Entscheidungsdatum: 07.12.2011
NV: Vor 2005 geleistete Vorsorgeaufwendungen sind keine vorweggenommenen Werbungskosten. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder um andere Altersvorsorgeaufwendungen handelt .
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Es kann offenbleiben, ob der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in seiner Beschwerdebegründung den von ihm geltend gemachten Revisionszulassungsgrund in ausreichender Weise i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt hat (vgl. hierzu Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 31 ff. und 38, m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--). Jedenfalls bedarf es im Streitfall keiner Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).
Der Kläger macht geltend, es bedürfe einer Entscheidung des BFH um zu klären, ob die von einem Steuerpflichtigen im Streitjahr 2002 zwangsweise in ein berufsständisches Versorgungswerk erbrachten Beiträge dann Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien, wenn damit zu rechnen sei, dass der Steuerpflichtige die ihm nach dem Renteneintritt zufließenden Renteneinnahmen des Versorgungswerks aufgrund der durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) getroffenen Regelung mit voraussichtlich 94 % und damit nahezu vollständig der Besteuerung unterwerfen müsse.
Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig. Es entspricht der ständigen und auch vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigten Senatsrechtsprechung, dass in Veranlagungszeiträumen vor 2005 geleistete Vorsorgeaufwendungen keine Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, sondern lediglich in beschränktem Umfang abziehbare Sonderausgaben i.S. des § 10 EStG (in der vor dem Jahr 2005 geltenden Fassung) sind. Auch scheidet eine verfassungsrechtliche Überprüfung der lediglich beschränkten Abziehbarkeit von in dieser Zeit geleisteten Vorsorgeaufwendungen aus, weil das BVerfG im Urteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73) die Weitergeltung der steuerlichen Regelungen über die Behandlung der Alterseinkünfte in den Jahren vor 2005 angeordnet hat. Diese bezieht sich auch auf die Behandlung sämtlicher bis dahin geleisteter Altersvorsorgeaufwendungen (Senatsurteil vom 8. November 2006 X R 45/02, BFHE 216, 47, BStBl II 2007, 574, die Verfassungsbeschwerde wurde durch Beschluss vom 25. Februar 2008 2 BvR 325/07 nicht zur Entscheidung angenommen; Senatsurteil vom 17. Juli 2008 X R 29/07, BFH/NV 2008, 1834; Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2008 X B 179/08, BFH/NV 2009, 573, die Verfassungsbeschwerde wurde durch Beschluss vom 14. September 2010 2 BvR 329/09 nicht zur Entscheidung angenommen und Senatsbeschluss vom 9. März 2011 X B 57/10, BFH/NV 2011, 1128).
Hieran ist festzuhalten. Vor 2005 geleistete Vorsorgeaufwendungen sind keine vorweggenommenen Werbungskosten. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder um andere Altersvorsorgeaufwendungen handelt. Auch ist nicht entscheidend, ob diese freiwillig oder zwangsweise zu erbringen sind oder ob sie in zeitlicher Nähe zu den zu Jahresbeginn 2005 in Kraft getretenen Regelungen des AltEinkG zu leisten waren. Denn maßgebend für die steuerrechtliche Beurteilung dieser Aufwendungen ist die im jeweiligen Veranlagungszeitraum geltende Systematik der Rentenbesteuerung. Auch § 52 EStG in der im Veranlagungszeitraum 2005 geltenden Fassung kann nicht entnommen werden, dass die ab dem Jahr 2005 durch das AltEinkG eingeführte nachgelagerte Rentenbesteuerung rückwirkend zur unbeschränkten Abziehbarkeit von Altersvorsorgeaufwendungen führt (Senatsurteil in BFHE 216, 47, BStBl II 2007, 574).
Dem steht die Aussage des Senats in seinem Urteil vom 18. November 2009 X R 34/07 (BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414) nicht entgegen. Denn diese Aussage bezieht sich lediglich auf im zeitlichen Geltungsbereich des AltEinkG geleistete Altersvorsorgeaufwendungen und nicht auf vor dem Jahr 2005 geleistete Vorsorgeaufwendungen.
Auch die vom BVerfG angeordnete Verpflichtung, "in jedem Fall" die steuerliche Behandlung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird (Urteil in BVerfGE 105, 73, unter D.II.), zwingt entgegen der Auffassung des Klägers nicht dazu, dass bereits im Streitjahr vorausschauend zu ermitteln ist, ob diesem Doppelbesteuerungsverbot Rechnung getragen ist. Denn ob dies der Fall ist, ist erst im Rahmen der späteren Rentenbesteuerung zu entscheiden. Aus dem Verbot der doppelten Besteuerung lässt sich nämlich kein Anspruch auf eine bestimmte Abziehbarkeit der Beiträge in der Aufbauphase ableiten (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2006 X B 166/05, BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420, und Senatsurteil in BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 424).
Das vom Kläger zitierte Senatsurteil vom 26. November 2008 X R 15/07 (BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710) betrifft die Besteuerung von Alterseinkünften, die im zeitlichen Geltungsbereich des AltEinkG zugeflossen sind. Soweit sich der Senat in diesem Zusammenhang mit der Frage befasst hat, ob im konkreten Fall das Doppelbesteuerungsverbot beachtet worden ist, trifft es keine Aussage zur Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen.