Entscheidungsdatum: 23.10.2013
1. NV: Kapitalleistungen, die von berufsständischen Versorgungseinrichtungen nach dem 31. Dezember 2004 ausgezahlt werden, unterliegen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG der Besteuerung.
2. NV: Die durch das AltEinkG begründete Steuerpflicht ist verfassungsmäßig.
3. NV: Die Kapitalauszahlungen berufsständischer Versorgungswerke können als außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 Abs. 1 i.V. mit Abs. 2 Nr. 4 EStG unter Anwendung der Fünftelregelung besteuert werden.
I. Der 1945 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als freiberuflicher Zahnarzt tätig. Im Streitjahr 2005 erhielt er von dem Versorgungswerk der Zahnärztekammer (Versorgungswerk) eine einmalige Teilkapitalleistung in Höhe von 140.000 €. Ebenfalls im Streitjahr entrichtete der Kläger Beiträge an das Versorgungswerk in Höhe von 8.112 €. Die Altersvorsorgeaufwendungen seiner mit ihm zusammenveranlagten Ehefrau betrugen einschließlich des Arbeitgeberanteils 5.291 €. Seit dem 1. September 2005 bezieht der Kläger von dem Versorgungswerk eine monatliche Altersrente in Höhe von 1.690,64 €.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) besteuerte sowohl die Teilkapitalleistung als auch die Rentenzahlungen mit dem Besteuerungsanteil von 50 % gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr gültigen Fassung (EStG). Die Altersvorsorgeaufwendungen des Klägers und seiner Ehefrau wurden vom FA --sofern sie nicht bereits gemäß § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei waren-- gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in dem von § 10 Abs. 3 EStG vorgegebenen Umfang als Sonderausgaben berücksichtigt.
Der Kläger ist der Auffassung, die einkommensteuerliche Erfassung der Teilkapitalleistung führe zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung. Er habe in den Jahren von 1973 bis 2004 aus seinem versteuerten Einkommen Beiträge in das Versorgungswerk in Höhe von 226.668 € gezahlt. Die jährlich angefallenen Vorsorgeaufwendungen hätten sich aus den freiwilligen Beiträgen zum Versorgungswerk, den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung, zur Unfallversicherung sowie zur Lebensversicherung zusammengesetzt, so dass die an das Versorgungswerk gezahlten Beiträge zumindest in den Jahren 1999 bis 2003 nur zu 29 % als Sonderausgaben steuerwirksam gewesen seien. Die Anwendung eines Besteuerungsanteils von 50 % sei daher zu hoch.
Die in der Satzung des Versorgungswerks vom 3. Juni 1972 enthaltenen Regelungen seien nicht mit denen der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar. So habe die Bundesregierung bereits im Jahr 2000 in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage zum Problemkreis "Entwicklung der berufsständischen Versorgungseinrichtungen" ausgeführt, diese unterschieden sich von den gesetzlichen Rentenversicherungen aufgrund eines völlig anderen Sicherungsauftrages, Leistungsspektrums und Finanzierungssystems (BTDrucks 14/3821, 5). Er, der Kläger, sei der Ansicht, die berufsständische Versorgung habe eher den Charakter einer Lebensversicherung. Deren Kapitalleistung falle indes nicht unter § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG und sei nicht steuerpflichtig.
Auch sei zu bezweifeln, ob einmalige Kapitalzahlungen überhaupt unter den Wortlaut des Gesetzes zu subsumieren seien. Die nachgelagerte Besteuerung erfolge im Kontext mit den "wiederkehrenden Bezügen". Es sei daher fraglich, ob der Gesetzgeber Einmalzahlungen durch eine gesetzliche Definition zu wiederkehrenden Bezügen machen könne.
Das Finanzgericht (FG) hat die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1753 veröffentlichten Urteil abgewiesen.
Mit seiner Revision wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Dem Gesetzgeber sei bekannt gewesen, dass die Altersversorgung für Arbeitnehmer durch die gesetzliche Rentenversicherung und die Altersversorgung für Selbstständige durch die berufsständischen Versorgungswerke sowie die steuerliche Berücksichtigung der entsprechenden Beiträge unterschiedlich gewesen seien. Zur Überbrückung dieser Unterschiede habe der Gesetzgeber mit einer unzulässigen Fiktion gearbeitet. Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen würden zudem nach dem Wortlaut des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG unabhängig davon besteuert, ob die Beiträge als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG abziehbar gewesen seien. Es müsse bezweifelt werden, dass diese mangelnde Abstimmung verfassungsgemäß sei. Sein Versorgungswerk habe gemäß § 11 der Satzung vorgesehen, Kapitalleistungen --im Alter an ihn bzw. bei seinem Tode an seine Hinterbliebenen-- zu erbringen, so dass die Beiträge an das Versorgungswerk nach der Neuregelung nicht abziehbar wären. Die Auferlegung einer steuerlichen Belastung sowohl auf der Beitrags- als auch auf der Leistungsseite verstoße gegen das objektive Nettoprinzip, das Verbot der Doppelbesteuerung sowie gegen das Gebot der Folgerichtigkeit.
Die Besteuerung der Kapitalabfindung stelle zudem eine unzulässige echte Rückwirkung dar. Die vor dem 1. Januar 2005 zugeflossenen Kapitalabfindungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen seien durch entsprechende Anwendung des Lebensversicherungsprivilegs gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der vor dem Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1427) geltenden Fassung (EStG a.F.) vollständig als steuerfrei behandelt worden, während sie nunmehr mit einem jährlich steigenden Anteil der Besteuerung unterworfen würden.
Die Teilkapitalleistung könne mit der Beitragsrückerstattung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung verglichen werden, die die Erben des Versicherten erhielten. Das FG Baden-Württemberg habe in seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 16. August 2012 3 K 1651/10 entschieden, dass es sich dabei nicht um Einkünfte aus der Basisversorgung eines Versicherten handele.
Ferner rügt der Kläger die Begrenzung des Abzugs der Altersvorsorgeaufwendungen auf einen Höchstbetrag als Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, als Verletzung des Nettoprinzips sowie als Verstoß gegen das Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung steuerlicher Tatbestände.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 27. Oktober 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 2008 so zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen auf 28.099 € festgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des Urteils sowie der Einspruchsentscheidung des FA vom 25. Februar 2008 und zur Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2005 in dem durch den Urteilstenor umschriebenen Umfang (Anmerkung: ermäßigte Besteuerung der Teilkapitalleistung i.H.v. 140 000 € gemäß § 34 Abs. 1 EStG).
Bei der Teilkapitalleistung des Versorgungswerks handelt es sich um eine "andere Leistung" gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG (unter 1.). Die Besteuerung dieser Leistung mit dem Besteuerungsanteil des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG verletzt weder den Gleichheitssatz (unter 2.) noch verstößt sie gegen das Verbot der Doppelbesteuerung (unter 3.) oder das der Rückwirkung (unter 4.). Die vom Kläger bezogene Kapitalleistung ist jedoch gemäß § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt zu besteuern (unter 5.). Die aufgrund von § 10 Abs. 3 EStG nur eingeschränkte Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen des Klägers und seiner Ehefrau ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (unter 6.).
1. Die Teilkapitalleistung des Versorgungswerks ist als "andere Leistung" i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG zu besteuern, obwohl sie keine wiederkehrende Leistung i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG ist.
a) Der Besteuerungsgegenstand der sonstigen Einkünfte des § 22 EStG wird seit dem Inkrafttreten des AltEinkG für die Fallgruppen des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG autonom durch die Begriffe "Leibrenten und andere Leistungen" in Verbindung mit den nachfolgenden Aufzählungen und Definitionen in den Doppelbuchstaben aa und bb umschrieben. Die "anderen Leistungen" des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG liegen damit unabhängig davon vor, ob sie entsprechend § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG wiederkehrend sind. Konsequenz ist, dass auch einmalige Kapitalleistungen als "andere Leistungen" i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG steuerpflichtig sind, sofern die Voraussetzungen von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa oder bb EStG erfüllt sind.
b) Dieses Ergebnis entspricht dem im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, da der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages in § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG den Steuergegenstand bewusst um "andere Leistungen" erweitert hat, um Kapitalleistungen besteuern zu können, die andernfalls nicht steuerbar gewesen wären (vgl. BTDrucks 15/3004, 19).
c) Vor allem entspricht die Besteuerung der Einmalleistungen der berufsständischen Versorgungswerke gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG dem Sinn und Zweck des AltEinkG und den darin normierten grundlegenden Wertungen, zu denen die Einordnung der berufsständischen Versorgung in die Basisversorgung des sog. Drei-Schichten-Modells (vgl. hierzu den Abschlussbericht der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Bd. 74, S. 9 f.), der Übergang zur nachgelagerten Besteuerung bei der Basisversorgung sowie die Kohortenlösung der Übergangsregelung gehören. Die zutreffende Qualifizierung der berufsständischen Versorgung als Basisversorgung hat zur Folge, dass wegen der nachgelagerten Besteuerung nunmehr nicht nur die "Erträge" aus dem Vermögen, das aus steuerlich entlasteten Beiträgen aufgebaut wurde, sondern auch der Rückfluss des Altersvorsorgevermögens als solches einschließlich der damit verbundenen Wertsteigerungen vom Gesetzgeber als steuerpflichtiges Einkommen angesehen werden. Demzufolge kann es auf die Form der Auszahlung nicht mehr ankommen, so dass auch einmalige, nicht wiederkehrend erbrachte Leistungen der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG unterliegen (vgl. Senatsbeschluss vom 25. März 2010 X B 142/09, BFH/NV 2010, 1275, unter II.2.e, in Bezug auf einmalige Leistungen einer ausländischen gesetzlichen Rentenversicherung). Alle Leistungen der Basisversorgung --einschließlich der Kapitalleistungen der berufsständischen Versorgungswerke-- sind zwingend in die Kohortenlösung der Übergangsregelung einzubeziehen, welche die unterschiedlichen Altersversorgungsysteme in das System der nachgelagerten Besteuerung überführt (vgl. hierzu ausführlich das Senatsurteil vom 23. Oktober 2013 X R 3/12, unter II.1., www.bundesfinanzhof.de/entscheidungen, Datum der Veröffentlichung: 4. Dezember 2013, DStR 2013, 2614, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird).
d) Da es sich bei der Teilkapitalleistung des Versorgungswerks um keine Beitragsrückgewähr handelt, geht der Hinweis des Klägers auf das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 16. August 2012 3 K 1651/10 fehl.
2. Die Einbeziehung der Teilkapitalleistung in die Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG verstößt weder im Hinblick auf die Besteuerung der Alterseinkünfte, die ehemalige Arbeitnehmer von der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen (unten a), noch im Hinblick auf die steuerliche Behandlung von privaten Lebens- oder Rentenversicherungen (unten b) gegen Art. 3 GG.
a) Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass Art. 3 GG durch die Gleichbehandlung der Leistungen der Versorgungswerke an vormals Selbstständige und der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung an vormals nichtselbstständig Tätige in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG --trotz der teilweise unterschiedlichen steuerlichen Entlastung der zugrunde liegenden Beiträge und trotz unterschiedlicher Leistungs- und Beitragssysteme-- nicht verletzt wird. Rechtfertigungsgründe sind die Praktikabilität und Administrierbarkeit des Besteuerungsverfahrens. Im Rahmen der vom Gesetzgeber vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Anspruch des Steuerpflichtigen darauf, nicht willkürlich anders besteuert zu werden als andere gleich leistungsfähige Steuerpflichtige einerseits und der Notwendigkeit einer im Rentenbesteuerungsverfahren als Massenverfahren einfachen, praktikablen und gesamtwirtschaftlich tragfähigen Lösung andererseits, konnte den letztgenannten Erwägungen die entscheidende Bedeutung zugebilligt werden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das Senatsurteil vom 26. November 2008 X R 15/07 (BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.b) verwiesen.
b) In der unterschiedlichen Behandlung der Teilkapitalleistung des Versorgungswerks im Vergleich zu einer Kapitalleistung aus einer privaten Lebensversicherung, für die als Teil der sog. dritten Schicht das Prinzip der vorgelagerten Besteuerung gilt, ist ebenfalls kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz zu sehen.
aa) Bereits mit dem Urteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710 (unter II.2.b cc) hat der erkennende Senat entschieden, dass in der weiteren Anwendung der Ertragsanteilsbesteuerung (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG) auf private Leibrentenversicherungen keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zu Lasten der Bezieher von Rentenleistungen der Basisversorgung (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG) zu sehen ist. Das gilt insbesondere auch für die steuerliche Behandlung der Renten aus Leibrentenversicherungen, die vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossen worden sind. Die dem dortigen Urteil zugrunde liegenden Erwägungen sind auch im Streitfall zutreffend.
bb) Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung ist nach Auffassung des Senats zunächst, dass der Gesetzgeber im Massensteuerverfahren vereinfachen und typisieren kann und muss. Die realitätsgerechte Typisierung hat dann zwangsläufig Privilegierungen/Härten zur Folge. Vor allem ist für den Senat aber entscheidend, dass sich eine Übergangsregelung an der gesetzlichen Neukonzeption ausrichten kann. Entspricht ein Besteuerungstatbestand in einem Teilbereich bereits der neuen Konzeption, muss der Gesetzgeber "keinen Schritt zurück" machen.
Im Rahmen der Neuregelung durch das AltEinkG hat der Gesetzgeber Beitragszahlungen der sog. dritten Schicht, d.h. Leistungen an Rentenversicherungen, die nicht von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erfasst sind, aus dem Bereich der begünstigten Altersvorsorgeaufwendungen herausgenommen. Er begünstigt nur noch Altverträge i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b EStG im Rahmen der --in der Praxis regelmäßig durch andere Aufwendungen ausgeschöpften-- Höchstbeträge des § 10 Abs. 4 EStG sowie im Rahmen der Günstigerprüfung nach § 10 Abs. 4a EStG.
Vor diesem Hintergrund beruht der gesetzgeberische Ansatz, Ansprüche aufgrund solcher Verträge lediglich der Ertragsanteilsbesteuerung zu unterwerfen, auf der folgerichtigen Umsetzung der neuen gesetzgeberischen Konzeption. Haben sich nämlich die Beitragszahlungen nicht steuermindernd ausgewirkt, dann ist es gerechtfertigt, nur den Teil der Rente steuerlich zu erfassen, der zusätzlich zum angesparten Rentenkapital als Zinsanteil zur Auszahlung gelangt (Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.b cc).
Nichts anderes kann für die Besteuerung von Kapitalauszahlungen privater Rentenversicherungen gelten: Wurde die Rentenversicherung vor 2005 abgeschlossen, können die Auszahlungen --wie bei jeder anderen privaten Rentenversicherung auch-- entweder gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG oder gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. i.V.m. § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG besteuert oder steuerfrei vereinnahmt werden.
cc) Dass sich die Beiträge für private Rentenversicherungen in der Vergangenheit in einem ähnlichen Ausmaß wie die Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung oder für ein berufsständisches Versorgungswerk steuermindernd ausgewirkt haben, ist demgegenüber unerheblich. Es liegt im Wesen einer Übergangsregelung, einen vorgefundenen Rechtszustand gleitend in eine neue gesetzgeberische Konzeption zu überführen. Sind nach dieser neuen Konzeption die Einzahlungen in private Rentenversicherungsverträge nicht bzw. nur in einem geringeren Umfang steuerlich begünstigt, liegt es im Rahmen des weiten gesetzgeberischen Spielraums, bei der Besteuerung der Zuflüsse aus solchen Verträgen zugunsten des Steuerpflichtigen die in der Vergangenheit gewährten Steuervorteile zu vernachlässigen und sich an der ab dem Jahr 2005 geltenden gesetzlichen Neukonzeption zu orientieren (vgl. dazu im Einzelnen Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.b cc).
3. Die Besteuerung der Teilkapitalleistung mit dem Besteuerungsanteil des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG verstößt im Streitfall nicht gegen das Verbot der Doppelbesteuerung.
a) In seinem Urteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73, unter D.II.) forderte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) den Gesetzgeber auf, die steuerliche Behandlung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen "in jedem Fall" so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird, ohne jedoch den Begriff "doppelte Besteuerung" zu konkretisieren.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG sowie des erkennenden Senats ist eine doppelte Besteuerung gegeben, wenn die steuerliche Belastung der Vorsorgeaufwendungen höher ist als die steuerliche Entlastung der Renten, dabei gilt grundsätzlich das Nominalwertprinzip (siehe auch BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvL 14/02, 2/04, 13/05, BVerfGE 127, 1, unter C.III.2.c). Bei der Ermittlung der steuerlichen Belastung der Aufwendungen ist der Sonderausgabenabzug anhand der Beitragssätze der gesetzlichen Sozialversicherung aufzuspalten. In die Berechnung der steuerlichen Entlastung der Renten sind die bisher vereinnahmten sowie die der statistischen Wahrscheinlichkeit nach zu erwartenden Leistungen einzubeziehen.
b) Nach den dem Urteil des FG zugrunde liegenden Zahlen, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, hat der Kläger in den Jahren von 1973 bis 2004 Beiträge in Höhe von 226.668 € an das Versorgungswerk entrichtet. Hinzu kommen seine im Streitjahr entrichteten Beiträge in Höhe von 8.112 €, so dass von Aufwendungen an das Versorgungswerk von insgesamt 234.780 € auszugehen ist.
Daraus resultieren Leistungen des Versorgungswerks in Form einer Teilkapitalleistung in Höhe von 140.000 € und in Form eines monatlichen Rentenanspruchs in Höhe von zumindest 1.690,64 €. Der Kläger, der im Zeitpunkt seines ersten Rentenbezugs das 60. Lebensjahr vollendet hatte, hatte nach der Sterbetafel 2004/2006 des Statistischen Bundesamtes (www.destatis.de) noch eine statistische Lebenserwartung von 20,58 Jahren, so dass von Renteneinnahmen in Höhe von 417.520 € (20,58 x 12 x 1.690,64 €) auszugehen ist. Von den Gesamteinnahmen in Höhe von 557.520 € sind 50 % steuerfrei, also 278.760 €. Die steuerfrei vereinnahmten bzw. noch zu vereinnahmenden Leistungen übersteigen damit die an das Versorgungswerk in Höhe von 234.780 € geleisteten Beiträge bei weitem. Es ist damit unerheblich, inwieweit die Beiträge an das Versorgungswerk steuerlich entlastet worden sind (vgl. dazu aber Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.c).
4. Die durch das AltEinkG ab 2005 eingeführte Steuerpflicht der Kapitalleistungen berufsständischer Versorgungseinrichtungen verstößt nicht gegen das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Rückwirkungsverbot.
a) Dabei handelt es sich im Streitfall --anders als der Kläger meint-- nicht um eine echte, sondern um eine unechte Rückwirkung. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift oder wenn der Beginn der zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm durch ihre Verkündung rechtlich existent, das heißt gültig geworden ist (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. z.B. Beschluss vom 21. Juli 2010 1 BvL 11/06, 12/06, 13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369, unter C.I.3.a, m.w.N.). Das im Jahr 2004 in Kraft getretene AltEinkG kann damit bei der Besteuerung des Jahres 2005 nicht zu einer echten, sondern nur zu einer unechten Rückwirkung führen. Diese liegt vor, wenn für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte angeknüpft wird.
b) In ständiger Rechtsprechung hat der erkennende Senat entschieden, dass die Änderung der Rentenbesteuerung durch das AltEinkG den Anforderungen an den verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz genügt und einer einzelfallbezogenen Abwägung der wechselseitigen Interessen standhält. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Senatsurteile vom 19. Januar 2010 X R 53/08 (BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567, unter B.II.2.) und vom 4. Februar 2010 X R 52/08 (BFH/NV 2010, 1253, unter B.II.2.b) und X R 58/08 (BFHE 228, 326, BStBl II 2011, 579, unter B.II.2.) verwiesen.
c) Auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BVerfG zur unechten Rückwirkung (Beschlüsse vom 7. Juli 2010 2 BvR 748, 753, 1738/05, BVerfGE 127, 61; in BVerfGE 127, 1, und 2 BvL 1/03, 57, 58/06, BVerfGE 127, 31, sowie vom 10. Oktober 2012 1 BvL 6/07, BGBl I 2012, 2344) ist nicht nur die Besteuerung der laufenden Renten, sondern auch die steuerliche Behandlung der Kapitalleistungen berufsständischer Versorgungswerke verfassungsgemäß. Die notwendige Interessenabwägung zwischen dem Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Disposition (im Streitfall sein Eintritt in das Versorgungswerk) und dem Gemeinwohlinteresse an der Änderung der Alterseinkünftebesteuerung führt zu dem Ergebnis, dass die Neuregelung verfassungsgemäß ist. Die Verschlechterung der Rechtsposition des Klägers ist zwar gravierend, da nicht lediglich der steuerpflichtige Anteil seiner Rentenzahlungen erhöht, sondern vielmehr die Einmalzahlung erst durch die Neufassung des § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG überhaupt steuerpflichtig wurde. Diese Entwertung der Vermögensposition des Klägers ist dadurch zu rechtfertigen, dass eine gesetzliche Neuregelung der Alterseinkünfte ihrerseits verfassungsrechtlich geboten war, da sonst die Besteuerung der Beamtenpensionen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. wegen Unvereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz nicht mehr möglich gewesen wäre. Das Ziel des Gesetzgebers, die verfassungsrechtlich geforderte Beseitigung der steuerlichen Ungleichbehandlung der Alterseinkünfte bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Finanzierbarkeit der Neuregelung für die öffentlichen Haushalte, konnte nur dadurch erreicht werden, dass alle Alterseinkünfte der Basisversorgung in die nachgelagerte Besteuerung sowie in die zu diesem Ziel führende Übergangsregelung einbezogen wurden. Nachgelagerte Besteuerung bedeutet aber auch, dass --wie oben bereits unter II.1.c) dargestellt-- nicht nur die Zuflüsse aus dem Vermögen, das aus Beiträgen aufgebaut wurde, die die Steuerbelastung des Steuerpflichtigen in der Beitragsphase gemindert haben, sondern auch das Vermögen selbst mit seinen Wertsteigerungen vom Gesetzgeber als steuerpflichtiges Einkommen angesehen werden. Das gilt sowohl für Rentenzahlungen, die nicht mehr lediglich mit dem Ertragsanteil der Besteuerung unterliegen, als auch für den Zufluss einer Einmalzahlung. Eine Nichteinbeziehung einer teilweise auf steuerlich entlasteten Beiträgen beruhenden Kapitalleistung in die gesetzliche Neuregelung hätte zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung geführt (zur Vermeidung von Wiederholungen wird erneut auf das Senatsurteil vom heutigen Tage X R 3/12, unter II.4. verwiesen).
5. Die vom Kläger bezogene Kapitalauszahlung kann jedoch gemäß § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt besteuert werden, weil sie eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten darstellt.
a) § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG gilt seit der Ersetzung des Begriffs "Entlohnung" durch den der "Vergütung" auch für Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 EStG (vgl. R 34.4 Abs. 1 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR--). Da die mehrjährige Tätigkeit i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG jedes sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckende, der Erzielung von Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG dienende Verhalten ist, muss bei den Einkünften gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG auf die Beitragszahlungen in die Einrichtungen der Basisversorgung (u.a. gesetzliche Rentenversicherungen, berufsständische Versorgungseinrichtungen) abgestellt werden, also auf die Beitragszahlungen des Klägers in den Jahren von 1973 bis 2004.
b) Zur notwendigen Unterscheidung der außerordentlichen Einkünfte des § 34 EStG von denen, die der Regelbesteuerung unterliegen, setzen alle Tatbestände des § 34 Abs. 2 EStG eine atypische Zusammenballung voraus. Eine solche Zusammenballung ist bei der auf den Beitragszahlungen bis einschließlich 2004 beruhenden Teilkapitalleistung gegeben. Um dem Charakter der außerordentlichen Einkünfte gemäß § 34 EStG Rechnung zu tragen, darf die Zusammenballung der Einkünfte zudem nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung entsprechen (so auch R 34.4 Abs. 1 Satz 3 EStR). Zwar war die Geltendmachung der Teilkapitalabfindung im Streitfall vertrags- bzw. satzungsgemäß, weil die Satzung des Versorgungswerks eine solche Möglichkeit ausdrücklich vorsah. Die Teilkapitalleistung ist aber atypisch, da wesentliches Charakteristikum der von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG erfassten Einkünfte ist, dass sie der Basisversorgung des Versicherten dienen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sind wesentliche Merkmale der Basisversorgung, dass die Renten erst bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze bzw. bei Erwerbsunfähigkeit gezahlt werden und als Entgeltersatzleistung in der Grundkonzeption die Lebensunterhaltssicherung bewirken. Die tatsächliche Verwendung als Altersversorgung wird dadurch grundsätzlich sichergestellt, dass die Rentenversicherungsansprüche nicht beleihbar, nicht vererblich, nicht veräußerbar, nicht übertragbar und nicht kapitalisierbar sind. Für den Bereich der Basisversorgung sind daher ausschließlich Rentenzahlungen typisch. Seit dem Inkrafttreten des AltEinkG können berufsständische Versorgungswerke Kapitalauszahlungen nur noch gewähren, soweit diese auf Beiträgen beruhen, die vor dem Jahr 2005 geleistet worden sind. Dies stellt eine eng begrenzte und auslaufende Ausnahmeregelung dar; eine Satzungsregelung, die Kapitalauszahlungen auch noch insoweit ermöglichen würde, als sie auf ab dem Jahr 2005 geleisteten Beiträgen beruhen, würde der Einordnung eines solchen Versorgungswerks als Basisversorgung entgegenstehen (vgl. zu dem Vorstehenden Senatsurteil vom heutigen Tage X R 3/12, unter II.6., m.w.N.).
6. Die nur begrenzte Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen des Klägers und seiner Ehefrau ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Sollte das Vorbringen des Klägers so zu verstehen sein, er rüge die grundsätzliche Begrenzung des Abzugs der Altersvorsorgeaufwendungen auf den Höchstbetrag von 20.000 €/40.000 €, wäre es im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Die Altersvorsorgeaufwendungen des Klägers in Höhe von 8.112 € und seiner Ehefrau in Höhe von 5.291 € (inkl. Arbeitgeberanteil) erreichen den Höchstbetrag bei weitem nicht.
b) Sollte der Kläger demgegenüber meinen, die im Rahmen der Übergangsregelung des § 10 Abs. 3 Sätze 4 ff. EStG eingeschränkte Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen verstoße gegen das Nettoprinzip, den Gleichheitsgrundsatz sowie gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit, mithin gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, ist darauf hinzuweisen, dass der erkennende Senat in gefestigter Rechtsprechung die Auffassung vertritt, die beschränkte Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben sei verfassungsmäßig. Die vom Kläger nur grob skizzierten Bedenken hat der Senat in seiner Meinungsbildung bereits berücksichtigt; sie haben jedoch nicht zur Änderung seiner Rechtsprechung führen können. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Senatsurteile vom 18. November 2009 X R 6/08 (BFHE 227, 137, BStBl II 2010, 282, unter B.I.3.) und X R 9/07 (BFH/NV 2010, 412, unter II.3.d) sowie vom 9. Dezember 2009 X R 28/07 (BFHE 227, 165, BStBl II 2010, 348, unter B.II.3.) verwiesen.
7. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).