Entscheidungsdatum: 24.08.2016
1. Ein Einkommensteuerbescheid kann gemäß § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. auch dann geändert werden, wenn dem FA die von der zentralen Stelle übermittelten Daten in Bezug auf die als Sonderausgaben abziehbaren Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bereits im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung vorgelegen haben .
2. § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. ist keine Ermessens-, sondern eine Befugnisnorm .
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 7. April 2014 6 K 2198/12 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Streitjahr 2010 machten sie im Rahmen ihrer Sonderausgaben Beiträge zur privaten Krankenversicherung sowie zur Pflegeversicherung in Höhe von 6.207 € bzw. 228 € (für den Kläger), von 919 € bzw. 114 € (für die Klägerin) und von 1.542 € (Krankenversicherung für die Kinder) geltend. Sie wurden vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom 20. April 2011 erklärungsgemäß veranlagt.
Aus einer Bescheinigung der A-Krankenversicherung AG (Versicherungsunternehmen) für das Jahr 2010 zur Vorlage beim Finanzamt vom 4. Februar 2011 in Bezug auf die Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen vom 16. Juli 2009 (--Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung--, BGBl I 2009, 1959, --EStG a.F.--) ergeben sich hingegen Beiträge der Kläger zur Basiskrankenversicherung in Höhe von lediglich 4.998,15 € und zur Pflegeversicherung in Höhe von 227,24 €. Die Lohnsteuerkarte der Klägerin weist zudem Beiträge in Höhe von 918,01 € (Krankenversicherung) und 113,31 € (Pflegeversicherung) aus.
Aus der Heftung der Einkommensteuerakte hat das Finanzgericht (FG) --den Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend-- den Schluss gezogen, dass diese Bescheinigungen bereits mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung vorgelegt worden seien. Die Daten des Versicherungsunternehmens waren zudem am 10. Februar 2011 elektronisch übermittelt worden und konnten einen Tag später vom FA elektronisch abgerufen werden.
Das FA änderte den Einkommensteuerbescheid 2010 durch Änderungsbescheid vom 27. April 2012 und erfasste nunmehr, in Übereinstimmung mit den Angaben in der Bescheinigung des Versicherungsunternehmens und der Lohnsteuerkarte der Klägerin, Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 5.918 € und Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 342 €. Zur Begründung führte es aus, bislang seien die geleisteten Krankenversicherungsbeiträge zu Unrecht in vollem Umfang als Basisversorgung berücksichtigt worden, weshalb nunmehr eine nachträgliche Aufteilung in Basis- und Zusatzversorgung vorgenommen worden sei.
Gegen den Änderungsbescheid legten die Kläger Einspruch mit der Begründung ein, dass die Voraussetzungen für eine Änderung des Bescheides nicht vorlägen. Es liege weder eine neue Tatsache noch eine offenbare Unrichtigkeit vor. § 10 Abs. 2a Satz 8 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 7. Dezember 2011 (--BeitrRLUmsG--, BGBl I 2011, 2592, --EStG--) sei --im Gegensatz zur Auffassung des FA-- wegen § 52 Abs. 24 Satz 5 EStG im Streitfall nicht anwendbar. Zwar sei auch bereits in § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. eine Änderungsmöglichkeit enthalten gewesen, diese habe jedoch eine Ermessensregelung dargestellt.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG war der Auffassung, für die Änderung des Einkommensteuerbescheides habe es an einer Rechtsgrundlage gefehlt. Der Einkommensteuerbescheid habe nicht nach § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG geändert werden können, da diese Vorschrift aufgrund der Übergangsvorschrift des § 52 Abs. 24 Satz 5 EStG nicht zur Anwendung komme. Auch eine Änderung nach § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. sei nicht möglich gewesen. Zwar handele es sich entgegen der Auffassung der Kläger trotz der Formulierung "kann geändert werden" in § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. nicht um eine Ermessens-, sondern um eine Befugnisnorm. Die Vorschrift erfasse jedoch --wie sich im Wege der Auslegung ergebe-- nicht den vorliegenden Fall, in dem der Finanzbehörde die Daten, die dem geänderten Steuerbescheid zugrunde gelegt werden, bereits bei der Erstveranlagung bekannt gewesen seien. Sonstige Änderungsnormen griffen nicht. Unabhängig von der Frage, ob § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) überhaupt neben § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. anwendbar sei, komme im vorliegenden Fall eine Anwendung dieser Norm schon deshalb nicht in Betracht, weil dem FA die Daten im Zeitpunkt der Veranlagung durch die mit der Einkommensteuererklärung eingereichte Bescheinigung des Versicherungsunternehmens, die Lohnsteuerkarte der Klägerin sowie aufgrund der elektronischen Datenübermittlung bereits bekannt gewesen seien.
Das FA begründet seine Revision mit der Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des FG habe das FA den Einkommensteuerbescheid 2010 nach § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. ändern können. Die Norm sei weit auszulegen, so dass auch Fälle erfasst würden, in denen die entsprechenden Daten bereits vor Erlass des Erstbescheides übermittelt worden seien. Die Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion des § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. sei nicht gegeben. Die fehlende Bezugnahme auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe in § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. könne im Umkehrschluss aus § 10 Abs. 2 Sätze 4 und 5 EStG a.F. nur so verstanden werden, dass es in dieser Vorschrift auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe nicht ankomme.
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie sind der Auffassung, § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. sei so auszulegen, dass eine Änderung eines Steuerbescheides lediglich dann in Betracht kommen könne, wenn sie auf Daten beruhe, die dem FA nach Bestandskraft des angefochtenen Einkommensteuerbescheides übermittelt worden seien. Dabei sei insbesondere die Stellung der Vorschrift des § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. innerhalb des § 10 EStG a.F. für die Auslegung ausschlaggebend.
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
Das FG hat zwar zu Recht erkannt, dass der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 20. April 2011 nicht gemäß § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG geändert werden konnte (unter 1.), es hat aber zu Unrecht eine Änderungsmöglichkeit gemäß § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. i.d.F. des Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversicherung verneint (unter 2.). Das FA konnte und musste den Einkommensteuerbescheid der Kläger gemäß § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. ändern, ein Ermessen hatte es nicht (unter 3.).
1. Nach § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit (1.) Daten nach den Sätzen 4, 6 und 7 vorliegen oder (2.) eine Einwilligung in die Datenübertragung nach Abs. 2 Satz 3 nicht vorliegt und sich hieraus eine Änderung der festgesetzten Steuer ergibt. Aufgrund der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 24 Satz 5 EStG gilt diese Vorschrift aber für den Veranlagungszeitraum 2010 nur, soweit am 14. Dezember 2011 noch keine Steuer erstmalig festgesetzt war. Da der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid für die Kläger vom 20. April 2011 datiert, kann eine Änderung nicht auf § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG gestützt werden.
2. Das FA konnte den Einkommensteuerbescheid für 2010 jedoch gemäß § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. i.d.F. des Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversicherung ändern. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der Vorschrift (unter a), dem Umkehrschluss zu anderen Änderungsvorschriften (unter b), der Entstehungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien (unter c), dem Sinn und Zweck der Vorschrift (unter d), dem Verhältnis zu § 173 Abs. 1 AO (unter e) als auch aus der Gesetzesbegründung des BeitrRLUmsG (unter f).
a) § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. lautet: "Ein Steuerbescheid kann geändert werden, soweit Daten nach den Sätzen 4, 6 oder Satz 7 übermittelt wurden." Dem Wortlaut dieses Satzes ist weder eine zeitliche Einschränkung dergestalt zu entnehmen, dass eine Änderung nur erfolgen darf, wenn die Daten erst nach der Bekanntgabe des Steuerbescheides übermittelt werden, noch dergestalt, dass die Übermittlung der Daten der Anlass der Änderung gewesen sein musste.
Eine solche Einschränkung ergibt sich --im Gegensatz zum Vorbringen der Kläger, das sich insoweit auf die vom Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung geänderten Regelungen des § 10 Abs. 2 Sätze 4 ff. EStG 2009 stützt-- auch nicht inzidenter aus dem 2. Halbsatz des § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F., der auf die unterschiedlichen Anlässe einer Datenübermittlung verweist. Nach § 10 Abs. 2a Satz 4 EStG a.F. sind in Bezug auf die Krankenversicherungsbeiträge von der übermittelnden Stelle bei Vorliegen einer Einwilligung nach Abs. 2 Satz 3 die Höhe der im jeweiligen Beitragsjahr geleisteten und erstatteten Beiträge nach Abs. 1 Nr. 3, soweit diese nicht mit der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung oder der Rentenbezugsmitteilung zu übermitteln sind, unter Angabe der Vertrags- oder Versicherungsdaten, des Datums der Einwilligung und der Identifikationsnummer (§ 139b AO) nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung an die zentrale Stelle (§ 81) bis zum 28. Februar des dem Beitragsjahr folgenden Kalenderjahres zu übermitteln. Nach § 10 Abs. 2a Satz 6 EStG a.F. sind die Daten bis zum Ende des folgenden Kalendervierteljahres zu übermitteln, wenn die Einwilligung nach Ablauf des Beitragsjahres, jedoch innerhalb der in Satz 1 genannten Frist abgegeben wird. § 10 Abs. 2a Satz 7 EStG a.F. regelt den Fall, dass die übermittelnde Stelle feststellt, dass (1.) die an die zentrale Stelle übermittelten Daten unzutreffend sind oder (2.) der zentralen Stelle ein Datensatz übermittelt wurde, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, mit der Rechtsfolge, dass dies unverzüglich durch Übermittlung eines Datensatzes an die zentrale Stelle zu korrigieren oder zu stornieren ist.
Den Klägern ist zwar darin zuzustimmen, dass soweit in § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. auf den Satz 7 bzw. auch auf Satz 6 verwiesen wird, überwiegend Fälle der nachträglichen Übermittlung beschrieben werden. Die Bezugnahme auf Satz 4 der Vorschrift erfasst aber auch Fälle der erstmaligen Übermittlung, selbst wenn sie angesichts der Frist bis zum 28. Februar des Folgejahres in nur wenigen Fällen zeitlich nach der Veranlagung liegen dürften (so auch Niedersächsisches FG, Urteil vom 20. November 2013 2 K 47/13, Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 438, Rz 24). Damit erlaubt § 10 Abs. 2a Satz 8 Halbsatz 2 EStG a.F. mit seinem Verweis auf die Sätze 4, 6 und 7 der Vorschrift keinen eindeutigen Rückschluss darauf, dass eine Änderung der Steuerfestsetzung nur aufgrund der Übermittlung von Daten nach Bekanntgabe des ursprünglichen Steuerbescheides möglich ist.
b) Soweit der Gesetzgeber die Anwendbarkeit einer Änderungsnorm davon abhängig machen will, dass die Finanzbehörde erst nach Erlass des (zu ändernden) Bescheides Kenntnis von bestimmten Umständen erlangt, bringt er dies im Gesetzeswortlaut unmissverständlich zum Ausdruck. Dies zeigt z.B. § 173 Abs. 1 AO, in dem ausdrücklich darauf abgestellt wird, dass Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden. Auch nach § 90 Abs. 3 EStG hat die zentrale Stelle zu Unrecht gutgeschriebene oder ausgezahlte Zulagen zurückzufordern, wenn sie nachträglich erkennt, dass der Zulageanspruch ganz oder teilweise nicht besteht oder weggefallen ist.
Noch eindeutiger und im Streitfall naheliegender ist in diesem Zusammenhang die durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794) in § 10 Abs. 2 EStG geschaffene Regelung zur Zertifizierung der Basisrentenverträge gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG (sog. Rürup-Rente). Die Möglichkeit zur Änderung der Einkommensteuerbescheide aufgrund von elektronisch übermittelten Daten in den Fällen der Rürup-Rente war durch dieses Gesetz in § 10 Abs. 2 Sätze 9 und 10 EStG so geregelt, dass in den Fällen, in denen die übermittelten Daten unzutreffend waren und sie daher nach Bekanntgabe des Steuerbescheides (Hervorhebungen nur hier) vom Anbieter aufgehoben oder korrigiert wurden, der Steuerbescheid insoweit geändert werden konnte. Ebenfalls konnte der Steuerbescheid insoweit geändert werden, wenn die Daten innerhalb der Frist nach Satz 2 Nr. 2 --d.h. bis spätestens zum Ablauf des Kalenderjahres, das auf das Beitragsjahr folgt-- und erstmalig nach Bekanntgabe des Steuerbescheides (Hervorhebungen nur hier) übermittelt wurden.
Dies zeigt, dass der Gesetzgeber im Bereich der elektronischen Datenübermittlung bewusst Änderungsmöglichkeiten geschaffen hat, die ausdrücklich nur nach Bekanntgabe eines Steuerbescheides greifen sollten. Sein Schweigen in § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. kann deshalb --im Rahmen eines Umkehrschlusses-- nur so verstanden werden, dass es in dieser Regelung auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Steuerbescheides nicht mehr ankommen sollte.
c) Dieses Ergebnis wird auch durch die Entstehungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien des Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversicherung bestätigt.
Durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung wurden die Regelungen zur Datenübermittlung bei Vorsorgeaufwendungen weitgehend aus § 10 Abs. 2 EStG a.F. in den Abs. 2a übernommen und vereinheitlicht, so dass die Änderung eines Steuerbescheides aufgrund der Übermittlung von Daten entweder in Bezug auf die Altersvorsorgeaufwendungen für die sog. Rürup-Rente gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG oder in Bezug auf die Krankenversicherungsbeiträge gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG einheitlich aufgrund von § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. erfolgen konnte. Diese Vorschrift machte die Änderungsbefugnis des FA jedoch nicht (mehr) davon abhängig, dass die (ursprünglich) übermittelten Daten unzutreffend waren und dass die Daten nach Bekanntgabe des Steuerbescheides übermittelt wurden (s. oben unter II.2.b).
Die Gesetzesmaterialien in Bezug auf die Entstehung des § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. stützen die Auslegung des Senats.
Zwar heißt es in der Begründung zum Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung (BTDrucks 16/12254, S. 24): "Werden die Daten vom Versicherungsunternehmen, dem Träger der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung oder der Künstlersozialkasse nach der Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides übermittelt und hatte die steuerpflichtige Person fristgemäß ihre Einwilligung zur Datenübermittlung gegeben, kann ein bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid noch geändert werden." Hierdurch wird aber keine Aussage dazu getroffen, wie zu verfahren ist, wenn die Daten bereits vor Bestandskraft der Finanzbehörde vorgelegen haben.
Der sich anschließende Satz der Gesetzesbegründung, die Regelung stelle sicher, dass die Beiträge unabhängig vom Zeitpunkt der Datenübermittlung durch den Beitragsempfänger steuerlich berücksichtigt werden könnten, zeigt indes, dass der Gesetzgeber dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Steuerbescheides im Bereich der Änderung nach Übermittlung der elektronischen Daten keine Bedeutung (mehr) beimessen wollte.
d) Im Gegensatz zur Auffassung des FG und der Kläger ist die durch § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. eingeräumte weitgehende Befugnis zur Änderung von Bescheiden im Zusammenhang mit der Abziehbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen eine konsequente Folge des in dieser Hinsicht automatisierten Besteuerungsverfahrens. Dieses ist zum einen durch die elektronische Übermittlung von Daten durch Dritte geprägt und zum anderen dadurch, dass der Steuerpflichtige durch die Einwilligung in die Übermittlung der Daten vom Beitragsempfänger an die Finanzverwaltung seiner Beibringungsobliegenheit genügt (s. hierzu BTDrucks 16/12254, S. 23).
Mit einem solchen Verfahren kann eine Einzelfallprüfung nur schwerlich in Einklang gebracht werden. Dies ist der Grund, warum der Gesetzgeber der Finanzverwaltung verfahrensmäßig die Möglichkeit eingeräumt hat, den bereits bestandskräftigen Steuerbescheid eines Steuerpflichtigen --sei es zu dessen Gunsten, sei es zu dessen Lasten-- zu ändern und ihn so materiell-rechtlich zutreffend zu besteuern, ohne dass es im konkreten Fall darauf ankommt, wer in welchem Zeitpunkt die für den Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG a.F. relevanten Daten kannte.
Der erkennende Senat hat deshalb auch keine Bedenken gegen die sich daraus ergebende Konsequenz, dass die Finanzverwaltung unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. die Steuerbescheide bis zum Ende der Festsetzungsfrist ändern und insoweit der materiellen Richtigkeit Vorrang vor der Bestandskraft geben kann.
e) Auch das Verhältnis zur allgemeinen Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stützt das gewonnene Auslegungsergebnis.
§ 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. ermöglicht als lex specialis die Änderung eines Steuerbescheides unter der Voraussetzung, dass Daten gemäß § 10 Abs. 2a Sätze 4, 6 und 7 EStG a.F. von Dritten elektronisch übermittelt werden. Davon unabhängig ist ein Steuerbescheid unter den Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 AO zu ändern, wenn nachträglich Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die zu einer anderen Steuer führen.
f) Die Gesetzesmaterialien des BeitrRLUmsG, durch das § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG neu gefasst wurde, bestätigen im Übrigen ebenfalls das Ergebnis. Die vom Finanzausschuss des Deutschen Bundestages formulierten Änderungen des Wortlauts des § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG begründet dieser damit, im Interesse der Rechtssicherheit werde nunmehr klargestellt, dass es für die Korrektur des Steuerbescheides nicht mehr darauf ankomme, zu welchem Zeitpunkt die Datenübertragung erfolge (BTDrucks 17/7524, S. 10; nicht nur eine Klarstellung annehmend Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG Rz 322).
Zwar könnten aufgrund der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 24 Satz 5 EStG (dazu bereits oben unter II.1.) Zweifel daran aufkommen, ob wirklich nur eine Klarstellung vorliegt, da es im Falle einer reinen Klarstellung keiner Anwendungsregelung bedarf. Der neu gefasste § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG enthält jedoch zusätzlich eine materielle Änderung, die diese Anwendungsregelung notwendig machte. Er hat eine weitere Korrekturmöglichkeit für die Fälle geschaffen, in denen der Steuerpflichtige die Einwilligung i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Satz 3 EStG nicht erteilt hat und die geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen deshalb nicht gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und Abs. 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden können.
3. Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 20. April 2011 konnte wegen der gemäß § 10 Abs. 2a Satz 4 EStG a.F. übermittelten Daten in Bezug auf die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge der Kläger für die Basiskrankenversorgung gemäß § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. geändert werden.
Das FG hat zu Recht erkannt, dass § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. trotz des Wortlauts "kann geändert werden" keine Ermessensvorschrift, sondern eine Befugnisnorm ist (a.A. Steiner in Lademann, EStG, § 10 EStG Rz 287; ebenso wohl Stöcker in Bordewin/Brandt, § 10 EStG Rz 944). Die Vorschrift lässt keinerlei Kriterien erkennen, die für eine Ermessensausübung leitend sein könnten. Lassen sich aber keine Maßstäbe für einen Ermessensspielraum dahingehend finden, unter welchen Umständen von einer durch Tatbestandserfüllung möglichen Änderung einer Steuerfestsetzung abgesehen werden kann, erweist sich das Wort "kann" in § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. als ein rechtliches Können und im Hinblick darauf, dass das FA auf die Erfüllung des Steueranspruchs nicht verzichten darf, als ein Müssen (so bereits Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13. November 1985 II R 208/82, BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241, Rz 24, zur insoweit vergleichbaren Änderungsbefugnis nach § 174 Abs. 3 AO).
Da die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG a.F. im Streitfall unstreitig erfüllt sind, ist der Änderungsbescheid vom 27. April 2012 rechtmäßig, so dass die Klage infolgedessen abzuweisen ist.
4. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.