Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 13.04.2011


BFH 13.04.2011 - X B 186/10

Hotelbetrieb als Liebhaberei - Gewinnerzielungsabsicht - Feststellung des Wegfalls der Gewinnerzielungsabsicht


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsdatum:
13.04.2011
Aktenzeichen:
X B 186/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 31. August 2010, Az: 15 K 14150/08, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. NV: Der für die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht maßgebliche erzielbare Totalgewinn setzt sich aus den in der Vergangenheit erzielten und künftig zu erwartenden laufenden Gewinnen/Verlusten und dem sich bei Betriebsbeendigung voraussichtlich ergebenden Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn/-verlust zusammen .

2. NV: Der Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei wird nicht dadurch bestimmt, dass die aufgelaufenen Verluste die stillen Reserven übersteigen, sondern dadurch, dass der Steuerpflichtige keine Gewinnerzielungsabsicht (mehr) hat .

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

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1. Aus den vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) herausgearbeiteten Rechtsfragen ergibt sich keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

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Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn über Rechtsfragen zu entscheiden ist, deren Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt und die klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sind (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 24. September 2008 X B 86/07, BFH/NV 2009, 18, m.w.N.). Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die höchstrichterlich bereits entschieden ist, ohne dass zwischenzeitlich neue gewichtige Gesichtspunkte in Erscheinung getreten sind.

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a) Bei der Beurteilung, ob eine Tätigkeit als gewerbliche Tätigkeit oder Liebhaberei zu qualifizieren ist, kommt nach Auffassung des Klägers der Frage grundsätzliche Bedeutung zu, ob ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb steuerlich wirksam so lange weiterführen darf, solange die stillen Reserven des Betriebs die aufgelaufenen Verluste übersteigen.

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Diese Rechtsfrage verleiht dem Streitfall keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist --im Gegensatz zur Auffassung des Klägers-- bereits höchstrichterlich entschieden, und zwar in dem Sinne, dass es nicht möglich ist, einen (Verlust-)Betrieb mit steuerlicher Anerkennung der aufgelaufenen Verluste so lange weiterzuführen, solange die stillen Reserven des Betriebs die Verluste übersteigen.

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aa) Gemäß § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) setzt eine gewerbliche Tätigkeit u.a. voraus, dass die Tätigkeit in der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird. Gewinnerzielungsabsicht als Tatbestandsmerkmal gewerblicher Tätigkeit ist das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns (vgl. den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 434, BStBl II 1984, 751, 766, unter C.IV.3.c). Angestrebt werden muss ein positives Ergebnis zwischen Betriebsgründung und Betriebsbeendigung, und zwar aufgrund einer Betätigung, die, über eine größere Zahl von Jahren gesehen, auf die Erzielung positiver Ergebnisse hin angelegt ist. Das für den Tatbestand der Einkünfteerzielung notwendige Gewinnstreben ist anhand äußerer Merkmale zu beurteilen. Zu den äußeren Kriterien, an denen die Gewinnerzielungsabsicht zu messen ist, gehört nicht nur der Erfolg, sondern auch die Art der auf diesen Erfolg hin ausgerichteten Tätigkeit. Dazu bedarf es einer in die Zukunft gerichteten, langfristigen Prognose, für die die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten (BFH-Urteil vom 17. Juni 1998 XI R 64/97, BFHE 186, 347, BStBl II 1998, 727).

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In die Totalgewinnprognose sind die Gewinne und Verluste eines Unternehmens von der Gründung bis zur Betriebsveräußerung oder -aufgabe einzubeziehen (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Der für die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht maßgebliche erzielbare Totalgewinn setzt sich aus den in der Vergangenheit erzielten und künftig zu erwartenden laufenden Gewinnen/Verlusten und dem sich bei Betriebsbeendigung voraussichtlich ergebenden Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn/ -verlust zusammen. Kommt es --wie im Streitfall-- nicht zu einer Veräußerung des Betriebs, ist der Schätzung des Totalgewinns ein (fiktiver) Aufgabegewinn/-verlust gemäß § 16 Abs. 3 EStG zugrunde zu legen (BFH in BFHE 186, 347, BStBl II 1998, 727).

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Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung, insbesondere der Festlegung, dass der zeitliche Maßstab für die Beurteilung des Totalerfolgs sich im Regelfall aus der Gesamtdauer der Betätigung ergibt (siehe auch BFH-Urteil vom 30. August 2007 IV R 12/05, BFH/NV 2008, 759), ist die Frage des Klägers, ob ein (Verlust-)Betrieb mit steuerlicher Anerkennung so lange weitergeführt werden kann, bis die stillen Reserven des Betriebs aufgezehrt worden sind, zu verneinen. Wäre nämlich eine Weiterführung des Betriebs mit entsprechender Anerkennung der aufgelaufenen Verluste bis zur Höhe der stillen Reserven möglich, wäre der zeitliche Maßstab der Totalgewinnprognose nicht die Gesamtdauer der wirtschaftlichen Betätigung, sondern der Verbrauch der stillen Reserven.

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bb) Die (verneinende) Antwort auf die von ihm dargelegte Rechtsfrage hätte der Kläger ebenfalls der BFH-Rechtsprechung zu den Rechtsfolgen des Übergangs eines Betriebs zur Liebhaberei entnehmen können. Nach dem Senatsurteil vom 15. Mai 2002 X R 3/99 (BFHE 199, 241, BStBl II 2002, 809, m.w.N.) wirkt sich die Zuordnung zur Privatsphäre aufgrund des Wegfalls der Gewinnerzielung in der Weise aus, dass bei einer späteren --ausdrücklich erklärten-- Betriebsaufgabe für die Ermittlung des Aufgabegewinns ausschließlich der Wert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei maßgeblich ist. Alle Wertänderungen des Betriebsvermögens während der Zugehörigkeit zum Liebhabereibetrieb sind steuerlich unbeachtlich, mit der Folge, dass die im Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei vorhandenen stillen Reserven festzuhalten sind und bei einem späteren gewinnrealisierenden Vorgang aufgelöst werden. Die realisierten festgeschriebenen stillen Reserven sind dann als nachträgliche Einnahmen aus dem vormals bestehenden Betrieb i.S. von § 13, § 15 oder § 18 EStG zu versteuern (Senatsurteil in BFHE 199, 241, BStBl II 2002, 809, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).

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Die höchstrichterliche Rechtsprechung setzt damit voraus, dass im Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei noch stille Reserven vorhanden sein können; dies wäre nicht der Fall, wenn die Rechtsfrage des Klägers bejaht würde.

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b) Der weiteren vom Kläger herausgearbeiteten Rechtsfrage kommt ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung zu, da sie bei Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung eindeutig zu beantworten ist. Bei Vorliegen beachtlicher stiller Reserven ist zur Feststellung des Zeitpunkts des Übergangs vom Gewerbebetrieb in den Bereich der steuerlich unbeachtlichen Liebhaberei für einen bestimmten Veranlagungszeitraum nicht zu ermitteln, ob die aufgelaufenen Verluste die stillen Reserven dauerhaft übersteigen.

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Grund ist, dass der Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei nicht dadurch bestimmt wird, dass die aufgelaufenen Verluste die stillen Reserven übersteigen, sondern dadurch, dass ein "Totalverlust" zu erwarten ist und der Steuerpflichtige keine Gewinnerzielungsabsicht (mehr) hat.

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Zur Feststellung des Wegfalls der Gewinnerzielungsabsicht von Steuerpflichtigen, die eine gewerbliche Tätigkeit ausüben, die --wie der Hotelbetrieb der Ehefrau des Klägers-- nicht typischerweise in der Nähe des Hobbybereichs anzusiedeln ist, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung folgende Kriterien entwickelt. Danach kann zwar die Gewinnerzielungsabsicht in diesen Fällen allein wegen der Tatsache langjähriger Erwirtschaftung von Verlusten und fehlender Reaktionen auf bereits eingetretene hohe Verluste nicht verneint werden. Das Unterlassen geeigneter Umstrukturierungsmaßnahmen im Hinblick auf das darin liegende nicht marktgerechte Verhalten kann aber als ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht zu werten sein, da ein solches Verhalten den Schluss darauf zulässt, dass die Betriebsführung nicht ernstlich darauf gerichtet war, erfolgreich am Markt tätig zu sein. An die Feststellung persönlicher Gründe oder Motive, die den Steuerpflichten trotz überwiegender Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind deshalb in diesen Fällen keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. November 2004 X R 62/01, BFHE 208, 522, BStBl II 2005, 336, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung). Der Aspekt, wann die aufgelaufenen Verluste die stillen Reserven dauerhaft übersteigen, ist dagegen für die Feststellung der Gewinnermittlungsabsicht unbeachtlich.

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c) Die weitere Rechtsfrage des Klägers, ob erst ab dem Zeitpunkt, in dem die Verluste die stillen Reserven übersteigen, die Prognose des Totalgewinns zu stellen ist, ist ebenfalls bereits von der Rechtsprechung beantwortet worden. Nach der BFH-Rechtsprechung ist zu prüfen, ob der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt der Aufnahme seiner wirtschaftlichen Tätigkeit die notwendige Gewinnerzielungsabsicht hatte (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 759). In die Totalgewinnprognose sind dann die Gewinne und Verluste eines Unternehmens von der Gründung bis zur Betriebsveräußerung oder -aufgabe einzubeziehen (Beschluss des Großen Senats in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Der Zeitpunkt, in dem die aufgelaufenen Verluste die stillen betrieblichen Reserven übersteigen, ist dagegen unbeachtlich und die Frage des Klägers infolgedessen zu verneinen.

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2. Aus denselben Gründen --wie unter 1. dargestellt-- kommt die Zulassung der Revision auch nicht wegen des Erfordernisses einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) in Betracht (zur Qualifikation dieses Zulassungsgrundes als speziellen Tatbestand der "Grundsatzrevision" vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 20. Juni 2007 X B 116/06, BFH/NV 2007, 1705; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 38).

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3. Im Kern richtet sich die Beschwerdebegründung --nach Art einer Revisionsbegründung-- gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung des Finanzgerichts (FG), insbesondere dagegen, dass das FG aufgrund der von ihm vorgenommenen Gewinnprognose eine Gewinnerzielungsabsicht der Ehefrau des Klägers beim Betrieb ihres Hotels verneint hat. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen indessen für sich genommen die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).