Entscheidungsdatum: 15.12.2010
Die von einem Lieferanten übernommene Verpflichtung, seinen wegen einer angeblichen Schutzrechtsverletzung abgemahnten Abnehmer von jeglichen Ansprüchen des abmahnenden Dritten freizustellen, schließt typischerweise auch die Pflicht zur Abwehr der von dem Dritten erhobenen Ansprüche ein (Fortführung von BGH, 24. Oktober 2002, IX ZR 355/00, BGHZ 152, 246, 255; BGH, 24. Juni 1970, VIII ZR 268/67, NJW 1970, 1594; BGH, 26. Januar 1983, IVa ZR 158/81, WM 1983, 387 und BGH, 19. April 2002, V ZR 3/01, WM 2002) .
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 6. März 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin stellt Caravans her. Die für den Einbau von Möbeln benötigten Türscharniere bezog sie zunächst von einem italienischen Hersteller, dem die Nutzungsrechte an einem in Italien bestehenden und auf solche Scharniere bezogenen Schutzrecht von der Schutzrechtsinhaberin, der T. S.p.A. in M. (im Folgenden: T.), übertragen worden waren. Im Jahre 2003 fragte die Klägerin bei der Beklagten an, ob diese auch derartige Scharniere liefern könne, wobei sie zugleich auf das Schutzrecht der T. hinwies. Die Beklagte übermittelte der Klägerin in der Folgezeit ein Schreiben ihrer Patentanwälte des Inhalts, dass in Italien ein Basisgebrauchsmuster bestehe, dem das Scharnier möglicherweise unterfalle, dass es sich hierbei aber um ein Risiko handele, das man eingehen könne. Die Klägerin bezog daraufhin die benötigten Scharniere von der Beklagten und baute sie unter anderem in Caravans ein, mit denen sie ihre Vertragshändlerin in Italien belieferte.
Ende 2004 wurde die Klägerin von der T. wegen einer Verletzung von deren Schutzrechten verwarnt, wovon sie die Beklagte in Kenntnis setzte. Diese gab unter dem 9. September 2005 gegenüber der Klägerin folgende Freistellungserklärung ab:
"... Hiermit bestätigen wir Ihnen gerne, dass wir Sie im Hinblick auf einen möglichen Rechtsstreit und Schadensersatzforderungen der Firma T. wegen der von uns gelieferten Scharniere von jeglichen Ansprüchen der Firma T. freistellen, wobei natürlich Voraussetzung ist, dass Anerkenntnisse oder Zahlungen nur mit unserer Zustimmung erfolgen und ein mögliches Gerichtsverfahren unter unserer Regie läuft. Hierbei gehen wir davon aus, dass Sie nur unter Abstimmung mit uns eigene Anwälte bestellen, grundsätzlich dies aber über unsere Anwälte abgewickelt wird".
Im Oktober 2005 erhob die T. in B. Klage gegen die italienische Vertragshändlerin der Klägerin, mit der sie Auskunft, Unterlassung und Schadensersatz in Höhe von mindestens 256.970,08 € begehrte. Die italienische Vertragshändlerin verkündete daraufhin der Klägerin den Streit. Die hiervon unterrichtete Beklagte nahm sowohl mit der Klägerin als auch mit deren italienischer Vertragshändlerin Kontakt auf und verwies letztere an einen von ihr bereits beauftragten Rechtsanwalt in Ma. Kurze Zeit später äußerte sie im Hinblick auf die aus ihrer Sicht durch das gerichtliche Verfahren in Italien entstehenden hohen Prozesskosten Zweifel am Sinn der Prozessführung und fragte bei der Klägerin um eine Kostenbeteiligung nach. Als die Klägerin dies unter Hinweis auf die von der Beklagten abgegebene Freistellungserklärung ablehnte, nahm die Beklagte von einer Beteiligung an dem Rechtsstreit Abstand. Die Klägerin trat in der Folge dem Rechtsstreit selbst bei, verkündete ihrerseits der Beklagten den Streit und erhob zudem Widerklage gegen die T. Im Januar 2007 wurde der Rechtsstreit durch Vergleich beendet.
In einem dem vorliegenden Verfahren bereits vorausgegangenen Rechtsstreit der Parteien vor dem Landgericht Wuppertal ist die Beklagte rechtskräftig verurteilt worden, die Klägerin von Schadensersatzansprüchen der T. wegen der von der Beklagten an sie gelieferten Klappenscharniere freizustellen. Vorliegend verlangt die Klägerin, gestützt auf dieses Urteil und die genannte Freistellungserklärung, von der Beklagten die Erstattung der ihr durch die Prozessführung in B. entstandenen eigenen Kosten einschließlich der an sie von ihrer italienischen Vertragshändlerin weiterbelasteten Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 57.921,23 €. Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 46.225,23 € nebst Zinsen verurteilt. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Zwar stehe dem von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Erstattung ihrer eigenen und der an sie durch die italienische Vertragshändlerin weiterbelasteten Kosten nicht bereits das vorausgegangene Urteil des Landgerichts Wuppertal entgegen, da dieser Anspruch nicht Gegenstand des dortigen Verfahrens gewesen sei und das Urteil sich demgemäß auch nicht dazu verhalte. Eine Anspruchsgrundlage für diesen Erstattungsanspruch sei jedoch nicht gegeben. Insbesondere ergebe sie sich nicht aus der Freistellungserklärung der Beklagten vom 9. September 2005, die nach ihrem Wortlaut in erster Linie auf die Freihaltung von Schadensersatzansprüchen der T. in einem möglichen gerichtlichen Verfahren abziele. Zwar habe die Freistellungserklärung nach den ihr zugrunde liegenden Umständen nicht nur die unmittelbar gegenüber der Klägerin erhobenen Ansprüche erfassen sollen, sondern auch diejenigen, mit denen sie durch ihre Abnehmer weiterbelastet würde. Jedoch habe die Beklagte in der Freistellungserklärung nicht bestätigt, über die von der T. geltend gemachten Ansprüche einschließlich etwaiger Verfahrens- und Anwaltskosten der T. hinaus jegliche der Klägerin und ihrer Vertragshändlerin aufgrund eines möglichen Rechtsstreits entstehende Schäden zu übernehmen. Anhaltspunkte dafür, dass die Freistellungserklärung in einem solchen weiten Sinne auszulegen sei und auch die der Klägerin oder ihrer Vertragshändlerin in einem gerichtlichen Verfahren selbst entstehenden Prozess- oder sonstigen Nebenkosten habe umfassen sollen, biete ihr Wortlaut nicht. Insbesondere lasse sich dies auch nicht daraus ableiten, dass die Beklagte sich die Führung des gerichtlichen Verfahrens und dessen Abwicklung über ihre eigenen Anwälte vorbehalten habe. Dieser Vorbehalt habe sich darauf beschränkt, im Hinblick auf die Freistellungsverpflichtung durch die Einschaltung eigener Anwälte an einem gerichtlichen Verfahren (indirekt) mitwirken zu können. Dass die Beklagte jedoch im Falle der Bestellung eigener Anwälte durch die Klägerin zugleich insoweit entstehende Kosten habe übernehmen wollen, sei nicht ersichtlich und ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass sie zunächst durch die von ihr eingeschalteten Patentanwälte einen italienischen Rechtsanwalt mit der Prüfung der von der T. in B. geltend gemachten Ansprüche beauftragt habe. Wenn die Klägerin nach Abstandnahme der Beklagten von einer Prozessteilnahme an dem gerichtlichen Verfahren gleichwohl teilgenommen habe, habe sie nicht von einer Übernahme der ihr insoweit entstehenden Kosten durch die Beklagte ausgehen können. Diese Prozessteilnahme sei vielmehr im eigenen Interesse erfolgt, um mögliche Schadensersatzansprüche ihrer italienischen Vertragshändlerin zu vermeiden, deren Schäden auch nicht von der Freistellungserklärung erfasst gewesen seien. Ebenso wenig stehe der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 BGB wegen einer Abstandnahme der Beklagten von einer Prozessteilnahme in Italien zu. Denn die Freistellungserklärung habe zwar ein Recht der Beklagten zur Prozessführung, nicht aber eine damit einhergehende Verpflichtung zum Handeln vorgesehen.
Weiterhin könne der Anspruch nicht auf eine Rechtsmängelhaftung nach § 435 BGB gestützt werden. Insoweit seien etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin gemäß § 442 BGB ausgeschlossen, weil ihr bei Vertragsschluss das Risiko einer Patentverletzung bewusst gewesen sei und sie dieses Risiko bewusst im Sinne eines Verzichts auf die Geltendmachung von über die Freistellungserklärung hinausgehenden Gewährleistungsansprüchen übernommen habe.
Schließlich hafte die Beklagte auch nicht wegen einer unrichtig erteilten Auskunft. Sie habe gegenüber der Klägerin nicht etwa erklärt, dass in Italien eine Patentverletzung ausgeschlossen sei, sondern ausdrücklich unter Bezugnahme auf die Überprüfung durch die von ihr beauftragten Patentanwälte sachlich richtig mitgeteilt, dass im Hinblick auf das in Italien bestehende Gebrauchsmuster ein Schutzrecht in Betracht komme. Die weitere Erklärung, man könne das Risiko eingehen, sei nicht Gegenstand einer haftungsbegründenden Auskunft gewesen, sondern allein auf die Frage bezogen gewesen, ob das Risiko in wirtschaftlicher Hinsicht habe in Kauf genommen werden können. Dass sie auch für die Folgen einer möglicherweise unrichtigen wirtschaftlichen Einschätzung habe einstehen wollen, sei aber nicht ersichtlich.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Beklagte aufgrund der von ihr gegenüber der Klägerin abgegebenen Freistellungserklärung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die von der T. erhobenen Ansprüche anstelle der Klägerin abzuwehren und sich zu diesem Zweck an dem in B. geführten Rechtsstreit zu beteiligen. Sie hat deshalb gemäß § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB den der Klägerin durch die Verweigerung einer Anspruchsabwehr entstandenen Schaden zu ersetzen.
1. Die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach die Erklärung der Beklagten, die Klägerin "… wegen der … gelieferten Scharniere von jeglichen Ansprüchen der Firma T." freizustellen, keine Verpflichtung der Beklagten zum Handeln begründet habe, begegnet - wie die Revision mit Recht rügt - durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar kann der Senat die Auslegung dieser Erklärung durch das Berufungsgericht lediglich darauf überprüfen, ob es sich bei seiner tatrichterlichen Würdigung mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinander gesetzt hat und ob dabei gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (vgl. Senatsurteile vom 5. März 2008 - VIII ZR 37/07, NJW 2008, 1439 Rn. 19; vom 7. Juni 2006 - VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 12; jeweils mwN). Ein solcher Verstoß gegen allgemein anerkannte Auslegungsregeln, nämlich das Gebot einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung, liegt hier indessen vor.
2. Es entspricht einer gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass zum Wesen einer auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage bestehenden Freistellungspflicht nicht nur die Befriedigung begründeter Ansprüche gehört, die Dritte gegen den Freizustellenden erheben. Vielmehr gehört zu einer Freistellungspflicht nach der hierbei bestehenden Interessenlage grundsätzlich auch die Pflicht zur Abwehr unbegründeter Ansprüche Dritter (Senatsurteil vom 24. Juni 1970 - VIII ZR 268/67, NJW 1970, 1594 unter II 1 b; BGH, Urteile vom 19. Januar 1983 - IVa ZR 116/81, WM 1983, 387 unter 2 a; vom 19. April 2002 - V ZR 3/01, WM 2002, 1358 unter II 3; vom 24. Oktober 2002 - IX ZR 355/00, BGHZ 152, 246, 255). Denn mit der Übernahme einer Freistellungspflicht soll der Freizustellende typischerweise jeglichen Risikos einer Inanspruchnahme durch Dritte enthoben werden und insbesondere nicht der Gefahr ausgesetzt sein, wegen einer begründeten Forderung Dritter mit einer Klage überzogen zu werden oder in Fehleinschätzung der Sach- und Rechtslage eine unbegründete Forderung zu erfüllen und sich dies als eigenes Fehlverhalten entgegenhalten lassen zu müssen (Senatsurteil vom 24. Juni 1970 - VIII ZR 268/67, aaO unter II 1 b, 2; BGH, Urteil vom 19. April 2002 - V ZR 3/01, aaO). Das gilt in gleicher Weise auch für Freistellungserklärungen in Bezug auf Schutzrechte Dritter, die - wie hier - im Rahmen bestehender Lieferbeziehungen von Lieferanten für zugelieferte Teile einschränkungslos abgegeben werden und dadurch in der Regel zugleich dessen gemäß § 435 BGB bestehende Rechtsmängelhaftung zu einer verschuldensunabhängigen Einstandspflicht erweitern (vgl. Wellenhofer-Klein, BB 1999, 1121, 1124; ferner Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearbeitung 2004, § 435 Rn. 40 mwN).
Dass vorliegend eine von dieser typischen Interessenkonstellation abweichende Interessenlage bestanden hat, nach der bei der Klägerin ein von ihr selbst zu tragendes Risiko gerichtlicher Inanspruchnahme durch Dritte verbleiben sollte, stellt das Berufungsgericht nicht fest. Für einen solchen Ausnahmefall besteht nach den festgestellten Umständen auch kein Anhalt. Soweit das Berufungsgericht meint, die Annahme einer auch auf Prozess- und sonstige Nebenkosten der Klägerin und ihrer in den Schutzbereich der Erklärung einbezogenen Vertragshändlerin erstreckten Freistellungsverpflichtung sei weder vom Wortlaut der abgegebenen Erklärung gedeckt noch sonst durch die von der Beklagten zunächst begonnene, anschließend jedoch nicht mehr fortgesetzte Praxis einer Anspruchsabwehr nahe gelegt, übersieht es, dass die Anspruchsabwehr - wie vorstehend dargestellt - eine typischerweise in der Freistellungsverpflichtung mit enthaltene Pflicht darstellt und dass es ihrer gesonderten Erwähnung nur dann bedurft hätte, wenn die Parteien eine solche Pflicht ausnahmsweise als nicht bestehend hätten ansehen wollen.
3. Dadurch, dass die Beklagte eine Beteiligung an dem in B. anhängigen Rechtsstreit abgelehnt und sich auf diese Weise geweigert hat, ihrer aufgrund der übernommenen Freistellungsverpflichtung bestehenden Abwehrpflicht nachzukommen, ist sie der Klägerin gemäß § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB zum Ersatz des dadurch verursachten Schadens verpflichtet. Sie hat daher die Aufwendungen zu ersetzen, die der Klägerin dadurch entstanden sind, dass die Klägerin sich anstelle der zur Anspruchsabwehr verpflichteten Beklagten unmittelbar und auf eigene Kosten an der Prozessführung beteiligen musste sowie anstelle der Beklagten mit den Prozesskosten ihrer italienischen Vertragshändlerin belastet worden ist.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zur Höhe des der Klägerin entstandenen Schadens getroffen hat. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ball Dr. Milger Dr. Achilles
Dr. Schneider Dr. Fetzer