Entscheidungsdatum: 27.10.2015
1. NV: Zur Vertragsauslegung durch das Revisionsgericht .
2. NV: Zur Aufspaltung einer an einen Handelsvertreter "im Gegenzug" für die Senkung von Provisionssätzen geleisteten Zahlung in einen als "Entschädigung" ermäßigt zu besteuernden und einen dem laufenden Gewinn zuzurechnenden nicht tarifbegünstigten Anteil (Doppelfunktion einer Abschlagszahlung) .
3. NV: Die in § 24 Nr. 1 Buchst. a und c EStG geregelten Entschädigungszwecke schließen sich rechtlich und wirtschaftlich gegenseitig aus. Eine gleichwie geartete "Vermischung" der beiden Begünstigungstatbestände kommt nicht in Betracht .
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts München, Außensenate Augsburg, vom 26. Februar 2013 6 K 2742/12 aufgehoben.
Der Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 6. August 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. August 2012 wird dergestalt geändert, dass von den gewerblichen Einkünften des Klägers nur ein Teilbetrag von 184.845,60 € gemäß § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ermäßigt besteuert wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Steuerberechnung wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens haben der Kläger zu 40 % und der Beklagte zu 60 % zu tragen.
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde im Streitjahr 2004 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielte u.a. als Handelsvertreter für … aufgrund einer Vertriebsvereinbarung mit der "…" (X) vom 28. Dezember 1993 Einkünfte aus Gewerbetrieb nach § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die er durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermittelte.
Am 6. April 2004 vereinbarten der Kläger und die "…" (X-AG), die Rechtsnachfolgerin der X, einen Nachtrag zu der Vertriebsvereinbarung. Dieser beruhte ausweislich der Präambel auf einer zwischenzeitlich eingetretenen Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation am …markt und einem damit verbundenen erhöhten Preisdruck. Gegenstand dieser Vereinbarung war eine stufenweise Senkung der Provisionssätze des Klägers von Jahr zu Jahr vom 1. Januar 2004 an (rückwirkend) bis zum Jahr 2007. In Ziffer 2 stellten die X-AG und der Kläger fest, dass dies keine Ausgleichsansprüche i.S. von § 89b des Handelsgesetzbuchs (HGB) begründe, andernfalls der Kläger "hiermit ausdrücklich" auf diesen Anspruch verzichte. In den Ziffern 3 und 4 verpflichtete sich die X-AG, dem Kläger 308.076 € zu zahlen, und zwar mit folgendem Vertragstext:
"3. Im Gegenzug erklärt X-AG sich bereit, dem Handelsvertreter bereits jetzt einen Abschlag auf die ihm bei Beendigung dieses Handelsvertretervertrages unter den Voraussetzungen des § 9 des Handelsvertretervertrages zustehenden Ausgleichsanspruch zu zahlen. Der Höhe nach beläuft sich dieser Abschlag auf 60 % des maximalen gesetzlichen Ausgleichsanspruchs (errechnet als Jahres-Durchschnitt der Provisionen der Jahre 1999-2003, ohne …), der dem Handelsvertreter zustehen würde, wenn der Vertrag zum Stichtag des 31.12.2003 beendet worden wäre. Den dergestalt berechneten Betrag beziffern die Parteien übereinstimmend mit € 308.076,00. Er wird 4 Wochen nach Unterzeichnung dieser Vereinbarung zur Auszahlung fällig.
4. Nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien stellt die von X-AG nach Maßgabe der vorstehenden Ziff. 3 geleistete Abschlagszahlung ungeachtet der Tatsache, daß ihr die unverminderten Provisionssätze zugrunde liegen, 60 % des dem Handelsvertreter bei Beendigung des Handelsvertretervertrages gemäß dessen § 9 bzw. § 89b HGB voraussichtlich zustehenden Ausgleichsanspruches dar. Die Parteien sind sich daher einig, daß in diesem prozentualen Umfang ein etwaiger zukünftiger Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters mit Auszahlung des in Ziff. 3 genannten Betrages bereits abgegolten ist. Sofern keine Gründe i.S.v. Ziff. 9.3 des Handelsvertretervertrages vorliegen, kann der Handelsvertreter bei Beendigung des Handelsvertretervertrages folglich in Ergänzung zu dieser Abschlagszahlung 40 % der in den letzten fünf Jahren vor Vertragsbeendigung verdienten durchschnittlichen Jahresprovision verlangen."
Der im Nachtragsvertrag in Bezug genommene "§ 9 des Handelsvertretervertrages" (richtig: § 9 der Vertriebsvereinbarung) entsprach in seinen Ziffern 1 bis 4 im Wesentlichen der gesetzlichen Regelung des § 89b Abs. 1 bis 4 HGB in der bis zum 4. August 2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur Durchführung der EG-Richtlinie zur Koordinierung des Rechts der Handelsvertreter vom 23. Oktober 1989 (BGBl I 1989, 1910).
Der Kläger schrieb den von der X erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert außerplanmäßig in Höhe von 60 % des Restwerts ab. Zudem beantragte er, die Zahlung von 308.076 € nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuern. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte dies ab. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 863 veröffentlichten Urteil in vollem Umfang stattgegeben. Mit der Zahlung sei der Kläger kumulativ für die Zustimmung der Absenkung der Provisionssätze, die einverständliche Feststellung, dass derzeit kein Anspruch aus § 89b HGB bestehe, und die Entwertung des künftigen Anspruchs aus § 89b HGB entschädigt worden.
Mit der Revision rügt das FA, es liege weder ein "eigenständiges Schadensereignis" i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG vor noch seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 Nr. 1 Buchst. c EStG i.V.m. § 89b HGB "direkt oder analog" gegeben.
Das FA beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist mit der Maßgabe begründet, dass die streitgegenständliche Zahlung nicht insgesamt, sondern lediglich im Umfang vom 184.845,60 € gemäß § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ermäßigt zu besteuern ist. Im Übrigen liegen laufende, nicht tarifbegünstigte Einkünfte vor. Der Nachtragsvertrag zwischen der X-AG und dem Kläger ist in eine nicht begünstigte Vorauszahlung auf einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB in Höhe von 123.230,40 € und eine begünstigte Entschädigung für entgehende Einnahmen in Höhe von 184.845,60 € aufzuspalten.
1. Nach der Konzeption des Nachtragsvertrags sollte der in dessen Ziffer 3 vereinbarte klägerische Anspruch teilweise die Senkung der Provisionsansprüche einschließlich der damit einhergehenden Schmälerung des künftigen Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB kompensieren, teilweise --wenn auch ebenfalls zu Kompensationszwecken-- eine Vorauszahlung auf den tatsächlichen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB darstellen.
Da das FG durch Bezugnahmen nach § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Inhalt der Vereinbarungen umfassend festgestellt hat, kann der Senat selbst nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO die rechtlichen Folgerungen hieraus ziehen (vgl. Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 126 Rz 12 f.). Weiterer Aufklärungsmaßnahmen bedarf es nicht. Der Vertrag ist aus sich heraus zu verstehen. Da das FG die Auslegung des Nachtragsvertrags jedenfalls partiell unterlassen hat, ist der Senat auch befugt, diese unter Anwendung der Grundsätze der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nachzuholen und zu ergänzen (vgl. Gräber/Ratschow, a.a.O., § 118 Rz 24, m.w.N.).
Die eingangs genannte Doppelfunktion der Zahlung ist dem Zusammenwirken der verschiedenen Regelungen des Nachtragsvertrags zu entnehmen.
a) Nachdem die Parteien zunächst in Ziffer 1 die Senkung der Provisionssätze vereinbart und in Ziffer 2 ihre übereinstimmende Auffassung festgestellt hatten, dass dies für sich genommen keinen Anspruch aus § 89b HGB begründe, kann eine in Ziffer 3 mit den Worten "Im Gegenzug" eingeleitete und begründete Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Kläger in einem ersten Schritt nur eine Kompensation für etwaige mit den Ziffern 1 und 2 akzeptierte Einbußen sein. Da die mit Ziffer 1 vereinbarte Senkung der Provisionen zum einen die laufenden Provisionsansprüche kürzt, zum anderen aber auch den künftigen Ausgleichsanspruch des Klägers aus § 89b HGB mindert, weil dieser seinerseits von der Höhe der in den Jahren zuvor bezogenen Provisionen abhängig ist, sollte die Zahlung beiderlei Nachteile ausgleichen.
b) In einem zweiten Schritt aber widmet die Anrechnungsklausel in Ziffer 4 des Nachtragsvertrags, soweit sie reicht, die Zahlung zu einer Vorauszahlung auf den künftigen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB um. Dies betrifft einen Teilbetrag von 123.230,40 €.
aa) Unerheblich ist, ob diese Klausel entgegen § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB den künftigen Ausgleichsanspruch des Klägers teilweise ausgeschlossen haben könnte. Zivilrechtlich lässt sich dies wohl erst dann beurteilen, wenn die Höhe des künftigen Ausgleichsanspruchs feststeht. Steuerrechtlich kommt es darauf nach § 41 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) weder jetzt noch künftig an. Nach den Sachverhaltsfeststellungen des FG ist davon auszugehen, dass die Beteiligten das entsprechende wirtschaftliche Ergebnis gleichwohl eintreten und bestehen lassen wollen (vgl. zum diesbzgl. Maßstab Klein/Ratschow, AO, 12. Aufl., § 41 Rz 20 ff.). Hierfür spricht nicht nur die langjährige Geschäftsbeziehung des Klägers zur X-AG, sondern vor allem die am Ende der salvatorischen Klausel in Ziffer 5 des Nachtragsvertrags abgegebene Erklärung, wonach der gemeinsame Wille der Parteien "In jedem Fall (...) dahin (gehe), daß die auf Grundlage dieser Vereinbarung (...) geleistete Abschlagszahlung bei der Berechnung eines dem Handelsvertreter bei Beendigung dieses Handelsvertretervertrages zustehenden Ausgleichsanspruches angemessen zu berücksichtigen ist."
bb) Indes erfasst diese Umwidmung nicht die gesamte streitige Zahlung. Da einerseits der künftige Ausgleichsanspruch nicht feststeht, andererseits der Zahlungsanspruch steuerrechtlich zu dem Zeitpunkt zu qualifizieren ist, zu dem er entsteht, ist eine Prognose hinsichtlich der Höhe des künftigen Ausgleichsanspruchs vorzunehmen, die sich nach der inneren Struktur des Nachtragsvertrags und den darin zum Ausdruck kommenden Vorstellungen der Parteien über die Wertigkeit der jeweiligen Vertragsbestandteile richtet.
Die Vertragsparteien müssen zunächst davon ausgegangen sein, dass der Nachtragsvertrag die Ertragsaussichten aus dem mit der Vertriebsvereinbarung begründeten Handelsvertreterverhältnis um 60 % gemindert hat. Nur auf dieser Grundlage ist es verständlich, eine Zahlung gerade in Höhe von 60 % desjenigen Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB vorzusehen, der entstanden wäre, wäre das Vertragsverhältnis vollständig beendet worden. Allerdings wäre damit allein die Anrechnungsklausel in Ziffer 4 nicht zu erklären. Ihre innere Rechtfertigung ist darin zu sehen, dass der Nachtragsvertrag nach der wohl zutreffenden Annahme der Parteien von Rechts wegen überhaupt keinen Ausgleichsanspruch begründete. Insofern entsprach es deren Interessenlage, den durch den Nachtragsvertrag ausgelösten fiktiven anteiligen Ausgleichsanspruch nicht vollständig zu bedienen, sondern durch eine (teilweise) Anrechnung auf den künftigen Ausgleichsanspruch zu reduzieren. Ziffer 4 des Nachtragsvertrags kann angesichts des Kontexts nicht so verstanden werden, dass die Zahlung unabhängig von den geänderten Provisionssätzen in vollem Umfang als Vorauszahlung auf 60 % des künftigen Ausgleichsanspruchs aus § 89b HGB zu werten sein sollte. Der tatsächliche künftige Ausgleichsanspruch errechnet sich anders als der Zahlbetrag auf der Grundlage der durch den Nachtragsvertrag erheblich geminderten Provisionen. Dies war den Parteien angesichts der in Ziffer 4 enthaltenen Formulierung "ungeachtet der Tatsache, daß ihr die unverminderten Provisionssätze zugrunde liegen, (...)" auch bewusst.
Wenn der streitige Betrag von 308.076 € (60 % des noch auf Grundlage der bisherigen höheren Provisionssätze errechneten fiktiven Ausgleichsanspruchs) den Anrechnungsbetrag nach Ziffer 4 (60 % des auf Grundlage der künftigen geminderten Provisionssätze errechneten künftigen Ausgleichsanspruchs) nicht überschreiten soll, müssten die Parteien davon ausgegangen sein, dass nach Abschluss des Nachtragsvertrags die durch den Kläger vermittelten Umsätze in einem solchen Maße steigen würden, dass sie die durch die Minderung der Provisionssätze bewirkten Einbußen wenigstens ausglichen. Nur dann erreichte der künftige Ausgleichsanspruch betragsmäßig den fiktiven Ausgleichsanspruch zum Zeitpunkt des Nachtragsvertrags und es verbliebe kein Differenzbetrag zwischen dem Umfang der Anrechnung und dem Zahlbetrag. Zwar benennt die Präambel des Nachtragsvertrags lediglich allgemein die Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen am …markt, ohne zwischen Gewinnspannen und Umsätzen zu differenzieren, es bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien ausgerechnet einen derartigen Anstieg der Umsatzzahlen bei der X-AG prognostiziert hätten.
Sind die Parteien nach alledem davon ausgegangen, dass die Ertragsaussichten der Handelsvertretung um 60 % sinken würden, so gilt dies für die laufenden Provisionen sowie den künftigen tatsächlichen Ausgleichsanspruch gleichermaßen. Den künftigen Ausgleichsanspruch müssen sie also mit 40 % des ohne Provisionskürzung errechneten Ausgleichsanspruchs kalkuliert haben. Die Anrechnungsklausel der Ziffer 4 umfasst danach 60 % von diesen 40 %. Wenn der volle Ausgleichsanspruch bei bisherigen Provisionen --unter sonst gleichbleibenden Verhältnissen-- maximal 513.460 € beträgt (die Zahlung in Höhe von 308.076 € entspricht 60 % von 513.460 €), so beläuft sich der volle Ausgleichsanspruch auf Grundlage geminderter Provisionen --unter sonst gleichbleibenden Verhältnissen-- auf maximal 205.384 € (40 % von 513.460 €). Davon wiederum werden also 123.230,40 € (60 % von 205.384 €) durch die streitgegenständliche Zahlung abgegolten.
c) Das bedeutet, dass diese Zahlung (nur) mit einem Teilbetrag von 123.230,40 € eine Vorauszahlung auf den künftigen Ausgleichsanspruch aus § 89b HGB ist. Mit einem Teilbetrag von 184.845,60 € ist sie hingegen Ersatz für die Minderung von Provisionsansprüchen sowie des korrespondierenden höheren Ausgleichsanspruchs. Dieser Teil der Zahlung kann keine Vorauszahlung auf einen Ausgleichsanspruch darstellen, auch wenn dessen mittelbar bewirkte Verringerung kompensiert wird, da der höhere Ausgleichsanspruch niemals mehr entstehen kann.
2. Soweit die Zahlung Ersatz für die Einbußen aus der Minderung der Provisionsansprüche darstellt, ist sie nach § 34 Abs. 1 EStG begünstigt. Soweit sie als Vorauszahlung auf den Ausgleichsanspruch aus § 89b HGB wirkt, ist sie es nicht.
a) Gemäß § 34 Abs. 1 EStG ist die Einkommensteuer für außerordentliche Einkünfte nach einem ermäßigten Steuersatz zu berechnen. Zu den außerordentlichen Einkünften gehören u.a. gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG, die gewährt werden für entgangene oder entgehende Einnahmen (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG), für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche (§ 24 Nr. 1 Buchst. b EStG) sowie als Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter nach § 89b HGB (§ 24 Nr. 1 Buchst. c EStG). Der Begriff "Entschädigung" wird im Gesetz nicht näher definiert. Er setzt seinem Wortlaut nach --insoweit allgemein für die Nr. 1 Buchst. a bis c des § 24 EStG-- voraus, dass der Steuerpflichtige infolge einer Beeinträchtigung einen Schaden erlitten hat und die Zahlung unmittelbar dazu bestimmt ist, diesen Schaden auszugleichen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 27. November 1991 X R 10/91, BFH/NV 1992, 455, unter 1., zur Abstandszahlung bei vorzeitiger Auflösung eines Tankstellen-Pachtvertrags; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Juli 2004 IV R 23/02, BFHE 206, 287, BStBl II 2004, 876, unter 1., zur "Buy-Out"-Vergütung eines Drehbuchautors; Blümich/Heuermann/Fischer, § 24 EStG Rz 10; Schmidt/Wacker, EStG, 34. Aufl., § 24 Rz 4). Zudem ist allen außerordentlichen Einkünften des § 34 Abs. 2 EStG und damit auch des § 34 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 EStG gemein, dass die in Frage kommenden Einkünfte steuerlich jeweils in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind, erhöhte steuerliche Belastungen also allein durch die Zusammenballung von Einnahmen entstehen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 I R 250/83, BFHE 154, 98, BStBl II 1988, 936, unter 1.c).
b) Die Ausgleichsansprüche aus § 89b HGB sind von der Spezialvorschrift des § 24 Nr. 1 Buchst. c EStG erfasst.
aa) Soweit ein Handelsvertreter veranlagungszeitraumübergreifend Vorauszahlungen als Teilzahlungen auf einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB erhält, sind diese nicht nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. c EStG begünstigt. Der Ausgleichsbetrag muss, dem Grundsatz der Zusammenballung entsprechend, in einer Summe gezahlt werden (grundlegend BFH-Urteil in BFHE 154, 98, BStBl II 1988, 936, unter 1.c, betr. "Vorabentschädigungen" eines Handelsvertreters; Blümich/ Heuermann/Fischer, § 24 EStG Rz 60; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 24 Rz 44; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 34 Rz 11, jeweils m.w.N., sowie aktuell BFH-Urteil vom 14. April 2015 IX R 29/14, BFH/NV 2015, 1354). Zwar hat der BFH mit Urteil vom 1. Februar 1957 VI 87/55 U (BFHE 64, 271, BStBl III 1957, 104) eine Verteilung auf zwei Jahre nicht beanstandet. Dem lagen indes Billigkeitserwägungen zugrunde. Die Vorauszahlung ihrerseits diente der Behebung existentieller Not der Nachkriegsjahre. Im Übrigen ist die Verteilung auf zwei verschiedene Veranlagungszeiträume schädlich (vgl. ausdrücklich zu § 24 Nr. 1 Buchst. c EStG Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2001 X B 112/01, BFH/NV 2002, 346, unter 1., m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn die Tatsache, dass überhaupt eine Zahlung im Voraus geleistet wird, ihrerseits Entschädigungscharakter hat, da andernfalls das Merkmal der Zusammenballung für den Tatbestand des § 24 Nr. 1 Buchst. c EStG leer liefe.
Mit der Anrechnungsklausel wurde im Streitfall eine Vorauszahlung auf den künftigen Ausgleichsanspruch des Klägers vereinbart und dieser so auf zwei Veranlagungszeiträume aufgeteilt, ohne dass eine der Entscheidung in BFHE 64, 271, BStBl III 1957, 104 ansatzweise vergleichbare Sondersituation vorgelegen hätte. Das bedeutet, dass der entsprechende Teilbetrag von 123.230,40 € mangels Zusammenballung nicht tarifbegünstigt ist. Es liegen insoweit laufende Einkünfte vor.
bb) Soweit das FG mit Überlegungen zu einer Vermischung von Begünstigungstatbeständen zu einem abweichenden Ergebnis gelangt, folgt der Senat dem nicht. Das FG hat zutreffend ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 Nr. 1 Buchst. c EStG zum Zeitpunkt des Nachtragsvertrags nicht vorlagen. Die in § 24 Nr. 1 Buchst. a und c EStG geregelten Entschädigungszwecke schließen sich zudem rechtlich und wirtschaftlich gegenseitig aus.
Während es sich bei einer als "Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" gewährten Entschädigung (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG) um eine echte Kompensations- bzw. Sekundärleistung handelt, statuiert § 89b HGB (bzw. im Streitfall die inhaltsgleiche Regelung in § 9 der Vertriebsvereinbarung) einen zusätzlichen Vergütungsanspruch für die vor dem Vertragsende geleisteten und nach Vertragsende fortwirkenden Dienste (grundlegend BFH-Urteil vom 22. Oktober 1959 IV 118/59 S, BFHE 70, 52, BStBl III 1960, 21), dessen Entstehung dem Grunde nach dem laufenden Gewinn zuzurechnen ist (z.B. BFH-Urteil vom 9. Februar 2011 IV R 37/08, BFH/NV 2011, 1120, unter II.2.a, mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen; Mellinghoff, a.a.O., § 24 Rz 21; Schindler in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 24 Rz 54). Dies war der Grund, mit dem Steueränderungsgesetz vom 13. Juli 1961 (BGBl I 1961, 981, BStBl I 1961, 444) die Sonderregelung des § 24 Nr. 1 Buchst. c EStG einzuführen (s. dazu z.B. Horn in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 24 EStG Rz 60). Zahlungen auf solche Ausgleichsansprüche sind daher autonom zu beurteilen.
Aus dem Urteil des BFH vom 21. Januar 2004 XI R 40/02 (BFHE 205, 129, BStBl II 2004, 716) folgt nichts anderes. In jenem Fall lagen den einzelnen Schadensersatzleistungen drei gesonderte Vergleiche mit jeweils eigener Abfindungserklärung zugrunde, von denen jeder einen klar abgegrenzten und vom Gegenstand der anderen Vergleiche ausdrücklich ausgenommenen Zeitraum des Verdienstausfalls des nach einem Unfall querschnittsgelähmten Klägers zum Gegenstand hatte. Im Streitfall geht es hingegen um die Frage, ob ein einheitlicher Ausgleichsanspruch unschädlich in zwei verschiedenen Veranlagungszeiträumen bedient werden kann. Im Übrigen hat der Senat, indem er die streitige Zahlung aufgrund ihrer Doppelfunktion in eine Ausgleichszahlung nach § 89b HGB und eine Ersatzleistung für die Provisionsminderung aufgespalten hat, eine der Entscheidung in BFHE 205, 129, BStBl II 2004, 716 ähnliche Aufteilung vorgenommen.
c) Anders verhält es sich mit dem die Einbußen aus der Provisionskürzung abgeltenden Teil der Zahlung in Höhe von 184.845,60 €. Insoweit liegt eine Entschädigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG vor.
aa) Bei der Prüfung, ob Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG vorliegt, ist zwischen echten Entschädigungen und Erfüllungsleistungen zu differenzieren. Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener Einnahmen treten, sondern bürgerlich-rechtliche Erfüllungsleistungen eines Rechtsverhältnisses darstellen, gehören nicht zu den Entschädigungen.
Die an die Stelle der bisherigen Einnahmen tretende Ersatzleistung muss auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage gründen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 206, 287, BStBl II 2004, 876, unter 1.; HHR/Horn, § 24 EStG Rz 26, jeweils m.w.N.). Allerdings stellt nicht jede Leistung des Vertragspartners, die auf einem neu geschlossenen Vertrag beruht, allein deshalb bereits eine Entschädigung dar. Vielmehr kann es sich in solchen Fällen auch um schlichte Anpassungs- bzw. Anschlussverträge oder um einen Vertrag handeln, der an die Stelle eines schuldrechtlich gestörten, unwirksamen oder in seiner Rechtswirksamkeit zweifelhaften Vertrags tritt. Derartige Verträge, die Erfüllungspflichten, nicht aber Ersatzverpflichtungen begründen, unterscheiden sich von den nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG erfassten Abfindungsverträgen insbesondere dadurch, dass sie den Vertragsparteien für die Zukunft modifizierte bzw. neu begründete Leistungspflichten auferlegen und die Zahlung des einen Vertragspartners eine Gegenleistung für die Leistung des anderen bildet (vgl. BFH-Urteile vom 14. Juli 1993 I R 84/92, BFH/NV 1994, 23, unter II.1.a, zur Abfindung eines freien Erfinders, und in BFHE 206, 287, BStBl II 2004, 876, unter 2.b, m.Anm. Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 22/2004 Anm. 4; s. dazu auch Mellinghoff, a.a.O., § 24 Rz 7, und Schindler, a.a.O., § 24 Rz 22). Dem entsprechend genügen Verträge nicht, die die bisherige Basis bestehen lassen und lediglich die Zahlungsmodalitäten ändern (vgl. BFH-Urteil vom 11. Januar 2005 IX R 67/02, BFH/NV 2005, 1044, unter II.1.a aa, m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben begründete der Nachtragsvertrag einen Entschädigungsanspruch i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Neue oder modifizierte Erfüllungsansprüche in diesem Sinne lagen in der streitigen Zahlung nicht. Der Erfüllungsanspruch auf künftige Provisionszahlungen war mit Ausnahme seines rückwirkenden Teils, den die Parteien im Ergebnis noch nicht einmal umgesetzt haben, vor Abschluss des Nachtragsvertrags noch nicht entstanden. Allein die vertragliche Änderung von Provisionssätzen realisiert noch keine Provisionsansprüche. Die künftig entstehenden Provisionsansprüche hatten vielmehr von vornherein einen geringeren Umfang. Hinsichtlich des abgeschmolzenen Teils der Provisionsansprüche hatte der Kläger keinerlei Erfüllungspflichten mehr. Seine diesbezügliche Leistung bestand ausschließlich darin, die Kürzung künftiger Ansprüche hinzunehmen. Dies ist geradezu prototypisch für Entschädigungsleistungen.
bb) Dem steht das insoweit grundlegende BFH-Urteil vom 2. Dezember 1965 IV 55/64 S (BFHE 84, 250, BStBl III 1966, 91) nicht entgegen. Danach liegt eine im Rahmen eines Gewerbebetriebs anfallende tarifbegünstigte Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht vor, wenn der zur Entschädigung führende Sachverhalt zur Begründung und Abwicklung normaler und üblicher Geschäftsvorfälle, ggf. auch zur Beendigung bisheriger ertragbringender Geschäftsbeziehungen gehört und nicht unmittelbar auf einem vom Willen des Steuerpflichtigen unabhängigen Ereignis beruht.
Die vorliegende substantielle Kürzung der Provisionsansprüche bewegte sich aber nicht mehr im Rahmen des Normalen und Üblichen. Während die "normale" Beendigung einer Geschäftsbeziehung in diesem Sinne sich auf eine von mehreren Geschäftsbeziehungen des Gewerbetreibenden bezieht, sei sie auch besonders ertragreich, stellten im Streitfall die Vertragsbeziehungen mit der X-AG die Grundlage der gewerblichen Tätigkeit des Klägers überhaupt dar. Dies ist ein wesentlicher qualitativer Unterschied.
cc) Dieses Ergebnis entspricht auch den im Senatsurteil in BFH/NV 1992, 455 entwickelten Grundsätzen. Der Senat hatte in dieser Entscheidung darauf abgestellt, dass eine Entschädigung nicht vorliegt, wenn und soweit die Ersatzleistung der Erfüllung oder dem Ausgleich des Interesses an der Erfüllung solcher Verträge dient, die im laufenden Geschäftsverkehr geschlossen worden sind und sich unmittelbar auf den Geschäftsgegenstand des Unternehmens beziehen, und zwar selbst dann, wenn im Falle von Vertragsstörungen das Erfüllungsinteresse geleistet wird. Es müsse sich um einen außergewöhnlichen Vorgang handeln, der über einkunftsarttypische Geschäfte hinausgeht.
Letzteres war hier aber der Fall. Die streitgegenständliche Provisionsabrede war kein Geschäft des laufenden Geschäftsverkehrs, sondern Grundlage des Geschäfts selbst. Der Senat hatte zur Illustration seiner Auffassung sinngemäß weiter erläutert (unter II.2.b), es komme darauf an, ob die Zahlung ihre Rechtsgrundlage in der Erfüllung des Vertrags habe oder --wie in der Entscheidung des BFH vom 8. August 1986 VI R 28/84 (BFHE 147, 370, BStBl II 1987, 106)-- der Vertragspartner zur Beendigung des Vertrags bewogen werden solle, mit der Folge, dass beiderseitige Erfüllungsansprüche gar nicht mehr entstünden. Es besteht aber kein maßgebender Unterschied, ob Erfüllungsansprüche überhaupt nicht mehr entstehen sollen oder, wie im Streitfall, nicht mehr entstehen sollen, soweit sie einen gewissen Umfang überschreiten. In beiden Fällen verliert der Vertragspartner ursprüngliche Erfüllungsansprüche.
dd) Unschädlich ist es schließlich, dass der Kläger am Abschluss des Nachtragsvertrags mitgewirkt hat. Eine Entschädigung kann auch dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige durch Abschluss einer Vereinbarung an der Entstehung des Schadens mitwirkt, sofern er unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck oder zumindest in einer Konfliktlage zur Vermeidung von Streitigkeiten gehandelt hat (vgl. nur Schmidt/Wacker, a.a.O., § 24 Rz 6, m.w.N.; großzügig im zuletzt genannten Sinne BFH-Urteil vom 29. Februar 2012 IX R 28/11, BFHE 237, 56, BStBl II 2012, 569, unter II.1.b, zur Erfindervergütung eines Arbeitnehmers). Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine solche Drucksituation des Klägers bejaht, das FA die diesbezüglichen Feststellungen nicht angegriffen.
3. Die Berechnung der festzusetzenden Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO).