Entscheidungsdatum: 09.01.2013
1. NV: Rechtschutz wegen überlanger Dauer eines finanzgerichtlichen Verfahrens wird in erster Linie durch die Möglichkeit zur Erhebung von Verzögerungsrügen und Entschädigungsklagen nach § 198 GVG gewährleistet. Demgegenüber liegt ein zur Revisionszulassung führender Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) in Fällen überlanger Verfahrensdauer nur vor, wenn der Rechtsmittelführer darlegt, dass es bei einer kürzeren Verfahrensdauer zu einer anderen Entscheidung des FG hätte kommen können.
2. NV: War zwischen den Beteiligten im finanzgerichtlichen Verfahren eine Rechtsfrage umstritten, die von grundsätzlicher Bedeutung ist, stützt das FG seine Entscheidung aber tragend auf einen anderen Gesichtspunkt, kann die Revision --entsprechend den zu kumulativen Entscheidungsbegründungen entwickelten Grundsätzen-- nur zugelassen werden, wenn auch zu der tatsächlichen vom FG gewählten Begründung Zulassungsgründe dargelegt werden.
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war im Streitjahr 2006 mit einer Kapitalbeteiligung von 50 % und einem Stimmrechtsanteil von 51 % an einer GmbH beteiligt. Die restlichen Anteile hielt der Sohn (S) des Klägers. Ferner verpachtete der Kläger der GmbH Anlagevermögen, was von den Beteiligten übereinstimmend als Betriebsaufspaltung beurteilt wurde. Seit dem Jahr 2003 verzichtete der Kläger aufgrund der wirtschaftlichen Lage der GmbH auf die Pachtzahlungen; dabei wurde ihm ein Besserungsschein eingeräumt. Nach den Ausführungen im Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils belief sich der Verzicht in den Jahren 2004 bis 2006 auf jeweils 48.000 €; ausweislich der in den finanzgerichtlichen Akten enthaltenen Verzichtserklärungen --die jeweils am 15. Januar des Folgejahrs abgegeben worden sind-- bezog sich der Verzicht hingegen auf einen Betrag von 30.000 € jährlich.
Für 2006 erklärte der Kläger aus dem Besitz-Einzelunternehmen ein Ergebnis von ./. 27.488 €. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte diesen Betrag in den angefochtenen Bescheiden nur zu 25 % (./. 6.872 €). Zur Begründung führte er aus, 50 % des Verlustes seien nicht berücksichtigungsfähig, weil der Kläger insoweit eine --gemäß § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht abziehbare-- Zuwendung an S getätigt hätte. Die weiteren, wirtschaftlich auf die eigene Beteiligung des Klägers entfallenden 50 % des erwirtschafteten Verlustes seien wegen des Halbabzugsverbots nach § 3c Abs. 2 EStG nur zur Hälfte abziehbar.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage ausweislich des Tenors des angefochtenen Urteils teilweise statt. Nach dem Obersatz der Entscheidungsgründe hielt es die Klage indes für unbegründet. Nach dem weiteren Inhalt der Entscheidungsgründe hielt es die Steuerfestsetzung sogar noch für zu niedrig. Der Kläger habe verkannt, dass die --zunächst entstandene-- Pachtforderung erst im Zeitpunkt der Verzichtserklärung im Jahr 2007 gewinnmindernd auszubuchen gewesen sei. Für das Jahr 2006 ergebe sich danach von vornherein keine Gewinnminderung.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen Divergenz und überlanger Verfahrensdauer.
Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.
II. Die Beschwerde ist --bei Zweifeln daran, ob die gesetzlichen Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) überhaupt erfüllt sind-- jedenfalls unbegründet.
1. Wird die Beschwerde darauf gestützt, dass die Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) erforderlich sei, weil das FG von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen sei, setzt die Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Gegenüberstellung einander widersprechender abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und der herangezogenen Divergenzentscheidung andererseits voraus (Senatsbeschluss vom 18. Januar 2011 X B 34/10, BFH/NV 2011, 813, unter 1.c, m.w.N.).
Daran fehlt es. Der Kläger benennt zwar einige Rechtssätze aus finanzgerichtlichen Entscheidungen, die sich mit der Anwendbarkeit des Halbabzugsverbots nach § 3c Abs. 2 EStG befassen. Er bezeichnet aber keinen davon abweichenden Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil. Ohnehin hat das FG seine Entscheidung, worauf das FA zutreffend hinweist, nicht auf § 3c Abs. 2 EStG gestützt, sondern auf seine --von der bisher übereinstimmenden Beurteilung durch die Beteiligten abweichende-- materiell-rechtliche Auffassung zum Zeitpunkt der gewinnmindernden Ausbuchung der Pachtforderung. Ob die Auffassung des FG materiell-rechtlich zutreffend ist, ist im Rahmen des Revisionszulassungsverfahrens ohne Belang.
2. Soweit die Beschwerdebegründung dahingehend zu verstehen sein sollte, dass der Kläger auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) im Hinblick auf eine sich nach seiner Auffassung ursprünglich stellende Rechtsfrage zu § 3c Abs. 2 EStG geltend machen will, bleibt die Beschwerde aus den genannten Gründen ebenfalls ohne Erfolg. Denn für das FG kam es auf die Auslegung der Vorschrift des § 3c Abs. 2 EStG nicht an. Entsprechend den zu kumulativen Entscheidungsbegründungen entwickelten Grundsätzen (vgl. hierzu Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. August 2005 II B 34/04, BFH/NV 2005, 2229) hätte der Kläger daher auch zu der tatsächlich vom FG gewählten Begründung Zulassungsgründe vortragen müssen. Dies ist nicht geschehen.
3. Die Verfahrensrüge ist jedenfalls unbegründet.
Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die Dauer des Verfahrens vor dem FG bei Anwendung der Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht in dem vom Kläger angeführten Beschluss vom 7. Juni 2011 1 BvR 194/11 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2011, 1042) aufgestellt hat, als recht lang erscheint.
Eine überlange Verfahrensdauer stellt jedoch --auch insoweit ist der Beschwerdeerwiderung des FA zu folgen-- nur dann einen Verfahrensmangel dar, wenn der Rechtsmittelführer darlegt, dass es bei einer kürzeren Verfahrensdauer zu einer anderen Entscheidung des FG hätte kommen können (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, unter 4., m.w.N.). Daran fehlt es.
Der aus verfassungs- und menschenrechtlichen Gründen erforderliche Rechtsschutz von Verfahrensbeteiligten gegen überlange Gerichtsverfahren wird im Übrigen in erster Linie durch die Möglichkeit zur Erhebung von Verzögerungsrügen und Entschädigungsklagen nach § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes gewährleistet.
4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.