Entscheidungsdatum: 24.03.2010
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 27. Januar 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger ist seit 1996 Mieter einer Wohnung der Beklagten in B. . Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte das Gebäude, in dem sich die Wohnung der Klägerin befindet, in den 1970er Jahren unter Inanspruchnahme öffentlicher Mittel saniert.
In § 1 (2) des Mietvertrags vom 24. September 1996 heißt es:
"Art der Wohnung: Neubau. Die Wohnung ist öffentlich gefördert / mit Mitteln des § 46 StBauFG errichtet."
Die Grundmiete - ursprünglich 391,38 DM (200,11 €) monatlich - wurde von der Beklagten wiederholt einseitig nach §§ 10, 8a WoBindG erhöht, zuletzt auf 325,91 € monatlich für die Zeit ab Juli 2006. Der Kläger zahlte die jeweils geforderten Beträge.
Der Kläger macht geltend, dass er nur die ursprüngliche Ausgangsmiete schulde. Die von der Beklagten einseitig vorgenommenen Mieterhöhungen seien unwirksam, weil die in den siebziger Jahren von ihrer Rechtsvorgängerin durchgeführten Sanierungsmaßnahmen nicht den in § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG beschriebenen Umfang gehabt hätten und die Wohnung deshalb während der gesamten Mietdauer nicht der Mietpreisbindung unterlegen habe. Die Beklagte sei deshalb zur Rückzahlung verpflichtet, soweit sie für den Zeitraum von Januar 2004 bis Juli 2007 eine die Ausgangsmiete von 200,11 € übersteigende Grundmiete erhalten habe.
Der Kläger hat Zahlung von 4.579,13 € nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass die von ihm zu zahlende Nettokaltmiete den Betrag von monatlich 200,11 € nicht übersteige. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Der Kläger könne weder Mietrückzahlungen noch die Feststellung verlangen, dass die geschuldete Nettokaltmiete 200,11 € nicht übersteige. Zwar habe die Beklagte die Miete nicht einseitig nach § 10 WoBindG erhöhen dürfen, so dass die von ihr vorgenommenen Mieterhöhungen unwirksam gewesen seien. Denn bei der Wohnung des Klägers habe es sich nicht um mit öffentlichen Mitteln geförderten, preisgebundenen Wohnraum gehandelt. Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG für eine Sozialwohnung seien nicht erfüllt; es fehle an der Voraussetzung eines unter wesentlichem Bauaufwand durchgeführten Umbaus. Ein solcher liege nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur vor, wenn das äußere Erscheinungsbild der bisherigen Wohnräume nachhaltig verändert werde, wie es etwa bei Grundrissänderungen oder eine Zusammenfassung von mehreren Räumen oder von kleinen Wohnungen zu einer abgeschlossenen Wohnung der Fall sei. Vorliegend sei lediglich die Wand zwischen WC und Küche geringfügig versetzt worden, um den Einbau des Bades zu ermöglichen. Auch sei nicht ersichtlich, dass dabei Kosten entstanden seien, die mit 1/3 der Neubaukosten für die gesamte Wohnung zu bemessen seien.
Der Kläger sei jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) an der Geltendmachung des Bereicherungsanspruchs und des Feststellungsanspruchs gehindert. Die Rückforderung der jahrelang vorbehaltlos gezahlten Mieterhöhungsbeträge stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, weil die Beklagte im Vertrauen auf das Verhalten des Klägers auf Mieterhöhungen nach §§ 558 ff. BGB verzichtet habe und diese auch nicht mehr nachholen könne. Die Klage, mit der der Kläger Mieterhöhungsbeträge ab Januar 2004 zurückfordere, sei mehr als zehn Jahre nach der ersten Mieterhöhung eingereicht worden. Zwar stelle die Zahlung auf die jeweiligen Erhöhungserklärungen keine konkludente Vereinbarung des erhöhten Mietzinses dar, weil die Befolgung einer Aufforderung regelmäßig keine Willenserklärung enthalte. Nachdem der Kläger jedoch über einen derart langen Zeitraum vorbehaltlos jede Mieterhöhung der Beklagten akzeptiert und die entsprechenden Zahlungen geleistet habe, sei er mit einer Rückforderung ebenso wie mit einer rückwirkenden Herabsetzung der Miete ausgeschlossen.
Eine besondere Schutzwürdigkeit des Klägers sei nicht gegeben, denn er habe den Mietvertrag unter Hinweis auf die (vermeintliche) Geltung der Preisbindungsvorschriften abgeschlossen und zu keinem Zeitpunkt darauf vertraut, dass die Miete über einen Zeitraum von zehn Jahren unverändert bleiben würde. Insgesamt überwiege das schutzwürdige Interesse der Beklagten, auch wenn sie bereits mit Schreiben vom 27. Februar 1995 gegenüber dem Bezirksamt C. Zweifel daran geäußert habe, ob die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG in jedem Einzelfall vorgelegen hätten. Denn aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Gerichtsentscheidungen sei die Rechtslage ungewiss und schwierig gewesen. Auch die Frage, ob das Vorliegen einer Preisbindung der Parteidisposition unterliege, sei erst durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Februar 2007 geklärt worden. Die Beklagte sei keinesfalls bewusst ein Risiko der falschen Einordnung der Wohnung eingegangen. Vielmehr habe sie im Rahmen der erforderlichen Sorgfalt gehandelt, indem sie sich auf die Einschätzung der zuständigen Behörde verlassen und die Preisbindung ausdrücklich als Regelung in den Mietvertrag aufgenommen habe.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Das Berufungsgericht ist zwar im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Beklagte nicht an der im Jahr 1996 vereinbarten Ausgangsmiete festhalten lassen muss. Denn nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Fehlens der Geschäftsgrundlage geboten. Die Anpassung kann aber nicht in der Weise erfolgen, dass der Kläger die an sich unwirksamen Mieterhöhungen unabhängig von der Entwicklung der ortsüblichen Vergleichsmiete in vollem Umfang gegen sich gelten lassen muss.
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass bei der Sanierung der Wohnung in den 1970er Jahren kein Umbau unter wesentlichem Bauaufwand im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG vorgenommen worden ist und die Wohnung deshalb nicht der Preisbindung unterliegt. Die einseitig nach §§ 10, 8a WoBindG vorgenommenen Mieterhöhungen der Beklagten waren daher unwirksam, so dass mit dem Berufungsgericht von einem grundsätzlichen Rückforderungsanspruch des Klägers aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) auszugehen ist, soweit er Zahlungen auf unwirksame Mieterhöhungen geleistet hat.
2. Dem Berufungsgericht ist weiter darin beizupflichten, dass die Beklagte sich nicht an der im Jahr 1996 vereinbarten Ausgangsmiete festhalten lassen muss. Ob dies (auch) aus dem Gesichtspunkt der Verwirkung oder der unzulässigen Rechtsausübung folgt, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn jedenfalls sind die Voraussetzungen einer Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Fehlens der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 2 BGB) gegeben. Das Fehlen der Geschäftsgrundlage kann vom Verpflichteten auch einredeweise geltend gemacht werden (MünchKommBGB/Roth, 5. Aufl., § 313 Rdnr. 91).
a) Die Geschäftsgrundlage eines Vertrages wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebildet durch die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (BGHZ 120, 10, 23; Senatsurteile vom 15. November 2000 - VIII ZR 324/99, WM 2001, 523, unter II 1 a, sowie vom 8. Februar 2006 - VIII ZR 304/04, WM 2006, 828, Tz. 8). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Preisgebundenheit der Wohnung des Klägers erfüllt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, dass es den Vorstellungen der Mietvertragsparteien bei Abschluss des Mietvertrags im Jahre 1996 entsprach, dass die Wohnung des Klägers der Mietpreisbindung unterliegt und die Miete deshalb nach den für die Kostenmiete geltenden Vorschriften erhöht werden kann. Die Preisgebundenheit einer Wohnung ist auch kein Umstand, der nach der gesetzlichen Regelung der Risikosphäre des Vermieters zugeordnet ist. Die Einordnung einer Wohnung als preisfreier oder preisgebundener Wohnraum steht nicht im Belieben des Vermieters, sondern richtet sich nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (hier § 17 Abs. 1 II. WoBauG).
Der Annahme, dass die Preisgebundenheit der Wohnung Geschäftsgrundlage war, steht auch nicht entgegen, dass dieser Umstand in § 1 des Mietvertrags Niederschlag gefunden hat. Denn die Preisgebundenheit der Wohnung unterliegt nicht der Parteidisposition (Senatsurteil vom 7. Februar 2007 - VIII ZR 122/05, NZM 2007, 283, Tz. 15) und kann deshalb nicht Vertragsgegenstand geworden sein.
b) Ein Vertragsanpassung ist hier erforderlich, weil der Beklagten ein unverändertes Festhalten am Mietvertrag angesichts des erst nach langjähriger Vertragsdauer zu Tage getretenen Fehlens der Geschäftsgrundlage nicht zumutbar ist. Denn die im Jahr 1996 vereinbarte Ausgangsmiete beträgt nur etwa 60 % der zuletzt geforderten Kostenmiete und dürfte auch hinter der aktuellen ortsüblichen Vergleichsmiete weit zurückbleiben. Mieterhöhungen nach § 558 BGB kann die Beklagte für die Vergangenheit nicht mehr nachholen und den Stand der ortsüblichen Vergleichsmiete auch für die Zukunft mit Rücksicht auf die Kappungsgrenze und die Sperrfrist des § 558 BGB nicht in absehbarer Zeit erreichen. Ohne eine Vertragsanpassung würde sowohl für den Zeitraum von 1. Januar 2004 bis zum Juli 2007, für den der Kläger Rückforderungsansprüche geltend macht, als auch für die Zeit danach ein erhebliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen, weil die Beklagte dann über einen längeren Zeitraum - eine Kündigung ist ihr wegen des sozialen Kündigungsschutzes verwehrt - nur eine Miete erhalten würde, die weit hinter der Kostenmiete und der ortsüblichen Vergleichsmiete zurückbleibt.
Ohne Erfolg wendet die Revision ein, dass der Beklagten während des Mietverhältnisses Zweifel an der Preisgebundenheit der Wohnung gekommen sein müssten und sie aus diesem Grund nicht schutzwürdig sei. Diesen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht bei der gebotenen umfassenden Interessenabwägung berücksichtigt, aber nicht für durchgreifend erachtet. Einen Rechtsfehler dieser tatrichterlichen Würdigung zeigt die Revision nicht auf.
c) Eine Vertragsanpassung kann allerdings nicht in der Weise erfolgen, dass der Kläger - ohne Rücksicht auf die ortsübliche Vergleichsmiete - jeweils die Miete schuldet, die sich aus den bis zum Jahr 2007 vorgenommenen Kostenmieterhöhungen ergibt. Bei nicht preisgebundenem Wohnraum können Mieterhöhungen - von der Modernisierungsmieterhöhung nach § 559 BGB abgesehen - nur bis zur Grenze der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangt werden (§ 558 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine Vertragsanpassung im Interesse der Beklagten ist hier nicht schon deshalb erforderlich, weil sie die Miete angesichts der fehlenden Preisbindung der Wohnung nicht nach §§ 10, 8a WoBindG erhöhen kann, denn auch bei preisfreiem Wohnraum hat der Vermieter grundsätzlich die Möglichkeit, die Miete zu erhöhen, nämlich nach § 558 BGB bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete. Die Notwendigkeit einer Vertragsanpassung ergibt sich vielmehr erst aus dem Zeitablauf seit dem Beginn des Mietverhältnisses und dem Umstand, dass die Beklagte nach § 558 BGB mögliche Mieterhöhungen im Vertrauen auf das Bestehen der Preisbindung über einen langjährigen Zeitraum nicht geltend gemacht hat und sie jetzt nicht mehr nachholen kann. Hinzu kommt, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, dass die Klägerin ohne eine Vertragsanpassung auch durch künftige Mieterhöhungen die ortsübliche Vergleichsmiete in absehbarer Zeit nicht annähernd erreichen dürfte.
Es liegt zwar nahe, dass die Beklagte als gewerbliche Vermieterin, falls die Parteien nicht von preisgebundenem Wohnraum ausgegangen wären, seit Beginn des Mietverhältnisses Mieterhöhungsverfahren nach § 558 BGB durchgeführt und in den Grenzen dieser Vorschrift auch die Anhebung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erreicht hätte. Obergrenze für eine Anpassung des Vertrages ist damit aber die ortsübliche Vergleichmiete; auch aus dem Gesichtspunkt der Verwirkung oder der unzulässigen Rechtsausübung kann dem Kläger die Rückforderung der in den Jahren 2004 bis 2007 gezahlten Miete insoweit nicht verwehrt werden, als er Zahlungen über die ortsübliche Miete hinaus erbracht hat.
3. Für die Feststellungsklage gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Auch insoweit hat das Berufungsgericht die Klage zu Unrecht vollständig abgewiesen. Zwar kann der Kläger nach den vorstehenden Ausführungen nicht verlangen, dass für den Zeitraum ab Januar 2008 noch die Ausgangsmiete von 200,11 € gilt. Der Antrag des Klägers enthält jedoch als Minus, dass jedenfalls ein geringerer Betrag als die von der Beklagten zuletzt geforderte Miete von 325,91 € maßgeblich sein soll.
III.
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst nicht abschließend entscheiden, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zur ortsüblichen Vergleichsmiete für die Wohnung des Klägers getroffen hat. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Ball Dr. Milger Dr. Hessel
Dr. Fetzer Dr. Bünger