Entscheidungsdatum: 25.10.2016
1. NV: Wird eine Verzögerungsrüge erstmals deutlich nach dem Zeitpunkt erhoben, ab dem die Verfahrensdauer bei objektiver Betrachtung als unangemessen anzusehen ist, ist die Rückwirkung der Verzögerungsrüge für Zwecke der Begründung eines Geldanspruchs auf Entschädigung im Regelfall auf einen Zeitraum von gut sechs Monaten begrenzt (Anschluss an Senatsurteil vom 6. April 2016 X K 1/15, BFHE 253, 205, BStBl II 2016, 694, Rz 40 ff.).
2. NV: Allein der Umstand, dass das Gericht zu einem Zeitpunkt, zu dem die Verfahrensdauer bereits als unangemessen anzusehen ist, auf eine Sachstandsanfrage eines Beteiligten ein kurzes Antwortschreiben verfasst, ohne dies aber darüber hinaus zum Anlass zu nehmen, das Verfahren zu fördern, führt nicht zu der Würdigung, dass das Verfahren für den Monat, in den die Beantwortung der Sachstandsanfrage fällt, als nicht verzögert gilt.
3. NV: Bei einem verzögerten Ausgangsverfahren, das durch Ehegatten geführt wurde, steht der Entschädigungsanspruch jedem Ehegatten gesondert zu (Anschluss an Senatsurteil vom 4. Juni 2014 X K 12/13, BFHE 246, 136, BStBl II 2014, 933, Rz 47).
4. NV: Gemäß § 66 Satz 2 FGO i.d.F. des Gesetzes vom 11. Oktober 2016 (BGBl I 2016, 2222) wird bei Entschädigungsklagen die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig. Dies bewirkt, dass auch der Lauf der Prozesszinsen erst mit der Zustellung der Klage beim Beklagten und nicht wie bisher mit dem Eingang der Klage beim BFH beginnt. § 66 Satz 2 FGO ist allerdings nur auf Entschädigungsklagen anzuwenden, die ab dem 15. Oktober 2016 beim BFH eingehen.
Der Beklagte wird verurteilt, an jeden der Kläger wegen unangemessener Dauer des beim Hessischen Finanzgericht geführten Klageverfahrens 7 K 1148/10 (zunächst 9 K 1148/10) für einen Zeitraum von 20 Monaten Entschädigung in Höhe von 2.000 €, jeweils nebst seit dem 28. August 2015 zu berechnender Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, zu zahlen.
Darüber hinaus wird festgestellt, dass die Dauer des beim Hessischen Finanzgericht geführten Klageverfahrens 7 K 1148/10 (zunächst 9 K 1148/10) für einen Zeitraum von weiteren sechs Monaten unangemessen war.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
I. Die Kläger begehren gemäß § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) Entschädigung wegen der von ihnen als unangemessen angesehenen Dauer des seit dem 17. Mai 2010 anhängigen und am 29. Januar 2015 durch Zustellung des Urteils an die Kläger beendeten Verfahrens 7 K 1148/10 (zunächst 9 K 1148/10) vor dem Hessischen Finanzgericht (FG).
Dem Ausgangsverfahren liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2006 bis 2008 als Unternehmensberater (§ 15 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) sowie als Fachhochschuldozent (§ 18 EStG) jeweils geringfügige Einkünfte. Die Klägerin war als Vertriebsbeauftragte nichtselbständig beschäftigt. Die Kläger befanden sich seit 2003 in einer schwierigen finanziellen Lage. Ihr selbstgenutztes Einfamilienhaus wurde im Jahr 2007 zwangsversteigert, worauf sie in ein kleineres angemietetes Einfamilienhaus umzogen.
Am 17. Mai 2010 erhoben die Kläger Klage wegen ihrer Einkommensteuerbescheide für 2006 bis 2008. Sie begründeten die Klage bereits in der Klageschrift und gaben die streitige Bemessungsgrundlage mit 36.993 € an. Der Kläger machte Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als zusätzliche Betriebsausgaben bei seinen Einkünften nach §§ 15, 18 EStG geltend. Die Klägerin begehrte den Abzug von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Sie war für ihren Arbeitgeber seit dem 1. Juli 2006 neben anderen Regionen auch für Kunden im Saarland und in der Pfalz zuständig, suchte allerdings regelmäßig das Büro ihres Arbeitgebers in Hessen --in der Nähe des Hauptwohnsitzes der Kläger-- auf. Zum 1. September 2006 hatte sie ein Appartement in einer grenznahen französischen Stadt, später eine Wohnung in einem anderen grenznahen französischen Ort angemietet. Im Jahr 2009 gab sie den ausländischen Wohnsitz auf.
Der Beklagte des Ausgangsverfahrens (das Finanzamt --FA--) lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung ab. Hauptmotiv für die Wohnsitzverlegung nach Frankreich sei die Durchführung eines Privatinsolvenzverfahrens nach französischem Recht gewesen, das deutlich einfacher sei als das deutsche Insolvenzverfahren und insbesondere keine Wohlverhaltensfrist vorsehe. Dies sei als private Veranlassung der doppelten Haushaltsführung anzusehen. Zur Erreichung der Kunden sei ein Wohnsitz in Frankreich nicht geeignet gewesen, da die Entfernungen von dort zu den meisten Kunden nicht geringer gewesen seien als vom Hauptwohnsitz der Kläger aus.
Ferner führte das FA aus, es habe die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer für das Jahr 2006 bereits anerkannt. Für die Jahre 2007 und 2008 fehle es indes an der Vorlage entsprechender Nachweise, zumal die Kläger nach der Zwangsversteigerung ihres Hauses umgezogen seien.
Die Kläger verzichteten am 28. Juli 2010 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und schränkten nach entsprechenden Hinweisen des FA mit Schreiben vom 30. August 2010 ihren Klageantrag ein. Der Wechsel der vorbereitenden Schriftsätze endete am 16. September 2010 mit der Erklärung der Kläger, eine Replik auf die letzte Äußerung des FA sei nicht erforderlich. Das FG wurde in der Folgezeit zunächst nicht weiter tätig.
Am 7. Juni 2013 ging beim FG ein Schreiben der Kläger ein, in dem es heißt: "Wir erinnern an den noch ausstehenden Beschluss des Hessischen Finanzgerichts". Der damals beim FG zuständige Berichterstatter teilte den Klägern am 9. Juli 2013 mit, die Sache stehe noch nicht zur Bearbeitung an. Mit einer Entscheidung sei frühestens im 2. Halbjahr 2014 zu rechnen.
Zum 1. September 2013 übertrug das Präsidium des FG die Zuständigkeit u.a. für das Ausgangsverfahren auf einen anderen Senat des FG. Die neue Berichterstatterin forderte am 3. September 2013 die Steuerakten beim FA an und fragte bei den Beteiligten wegen eines Verzichts auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung an. Am 5. September 2013 übertrug der neu zuständige Senat die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Einzelrichterin. Noch im September 2013 erklärten beide Beteiligte ihren Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Am 10. Januar 2014 richtete die Einzelrichterin umfangreiche rechtliche Hinweise an die Kläger, aus denen sich entnehmen lässt, dass sie die Klage nicht für erfolgversprechend hielt. Hierauf entspann sich ein Schriftwechsel zwischen den Klägern, dem FA und dem FG, der am 1. April 2014 damit endete, dass das FG dem FA die letzte Stellungnahme der Kläger übersandte.
Am 6. Juni 2014 baten die Kläger um Mitteilung, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei. Die Einzelrichterin antwortete am 11. Juni 2014, dass voraussichtlich im 3. Quartal 2014 entschieden werde. Am 3. September 2014 erklärten die Kläger, sie seien inzwischen Rentner. Die Entscheidungen würden für sie eine zunehmende finanzielle Belastung entfalten. Das FG äußerte sich hierzu nicht. Am 6. Januar 2015 baten die Kläger nochmals um Mitteilung, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei. Die Einzelrichterin äußerte sich hierzu nicht, wies die Klage aber ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 21. Januar 2015 ab, das den Klägern am 29. Januar 2015 zugestellt wurde. Das FG begründete die Klageabweisung hinsichtlich des Arbeitszimmers mit unzureichenden Darlegungen der Kläger. Auch Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung seien nicht anzuerkennen, weil die Wohnorte in Frankreich nicht im Einzugsbereich des Beschäftigungsorts lägen und die Wohnsitznahme in Frankreich durch die beabsichtigte Nutzung der Vorteile des elsässischen Privatinsolvenzverfahrens maßgeblich privat mitveranlasst gewesen sei.
Am 28. August 2015 haben die Kläger die vorliegende Entschädigungsklage erhoben. Sie bringen vor, das Ausgangsverfahren sei fast fünf Jahre lang anhängig gewesen, obwohl es keine besonderen Schwierigkeiten aufgewiesen habe. Sie hätten wiederholt Verzögerungsrügen erhoben. Bei Zugrundelegung der durchschnittlichen Dauer finanzgerichtlicher Verfahren sei eine Verzögerung von 38,5 Monaten anzunehmen.
Die Kläger beantragen,
1. festzustellen, dass das Verfahren vor dem Hessischen FG 7 K 1148/10 eine überlange Verfahrensdauer aufgewiesen hat, und
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger wegen der Verzögerung des genannten Verfahrens eine Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber nicht unter 3.840 € zzgl. 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage liegen sollte.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, in Ermangelung von Besonderheiten des vorliegenden Falles gelte die vom Senat aufgestellte Regelvermutung, wonach eine Überlegungszeit des FG von bis zu zwei Jahren noch nicht als unangemessen anzusehen sei. Danach hätte das Verfahren ab Juni 2012 gefördert werden müssen. Da mit der Bearbeitung tatsächlich erst im September 2013 begonnen worden sei, sei das Verfahren um 15 Monate verzögert worden. Später sei eine weitere Verzögerung von sechs Monaten hinzugekommen. Insgesamt sei höchstens eine Verzögerung von 21 Monaten gegeben.
II. Die Klage ist --ungeachtet des nur in Höhe eines Mindestbetrags bezifferten Antrags (vgl. hierzu Senatsurteil vom 2. Dezember 2015 X K 7/14, BFHE 252, 233, BStBl II 2016, 405, Rz 15 ff.)-- zulässig und auch begründet.
Die Dauer des Ausgangsverfahrens war unangemessen; die Verzögerung betrifft einen Zeitraum von 26 Monaten (dazu unten 1.). Allerdings wirkt die erst mehr als drei Jahre nach Klageerhebung eingereichte Verzögerungsrüge nicht bis auf den Zeitpunkt zurück, ab dem die Verfahrensdauer bei objektiver Betrachtung als unangemessen anzusehen ist, so dass die Kläger nur für einen Verzögerungszeitraum von 20 Monaten eine Geldentschädigung beanspruchen können (unten 2.). Der sich hieraus ergebende Entschädigungsbetrag von 2.000 € steht jedem der klagenden Ehegatten gesondert zu (unten 3.) und ist entsprechend dem Klageantrag zu verzinsen (unten 4.). Soweit wegen der späten Erhebung der Verzögerungsrüge keine Geldentschädigung gewährt werden kann, ist die Unangemessenheit der Verfahrensdauer festzustellen (unten 5.).
1. Die Dauer des Ausgangsverfahrens war unangemessen. Die Verzögerung beläuft sich auf 26 Monate.
a) Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese gesetzlichen Maßstäbe beruhen auf der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts (vgl. hierzu und zum Folgenden ausführlich Senatsurteil vom 7. November 2013 X K 13/12, BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, Rz 48 ff., auf das zur Vermeidung von Wiederholungen wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird).
Nach dieser Entscheidung ist der Begriff der "Angemessenheit" für Wertungen offen, die dem Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse an einem möglichst zügigen Abschluss des Rechtsstreits einerseits und anderen, ebenfalls hochrangigen sowie verfassungs- und menschenrechtlich verankerten prozessualen Grundsätzen --wie dem Anspruch auf Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes durch inhaltlich möglichst zutreffende und qualitativ möglichst hochwertige Entscheidungen, der Unabhängigkeit der Richter und dem Anspruch auf den gesetzlichen Richter-- Rechnung tragen. Danach darf die zeitliche Grenze bei der Bestimmung der Angemessenheit der Dauer des Ausgangsverfahrens nicht zu eng gezogen werden; dem Ausgangsgericht ist ein erheblicher Spielraum für die Gestaltung seines Verfahrens --auch in zeitlicher Hinsicht-- einzuräumen. Zwar schließt es die nach der Konzeption des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG vorzunehmende Einzelfallbetrachtung aus, im Rahmen der Auslegung der genannten Vorschrift konkrete Fristen zu bezeichnen, innerhalb der ein Verfahren im Regelfall abschließend erledigt sein sollte. Gleichwohl kann für ein finanzgerichtliches Klageverfahren, das im Vergleich zu dem typischen in dieser Gerichtsbarkeit zu bearbeitenden Verfahren keine wesentlichen Besonderheiten aufweist, die Vermutung aufgestellt werden, dass die Dauer des Verfahrens angemessen ist, wenn das Gericht gut zwei Jahre nach dem Eingang der Klage mit Maßnahmen beginnt, die das Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen, und die damit begonnene ("dritte") Phase des Verfahrensablaufs nicht durch nennenswerte Zeiträume unterbrochen wird, in denen das Gericht die Akte unbearbeitet lässt. Dies gilt nicht, wenn der Verfahrensbeteiligte rechtzeitig und in nachvollziehbarer Weise auf Umstände hinweist, aus denen eine besondere Eilbedürftigkeit des Verfahrens folgt.
b) Nach diesen Grundsätzen ist das Ausgangsverfahren um 26 Monate in unangemessener Weise verzögert worden.
aa) Die Anwendung der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG beispielhaft genannten Kriterien vermittelt im Streitfall kein einheitliches Bild.
Der Schwierigkeitsgrad des Ausgangsverfahrens war als leicht überdurchschnittlich anzusehen, weil zahlreiche Sachverhaltsfragen zu prüfen und zudem auch in mehrfacher Hinsicht rechtliche Wertungen vorzunehmen waren (Arbeitszimmer als Mittelpunkt der Betätigung, erhebliche private Mitveranlassung der doppelten Haushaltsführung). Das gilt unabhängig davon, dass das FG den Schwierigkeitsgrad ausweislich der vorgenommenen Übertragung auf die Einzelrichterin wohl höchstens als durchschnittlich eingeschätzt hat.
Auf der anderen Seite war der Streitwert des Ausgangsverfahrens --und damit die Bedeutung des Verfahrens für die Kläger-- im Vergleich zu durchschnittlichen "Arbeitnehmer-Fällen" relativ hoch. Die streitige Bemessungsgrundlage betrug ausweislich der Klageschrift 36.993 €.
bb) Besondere Gründe für eine Eilbedürftigkeit haben die Kläger innerhalb der zweijährigen Regelfrist weder geltend gemacht noch sind solche Gründe für das FG aus den Akten erkennbar gewesen.
cc) Die Würdigung, dass die Verfahrensdauer in Bezug auf einen Zeitraum von 26 Monaten unangemessen war, ergibt sich aus einer Betrachtung des konkreten Verfahrensablaufs.
(1) In dem seit dem 17. Mai 2010 beim FG anhängigen Ausgangsverfahren endete der Wechsel der vorbereitenden Schriftsätze zwischen den Beteiligten am 16. September 2010.
Geht man nach den vorstehend unter II.1.a dargelegten Grundsätzen davon aus, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu vermuten ist, wenn das Gericht gut zwei Jahre nach dem Eingang der Klage mit Maßnahmen beginnt, die das Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen, hätte das FG das Verfahren ab Juni 2012 wieder aufgreifen und durch kontinuierliches Tätigwerden zur Entscheidung führen müssen. Tatsächlich ist es erst im September 2013 tätig geworden (Aktenanforderung, Anfrage wegen eines Verzichts auf mündliche Verhandlung, Beschluss über die Übertragung auf die Einzelrichterin). Demzufolge ist das Verfahren zunächst in den Monaten Juni 2012 bis August 2013 (15 Monate) als verzögert anzusehen.
Von Mitte September 2013 bis zu dem im Januar 2014 erteilten rechtlichen Hinweis blieb das FG erneut untätig. Die Verfahrensdauer ist daher in Bezug auf die Monate Oktober bis Dezember 2013 ebenfalls als unangemessen anzusehen (drei weitere Monate).
An die rechtlichen Hinweise des FG schloss sich bis April 2014 ein weiterer Schriftsatzaustausch an, der durch sachdienliche Hinweise des FG geleitet wurde. Nachfolgend war bis zur Urteilsfällung im Januar 2015 indes keine weitere Tätigkeit des FG zu verzeichnen. Dementsprechend ist das Verfahren auch in den Monaten Mai bis Dezember 2014 als verzögert anzusehen (acht weitere Monate).
Insgesamt ergibt sich daraus eine unangemessene Verfahrensdauer von 26 Monaten.
(2) Die kurzen Antworten des FG auf die Sachstandsanfragen der Kläger vom 9. Juli 2013 und 11. Juni 2014 führen nicht dazu, dass für den jeweiligen Monat von einer angemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist.
Der Senat hat bereits entschieden, dass weder eine bloße "Standardantwort" des FG auf die Sachstandsanfrage eines Beteiligten (Senatsurteil vom 19. März 2014 X K 8/13, BFHE 244, 521, BStBl II 2014, 584) noch die Beschränkung auf die Weiterleitung einer Verzögerungsrüge an den anderen Beteiligten (Senatsurteil vom 17. Juni 2014 X K 7/13, BFH/NV 2015, 33, Rz 51) als Aktivität des Gerichts anzusehen ist.
Eine individuelle Antwort des Gerichts auf eine Verzögerungsrüge ist nur dann als --die Annahme einer weiteren Verzögerung ausschließende-- Aktivität des Gerichts gewertet worden, wenn die richterliche Befassung mit dem Verfahren dazu geführt hat, dass bereits im Folgemonat die Ladung zur mündlichen Verhandlung erging (Senatsurteil vom 4. Juni 2014 X K 5/13, BFH/NV 2015, 30, Rz 37).
Vorliegend hat das FG zwar weder bloße Standardantworten versandt noch sich auf die Weiterleitung der Sachstandsanfragen an das FA beschränkt. Allerdings waren seine Antworten nicht besonders individuell gehalten. Vor allem aber hat es die Anfragen nicht zum Anlass genommen, das Ausgangsverfahren zu fördern. In einem solchen Fall kann eine lediglich knappe Reaktion auf eine Sachstandsanfrage --auch wenn sie über ein formularmäßiges Standardschreiben der Geschäftsstelle hinausgeht-- nicht als nennenswerte Aktivität des Gerichts angesehen werden, die es rechtfertigen könnte, für einen ganzen Monat von der Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer abzusehen.
2. Die erst mehr als drei Jahre nach Klageerhebung eingereichte Verzögerungsrüge wirkt allerdings nicht bis auf den Zeitpunkt zurück, ab dem die Verfahrensdauer bei objektiver Betrachtung als unangemessen anzusehen ist, so dass die Kläger nur für einen Verzögerungszeitraum von 20 Monaten eine Geldentschädigung beanspruchen können.
a) Ein Verfahrensbeteiligter erhält nur dann eine Geldentschädigung, wenn er die Dauer des Verfahrens bei dem mit der Sache befassten Gericht gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG).
b) Eine Verzögerungsrüge der Kläger kann erst in ihrem am 7. Juni 2013 beim FG eingegangenen Schreiben gesehen werden, in dem sie "an den noch ausstehenden Beschluss" erinnert haben.
Im Einklang mit der gesetzlichen Regelung des § 198 Abs. 3 GVG, die keine besonderen formellen Anforderungen an eine Verzögerungsrüge stellt, ist die Rechtsprechung des Senats großzügig darin, Erklärungen eines Verfahrensbeteiligten als Verzögerungsrüge auszulegen (ausführlich Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, Rz 27). Die Kläger haben in ihrem am 7. Juni 2013 eingegangenen Schreiben hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass sie die ausstehende Entscheidung des FG anmahnen wollen.
c) Darüber hinaus hat der Senat bereits entschieden, dass auf der Grundlage einer Gesamtschau der gesetzlichen Regelungen über die Verzögerungsrüge (§ 198 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 Sätze 1 und 2 GVG) von einer im Regelfall gut sechsmonatigen Rückwirkung einer Verzögerungsrüge auszugehen ist (Senatsurteil vom 6. April 2016 X K 1/15, BFHE 253, 205, BStBl II 2016, 694). Da vorliegend keine Gründe erkennbar sind, die für ein Abweichen vom Regelfall sprechen, begründet die am 7. Juni 2013 eingegangene Verzögerungsrüge einen Anspruch auf Geldentschädigung ab Dezember 2012.
3. Jedem der Kläger steht aufgrund der unangemessenen Verfahrensdauer eine Entschädigung für Nichtvermögensnachteile in Höhe von 2.000 € zu.
a) Das Entstehen eines Nichtvermögensnachteils wird in Fällen unangemessener Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet (vgl. auch Senatsurteil vom 17. April 2013 X K 3/12, BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547, Rz 54).
b) Eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 GVG wäre im Streitfall nicht ausreichend. Dafür spricht vor allem, dass das FG trotz mehrfacher Versuche der Kläger, es zu einer Entscheidung zu bewegen, zunächst nicht verfahrensabschließend tätig geworden ist.
c) Umstände dafür, dass der in § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG genannte Regelbetrag von 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung vorliegend unbillig (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG) sein könnte, sind weder von den Beteiligten vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Auch wenn im Gesetz ein Jahresbetrag genannt ist, kann dieser im konkreten Fall nach Monaten bemessen werden (Senatsurteil in BFHE 244, 521, BStBl II 2014, 584, Rz 37, m.w.N.).
d) Bei einem verzögerten Ausgangsverfahren, das durch Ehegatten geführt wurde, steht der Entschädigungsanspruch jedem Ehegatten gesondert zu (Senatsurteil vom 4. Juni 2014 X K 12/13, BFHE 246, 136, BStBl II 2014, 933, Rz 47).
4. Der Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit der Entschädigungsklage (§ 66 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) am 28. August 2015 an folgt aus § 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
§ 66 Satz 2 FGO i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes, der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Gerichtskostengesetzes vom 11. Oktober 2016 (BGBl I 2016, 2222), wonach bei Entschädigungsklagen die Streitsache erst mit der Zustellung der Klage rechtshängig wird, ist im Streitfall noch nicht anzuwenden. Das genannte Gesetz ist nach seinem Art. 10 am Tag nach der Verkündung --also am 15. Oktober 2016-- in Kraft getreten. Die vorliegende Entschädigungsklage ist aber bereits am 28. August 2015 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen. Hierfür gilt weiter die bisherige Rechtsprechung des Senats, wonach bei Entschädigungsklagen vor dem BFH, auf die gemäß § 155 Satz 2 FGO die Vorschriften der FGO über das Verfahren im ersten Rechtszug entsprechend anwendbar sind, sich die Rechtshängigkeit nach § 66 (Satz 1) FGO richtet (Senatsurteil in BFHE 244, 521, BStBl II 2014, 584, Rz 39 ff.). Danach beginnt der Zinslauf mit der Erhebung der Klage, also dem Eingang der Klageschrift beim BFH (§ 64 Abs. 1 FGO).
Weil § 66 Satz 2 FGO im Streitfall noch nicht anwendbar ist, kann zudem offenbleiben, ob für die Wahrung der sechsmonatigen Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG im zeitlichen Anwendungsbereich der Neuregelung nunmehr ebenfalls erst die Zustellung beim Beklagten maßgeblich ist oder ob hier --wofür manches spricht-- weiterhin der Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift beim BFH (vgl. § 64 Abs. 1 FGO, der durch das Gesetz vom 11. Oktober 2016 nicht geändert worden ist) heranzuziehen ist.
5. Soweit wegen der späten Erhebung der Verzögerungsrüge trotz einer objektiv unangemessenen Verfahrensdauer keine Geldentschädigung gewährt werden kann (hier: für die Monate Juni bis November 2012), ist gemäß § 198 Abs. 4 GVG die Unangemessenheit der Verfahrensdauer festzustellen.
6. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Obwohl der Beklagte unmittelbar nach der Zustellung der Klageschrift eingeräumt hatte, dass eine Verzögerung von 21 Monaten vorliege und seine Bereitschaft zur Zahlung von 2.100 € erklärt hatte, hat er letztlich die volle Abweisung der Klage beantragt. Daher wäre es nicht gerechtfertigt, die Kläger --im Hinblick darauf, dass das Klageverfahren möglicherweise durch eine außergerichtliche Geltendmachung des Anspruchs hätte vermieden werden können-- mit einem Kostenanteil zu belasten.