Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 05.10.2010


BFH 05.10.2010 - X B 72/10

Darlegungsanforderungen einer Nichtzulassungsbeschwerde bei kumulativer finanzgerichtlicher Begründung - Rechtliches Gehör


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsdatum:
05.10.2010
Aktenzeichen:
X B 72/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend FG Düsseldorf, 30. März 2010, Az: 13 K 3522/07 E,F, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

NV: Stützt das FG seine Entscheidung kumulativ auf mehrere Gründe, von denen jeder für sich genommen das Entscheidungsergebnis trägt, so kommt eine Zulassung der Revision nur dann in Betracht, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungsstränge ein Zulassungsgrund schlüssig geltend gemacht wird und vorliegt .

Gründe

1

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen entweder nicht vor oder sind nicht in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form dargelegt worden.

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1. Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Des Weiteren ist darzulegen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2009 X B 55/09, BFH/NV 2010, 168, m.w.N.).

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a) Im Streitfall kann offenbleiben, ob die Beschwerdebegründung diesen Anforderungen entspricht. Die behauptete Divergenz zum Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 X R 1/06 (BFHE 219, 151, BStBl II 2008, 119) allein kann die Zulassung nicht rechtfertigen. In dem Urteil setzt sich der Senat mit der Notwendigkeit der buchmäßigen Nachvollziehbarkeit einer Ansparrücklage gemäß § 7g Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der bis 2007 gültigen Fassung (EStG) auseinander, indem er ausführt, die Bildung der Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 EStG setze nicht voraus, dass der voraussichtliche Investitionszeitpunkt in der Buchführung oder in den Aufzeichnungen für die Gewinnermittlung ausgewiesen werde.

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Das FG hat jedoch seine Entscheidung nicht nur darauf gestützt, dass die Bildung der Rücklage in der Buchhaltung des Klägers nicht nachvollzogen werden könne (unter II. der Entscheidungsgründe), sondern auch darauf, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Bildung der Ansparrücklage nach § 7g EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung nicht erfüllt habe, weil er die wesentlichen Betriebsgrundlagen nicht verbindlich bestellt habe (unter I. der Entscheidungsgründe).

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b) Stützt das FG seine Entscheidung --wie im Streitfall-- kumulativ auf mehrere (hier: zwei) Gründe, von denen jeder für sich genommen das Entscheidungsergebnis trägt, so kommt eine Zulassung der Revision nur dann in Betracht, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungsstränge ein Zulassungsgrund (schlüssig) geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Juni 2008 X B 210/05, BFH/NV 2008, 1649; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 28 sowie § 115 Rz 31, 60 und 97, jeweils m.w.N.). Der Kläger geht zwar in seinem Schriftsatz vom 9. September 2010 auf die finanzgerichtliche Begründung der fehlenden, aber notwendigen verbindlichen Bestellung von wesentlichen Betriebsgrundlagen bei Existenzgründern ein, indem er vorbringt, er habe seine Tätigkeit bereits ohne die Bestellung von Kücheneinrichtungen, Werkzeugen und Maschinen, Transporter etc. ausüben können und damit bereits mit geringem Aufwand wesentliche Betriebsgrundlagen geschaffen. Infolgedessen sei auch die Annahme, er habe seinen Betrieb erst im Jahr 2001 eröffnet, falsch. Hierdurch legt der Kläger jedoch nicht die Voraussetzungen eines Zulassungsgrundes i.S. von § 115 Abs. 2 FGO dar, selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt würde, das Vorbringen sei noch fristgerecht (vgl. aber § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO).

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Der Kläger würdigt lediglich den Sachverhalt aus seiner Sicht, ohne sich mit der diesbezüglichen ausführlichen und überzeugenden Argumentation des FG unter I.3.a und b der Entscheidungsgründe auseinanderzusetzen. Er legt weder dar, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert noch dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

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c) Im Kern hält der Kläger die Würdigung und Abwägung der einzelnen Indizien des Streitfalls durch das FG für fehlerhaft. Diese --vermeintlich-- falsche Rechtsanwendung wäre allenfalls ein materiell-rechtlicher Fehler, dessen Rüge die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigt (Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2009 X B 182/08, BFH/NV 2010, 675; vgl. auch z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 27 und 45). Zwar ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil u.a. auch dann zuzulassen, wenn das erstinstanzliche Urteil unter einem so schweren Rechtsfehler leidet, dass sein Fortbestehen das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigen würde (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 68). Dass dem FG ein derart schwerwiegender Rechtsfehler unterlaufen sein soll, lässt sich der Beschwerdebegründung aber nicht entnehmen und ist auch ansonsten nicht erkennbar.

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2. Durch das Vorbringen des Klägers, das FG habe dem Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung "das Wort abgeschnitten", wird eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO) und damit ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt.

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Für die schlüssige Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs muss der Beschwerdeführer jedoch substantiiert darlegen, welches Vorbringen bzw. welches zusätzliche Klagebegehren des Beschwerdeführers das FG bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat. Bezieht sich --wie im Streitfall-- der gerügte Verstoß nur auf einzelne Feststellungen, ist zusätzlich substantiiert darzulegen, wozu sich der Beschwerdeführer nicht hat äußern können, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch zusätzlich vorgetragen hätte und dass bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens eine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 22. April 2008 X B 154/07, BFH/NV 2008, 1361; BFH-Beschluss vom 5. August 2004 II B 159/02, BFH/NV 2004, 1665; Gräber/ Ruban, a.a.O., § 119 Rz 14, m.w.N.). Eine solche substantiierte Darlegung eines Verfahrensverstoßes ist dem klägerischen Vorbringen nicht zu entnehmen.