Entscheidungsdatum: 15.04.2016
NV: Gemäß § 193 Abs. 1 AO ist eine Außenprüfung, auch als Anschlussprüfung, schon dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige Gewinneinkünfte erzielt. Der Verlust von Unterlagen steht der Durchführung einer solchen Außenprüfung nicht entgegen.
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 27. August 2015 6 K 2279/14 AO wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte als selbständiger Handelsvertreter Einkünfte aus Gewerbebetrieb in den Streitjahren 2009 bis 2011.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –-FA-) führte zunächst eine steuerliche Außenprüfung für die Jahre 2006 bis 2008 durch. Im Rahmen dieser Betriebsprüfung wurde bekannt, dass der Kläger sämtliche Unterlagen für die Jahre 2006 bis 2008 und die Streitjahre sowie das Jahr 2012 vernichtet hatte.
Nachdem im Jahr 2013 aufgrund des Betriebsprüfungsberichts Änderungsbescheide für die Jahre 2006 bis 2008 erlassen worden waren, gegen die der Kläger Einspruch eingelegt hatte, ordnete das FA im Folgejahr eine weitere steuerliche Außenprüfung beim Kläger für die Streitjahre an. Gegen diese Prüfungsanordnung legte der Kläger Einspruch ein, den das FA als unbegründet zurückwies. Die Klage blieb ebenso wie ein zwischenzeitlich beim Finanzgericht (FG) eingereichter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ohne Erfolg.
Aus Sicht des FG war die Anschlussprüfung schon aufgrund der gewerblichen Tätigkeit des Klägers zulässig. Ihre Anordnung stehe allein im pflichtgemäßen Ermessen des FA. Ermessensfehler lägen nicht vor. Die Prüfungsanordnung sei insbesondere auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Unterlagen für die zu prüfenden Veranlagungszeiträume vernichtet worden seien. Der hinsichtlich der Vorprüfung noch anhängige Rechtsstreit stünde dem Erlass der Prüfungsanordnung für die Streitjahre ebenfalls nicht entgegen. Auch leide die Prüfungsanordnung nicht unter einem schwerwiegenden Fehler und sei nicht nichtig. Ein Verstoß gegen das Willkür- und Schikaneverbot läge nicht vor.
Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Bislang habe der Bundesfinanzhof (BFH) nicht entschieden, ob eine steuerliche Außenprüfung möglich sei, wenn bekannt sei, dass Belege nicht vorhanden seien.
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat die Darlegungsanforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht erfüllt.
1. Die Revision kann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen werden.
a) Macht ein Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geltend, so hat er zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Des Weiteren muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (Senatsbeschluss vom 24. Juni 2014 X B 216/13, BFH/NV 2014, 1888).
An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es insbesondere auch dann, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (Senatsbeschluss vom 21. Januar 2014 X B 181/13, BFH/NV 2014, 523, m.w.N.).
b) Aufgrund der eindeutigen Regelung des § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) fehlt es bereits an der Klärungsbedürftigkeit. Denn anders als für den Fall der Erweiterung der bereits angeordneten Prüfung durch eine sogenannte Erweiterungsanordnung (dort § 4 Abs. 3 Satz 2 der Betriebsprüfungsordnung --BpO-- 2000) sieht die BpO eine besondere Begründungspflicht für eine Anschlussprüfung nicht vor. Somit fehlt es an einer entsprechenden Selbstbindung der Verwaltung. Warum eine Anschlussprüfung entgegen des § 193 Abs. 1 AO dennoch einer besonderen Begründung bedürfen soll, hat der Kläger nicht dargelegt.
Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangt im Hinblick auf § 193 Abs. 1 AO keine über den Gesetzeswortlaut hinausgehenden Voraussetzungen. Gemäß § 193 Abs. 1 AO ist eine Außenprüfung bei Steuerpflichtigen also schon zulässig, wenn der Steuerpflichtige --wie der Kläger-- einen gewerblichen Betrieb unterhält. Nach § 194 Abs. 1 Satz 2 AO kann eine Außenprüfung mehrere Steuerarten und Besteuerungszeiträume umfassen oder sich aber auch auf bestimmte Sachverhalte beschränken. Den Umfang der Außenprüfung hat gemäß § 196 AO die zuständige Finanzbehörde --im Streitfall das FA-- in einer schriftlichen Prüfungsanordnung zu bestimmen. Die Bestimmung des Prüfungsumfangs ist eine von den Gerichten nur gemäß § 102 FGO zu überprüfende Ermessensentscheidung (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 16. September 2014 X R 30/13, BFH/NV 2015, 150, unter II.2.a aa, m.w.N.). Der Verlust von Unterlagen steht der Durchführung einer (solchen) Außenprüfung nicht entgegen (so schon BFH-Beschluss vom 12. Januar 2006 XI B 43/05, Steuer-Eildienst 2006, 1043, Rz 7).
c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger angeführten BFH-Urteilen in BFH/NV 2015, 150, vom 1. August 1984 I R 138/80 (BFHE 142, 198, BStBl II 1985, 350), vom 25. April 1985 IV R 342/84 (BFH/NV 1987, 79) und vom 14. September 1993 VIII R 56/92 (BFH/NV 1994, 677), da sich diese ausschließlich mit Fällen der Prüfungserweiterung und nicht mit der Frage der Rechtmäßigkeit einer Anschlussprüfung befassen.
2. Letztlich zielt die Beschwerdebegründung allein darauf ab, dass der Kläger diese Anschlussprüfung als Schikane- und Willkürmaßnahme empfindet und sich somit gegen die Rechtsausführungen des FG zur Zulässigkeit der Prüfungsanordnung wendet. Hierin liegt jedoch nicht die Geltendmachung eines Revisionsgrundes, auch keines Verfahrensfehlers, sondern allein die Geltendmachung einer falschen materiellen Rechtsanwendung, die grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 31. Januar 2013 X B 21/12, BFH/NV 2013, 759, m.w.N.).
Anders kann es sich lediglich dann verhalten, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende Fehler bei der Auslegung des revisiblen Rechts aufweist, dass die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Juni 2011 X B 212/10, BFH/NV 2011, 1709). Solche Fehler liegen im Streitfall nicht vor. Im Gegenteil: Wie das FG sieht der Senat gerade in einem Fall wie dem vorliegenden die Anordnung einer Anschlussprüfung zur Verifikation der Angaben des Klägers als sachgerecht an. Außersteuerliche Gründe, die auf einen Verstoß gegen das Schikane- oder Willkürverbot hindeuten, sind nicht erkennbar.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.