Entscheidungsdatum: 25.11.2014
1. NV: Eine Urteilsaufhebung und Zurückverweisung wegen Ergehens eines Änderungsbescheids kommt in entsprechender Anwendung von § 127 FGO auch im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde in Betracht .
2. NV: Die gesetzliche Hinweispflicht des § 76 Abs. 2 FGO (hier: betreffend die Unzulässigkeit des Klageantrags) ist gegenüber einem nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretenen, selbst erkennbar fachunkundigen Kläger in besonderer Weise zu beachten. Ihre Einhaltung ist als wesentlicher Vorgang der Verhandlung (§ 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO) im Protokoll zu dokumentieren .
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) --ein seit dem Jahr 2002 aus dem aktiven Dienst ausgeschiedener Pilot-- erzielt seit Mai 2010 sonstige Einkünfte in Form von Leibrenten (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa des Einkommensteuergesetzes). Seine Klage richtet sich gegen den von dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) für das Streitjahr 2011 erlassenen Einkommensteuerbescheid. In seiner ohne Mitwirkung eines steuerlichen Beraters gefertigten Klageschrift machte er --wie schon zuvor im Einspruchsverfahren-- geltend, dass seine "Renteneinkünfte aus der staatlichen Rente nach der Rechtslage von 2003" zu besteuern seien. Außerdem seien von ihm für ein Auslandsstudium seiner Tochter in Österreich von Januar bis einschließlich März 2003 sowie für "Kosten aus Gerichtsstreitigkeiten" getätigte Aufwendungen zu Unrecht nicht steuermindernd berücksichtigt worden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) beantragte der --nach wie vor nicht vertretene-- Kläger ausweislich des Protokolls, "das Finanzamt zu verurteilen, ihm, dem Kläger, im Einzelnen darzulegen, inwieweit es mit dem Bescheid über die Einkommensteuer 2011 vom 21. Dezember 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2013 von seiner Einkommensteuererklärung abgewichen ist".
Das FA beantragte unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung, die Klage abzuweisen, und führte ergänzend aus, es sei zwischenzeitlich festgestellt worden, dass der Kläger "Einkünfte aus Vermietung des von ihm bewohnten Dreifamilienhauses in Höhe von 357,90 € nicht erklärt" habe. Die Einkommensteuerbescheide des Klägers seien daher --nach Durchführung eines die Eigentümergemeinschaft betreffenden Feststellungsverfahrens-- "ab 2006 (...) gem. § 175 AO zu ändern".
Das FG sah die Klage in Ermangelung eines geeigneten Antrags als unzulässig an, entschied hilfsweise aber auch über das sich aus der Klageschrift ergebende Begehren. Hinsichtlich der Mieteinnahmen sah es sich "derzeit" nicht veranlasst, dem "weiter nachzugehen, da dem Gericht eine Schlechterstellung des Klägers aufgrund des im Klageverfahren geltenden Verböserungsverbots (...) verwehrt" sei. Die Revision ließ das FG nicht zu.
Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision. Er rügt, das FG habe in Bezug auf seine Antragstellung die richterliche Hinweis- und Fürsorgepflicht (§ 76 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) verletzt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO); außerdem sei das Urteil "in materiell-rechtlicher Hinsicht (...) unzutreffend".
Während des Beschwerdeverfahrens hat das FA am 12. August 2014 einen gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung geänderten Einkommensteuerbescheid 2011 erlassen, in dem in Auswertung eines entsprechenden Grundlagenbescheids zusätzlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festgesetzt wurden.
II. Die Beschwerde hat Erfolg.
1. Das Urteil des FG ist in entsprechender Anwendung des § 127 FGO aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, weil das FA während des Beschwerdeverfahrens am 12. August 2014 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2011 erlassen hat, der --wegen der nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde gegebenen Anwendbarkeit von § 68 FGO-- zum Verfahrensgegenstand geworden ist (vgl. zuletzt BFH-Beschluss vom 30. Juli 2014 IX B 151/13, BFH/NV 2014, 1580, unter 1., m.w.N.).
Die Aufhebung und Zurückverweisung käme nur dann nicht in Betracht, wenn die geänderte Festsetzung keine gegenüber den bisherigen Belastungen verbösernde Entscheidung enthielte oder die geänderte Entscheidung nicht streitig wäre (vgl. auch hierzu BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 1580, unter 1., m.w.N.). Beides ist hier nicht der Fall. Im Änderungsbescheid vom 12. August 2014 hat das FA --zu Lasten des Klägers-- zusätzlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Ansatz gebracht, die dieser zwar im Grundsatz nicht bestritten, hinsichtlich derer er aber die Rechtmäßigkeit der diesbezüglichen Datenerlangung durch das FA angezweifelt und überdies das Vorliegen einer Steuerbefreiung geltend gemacht hat.
2. Angesichts der aus verfahrensrechtlichen Gründen gebotenen Zurückverweisung ist zu den inhaltlichen Erfolgsaussichten der Beschwerde nicht mehr Stellung zu nehmen.
Der Senat weist allerdings darauf hin, dass die gesetzliche Hinweispflicht des § 76 Abs. 2 FGO in besonderer Weise zu beachten ist, wenn der Kläger --wie hier-- vor dem FG nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird und selbst erkennbar nicht fachkundig ist. Im angefochtenen Urteil führt das FG zwar an, der Kläger habe "auf mehrfache Nachfrage des Vorsitzenden" erklärt, der Antrag, den das FG im vorangegangenen Gerichtsbescheid sinngemäß nach Maßgabe des inhaltlichen Vorbringens des Klägers formuliert habe, gebe sein Klagebegehren "nicht ausreichend" wieder. Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung enthält aber weder Ausführungen zu derartigen "mehrfachen Nachfragen" des Vorsitzenden noch lässt sich dem Protokoll entnehmen, dass der Kläger auf die Unzulässigkeit seines in der mündlichen Verhandlung "ausdrücklich" gestellten Antrags hingewiesen worden wäre (§ 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 2 der Zivilprozessordnung; vgl. Stöcker in Beermann/Gosch, FGO § 94 Rz 26).
Jedoch hat das FG hilfsweise auch das --sich aus der Klageschrift ergebende-- inhaltliche Begehren des Klägers in vollem Umfang überprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Mit dieser Hilfsbegründung des angefochtenen Urteils befasst sich die Beschwerdebegründung nicht. Nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BFH-Beschluss vom 9. März 2012 VI B 121/11, BFH/NV 2012, 1157, m.w.N.) spricht vieles dafür, dass die Verfahrensrüge --ungeachtet der hier geltenden Darlegungsanforderungen im Übrigen (s. dazu Senatsbeschluss vom 1. April 2008 X B 224/07, BFH/NV 2008, 1187, unter 2.a, m.w.N.)-- schon aus diesem Grunde hätte erfolglos bleiben müssen.
Hinsichtlich der nunmehr zusätzlich in Streit stehenden Festsetzung von Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung wird das FG eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO zu erwägen haben, solange der entsprechende Grundlagenbescheid noch nicht bestandskräftig ist.
3. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.