Entscheidungsdatum: 20.03.2017
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 31. August 2016 12 K 3245/15 E wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr 2013 u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... € aus seiner Beteiligung an der I-GmbH & Co. KG. Diese umfassen die Erträge aus der im Sonderbetriebsvermögen gehaltenen Beteiligung an der S-GmbH (GmbH), die Komplementärin der S GmbH & Co. KG und zu 100 % an deren Vermögen beteiligt ist.
Mit notariellem Vertrag vom 17. Dezember 2012 hatte der Vater des Klägers (V), der Beigeladene S, der bis dahin alleiniger Gesellschafter der GmbH war, seinen Geschäftsanteil an dieser im Nennwert von ... € im Wege der vorweggenommenen Erbfolge dem Kläger übertragen. Der Wert des übertragenen Anteils wurde als nach § 13a des Erbschaftsteuergesetzes begünstigtes Vermögen mit ... € festgestellt.
Der Kläger wurde zum alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) befreiten weiteren Geschäftsführer der GmbH bestellt. Nach § 5 des Vertrags vom 17. Dezember 2012 blieb V weiterhin Geschäftsführer der GmbH. Seine Abberufung ohne eigene Zustimmung berechtigte V zum Widerruf der Anteilsübertragung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i des notariellen Vertrags vom 17. Dezember 2012).
Nach § 2 des Vertrags verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung einer indexgebundenen Versorgungsrente an die Eltern in Höhe von monatlich ... € ab dem 1. Januar 2013 bis zum Tode des Längstlebenden.
In ihrer Einkommensteuer-Erklärung 2013 machten die Kläger die Zahlungen an die Eltern des Klägers in Höhe von ... € als Versorgungsleistungen im Rahmen der Sonderausgaben geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte deren Berücksichtigung ab. Versorgungsleistungen in Zusammenhang mit der Übertragung eines GmbH-Anteils seien nur abziehbar, wenn der Übergeber die Geschäftsführertätigkeit vollständig und ausnahmslos eingestellt habe. Diese Voraussetzung liege im Streitfall nicht vor.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1943 veröffentlichtem Urteil ab. Die Versorgungsleistungen seien nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes 2013 (EStG 2013; jetzt inhaltsgleich § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG) nur dann als Sonderausgaben abziehbar, wenn sie in Zusammenhang mit der Übertragung eines mindestens 50 % betragenden Anteils an einer GmbH zugesagt worden seien, der Vermögensübergeber als Geschäftsführer tätig gewesen sei und der Übernehmer diese Tätigkeit nach der Übertragung übernehme. Dadurch solle sichergestellt werden, dass nur dann die Übertragung von GmbH-Anteilen in den Begünstigungsbereich von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG 2013 falle, wenn der Übergeber, ähnlich dem Inhaber eines Einzelunternehmens und typischerweise auch ein Mitunternehmer, persönlich in der Geschäftsführung tätig sei. Zwar habe V als Übergeber seinen 100 %-igen Geschäftsanteil an der GmbH auf den Kläger übertragen. Nach dem Wortlaut von § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 sei darüber hinaus nicht nur erforderlich, dass der Vermögensübergeber vor der Übertragung als Geschäftsführer tätig gewesen sei, sondern auch, dass er nach der Vermögensübertragung diese Tätigkeit beende.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe sich bei der Auslegung von § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 der Auffassung der Finanzverwaltung angeschlossen, wonach der Vermögensübergeber seine Tätigkeit als Geschäftsführer vollständig aufgeben müsse (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 11. März 2010 IV C 3-S 2221/09/10004, BStBl I 2010, 227). Nach Auffassung des BMF müsse aber der Übernehmer im Rahmen der Geschäftsführung nicht dieselbe Funktion ausüben wie vormals der Übergeber. Unschädlich sei zudem, wenn der Vermögensübergeber in anderer Weise als der des Geschäftsführers tätig werde (im Rahmen einer selbständigen oder nichtselbständigen Tätigkeit). Diese Auslegung der Finanzverwaltung müsse hinterfragt werden.
Den Gesetzesmaterialien zum Jahressteuergesetz 2008 (JStG 2008) sei zu entnehmen, dass mit der Neuregelung der Abziehbarkeit der Versorgungsleistungen als Sonderausgaben eine zielgenaue Regelung der steuerlichen Begünstigung der Unternehmensübergaben gegen Versorgungsleistungen geplant gewesen sei. Das Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sollte auf seinen Kernbereich zurückgeführt werden. Im Regierungsentwurf sei zunächst die Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht begünstigt gewesen, weil deren Gesellschafter nicht betrieblich tätig seien. Sie gäben mit der Übertragung lediglich eine Kapitaleinkunftsquelle, aber keine gewerbliche Tätigkeit auf.
Die Erweiterung der Abziehbarkeit der Versorgungsleistungen auch bei einer Übertragung von GmbH-Anteilen sei erst auf Anregung des Bundesrats in das Gesetz aufgenommen worden. Die Übertragung von kleinen und mittelständischen Familienunternehmen in der Rechtsform einer GmbH durch einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer sollte auch weiterhin begünstigt sein. Offensichtlich habe der Gesetzgeber die Übertragung von Anteilen eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers mit der Übertragung von Einzelunternehmen und Mitunternehmeranteilen funktional gleichstellen wollen. Damit komme es für die Begünstigung der Übertragung von GmbH-Anteilen darauf an, ob es sich um eine tätige Mehrheitsbeteiligung handele, die vom Vermögensübernehmer fortgeführt werde.
Wenn zusätzlich die Aufgabe der Organstellung des Übergebers oder die Aufgabe seiner Tätigkeit Voraussetzung für die Begünstigung sein sollte, hätte dies der Gesetzgeber klar und eindeutig im Gesetz definieren müssen. Zudem komme es bei der Übertragung von Mitunternehmeranteilen und Betrieben und Teilbetrieben nicht darauf an, ob der Vermögensübergeber seine Tätigkeit aufgebe.
Außerdem sei nicht erkennbar, weshalb eine gleitende Vermögensnachfolge bei Personengesellschaften und bei Einzelunternehmen gewollt, bei Kapitalgesellschaften hingegen ausgeschlossen sein sollte, obwohl es sich jeweils um Kerngebiete des von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsinstituts der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen handele. Im Übrigen seien die Besonderheiten des Streitfalls zu berücksichtigen. Dem Übergeber seien keine Geschäftsführungsaufgaben zugewiesen worden und er habe --unbestritten-- auch keine Geschäftsführungsaufgaben wahrgenommen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das FG-Urteil aufzuheben und weitere Sonderausgaben in Höhe von ... € anzuerkennen.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Begriff der Übernahme der Geschäftsführung in § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 impliziere, dass die Geschäftsführertätigkeit von dem bisherigen auf den neuen Geschäftsführer übergehen müsse. Der bisherige Geschäftsführer dürfe folglich diese Tätigkeit nicht mehr ausüben. Andernfalls müsste auch eine Beteiligung des Vermögensübernehmers an der Geschäftsführung ausreichen. Auch die in der Literatur herrschende Auffassung gehe von der Beendigung der Geschäftsführertätigkeit des Übergebers aus. Schon dem im Gesetzestext verwendeten Begriff der Übernahme der Tätigkeit als Geschäftsführer sei zu entnehmen, dass der bisherige Geschäftsführer seine Tätigkeit aufgeben müsse.
Nicht außer Acht gelassen werden dürfe, dass § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 die Erleichterung der Übergabe von Betrieben an die nächste Generation ohne Aufdeckung der stillen Reserven bezwecke. Der Fortbestand des Unternehmens und die vorhandenen Arbeitsplätze sollten gesichert und zugleich die Versorgung des Übergebers aus den Erträgen des übernommenen Vermögens gewährleistet werden. Der Übergeber sei gerade daran interessiert, sich aus dem Unternehmen zurückzuziehen unter gleichzeitiger Absicherung seiner (Alters-)Versorgung.
Bei der Übertragung von (Teil-)Betrieben und Mitunternehmeranteilen handele es sich um die Übertragung betrieblicher Einkunftsquellen. Damit ende die (mit)unternehmerische Tätigkeit des Übergebers automatisch und gehe auf den Übernehmer über. Im Zuge der Gleichstellung der im Privatvermögen gehaltenen GmbH-Anteile mit einer betrieblichen Einkunftsquelle sei daher im Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG 2013 die Übergabe der Geschäftsführung geboten, um die Übertragung einer reinen (nicht begünstigten) Kapitalanlage von der Übertragung einer unternehmerischen (begünstigten) Kapitalanlage abzugrenzen.
II.
Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zu Recht hat das FG den Klägern den Sonderausgabenabzug der an die Eltern gezahlten Versorgungsrente als Versorgungsleistungen verwehrt.
1. Als Sonderausgaben abziehbar sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 (heute § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG) Versorgungsleistungen in Zusammenhang mit der Übertragung eines mindestens 50 % betragenden Anteils an einer GmbH, wenn der Übergeber als Geschäftsführer tätig war und der Übernehmer diese Tätigkeit nach der Übertragung übernimmt.
Im Streitfall hat V zwar seinen 100 %-igen Anteil an der GmbH auf den Kläger übertragen. Auch war V vor der Vermögensübertragung Geschäftsführer der GmbH und der Kläger wurde danach deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. V blieb jedoch nach § 5 des Überlassungsvertrags weiterhin Geschäftsführer. Zudem berechtigte ihn seine Abberufung als Geschäftsführer zum Widerruf der Anteilsübertragung. Deshalb liegen die Voraussetzungen für einen Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 nicht vor.
2. Voraussetzung für eine nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 begünstigte Anteilsübertragung ist u.a., dass der Übergeber seine Geschäftsführertätigkeit insgesamt aufgibt (so auch Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG Rz 91; Blümich/Hutter, § 10 EStG Rz 98; Lindberg in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 10 Rz 171m; Schmidt/Heinicke, EStG, 36. Aufl., § 10 Rz 143; Stöcker in Bordewin/Brandt, § 10 EStG Rz 626; Bauschatz in Festschrift für Spiegelberger, 3, VI.2. und VII.4.; a.A. Bauschatz in Korn, § 10 EStG Rz 230.3.20, am Ende). Daran fehlt es im Streitfall.
a) Das in § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 verwendete Wort "übernehmen" bedeutet nach Duden "als Nachfolger in Besitz nehmen oder weiterführen". Diese Definition spricht für die Auslegung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 227 und für die Meinung in der Literatur, wonach der Übergeber nach der Anteilsübertragung seine Geschäftsführertätigkeit insgesamt aufgeben muss. Bestätigt wird diese Auslegung des Begriffs "übernehmen" auch durch seine Verwendung im allgemeinen Sprachgebrauch. Wird ein Wirtschaftsunternehmen durch ein anderes übernommen, ist das Unternehmen nach der Übernahme in den Händen des Übernehmers; darauf folgt zugleich, dass es nicht mehr in den Händen des ursprünglichen Eigentümers, des "Übergebers", ist.
Schließlich wird auch in verschiedenen Gesetzen das Wort "Übernahme" in Zusammenhang mit Schulden in dem Sinne gebraucht, dass der neue Schuldner an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt, also nicht zusätzlich zum bisherigen Schuldner für die Verbindlichkeiten einzustehen hat (so z.B. § 41 Abs. 2 des Aktiengesetzes sowie §§ 415, 416 BGB). Der bisher Handelnde (Schuldner) soll von der Verbindlichkeit befreit werden (Drygala in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 41 Rz 33, m.w.N.).
b) Eine teleologische Extension des Gesetzeswortlauts kommt angesichts der Gesetzeshistorie und aufgrund des Sinns und Zwecks des Gesetzes nicht in Betracht.
aa) Nach den Materialien zum JStG 2008 sollte das Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen auf seinen Kernbereich zurückgeführt werden. Im Regierungsentwurf war zunächst die Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht begünstigt. Die Gesellschafter seien nicht betrieblich tätig. Der Gesellschafter gebe mit der Übertragung lediglich eine Kapitaleinkunftsquelle, aber keine betriebliche Tätigkeit auf (vgl. BTDrucks 16/6290, 53). Erst auf Anregung des Bundesrats wurde die Übertragung von kleinen und mittelständischen Familienunternehmen in der Rechtsform der GmbH durch einen die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ebenfalls steuerlich begünstigt (BTDrucks 16/7036, 11). Die Übertragung von Anteilen an (auch kleinen) Aktiengesellschaften erfasst § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 (heute § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG) hingegen nicht.
Der Wille des Gesetzgebers, mit der Neuregelung der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen nur die Aufgabe betrieblicher Tätigkeiten, nicht aber die Übertragung reiner Kapitaleinkunftsquellen zu begünstigen, gilt auch für die Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Allein diese und nicht der Gesellschafter ist betrieblich tätig. Nur wenn der Gesellschafter einer GmbH zugleich deren Geschäftsführer ist, übt er eine einem Einzelunternehmer oder einem Mitunternehmer an einer Personengesellschaft vergleichbare "betriebliche" Tätigkeit aus. Diese gibt er aber nur dann auf, wenn er nach der Übertragung der Anteile an der GmbH nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft ist. Bleibt er hingegen Geschäftsführer, überträgt er ausschließlich eine Kapitaleinkunftsquelle, deren Überlassung nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht begünstigt werden sollte. § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 (heute § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG) kann deshalb nicht über seinen Wortlaut hinaus ausgelegt werden.
bb) Auch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten eine wortlautgetreue Auslegung. Nur wenn der Vermögensübergeber nach der Übertragung von GmbH-Anteilen nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft ist, gibt er die einem Einzelunternehmer oder einem Mitunternehmer an einer Personengesellschaft vergleichbare "gewerbliche" Tätigkeit auf. Wäre --wie die Kläger meinen-- die Übertragung von GmbH-Anteilen auch dann nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 Buchst. c EStG 2013 (heute § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG) begünstigt, wenn der Übergeber weiterhin Geschäftsführer der Gesellschaft bliebe, würde das Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen gegen den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers insoweit nicht auf seinen Kernbereich zurückgeführt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig (§ 139 Abs. 4 FGO).