Entscheidungsdatum: 04.03.2016
1. NV: Umstrukturierungsmaßnahmen sind als geeignet anzusehen --und können daher trotz tatsächlich erzielter Verluste den Schluss auf das Vorliegen von Einkunftserzielungsabsicht zulassen--, wenn nach dem damaligen Erkenntnishorizont aus der Sicht eines wirtschaftlich vernünftigen Gewerbetreibenden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass die Maßnahmen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zum Erreichen der Gewinnzone führen würden .
2. NV: Die Beschäftigung des Ehegatten im unteren Bereich der sozialversicherungsrechtlichen Gleitzone (§ 20 Abs. 2 SGB IV) zur Erlangung eines preisgünstigen vollen Schutzes durch die gesetzliche Krankenversicherung kann ein persönliches Motiv für die Hinnahme von Verlusten darstellen .
3. NV: Die Möglichkeit der Einkommensteuerersparnis durch die Ausgleichsfähigkeit der erzielten Verluste mit anderweitigen positiven Einkünften ist --von bestimmten Ausnahmefällen abgesehen (Verlustzuweisungsgesellschaften, Abzug anteiliger Fixkosten der privaten Lebensführung)-- rechtlich nicht geeignet, um als einziges persönliches Motiv für die Hinnahme der Verluste herangezogen zu werden. Ein FG handelt aber nicht rechtsfehlerhaft, wenn es die Möglichkeit der Einkommensteuerersparnis neben einem weiteren persönlichen Motiv in seine Würdigung einbezieht .
4. NV: Ein Rechtssatz, den das FG zu den gewerblichen Einkünften des Steuerpflichtigen aufgestellt hat, kann nicht in einem eine Divergenz begründenden Widerspruch zu einem Rechtssatz stehen, dessen Reichweite der BFH in der herangezogenen vermeintlichen Divergenzentscheidung ausdrücklich auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe begrenzt hat .
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 30. September 2015 7 K 1146/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Wird die Beschwerde darauf gestützt, dass die Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) erforderlich sei, weil das Finanzgericht (FG) von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen sei, setzt die Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Gegenüberstellung einander widersprechender abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und der herangezogenen Divergenzentscheidung andererseits voraus (Senatsbeschluss vom 18. Januar 2011 X B 34/10, BFH/NV 2011, 813, unter 1. c, m.w.N.). Eine Divergenz ist tatsächlich gegeben, wenn die beiden Entscheidungen in tragenden Rechtssätzen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 28. Januar 2015 X B 103/14, BFH/NV 2015, 702, Rz 16, m.w.N.) miteinander unvereinbar sind.
Dies ist vorliegend in Bezug auf die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) herangezogenen Divergenzentscheidungen nicht der Fall.
a) Der Kläger entnimmt dem Senatsurteil vom 21. Juli 2004 X R 33/03 (BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063, dort unter II.2.) zunächst zutreffend den Rechtssatz, der Totalgewinn stelle das Gesamtergebnis des Betriebs in der Zeit von seiner Gründung bis zu seiner Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation dar.
In Bezug auf das angefochtene vorinstanzliche Urteil ist der Kläger der Auffassung, das FG habe den Rechtssatz aufgestellt, die Totalperiode ende pauschal nach 15 Jahren.
Einen solchen Rechtssatz vermag der Senat dem FG-Urteil --abgesehen davon, dass die vom FG genannte Zeitspanne von 2003 bis 2018 nicht einen Zeitraum von 15, sondern von 16 Wirtschaftsjahren umfasst-- nicht zu entnehmen. Zwar muss ein der Divergenz fähiger Rechtssatz nicht notwendig ausdrücklich im FG-Urteil enthalten sein. Er kann vielmehr auch konkludent in scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen des FG ausgesprochen werden (Senatsbeschlüsse vom 14. Mai 2013 X B 184/12, BFH/NV 2013, 1257, unter II.1.b, und vom 26. Juni 2013 X B 244/12, BFH/NV 2013, 1578, unter II.2.). Vorliegend lässt sich der vom Kläger formulierte Rechtssatz dem FG-Urteil aber auch nicht konkludent entnehmen.
Grundlage für die vom FG angestellten Überlegungen zu den erzielbaren Ergebnissen der Betriebe des Klägers waren --neben den bereits bekannten Ergebnissen der Vorjahre-- die vom Kläger selbst eingereichten Prognoserechnungen. Dieser hatte bereits im Verwaltungsverfahren eine Prognoserechnung für die Jahre 2012 bis 2018 eingereicht (seinerzeit waren die tatsächlichen Ergebnisse für den Zeitraum der Betriebseröffnung im Jahr 2003 bis zum Jahr 2011 bekannt). Hieraus ergaben sich --nach den in den Jahren 2003 bis 2011 tatsächlich erzielten Ergebnissen von insgesamt ./. 677.428 €-- für den Prognosezeitraum 2012 bis 2018 kumuliert nochmals Verluste von ./. 802 €. Das vom Kläger für den von ihm zugrunde gelegten Zeitraum von 2003 bis 2018 prognostizierte Ergebnis belief sich daher auf ./. 678.230 €.
Im Klageverfahren wurde bekannt, dass der Kläger in den Jahren 2003 bis 2013 tatsächlich Verluste von insgesamt ./. 1.106.073 € erzielt hatte. Mit Klageerhebung reichte er eine aktualisierte Prognose für die Jahre 2014 bis 2018 ein. Darin prognostizierte er für diese Jahre einen Gewinn von insgesamt 172.202 €. Danach beliefe sich das Gesamtergebnis für den vom Kläger herangezogenen Zeitraum von 2003 bis 2018 auf ./. 933.871 €.
Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens reichte der Kläger noch eine dritte Prognose ein, in der er für die Jahre 2014 bis 2018 ein saldiertes Ergebnis von 224.430 € prognostizierte. Zusammen mit den tatsächlichen Verlusten der Jahre 2003 bis 2013 zeigte sich ein Gesamtergebnis von ./. 881.643 €.
Das FG hat sich lediglich mit den vom Kläger selbst eingereichten Prognoserechnungen befasst und schon diese --obwohl keine dieser Berechnungen für den Zeitraum von 2003 bis 2018 auch nur annähernd zu einem Totalgewinn kam-- mit nachvollziehbarer Begründung als unrealistisch optimistisch angesehen. Aus diesen, rein fallbezogenen Ausführungen des FG lässt sich aber nicht der abstrakte Rechtssatz ableiten, Prognoserechnungen seien generell auf 15 (bzw. 16) Jahre begrenzt. Vielmehr hatte der Kläger selbst in drei unterschiedlichen Prognoserechnungen diesen Zeitraum als Ausgangsgröße gewählt. Darlegungen zu der Frage, welche geschäftlichen Pläne er für die Zeit nach 2018 --dem Jahr, in dem er sein 66. Lebensjahr vollenden wird-- hege, hat er dem FG niemals unterbreitet. Vor diesem Hintergrund durfte das FG sich darauf beschränken, sich mit den eingereichten Prognoserechnungen zu befassen, aus denen sich deutlich ergab, dass die Erzielung eines Totalgewinns in dem vom Kläger selbst bezeichneten Zeitraum ausgeschlossen war. Dies würde angesichts der erheblichen Höhe der bereits aufgelaufenen Verluste im Übrigen auch dann gelten, wenn man den Prognosezeitraum noch um einige Jahre über das Jahr 2018 hinaus ausdehnen würde.
b) Soweit der Kläger auch eine Divergenz zum Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. August 2000 IV R 46/99 (BFHE 192, 542, BStBl II 2000, 674) rügt, gibt er den dortigen Rechtssatz nicht zutreffend wieder. Er behauptet, der IV. Senat habe dort den Rechtssatz aufgestellt, dass selbst eine generationenübergreifende Totalperiode möglich sei. Tatsächlich enthält die Entscheidung des IV. Senats (unter 3.a) aber den folgenden Rechtssatz: "Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Totalgewinnperiode bei einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mehr als nur eine Generation umfassen muss." Der Kläger unterhielt aber keinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, sondern mehrere Gewerbebetriebe. Etwaige Rechtssätze, die das FG zu den gewerblichen Einkünften des Klägers aufgestellt hat, können nicht in Widerspruch zu einem Rechtssatz stehen, dessen Reichweite vom IV. Senat in der vom Kläger herangezogenen vermeintlichen Divergenzentscheidung ausdrücklich auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe begrenzt worden ist.
Im Übrigen hat der Kläger bis heute nicht angegeben, ob ihm überhaupt eine zur Nachfolge bereite und geeignete Person für den unentgeltlichen Generationenübergang (vgl. hierzu Senatsurteil vom 31. Juli 2002 X R 48/99, BFHE 200, 504, BStBl II 2003, 282, unter II.1.a aa) zur Verfügung steht.
c) In Bezug auf die Eignung von Umstrukturierungsmaßnahmen entnimmt der Kläger dem Senatsurteil in BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063 (unter II.3.b aa) zutreffend den Rechtssatz, Umstrukturierungsmaßnahmen seien als geeignet anzusehen, wenn nach dem damaligen Erkenntnishorizont aus der Sicht eines wirtschaftlich vernünftigen Gewerbetreibenden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass die Maßnahmen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zum Erreichen der Gewinnzone führen würden.
Demgegenüber entnimmt der Kläger den fallbezogenen Ausführungen des FG den Rechtssatz, die Eignung von Umstrukturierungsmaßnahmen sei nur im Falle eines konkreten merklichen wirtschaftlichen Erfolgs zu bejahen.
Die darin liegende mögliche Abweichung vermag der Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn das FG hat den Gesichtspunkt "Umstrukturierungsmaßnahmen" auch deshalb nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt, weil dieser konkrete Maßnahmen weder nachgewiesen noch glaubhaft dargelegt habe (Bl. 18 oben des FG-Urteils). Diese Würdigung ist angesichts des sehr vagen Vorbringens des Klägers zu den vermeintlich von ihm durchgeführten Umstrukturierungsmaßnahmen nachvollziehbar. Sie trägt das angefochtene Urteil selbständig, so dass es nicht mehr auf den weiteren vom Kläger herausgearbeiteten Rechtssatz ankommt.
d) Hinsichtlich der gerügten Abweichung vom Senatsurteil vom 17. November 2004 X R 62/01 (BFHE 208, 522, BStBl II 2005, 336, unter II.1.b cc) gibt der Kläger den dortigen Rechtssatz wiederum nicht vollständig wieder. Er formuliert, der BFH sehe in der Beschäftigung des Ehepartners an sich grundsätzlich noch keine persönlichen, familiären Gründe für die Hinnahme der Verluste, da der ehelichen Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft durch die steuerneutrale Behandlung des Arbeitslohns keine Vorteile entstehen. Damit endet der vom Senat in der bezeichneten Entscheidung gebildete Rechtssatz aber nicht. Vielmehr hat der Senat ausgeführt, von Bedeutung könne der Umstand sein, ob der Betriebsinhaber-Ehegatte dem Arbeitnehmer-Ehegatten einen verhältnismäßig preisgünstigen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung ermöglichen und die Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen als Betriebsausgaben abziehen wolle.
Der Kläger hat selbst vorgetragen --vom FG im Tatbestand seines Urteils ausdrücklich wiedergegeben--, er habe seine Ehefrau mit einem Gehalt im unteren Bereich der sozialversicherungsrechtlichen Gleitzone beschäftigt. In derartigen Fällen erlangt der Arbeitnehmer-Ehegatte den vollen Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung; es sind aber nur verhältnismäßig geringfügige Beiträge zu zahlen (vgl. § 20 Abs. 2 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch, § 163 Abs. 10 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch --SGB VI--, auch i.V.m. § 344 Abs. 4 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch und § 226 Abs. 4 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch), die im Übrigen noch überwiegend vom Arbeitgeber zu tragen sind (vgl. § 168 Abs. 1 Nr. 1d SGB VI und die Parallelvorschriften in den anderen Büchern des SGB), so dass diesem der Betriebsausgabenabzug zusteht, während der Arbeitnehmer diesen überwiegenden Beitragsteil nicht zu versteuern hat (§ 3 Nr. 62 des Einkommensteuergesetzes). Dem Senatsurteil in BFHE 208, 522, BStBl II 2005, 336 ist zu entnehmen, dass eine solche Gestaltung als persönliches Motiv für die Hinnahme der Verluste gewertet werden darf. Eine Divergenz liegt damit nicht vor.
Hinzu kommt, dass nach dem unstreitigen Vorbringen des Klägers auch der Bruder seiner Ehefrau sowie dessen Ehefrau beim Kläger angestellt waren.
e) Auch im Zusammenhang mit der Einkommensteuerersparnis durch die steuerliche Ausgleichsfähigkeit der erzielten Verluste mit anderweitigen positiven Einkünften gibt der Kläger die Rechtssätze aus der von ihm herangezogenen Divergenzentscheidung (Senatsurteil in BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063, unter II.3.c) nicht ganz zutreffend wieder. Der Senat hat dort die folgenden Rechtssätze aufgestellt: |
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Die Steuerersparnis ist in der bisherigen Rechtsprechung nur dann tragend als persönliches Motiv für die Hinnahme der Verluste herangezogen worden, wenn es sich um Verlustzuweisungsgesellschaften handelte, deren Geschäftskonzept darauf beruhte, zunächst buchmäßige Verluste ... aufzuweisen und zu einem späteren Zeitpunkt steuerfreie oder -begünstigte Veräußerungsgewinne zu erzielen. |
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Steuerliche Gesichtspunkte sind auch dann entscheidend für die Hinnahme der Verluste, wenn die Tätigkeit die Möglichkeit eröffnet, Kosten der privaten Lebensführung (z.B. anteilige Fixkosten ohnehin vorhandener Gegenstände wie PKW, Wohnung, Kommunikationsmittel oder Computer) in den einkommensteuerlich relevanten Bereich zu verlagern. |
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Die Rechtsprechung hat bisher in keinem Fall die Möglichkeit der Verrechnung "echter" --den Steuerpflichtigen wirtschaftlich belastender-- Verluste mit anderweitigen positiven Einkünften schon für sich genommen als privates Motiv angesehen, das zur Annahme fehlender Gewinnerzielungsabsicht führt. Im Gegenteil hat der BFH mehrfach klargestellt, dass allein dieser Umstand zur Verneinung der Gewinnerzielungsabsicht nicht ausreicht. |
Daraus ergibt sich, dass die Möglichkeit der Verrechnung der Verluste mit anderweitigen positiven Einkünften --von den dargestellten Ausnahmefällen (Verlustzuweisungsgesellschaften, Abzug anteiliger Fixkosten von Gegenständen der privaten Lebensführung) abgesehen-- rechtlich nicht geeignet ist, um als einziges persönliches Motiv für die Hinnahme der Verluste herangezogen zu werden.
Im Streitfall hat das FG diesen Umstand jedoch nicht als einziges persönliches Motiv, sondern nur neben einem weiteren persönlichen Motiv --der Beschäftigung des Ehegatten zur Verschaffung eines günstigen Krankenversicherungsschutzes-- berücksichtigt. Dies ist nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht rechtsfehlerhaft (vgl. BFH-Entscheidungen vom 14. Juli 2003 IV B 81/01, BFHE 202, 553, BStBl II 2003, 804, unter 1.b bb, und vom 26. Februar 2004 IV R 43/02, BFHE 205, 243, BStBl II 2004, 455, unter 3.b).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.