Entscheidungsdatum: 08.01.2013
1. NV: Das Wohnsitz-FA ist im Rahmen einer --insbesondere in Fällen des Grundstückshandels vorzunehmenden-- Gesamtwürdigung aller Tätigkeiten, die der Steuerpflichtige entfaltet hat, zwar nicht an die im Feststellungsbescheid für eine Personengesellschaft ausgewiesene Einkunftsart oder an die Qualifizierung eines bestimmten Gewinns als Veräußerungsgewinn gebunden. Die Ermittlung der Höhe eines Veräußerungsgewinns wird jedoch von der Bindungswirkung des Feststellungsbescheids erfasst.
2. NV: In Beschwerdeverfahren, die im Verhältnis zur Hauptsache als unselbständig anzusehen sind, ist eine Kostenentscheidung nur dann entbehrlich, wenn die Beschwerde Erfolg hat. Hat die Beschwerde hingegen keinen Erfolg, ist ungeachtet der Unselbständigkeit des Beschwerdeverfahrens eine Kostenentscheidung zu treffen.
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) schied im Streitjahr 2007 aus einer KG aus. Im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus der KG wurden die auf ihn entfallenden Anteile an den Einkünften zuletzt wie folgt festgestellt:
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Veräußerungsgewinn |
99.380,00 € |
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laufende Einkünfte |
./. 44.421,17 € |
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Abzug eines verrechenbaren Verlusts nach § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG) |
./. 27.325,80 € |
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verbleibender Veräußerungsgewinn nach Saldierung |
27.633,03 € |
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verbleibende laufende Einkünfte |
0,00 € |
Im Einkommensteuerbescheid setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) aus der Beteiligung den sich nach der Saldierung ergebenden Veräußerungsgewinn in Höhe von 27.633 € an. Dieser blieb gemäß § 16 Abs. 4 EStG in voller Höhe steuerfrei, da der Kläger die persönlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllte.
Der Kläger führt gegenwärtig sowohl gegen den Gewinnfeststellungsbescheid als auch gegen den Einkommensteuerbescheid Klageverfahren, die bei verschiedenen Senaten des Finanzgerichts (FG) anhängig sind. In diesen Verfahren begehrt er, den Gewinnanteil wie folgt festzustellen bzw. im Einkommensteuerbescheid anzusetzen:
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Veräußerungsgewinn |
99.380,00 € |
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abzüglich Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG |
./. 45.000,00 € |
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abzüglich verrechenbarer Verlust |
./. 27.325,80 € |
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verbleibender Veräußerungsgewinn |
27.054,20 € |
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laufende Einkünfte |
./. 44.421,17 € |
Mit Beschluss vom 25. Mai 2012 setzte das FG das gegen den Einkommensteuerbescheid geführte Klageverfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zur Erledigung des gegen den Gewinnfeststellungsbescheid geführten Verfahrens aus. Die Beteiligten hatten der Aussetzung zuvor zugestimmt.
Am 16. Juli 2012 beantragte der Kläger, das "Ruhen des Verfahrens" zu beenden. Zur Begründung verwies er auf das Senatsurteil vom 18. April 2012 X R 34/10 (BFHE 237, 135, BStBl II 2012, 647), aus dem er ableitet, dass das Wohnsitz-FA die Saldierung zwischen dem laufenden und dem begünstigten Gewinn abweichend vom Feststellungs-FA vornehmen dürfe. Ausschließlich das Wohnsitz-FA verfüge über die Informationen, die für die Anwendung der Steuerbegünstigungen nach § 16 Abs. 4, § 34 Abs. 3 EStG erforderlich seien.
Mit dem im vorliegenden Verfahren angefochtenen Beschluss vom 3. September 2012 lehnte das FG den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens ab. Zur Begründung führte es aus, zwar entscheide das Wohnsitz-FA über die Steuerbegünstigung eines Veräußerungsgewinns. Die Feststellung der Höhe eines solchen Gewinns falle aber in die Zuständigkeit des Feststellungs-FA; hierzu gehöre auch die Frage, in welchem Umfang eine Verrechnung mit einem laufenden Gewinn stattfinden dürfe.
Der Kläger begehrt mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, weiterhin die Fortführung des finanzgerichtlichen Verfahrens über den Einkommensteuerbescheid.
Das FA hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Das FG hat mit dem angefochtenen Beschluss zutreffend entschieden, dass der Grund für die Aussetzung des Verfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid fortdauert.
a) Gemäß § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei.
Ist ein Grundlagenbescheid noch nicht ergangen, ist ein Klageverfahren gegen den Folgebescheid zwingend auszusetzen (Senatsurteil vom 17. Mai 1995 X R 64/92, BFHE 177, 478, BStBl II 1995, 640, unter II.4.). Ist --wie hier-- der Grundlagenbescheid bereits ergangen, aber gleichfalls angefochten, ist eine Aussetzung des Verfahrens gegen den Folgebescheid zwar nicht zwingend, stellt im Rahmen der erforderlichen Ermessensentscheidung aber den Regelfall dar (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. März 1999 I B 14/98, BFH/NV 1999, 1383, unter 1.a).
b) Vorliegend sind --auch unter Berücksichtigung des vom Kläger angeführten Senatsurteils in BFHE 237, 135, BStBl II 2012, 647-- keine Gesichtspunkte erkennbar, die ein Abweichen vom Regelfall und damit eine Fortführung des gegen den Folgebescheid gerichteten Klageverfahrens trotz der gleichzeitigen Anhängigkeit eines Verfahrens gegen den Grundlagenbescheid gebieten würden. Das genannte Senatsurteil beruht auf der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH (Beschluss vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617), wonach im Interesse einer sachlich zutreffenden Besteuerung des Gesellschafters alle Tätigkeiten auf dem Gebiet des Grundstückshandels, die dem Gesellschafter zuzurechnen sind, in eine Gesamtwürdigung nach Maßgabe des jeweils einschlägigen Steuertatbestands (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) einzubeziehen sind. Dies ermöglicht dem Wohnsitz-FA, bei Erlass des Folgebescheids auch solche Erkenntnisse zu berücksichtigen, die wegen der Begrenzung des Gegenstands der Feststellung aus Rechtsgründen nicht in den Feststellungsbescheid eingehen können. Auf dieser Grundlage kann beispielsweise die für die Gesellschaft festgestellte Einkunftsart im Folgebescheid umqualifiziert oder ein festgestellter Veräußerungsgewinn im Folgebescheid als laufender Gewinn behandelt werden (vgl. Senatsurteil in BFHE 237, 135, BStBl II 2012, 647, unter II.2.b, m.w.N.).
Eine solche Umqualifizierung der Einkunftsart bzw. den Ansatz des festgestellten Veräußerungsgewinns als laufenden Gewinn begehrt der Kläger vorliegend indes nicht. Er wendet sich vielmehr lediglich gegen die Art und Weise der Ermittlung der Höhe des Veräußerungsgewinns, indem er dem Feststellungs-FA die Befugnis zur vorherigen Saldierung des Veräußerungsgewinns mit einem laufenden Verlust abspricht. Es ist jedoch nicht ersichtlich, welche Erkenntnisse, die nur vom Wohnsitz-FA, nicht aber vom Feststellungs-FA zu berücksichtigen sein dürften, in die Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit einer solchen Saldierung eingehen könnten. Soweit der Kläger anführt, nur das Wohnsitz-FA verfüge über die Informationen, von denen die Steuerbegünstigung des Veräußerungsgewinns nach § 16 Abs. 4, § 34 Abs. 3 EStG abhängig sei, ist dies für die --vorgelagerte-- Frage der Zulässigkeit der Saldierung ersichtlich ohne Belang, wie bereits das FG zutreffend ausgeführt hat.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Für das gerichtliche Verfahren fällt eine Festgebühr von 50 € an (Nr. 6502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz).
Da die Beschwerde keinen Erfolg hat, ist eine Kostenentscheidung ungeachtet dessen zu treffen, dass das vorliegende Beschwerdeverfahren als unselbständiges Zwischenverfahren zu dem noch beim FG anhängigen Klageverfahren anzusehen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Mai 2009 VIII B 27/09, BFH/NV 2009, 1449, unter II.2., m.w.N.). Nur bei erfolgreichen Beschwerden --oder einer Erledigung der Hauptsache im Beschwerdeverfahren-- sieht der BFH im Hinblick auf die Unselbständigkeit des Beschwerdeverfahrens von einer Kostenentscheidung ab (vgl. Beschluss vom 17. Februar 2004 IV B 209/03, BFH/NV 2004, 966, unter 3., m.w.N.).