Entscheidungsdatum: 10.03.2010
1. Bei einer Verurteilung zur Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis ist der Rechtsmittelkläger in Höhe der auszuweisenden Umsatzsteuer beschwert (Abgrenzung zu BGH, 24. November 1994, GSZ 1/94, BGHZ 128, 85 ff.) .
2. Zur Frage der Verpflichtung zur Erteilung von Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis bei Strohmanngeschäften .
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 3. März 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Der Kläger, der einen Fahrzeughandel betreibt, erwarb von den Firmen A. (Inhaber Ö. Ö., M.), M. (Inhaber A. M., G.) und M. & Sp. (Inhaber A. M. und D. Sp., G.) in der Zeit vom 26. Mai 2000 bis 18. Januar 2001 insgesamt 14 gebrauchte Kraftfahrzeuge. Bei den Verkaufsgesprächen traten die Beklagten im Namen der Verkäufer auf. Die Verkäufer stellten dem Kläger für die einzelnen Verkäufe Rechnungen aus, führten jedoch die dort ausgewiesene Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt ab. Das Finanzamt Osnabrück-Stadt versagte dem Kläger den Vorsteuerabzug, da es sich bei den Verkäufern um "Scheinfirmen" gehandelt habe, die von den Beklagten für ein Umsatzsteuerkarussell eingesetzt worden seien.
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Erteilung von 14 Rechnungen unter Ausweis der Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von 106.540,96 € für die getätigten Verkäufe in Anspruch.
Das Amtsgericht hat der Klage im vereinfachten Verfahren nach § 495a ZPO stattgegeben, nachdem sich die Beklagten nicht innerhalb der vom Amtsgericht gesetzten Frist verteidigt hatten. Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten zu 2 als unzulässig verworfen. Auf die Berufung des Beklagten zu 1 hat es die gegen ihn gerichtete Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - ausgeführt:
Die Berufung des Beklagten zu 1 sei zulässig. Die Beschwer des Beklagten zu 1 betrage mehr als 600 €. Zwar richte sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Beschwerdewert im Falle einer Berufung gegen die Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft oder zur Rechnungslegung nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, die die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordere, sowie nach einem etwaigen Geheimhaltungsinteresse des Verurteilen, nicht jedoch nach dem Wert des Auskunftsanspruchs. Maßgeblich sei nicht das Interesse des Beklagten, die Durchsetzung eines Leistungsanspruchs vorzubereiten, sondern nur das wirtschaftliche Interesse an dem Erfolg des Rechtsmittels. Dabei sei nur auf den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung abzustellen. Der tatsächliche oder rechtliche Einfluss auf andere Rechtsverhältnisse bleibe außer Betracht. Solche Beziehungen zu Dritten hätten reine Fernwirkung und stellten keinen unmittelbaren, aus dem Urteil fließenden rechtlichen Nachteil dar. Nach diesen Grundsätzen sei der Aufwand des Beklagten zu 1 an Zeit und Kosten für die bloße Ausstellung der Rechnungen auf allenfalls 300 € zu schätzen. Der Beschwerdewert sei vorliegend jedoch dadurch überschritten, dass in den Rechnungen die Mehrwertsteuer auszuweisen sei. Da der Unternehmer gemäß § 14 Abs. 3 UStG in der Fassung vom 9. Juni 1999 (im Folgenden: UStG 1999) die Mehrwertsteuer schulde, die er in einer Rechnung ausweise, der Vorgang der Rechnungsstellung also unmittelbar wirtschaftliche Folgen für das Vermögen des Ausstellers habe, sei die Umsatzsteuer in den Beschwerdewert mit einzurechnen. Von dem Grundsatz, dass Drittbeziehungen außer Betracht zu bleiben hätten, sei deshalb eine Ausnahme zu machen. Nur auf diese Weise könne der Besonderheit des Anspruchs auf Erteilung einer Rechnung gemäß § 14 UStG, nämlich der unmittelbaren vermögensrechtlichen Auswirkung, Rechnung getragen werden.
Die Berufung sei auch in der Sache begründet. Der Kläger habe nicht schlüssig dargelegt, dass er gegen den Beklagten zu 1 einen Anspruch auf Erteilung von Rechnungen mit Umsatzsteuer habe. Der Anspruch ergebe sich nicht aus den Kaufverträgen, da diese allein mit den "Scheinfirmen" abgeschlossen worden seien. Ein Anspruch aus § 179 Abs. 1 BGB komme nicht in Betracht, da die Beklagten mit Vertretungsmacht gehandelt hätten. Der Anspruch aus § 14 Abs.1 Satz 1 UStG 1999 scheitere daran, dass zunächst nur die "Scheinfirma" zivilrechtlich aus dem Rechtsgeschäft hafte. Dies gelte nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur dann nicht, wenn die Vertragsparteien einverständlich oder stillschweigend davon ausgingen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Dritten und dem Hintermann eintreten sollten. Dementsprechend komme umsatzsteuerlich eine von den vertraglichen Vereinbarungen abweichende Bestimmung der Person des leistenden Unternehmers in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Strohmann" nur zum Schein abgeschlossen worden sei und der Leistungsempfänger wisse oder davon ausgehen müsse, dass der "Strohmann" keine eigenen Verpflichtungen aus dem Rechtsgeschäft übernehme und damit auch keine eigenen Leistungen versteuern wolle (sogenanntes vorgeschobenes Strohmanngeschäft). Daran fehle es vorliegend jedoch, da der Kläger erst im Jahr 2006 erfahren habe, dass die Beklagten mit den Verkaufsgeschäften ein Umsatzsteuerkarussell betrieben hätten.
II.
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
1. In rechtsfehlerfreier Ermessensausübung (§ 3 ZPO) hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Berufung des Beklagten zu 1 zulässig ist, da der Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) im Streitfall 600 € übersteigt.
Das Berufungsgericht hat für seine Beurteilung zwar im Ausgangspunkt rechtsirrig die vom Bundesgerichtshof zur Bestimmung der Rechtsmittelbeschwer bei einer Verurteilung zur Auskunft und Rechnungslegung entwickelten Grundsätze (grundlegend BGHZ 128, 85 ff.) herangezogen. Denn im Streitfall ist der Beklagte zu 1 durch das mit der Berufung angegriffene Urteil weder zur Auskunft noch zur Rechnungslegung im Sinne von § 259 BGB, sondern zur Erteilung von Rechnungen verurteilt worden. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beschwer des Beklagten zu 1 bestehe in dem durch die Rechnungen auszuweisenden Umsatzsteuerbetrag, erweist sich im Ergebnis aber dennoch als richtig. Denn entgegen der Auffassung der Revision erschöpft sich die Beschwer des Beklagten zu 1 nicht in dem Aufwand an Zeit und Kosten, der ihm durch die bloße Erstellung der Rechnungen entsteht. Das Berufungsgericht hat vielmehr zutreffend darauf abgestellt, dass der Beklagte zu 1 durch die Ausstellung der Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG 1999 den ausgewiesenen Steuerbetrag gegenüber den Finanzbehörden schuldet. Die Verurteilung zur Rechnungserteilung hat somit unmittelbare vermögensrechtliche Auswirkung. Der Beklagte zu 1 ist daher in Höhe der auszuweisenden Umsatzsteuer beschwert, unabhängig davon, ob er die Steuer noch aus einem anderen Rechtsgrund schuldet.
2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 1 auf Erteilung der Rechnungen unter Ausweis der Umsatzsteuer ergebe sich weder aus Vertrag noch aus dem Gesetz, ist frei von Rechtsfehlern.
a) Ein vertraglicher Anspruch auf Rechnungserteilung aus den Strohmanngeschäften besteht nicht, denn grundsätzlich sind auch bei einem Strohmanngeschäft zivilrechtlich nur die Vertragspartner einander verpflichtet. Ein Anspruch gegen den "Hintermann" besteht nicht (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1996, XI ZR 319/95, NJW-RR 1997, 238, unter II 2). Einen Anspruch aus § 179 Abs. 1 BGB hat das Berufungsgericht zutreffend verneint, da der Beklagte zu 1 nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts mit Vertretungsmacht für die Verkäufer auftrat.
b) Auch aus § 14 Abs. 1 UStG 1999 steht dem Kläger kein Anspruch auf Erteilung der Rechnungen zu. § 14 Abs. 1 UStG 1999 normiert lediglich eine Nebenpflicht aus dem bürgerlichrechtlichen Vertragsverhältnis zwischen Lieferanten und Leistungsempfänger, die sich ansonsten bereits aus Treu und Glauben ergeben würde (BGHZ 103, 284, 287). Der Anspruch aus § 14 Abs. 1 UStG 1999 richtet sich daher grundsätzlich gegen den Unternehmer, der zivilrechtlich als Vertragspartner des Steuerpflichtigen anzusehen ist. Dies sind im Streitfall die als "Scheinfirmen" bezeichneten Verkäufer, bei denen es sich um real existierende Unternehmen handelt, die Träger von Rechten und Pflichten sein können. Insofern ist der vom Berufungsgericht gewählte, an die Diktion der Parteien angelehnte Begriff der "Scheinfirma" missverständlich; aus dem gesamten Kontext des Berufungsurteils geht jedoch klar hervor, dass das Berufungsgericht damit zum Ausdruck bringen wollte, dass hinter den Verkäufern die Beklagten - wie auch der Beklagte zu 1 selbst in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 21. August 2008 einräumte - als handelnde Personen standen. Dies änderte jedoch nichts daran, dass allein die Verkäufer die zivilrechtlichen Verpflichtungen aus den in ihrem Namen abgeschlossenen Rechtsgeschäften treffen, so auch die sich hieraus ergebende Nebenpflicht auf Erteilung von Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis. Eine Ausnahme wäre nur im Falle eines Scheingeschäfts (§ 116 BGB) zu machen, wenn also beide Vertragsparteien keine Verpflichtung hätten eingehen wollen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger ging nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von wirksamen Rechtsgeschäften aus. Daraus folgt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass er unter den Voraussetzungen des § 15 UStG 1999 Vorsteuerabzug auch dann geltend machen kann, wenn in der Kette von Lieferungen, die der ihm erbrachten Lieferung vorausgegangen oder nachgefolgt sind, ein Umsatz enthalten ist, der in einen vom Verkäufer begangenen Betrug einbezogen war, und der Steuerpflichtige dies weder wusste noch wissen musste (BFH, DStR 2007, 1524, 1528). Allein die Tatsache, dass die Finanzbehörden dem Kläger den Vorsteuerabzug (dennoch) verweigerten, begründet keine Pflicht des Beklagten zu 1 zur Rechnungserteilung.
c) Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung der Rechnungen ergibt sich - entgegen der Auffassung der Revision - auch weder aus den hier gemäß Art. 229 § 5 Abs. 1 Satz 1 EGZPO anwendbaren Grundsätzen über das Verschulden bei Vertragsschluss (c.i.c.) noch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB. Es kann dabei dahin stehen, ob die übrigen Voraussetzungen einer Haftung des Beklagten zu 1 hieraus gegeben wären, denn die Rechnungserteilung stellt jedenfalls keine Schadensersatzleistung nach diesen Anspruchsgrundlagen dar.
Sowohl nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss (c.i.c.) als auch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete lediglich das negative Interesse zu ersetzen (für c.i.c.: BGHZ 142, 51, 62 ff.; Senatsurteil vom 2. März 1988 - VIII ZR 380/86, NJW 1988, 2234, unter III 2 a; für § 823 Abs. 2 BGB: BGH, Urteil vom 25. November 1997 - VI ZR 402/96, NJW 1998, 983, unter II 2 a). Der Gläubiger ist so zu stellen, als hätte das schädigende Ereignis nicht stattgefunden (BGH, Urteil vom 19. Mai 2006 - V ZR 264/05, NJW 2006, 3139, Tz. 21 m.w.N.). Die Revision macht hierzu geltend, dass der Kläger von den Beklagten über die Berechtigung der Verkäufer zur Rechnungserteilung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis getäuscht und ihm deshalb der Vorsteuerabzug verweigert worden sei. In Wahrheit seien die Beklagten als Leistende anzusehen. Deshalb seien sie im Wege des Schadensersatzes zur Erteilung der Rechnungen verpflichtet. Die Revision übersieht bei dieser Betrachtung, dass die Rechnungserteilung lediglich eine Nebenpflicht der einzelnen Verkaufsgeschäfte darstellt. Der Kläger könnte eine Rechnungserteilung als zu ersetzendes negatives Interesse daher nur dann verlangen, wenn feststünde, dass ohne die behauptete Täuschung über die Verkaufsgeschäfte mit den "Scheinfirmen" entsprechende Geschäfte mit den Beklagten zustande gekommen wären, aus denen sich dann eine Nebenpflicht zur Rechnungserteilung ableiten ließe (vgl. BGHZ 108, 200, 207 f.; Senatsurteil vom 2. März 1988, aaO; BGH, Urteile vom 25. November 1997, aaO; vom 24. Juni 1998 - XII ZR 126/96, NJW 1998, 2900, unter 2; vom 19. Mai 2006, aaO, Tz. 23). Daran fehlt es jedoch. Der Senat kann diese Wertung auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen selbst vornehmen, denn danach ist es ausgeschlossen, dass die Beklagten persönlich entsprechende Verkaufsgeschäfte vorgenommen hätten. Denn wie der Beklagte zu 1 in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 21. August 2008 einräumte, war es ein Hauptzweck der Einschaltung der "Scheinfirmen", nur für diese eine Umsatzsteuerhaftung zu begründen. Ein persönlicher Abschluss der Verkaufsgeschäfte mit dem Kläger hätte daher den Interessen der Beklagten widersprochen, die gerade nicht als Verkäufer in Erscheinung treten wollten, um eine Umsatzsteuerhaftung zu vermeiden.
Ball Dr. Frellesen Dr. Achilles
Dr. Schneider Dr. Fetzer