Entscheidungsdatum: 29.08.2012
NV: Die Frage, ob eine Investition i.S.v. § 7g EStG in der bis einschließlich 2006 geltenden Fassung für einen neuen Betrieb beabsichtigt ist, hängt wegen der Betriebsbezogenheit der zu bildenden Rücklage davon ab, ob der von der Personengesellschaft zu betreibende Betrieb, für den die Investition vorgesehen ist, bereits existiert. Nicht entscheidend ist hingegen, ob ein Gesellschafter dieser Personengesellschaft bereits einen Betrieb unterhält .
Die Beschwerdebegründung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) entspricht zum Teil nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung eines Zulassungsgrunds i.S. des § 115 Abs. 2 FGO. Sie ist insoweit unzulässig. Im Übrigen liegen die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor.
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) wurde nicht in ausreichender Weise dargelegt.
a) Wird dieser Zulassungsgrund geltend gemacht, dann ist ausführlich darzustellen, aus welchen Gründen die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Hierzu ist substantiiert darzutun, inwiefern die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und strittig ist. Hat der Bundesfinanzhof (BFH) bereits früher über die Rechtsfrage entschieden, muss begründet werden, weshalb es gleichwohl einer erneuten Entscheidung des BFH bedarf. Insbesondere muss dargetan werden, welche neuen und gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente gegen die Rechtsauffassung des BFH vorgebracht worden sind (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 31 ff., m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).
b) Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
aa) Die Klägerin macht geltend, es bedürfe der grundsätzlichen Klärung, welche Anforderungen im Rahmen der Prüfung des § 7g des Einkommensteuergesetzes in der bis einschließlich 2006 geltenden Fassung (EStG a.F.) an eine Prognoseentscheidung über ein künftiges Investitionsvorhaben zu stellen seien. Das Finanzgericht (FG) habe nämlich die zu stellenden Anforderungen überspannt. Insbesondere habe das FG nicht in ausreichendem Umfang berücksichtigt, dass sie, die Klägerin, damit habe rechnen dürfen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union das in Deutschland geltende apothekenrechtliche Fremd- und Mehrbesitzverbot europarechtlich für nicht zulässig erklären werde. Auch habe sie auf eine diese Problematik betreffende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlands und auf die hierzu vertretene Rechtsmeinung eines Landesministeriums vertrauen dürfen.
Diese Ausführungen der Klägerin sind nicht ausreichend. Es fehlt insbesondere jegliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BFH dazu, ob eine Investition i.S. von § 7g Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 EStG a.F. "beabsichtigt" ist. Danach setzt die Bildung einer Ansparrücklage zwar nicht voraus, dass der Steuerpflichtige die Absicht einer Investition nachweist. Allerdings muss nach der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung die geplante Investition nach Art, Umfang und Investitionszeitpunkt ausreichend konkretisiert sein (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 12. Dezember 2001 XI R 13/00, BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385, und vom 15. September 2010 X R 21/08, BFH/NV 2011, 235). Auch verlangt die BFH-Rechtsprechung bei neuen Betrieben bzw. bei wesentlicher Erweiterung bestehender Betriebe für die hinreichende Konkretisierung des Investitionsvorhabens bei wesentlichen Betriebsgrundlagen eine verbindliche Bestellung (vgl. z.B. Urteile vom 19. April 2007 IV R 28/05, BFHE 218, 75, BStBl II 2007, 704, und vom 11. Juli 2007 I R 104/05, BFHE 218, 323, BStBl II 2007, 957).
Ob in diesem Sinne die Investition beabsichtigt ist, beurteilt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls. Soweit die Klägerin die Entscheidung des FG in diesem Punkt angreift, weist sie nicht auf in grundsätzlicher Hinsicht noch zu klärende Punkte hin. Vielmehr beanstandet sie, das FG habe den Rechtsstreit unzutreffend entschieden. Dies allein rechtfertigt aber nicht die Zulassung der Revision.
bb) Auch soweit die Klägerin geltend macht, die vorstehend geschilderte Rechtsprechung des BFH zum Erfordernis der verbindlichen Bestellung im Falle neu eröffneter Betriebe bzw. im Falle einer wesentlichen Betriebserweiterung sei verfassungswidrig, weil der BFH die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten habe, ist der klägerische Vortrag nicht ausreichend. Es fehlt jeglicher Hinweis darauf, ob bzw. in welchem Umfang die von der Klägerin angegriffene Rechtsprechung in der Literatur in verfassungsrechtlicher Hinsicht beanstandet wird. Vielmehr erschöpfen sich die klägerischen Darlegungen in der Wiedergabe des hierzu vertretenen eigenen Rechtstandpunkts und dem pauschalen Hinweis auf die "in einem Parallelverfahren eingelegte Verfassungsbeschwerde". Dies ist nicht ausreichend, zumal die Klägerin weder das Aktenzeichen der Verfassungsbeschwerde angegeben noch dargelegt hat, dass diese Verfassungsbeschwerde aktiv betrieben wird.
2. Die Klägerin hat auch keinen qualifizierten Rechtsanwendungsfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO dargelegt.
Ein solcher ist nur gegeben, wenn die angegriffene Entscheidung in einem solchen Maße fehlerhaft ist, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werden könnte (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 28. August 2007 VII B 357/06, BFH/NV 2008, 113). Diese Voraussetzung kann etwa vorliegen, wenn das FG eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen hat oder sein Urteil auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht (BFH-Beschluss vom 8. Februar 2006 III B 128/04, BFH/NV 2006, 1116). Hingegen reichen unterhalb dieser Schwelle liegende, auch erhebliche Rechtsfehler nicht aus, um eine greifbare Gesetzeswidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung anzunehmen (BFH-Beschluss vom 12. Mai 2011 IX B 121/10, BFH/NV 2011, 1391).
Ein solcher qualifizierter Rechtsanwendungsfehler ist im Streitfall ersichtlich nicht gegeben.
Klarstellend weist der angerufene Senat darauf hin, dass die Klägerin mit ihrem Vorbringen, nur bei Existenzgründern gelte das (zusätzliche) Erfordernis einer verbindlichen Bestellung, weshalb es auch denklogisch unzutreffend sei, die Existenzgründereigenschaft zu verneinen, gleichwohl aber auch vom Nichtbestehen eines Betriebs auszugehen, unterschiedliche Tatbestandsmerkmale des § 7g EStG a.F. miteinander vermengt.
Die besonderen Vorteile des § 7g Abs. 7 EStG a.F. kann nur ein Existenzgründer in Anspruch nehmen. Dies setzt im Fall der Bildung einer Ansparrücklage für eine (ggf. ausländische) Personenhandelsgesellschaft (im Streitfall die LLP) nach § 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 EStG a.F. voraus, dass alle Mitunternehmer i.S. von Nr. 1 dieser Vorschrift innerhalb der letzten fünf Jahre keine betrieblichen Einkünfte erzielt haben. Dies war nach den Feststellungen des FG hinsichtlich der Klägerin deshalb nicht der Fall, weil diese Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und damit betriebliche Einkünfte erzielt hat. Hiervon ist indessen wegen der Betriebsbezogenheit der zu bildenden Ansparrücklage (vgl. hierzu Schmidt/Kulosa, EStG, 31. Aufl., § 7g Rz 8 und 62) die Frage zu unterscheiden, ob der Betrieb für den die Rücklage gebildet werden soll (hier die LLP), bereits existiert. Dies hat das FG mit vertretbaren Argumenten verneint. Soweit die Klägerin geltend macht, die X Limited (Ltd.) habe einen Betrieb unterhalten, ist dies unerheblich, weil es auf das Unterhalten eines Betriebs durch die Personengesellschaft LLP und nicht auf das Betreiben eines Betriebs durch die an der LLP als Gesellschafterin beteiligte Ltd. ankommt.
3. Die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehler liegen jedenfalls nicht vor.
a) Die Klägerin macht geltend, das FG habe seine Aufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verletzt und zugleich unter Verstoß gegen das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes und § 96 Abs. 2 FGO) eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen. Das FG habe nämlich seine Prognose, wonach davon auszugehen sei, dass die Klägerin nicht voraussichtlich bis zum Jahresende 2008 ihr Investitionsvorhaben der Errichtung einer Präsenzapotheke realisieren werde, auf die fehlende Finanzierung des Vorhabens, die nicht angestellten Überlegungen zu dem zu beschäftigenden Personal und zu den zu beschaffenden Räumlichkeiten gestützt. Das FG habe nicht geprüft, ob die Klägerin angesichts ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse die Investition ohne weiteres hätte finanzieren können. Auch hätte es prüfen müssen, ob nach der gegebenen Marktlage jederzeit geeignetes Personal und auch Räumlichkeiten vorhanden gewesen seien.
Die gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor. Bereits der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hat in seiner Einspruchsentscheidung vom 4. Juni 2009 darauf hingewiesen, es erscheine im Streitfall äußerst vage, ob sich eine Verwirklichung des Investitionsvorhabens bis zum Jahresende 2008 realisieren lasse. Hierbei hat das FA ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht nur die bestellten Ausstattungsgegenstände noch nicht geliefert worden seien, sondern auch noch keine Räumlichkeiten angemietet worden seien. Die Ansparrücklage sei "mithin gleichsam ins Blaue hinein gebildet worden". Auch hat das FG ausdrücklich mit Schreiben vom 18. März 2010 der Klägerin aufgegeben, die verbindliche Bestellung der fraglichen Apotheken-Einrichtung nachzuweisen und konkrete Nachweise im Hinblick auf die ernsthafte Anmietung von Räumlichkeiten zu erbringen.
Vor diesem Hintergrund betrachtet hat das FG seine Prognoseentscheidung hinsichtlich der Frage der Realisierbarkeit (unabhängig davon, ob die Klägerin finanziell und auch faktisch in der Lage war, ihr Vorhaben zu finanzieren und Personal und Räumlichkeiten zu beschaffen) darauf gestützt, dass die Klägerin jedenfalls keinen Nachweis über hierzu angestellte konkrete Planungen erbracht hatte. Diese Würdigung ist angesichts der genannten Einspruchsentscheidung und des gerichtlichen Schreibens vom 18. März 2010 keine Überraschungsentscheidung und auch keine Aufklärungspflichtverletzung. Da die Klägerin im Hinblick auf dieses Schreiben und insbesondere auch wegen der genannten Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 4. Juni 2009 in ausreichender Weise darauf hingewiesen wurde, dass Zweifel hinsichtlich der Realisierbarkeit des geltend gemachten Vorhabens bestehen könnten, hätte die Klägerin im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO) von sich aus weitere substantiierte und nachprüfbare Angaben zu den Details der Realisierbarkeit ihres Vorhabens machen können.
b) Auch soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe infolge der Verletzung seiner Aufklärungspflicht zu Unrecht angenommen, die Klägerin habe die Apothekeneinrichtung quasi bei sich selbst bestellt, trifft dieser Vorwurf nicht zu. Wie das oben zitierte Schreiben des FG vom 18. März 2010 zeigt, hat das FG die Problematik, ob die Klägerin die Einrichtung tatsächlich bei der Ltd. bestellt hat, ausdrücklich angesprochen und den klägerischen Vortrag in seinem Urteil (vgl. Bl. 9 f. der Urteilsgründe) ausdrücklich gewürdigt. Es liegt demgemäß keine Verletzung der Aufklärungspflicht und auch keine Überraschungsentscheidung vor. Soweit die Klägerin die in diesem Zusammenhang vorgenommene Tatsachenwürdigung durch das FG beanstandet, rügt sie keinen Verfahrensfehler, sondern einen nicht zur Revisionszulassung führenden materiell-rechtlichen Mangel (BFH-Beschluss vom 24. August 2011 IX B 89/11, BFH/NV 2012, 11).