeitgleich übermittelten Umsatzsteuererklärung 2011 "ausgewiesen". Die hierfür auf Seite 5, zweiter Absatz, des FG-Urteils vorgenommene Verweisung auf Blatt 16 der Bilanzakte führt lediglich zu einem vom 21. Dezember 2012 datierenden Schriftsatz des steuerlichen Beraters des Klägers, in dem dieser dem FA nachrichtlich mitteilt, welche Steuererklärungen an jenem Tag elektronisch übermittelt wurden. Die Umsatzsteuererklärung 2011 (einschließlich etwaiger freitextlicher bzw. schriftsätzlicher Ergänzungen) ist demgegenüber nicht Bestandteil der Bilanzakte.
(2) Selbst wenn man davon ausginge, die Umsatzsteuererklärung habe tatsächlich eine Auflistung sämtlicher Umsatzsteuervorauszahlungen des Jahres 2011 enthalten, begründet dies keine offenbare Unrichtigkeit des Gewinnfeststellungsbescheids. Auch in diesem Fall wären weitere Prüfungen des FA unumgänglich gewesen. Angesichts der systematischen Unterschiede zwischen Einkommen- und Umsatzsteuererhebung ist es nämlich keineswegs unwahrscheinlich, sondern sogar regelmäßig zu erwarten, dass der Gesamtbetrag der in die Einnahmen-Überschuss-Rechnung und die Umsatzsteuererklärung desselben Jahres aufgenommenen Vorauszahlungen differiert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das im Einkommensteuerrecht in Fällen des § 4 Abs. 3 EStG geltende Abflussprinzip nicht auf das Umsatzsteuerrecht erstreckt worden ist. Anders als § 11 Abs. 2 EStG stellt § 18 Abs. 4 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) einheitlich auf die Summe der Vorauszahlungen ab, ohne dass es darauf ankäme, zu welchem Zeitpunkt sie entrichtet worden sind.
(3) Die erforderliche "Offenbarkeit" der Unrichtigkeit lässt sich ferner nicht damit begründen, dem FA sei bekannt gewesen, dass die Umsatzsteuervorauszahlungen per Lastschrift geleistet worden seien (FG-Urteil, Seite 5, zweiter Absatz). § 224 Abs. 2 Nr. 3 AO betrifft lediglich die Bestimmung des Zeitpunkts der Entrichtung, d.h. im hiesigen Kontext des Abflusses (§ 11 Abs. 2 EStG), von Zahlungen an das FA, die wirksam geleistet worden sind. Damit ist die Gutschrift des Betrags auf dem Konto des FA gemeint (§ 4 Abs. 4 EStG i.V.m. § 675t Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Kommt eine solche Gutschrift z.B. wegen fehlender Kontodeckung bzw. ausgeschöpften Kreditrahmens oder aufgrund Widerspruchs nicht zustande, kann trotz erteilter Einzugsermächtigung kein Betriebsausgabenabzug beansprucht werden (vgl. BFH-Urteil vom 14. Januar 1986 IX R 51/80, BFHE 146, 48, BStBl II 1986, 453, unter 2.; BFH-Beschluss vom 8. März 2016 VIII B 58/15, BFH/NV 2016, 1008, unter 1.b). Demzufolge war die Teilnahme des Klägers am Lastschriftverfahren allein nicht geeignet, die genannten weiteren Überprüfungen durch das FA entbehrlich zu machen.
(4) Auch aus dem BFH-Urteil in BFHE 242, 302, BStBl II 2014, 439 ergibt sich nichts Gegenteiliges. In dieser Entscheidung hat der VIII. Senat des BFH die Anwendbarkeit des § 129 AO für den Fall bejaht, dass in den vom Steuerpflichtigen erstellten Gewinnermittlungen überhaupt keine Umsatzsteuerzahlungen als Betriebsausgaben geltend gemacht wurden, obwohl das FA entsprechende Zahlungen bei der Umsatzsteuerfestsetzung berücksichtigt hatte. Der wesentliche Unterschied zur vorliegenden Konstellation besteht darin, dass dort eine unschwer erkennbare versehentliche Nichtangabe zu beurteilen war, wohingegen hier eine nicht ohne Weiteres zu durchschauende unzutreffende Gesamtbetragsangabe in Streit steht.
Im Fall, den der VIII. Senat zu beurteilen hatte, lag es aus Sicht eines objektiven Dritten auf der Hand, dass nicht alle Umsatzsteuerzahlungen außerhalb des ertragsteuerrechtlich maßgeblichen Zeitraums abgeflossen sein konnten, was die "Offenbarkeit" jener (vom FA übernommenen) Unrichtigkeit begründete. Die weitere Möglichkeit, der dortige Kläger sei einem Rechtsirrtum unterlegen, wonach die Umsatzsteuerzahlungen generell nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden könnten, schied ersichtlich aus. So ist der hiesige Streitfall jedoch nicht gelagert. Vorliegend hat der Kläger nicht sämtliche Umsatzsteuervorauszahlungen außer Acht gelassen (in Zeile 45 der Einnahmen-Überschuss-Rechnung gar keine Eintragung vorgenommen), sondern an dieser Stelle des Vordrucks einen Gesamtbetrag eingesetzt, der zudem vor dem Hintergrund seiner übrigen Angaben nicht von vornherein unrealistisch war. In einem solchen Fall liegt ein schlicht mechanisch bedingtes Übertragungsversehen indes nicht offen zu Tage.
2. Die Sache ist nicht spruchreif und muss deshalb an das Tatsachengericht zurückgehen. Das FG hat sich --ausgehend von seinem rechtlichen Standpunkt zu Recht-- nicht mit Änderungsmöglichkeiten nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO und § 174 Abs. 3 AO befasst und folglich keine darauf bezogenen Feststellungen getroffen. Dies wird es nunmehr im zweiten Rechtsgang nachholen müssen.
Hierzu weist der Senat --ohne Bindungswirkung-- auf folgende Gesichtspunkte hin:
In der durch Bezugnahme in das FG-Urteil übernommenen Einnahmen-Überschuss-Rechnung des Klägers für 2011 ist u.a. neben der streitgegenständlichen Zeile 45 ein handschriftlicher Vermerk angebracht, dem der Senat den Inhalt "laut i. Abfrge" entnimmt (Schreibfehler im Original). Zudem ist der dort angegebene Gesamtbetrag mit einem von links unten nach rechts oben verlaufenden Schrägstrich oder Haken versehen; sowohl auf Seite 1 als auch auf Seite 2 der Einnahmen-Überschuss-Rechnung findet sich die Paraphe "...". Diese nachträglich auf dem elektronisch übermittelten Steuererklärungsformular angebrachten Bearbeitungsvermerke geben Anlass zu weiterer Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Aus Sicht des erkennenden Senats handelt es sich dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit um Bearbeitungsvermerke des das Gewinnfeststellungsverfahren durchführenden Amtsträgers. Sollte dies der Fall sein, müsste das FG dessen Kenntnisstand bei abschließender Zeichnung des Feststellungsbescheids näher untersuchen.
a) Wäre danach davon auszugehen, dass dem Sachbearbeiter zu diesem Zeitpunkt bereits positiv bekannt war, dass die Umsatzsteuervorauszahlung für November 2011 --trotz Abflusses am 10. Januar 2012-- nicht in dem in Zeile 45 der Einnahmen-Überschuss-Rechnung angegebenen Gesamtbetrag berücksichtigt wurde, schiede eine Anwendung von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO mangels "nachträglich" bekannt gewordener Tatsache aus. Auf Fragen eines --dem Kläger zuzurechnenden-- "groben Verschuldens" seines steuerlichen Beraters käme es dann nicht an.
b) Ist der konkrete Kenntnisstand des Sachbearbeiters nicht mehr aufzuklären, wäre zu bedenken, dass nach der Rechtsprechung des BFH --neben dem Inhalt der bei der zuständigen Dienststelle geführten Akten-- auch all diejenigen Tatsachen als "bekannt" i.S. von § 173 Abs. 1 AO gelten, die dem Sachbearbeiter von vorgesetzten Dienststellen über ein elektronisches Informationssystem zur Verfügung gestellt werden; auf eine tatsächlich erlangte individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters kommt es insoweit nicht an (vgl. BFH-Urteile vom 13. Januar 2011 VI R 61/09, BFHE 232, 5, BStBl II 2011, 479, Rz 15, und vom 13. Juni 2012 VI R 85/10, BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5, Rz 25, jeweils m.w.N.). Ob bzw. inwieweit eine solche Möglichkeit im Streitfall bestand, wäre daher u.U. ebenfalls aufklärungsbedürftig.
c) Sollte die weitere Sachaufklärung zu dem Ergebnis führen, dem Sachbearbeiter des FA sei die Nichtberücksichtigung der Umsatzsteuervorauszahlung für November 2011 in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung tatsächlich positiv bekannt gewesen oder aber es müsse ihm zumindest die Aktenkundigkeit dieses Umstands als "bekannt" zugerechnet werden, wäre weiter tatrichterlich zu ergründen, ob der Sachbearbeiter das Feststellungsverfahren in der unrichtigen "Annahme" fortgeführt hat, die Vorauszahlung sei erst im Jahr 2012 als Betriebsausgabe abziehbar (§ 174 Abs. 3 Satz 1 AO). Die rein mechanische Übernahme des auf Seiten des Klägers aufgetretenen Fehlers wäre dann allerdings nicht ausreichend, weil das Tatbestandsmerkmal "Annahme" bereits seinem Wortsinn nach einen darüber hinausgehenden kognitiven Prozess bei dem tätig gewordenen Finanzamtsmitarbeiter voraussetzt (vgl. Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 174 AO Rz 105). Dieses könnte insbesondere dann zu bejahen sein, wenn der Bearbeiter seinerseits bewusst die Umsatzsteuervorauszahlung für November 2011 im Jahr 2011 nicht berücksichtigt hat, weil er sie dem Veranlagungsjahr 2012 zuordnen wollte. Hätte er sich demgegenüber dazu überhaupt keine Gedanken gemacht, läge keine "Annahme" im Sinne des Gesetzes vor.
3. Käme das FG nach alledem zu der Überzeugung, der Gewinnfeststellungsbescheid 2011 sei dem Grunde nach einer Änderung zugänglich, müssten zuletzt noch diejenigen Feststellungen getroffen werden, die erforderlich sind um zu beurteilen, ob mit Rücksicht auf den Jahreswechsel 2010/2011 möglicherweise eine Saldierung gemäß § 177 Abs. 2 AO vorzunehmen ist.
4. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).
Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.