Entscheidungsdatum: 23.01.2013
Zum Verhältnis einer Festpreisvereinbarung zu einer sogenannten Wirtschaftsklausel in einem Energielieferungsvertrag.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. Dezember 2011 in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse vom 21. Februar 2012 und 24. April 2012 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen vom 14. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Anpassung eines Erdgaslieferungsvertrages.
Die Klägerin betreibt eine Raffinerie zur Herstellung von Aluminiumoxid und Aluminiumhydroxid. Hierfür werden erhebliche Energiemengen benötigt. Aufgrund einer Ausschreibung der Klägerin gab die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) am 31. Januar 2008 ein erstes Angebot für die Vollversorgung der Klägerin mit Erdgas ab dem 1. Oktober 2008 ab. Die Beklagte überließ der Klägerin die Auswahl zwischen verschiedenen Preismodellen - einem Festpreis, einem nach dem Öl- oder dem Aluminiumpreis indexierten Preis oder einer hälftigen Mischung aus Festpreis und indexiertem Preis. Die Klägerin entschied sich für einen Festpreis. Am 21. Mai 2008 schlossen die Parteien einen Erdgaslieferungsvertrag mit einer Laufzeit von drei Jahren (1. Oktober 2008 bis 1. Oktober 2011), der eine minimale Jahresliefermenge von 1.575.000 Megawattstunden und eine maximale Jahresmenge von 1.925.000 Megawattstunden vorsah. Als Arbeitspreis wurde der angebotene Festpreis von 35 € pro Megawattstunde vereinbart, der jährliche Grundpreis betrug 2,5 Millionen Euro.
Ziffer 10 des Vertrages lautet:
"10.1
Wenn die technischen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Voraussetzungen, unter denen die Vertragsbestimmungen (Preise und Bedingungen) vereinbart worden sind, eine grundlegende Änderung erfahren und infolge dessen einem Vertragspartner die Beibehaltung der Vertragsbestimmungen nicht mehr zugemutet werden kann, weil die auf einen gerechten Ausgleich der beiderseitigen wirtschaftlichen Interessen abzielenden Absichten der Vertragspartner nicht mehr erfüllt werden, so kann dieser Vertragspartner beanspruchen, dass die Vertragsbestimmungen den geänderten Verhältnissen entsprechend angepasst werden.
10.2
Kommt eine Einigung über die Anpassung der Vertragsbestimmungen nicht binnen drei Monaten zustande, so kann jeder Vertragspartner den Rechtsweg beschreiten. Der Anspruch auf die neuen Vertragsbestimmungen besteht von dem Zeitpunkt an, an dem der fordernde Vertragspartner erstmalig unter Berufung auf die geänderten Verhältnisse von dem anderen Vertragspartner die neuen Vertragsbestimmungen gefordert hat."
Unter Berufung auf diese Klausel verlangt die Klägerin eine Reduzierung des Arbeitspreises für die Gaslieferungen. Sie stützt ihr Anpassungsbegehren insbesondere darauf, dass sich der Marktpreis für Gas nach Vertragsabschluss erheblich verringert habe.
Im ersten Rechtszug hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, in Erfüllung des zwischen den Parteien am 21. Mai 2008 abgeschlossenen Gaslieferungsvertrages im Zeitraum vom 27. März 2009 bis zum 30. September 2011 Erdgas bis zu einer Menge von 1.925.000 Megawattstunden pro Vertragsjahr zu einem Preis von nicht mehr als 23 € pro Megawattstunde zu liefern, hilfsweise eine vom Gericht nach billigem Ermessen zu liefernde Menge zu einem vom Gericht nach billigem Ermessen zu bestimmenden Preis zu liefern. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht entsprechend den geänderten Anträgen der Klägerin das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Beklagte verurteilt, einer Anpassung des Erdgaslieferungsvertrages dahingehend zuzustimmen, dass der Arbeitspreis für das zu liefernde Erdgas mit Wirkung seit dem 27. März 2009 23 € pro Megawattstunde beträgt. Es hat die Beklagte ferner verurteilt, an die Klägerin 61.148.001,08 € nebst Zinsen sowie - als Verzugsschaden - 1.473.497,09 € nebst Zinsen und schließlich Zinsen auf den Prozesskostenvorschuss von 94.368 € zu zahlen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung von geleisteten Überzahlungen der Klägerin im Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 1. Oktober 2011 festgestellt.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin könne von der Beklagten aufgrund der sogenannten Wirtschaftsklausel in Ziffer 10 des Gaslieferungsvertrages die Zustimmung zur Anpassung des vertraglichen Gasarbeitspreises von 35 € pro Megawattstunde auf 23 € pro Megawattstunde ab dem 27. März 2009 verlangen. Denn es sei seit diesem Zeitpunkt zu einer grundlegenden Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse gekommen. Die Wirtschaftsklausel setze eine "grundlegende Änderung" und damit das Überschreiten einer Erheblichkeitsschwelle voraus, unterhalb der Veränderungen in das Risiko der jeweiligen Partei fielen. Die Schwelle für eine Vertragsanpassung werde wegen der vorrangigen vertraglichen Regelung allerdings erheblich niedriger als nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage angesetzt, indem sie bei einer Änderung von bis zu 5 % des Bezugswertes als nicht überschritten angesehen werde, sehr wohl aber bereits bei 5 bis 10 % beziehungsweise bis zu 20 %.
Die Klägerin habe ihren erstinstanzlichen Vortrag mit der Berufungsbegründung konkretisiert, wonach der Marktpreis zum Zeitpunkt ihres Anpassungsbegehrens (27. März 2009) den Vertragspreis um 35,10 % unterschritten habe. Sie habe weiter dargelegt, dass der Marktpreis seitdem den Vertragspreis immer um rund 20 % und mehr unterschritten habe. Die Beklagte habe nichts Abweichendes vorgetragen. Unwidersprochen sei auch, dass sich die Parteien zur Bestimmung des Marktpreises und für die Preisfindung gemäß gängiger Praxis in der Industrie an den Durchschnittspreisen für Jahres-Gas-Futures am Warenterminmarkt orientiert hätten und dass alle erörterten Preisvarianten einem bestimmten Berechnungsmodell folgten und bei Vertragsabschluss dieselbe Höhe des Vertragspreises zum Ergebnis gehabt hätten.
Dass die Klägerin sich aus den angebotenen Preismodellen für den Festpreis für die vereinbarte Vertragslaufzeit von drei Jahren entschieden habe, reiche für eine konkludente Risikoübernahme nicht aus. Eine Wirtschaftsklausel mache nicht nur bei einer Preisindexierung, sondern auch und gerade bei einem Festpreis Sinn. Die Parteien erhielten sich damit in jedem Fall die Möglichkeit der Preisanpassung auf extrem veränderte Verhältnisse. Die Beklagte habe unabhängig vom Preismodell an der Wirtschaftsklausel festgehalten. Wenn aus ihrer Sicht Preisänderungen wegen des Festpreises keine Rolle mehr spielen sollten, hätte es unter den beteiligten Kaufleuten nahe gelegen, dieses Element aus der Klausel durch einen einfachen einschränkenden Zusatz herauszunehmen. Überhaupt deute das Angebot der Beklagten, wenn es bei allen verschiedenen Preisvarianten immer auch die Wirtschaftsklausel als Bestandteil enthalte, aus objektiver Sicht mehr in die Gegenrichtung, dass man keinen Unterschied hinsichtlich des Sinns der Klausel für die verschiedenen Varianten wolle. Zugunsten der Beklagten ergebe sich auch nichts aus der vereinbarten Vertragslaufzeit von drei Jahren, denn die Parteien hätten die Wirtschaftsklausel auch bei der konkreten Vertragslaufzeit gewollt. Dieser Gesichtspunkt werde noch angesichts der Größenordnungen der in Rede stehenden Liefermengen und der dafür aufzubringenden Zahlungen relativiert. Der Vertrag umfasse ein Liefervolumen, das den Energieverbrauch von Hamburg einschließlich Industrie für ein Jahr abdecke.
Das Anpassungsbegehren der Klägerin scheitere nicht unter dem Gesichtspunkt einer Vorhersehbarkeit der Marktveränderungen, so dass nicht zu vertiefen sei, inwieweit diese zum Vertragszeitpunkt absehbar gewesen seien. Es sei nämlich nach der vorgenommenen Auslegung davon auszugehen, dass nach dem Vertrag im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit der Veränderungen gerade kein Risiko übernommen worden sei. Sei nach dem objektiven Erklärungswert übereinstimmend in der gegebenen Situation die Wirtschaftsklausel zur Wahrung des Äquivalenzverhältnisses gewollt gewesen und zum Vertragsbestandteil gemacht worden, seien ersichtlich beide Parteien kein besonderes Wagnis in Richtung auf eine ungewöhnliche Herabsetzung beziehungsweise Erhöhung der Preise eingegangen, sondern hätten den Austausch realer und einander etwa entsprechender Werte beabsichtigt. Die Wirtschaftsklausel habe gerade dazu dienen sollen, solche sich gegebenenfalls schon andeutenden Risiken abzufangen.
Demgemäß sei dem Antrag der Klägerin entsprechend die Anpassung auf den geänderten Marktpreis von 23 € vorzunehmen, der allein die Störung des Äquivalenzverhältnisses ausgelöst habe. Ein anderer sinnvoller und zumutbarer Weg der Anpassung sei für den Senat nicht ersichtlich.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin auf Herabsetzung des im Vertrag vom 21. Mai 2008 vereinbarten Arbeitspreises für das gelieferte Erdgas bejaht. Die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nach Ziffer 10.1 des Vertrages liegen nicht vor. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien die Klägerin das Risiko, dass der Marktpreis für Erdgas unter den vereinbarten Festpreis fällt, zu tragen hat und daher eine Vertragsanpassung nach Ziffer 10.1 nicht in Betracht kommt.
1. Das Berufungsgericht hat die Bestimmung in Ziffer 10.1 des Vertrages rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass ein Anspruch auf Vertragsanpassung insoweit nicht besteht, als eine Partei das Risiko künftiger Veränderungen übernommen hat.
a) Ziffer 10.1 enthält als Allgemeine Geschäftsbedingung eine sogenannte Wirtschaftsklausel. Mit solchen Klauseln werden - in jeweils unterschiedlicher Ausprägung - insbesondere in längerfristigen Lieferverträgen der Industrie die Voraussetzungen eines allgemeinen Anspruchs auf Vertragsanpassung bei grundlegender Veränderung der Verhältnisse auf vertraglicher Grundlage näher geregelt (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 1978 - VIII ZR 110/77, WM 1978, 1389 zu einer "Wirtschaftlichkeitsklausel" und deren Verhältnis zu einer daneben vereinbarten Preisänderungsklausel in einem Stromversorgungsvertrag). Eine derartige Vertragsbestimmung hat Vorrang gegenüber der gesetzlichen Regelung über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB).
b) Wirtschaftsklauseln knüpfen an die vertraglich vereinbarte Risikoverteilung an, so dass keine Anpassung erfolgt, wenn sich Risiken realisieren, die in die ausschließliche Risikosphäre nur einer der Parteien fallen (Büttner/Däuper, ZNER 2003, 205, 207; Büdenbender in Festschrift Baur, 2002, S. 415, 420; Baur in Festschrift Steindorff, 1990, S. 509, 515). Das gilt, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, auch für die vorliegende Vertragsbestimmung. Denn nach ihr besteht ein Anspruch auf Vertragsanpassung nur dann, wenn einem Vertragspartner infolge grundlegender Veränderung die Beibehaltung der Vertragsbestimmungen nicht mehr zugemutet werden kann, weil die auf einen gerechten Ausgleich der beiderseitigen wirtschaftlichen Interessen abzielenden Absichten der Vertragspartner nicht mehr erfüllt werden. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn eine Partei nach der vertraglichen Vereinbarung das Risiko von Veränderungen in einem bestimmten Bereich zu tragen hat. Insoweit enthält die vorliegende Klausel ähnliche Kriterien wie die gesetzliche Regelung über eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage, die ebenfalls darauf abstellt, ob einem Teil das Festhalten am unveränderten Vertrag unter Berücksichtigung insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung nicht zugemutet werden kann (§ 313 Abs. 1 BGB).
2. Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, dass aufgrund der hier getroffenen Festpreisvereinbarung beide Parteien das Risiko von Veränderungen des Marktpreises für Erdgas jedenfalls solchen Ausmaßes übernommen haben, wie sie hier in den Jahren 2008 bis 2011 zu verzeichnen waren, und es ihnen deshalb zuzumuten ist, an der Preisvereinbarung für die auf drei Jahre begrenzte Laufzeit des Vertrages auch dann festgehalten zu werden, wenn sich der Marktpreis in dieser Zeit abweichend vom vereinbarten Preis entwickelt und sich der vereinbarte Preis damit für die eine oder andere Partei im Nachhinein als unvorteilhaft erweist. Derartige Preisschwankungen gehören hier zum unternehmerischen Risiko der davon benachteiligten Partei, das diese mit der Festpreisvereinbarung bewusst eingegangen ist. Damit besteht schon aus diesem Grund kein Anspruch der Klägerin auf Herabsetzung des vereinbarten Preises nach Ziffer 10.1 des Vertrages wegen der gefallenen Erdgaspreise. Es kann deshalb dahin gestellt bleiben, ob die nach Vertragsschluss aufgetretenen Preissenkungen auf dem Erdgasmarkt, wie das Berufungsgericht gemeint hat, angesichts der vorherigen Entwicklung der Gaspreise überhaupt zu einer - im Sinne von Ziffer 10.1 des Vertrages - grundlegenden Änderung der wirtschaftlichen Voraussetzungen, unter denen der Festpreis vereinbart wurde, geführt haben und ob der Klägerin ein Fortbestand der Festpreisvereinbarung nicht schon wegen der auf drei Jahre beschränkten Laufzeit des Vertrages zuzumuten ist.
a) Das Berufungsgericht hat zwar im Ausgangspunkt richtig gesehen, dass die Parteien einen Festpreis vereinbart haben und eine derartige Vereinbarung eine Risikoübernahme hinsichtlich zukünftiger Preisschwankungen auf dem Erdgasmarkt darstellen kann (vgl. BGH, Urteile vom 6. April 1995 - IX ZR 61/94, BGHZ 129, 236, 253 mwN; Senatsurteil vom 8. Februar 1978 - VIII ZR 221/76, WM 1978, 322 unter II 2 a). Es hat jedoch vorliegend eine Übernahme des Risikos eines steigenden Erdgaspreises durch die Beklagte und eines fallenden Preises durch die Klägerin rechtsfehlerhaft verneint, weil es den Sachverhalt nicht ausgeschöpft und insbesondere die unstreitigen Begleitumstände des Vertragsschlusses nicht hinreichend berücksichtigt hat (§ 286 ZPO).
Der Senat ist an die Auslegung der Festpreisvereinbarung durch das Berufungsgericht nicht gebunden. Zwar handelt es sich um eine Individualvereinbarung, deren tatrichterliche Auslegung in der Revisionsinstanz nur beschränkt daraufhin überprüft werden kann, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist (Senatsurteile vom 7. Februar 2007 - VIII ZR 225/05, WM 2007, 1227 Rn. 13 mwN; vom 26. Oktober 2011 - VIII ZR 108/10, juris Rn. 12). Das ist hier indessen der Fall.
aa) Das Berufungsgericht lehnt eine Risikoübernahme durch die Klägerin im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass eine Wirtschaftsklausel gerade auch bei einem Festpreis Sinn mache und es daher unter Kaufleuten nahegelegen hätte, die Wirtschaftsklausel entsprechend einzuschränken, wenn Preisänderungen wegen des Festpreises keine Rolle mehr hätten spielen sollen. Daraus zieht es den Schluss, dass die Parteien die Anwendbarkeit der Wirtschaftsklausel auch im Hinblick auf die Festpreisvereinbarung gewollt hätten und daher aus der Festpreisvereinbarung keine Risikoübernahme hergeleitet werden könne. Folglich hätten sich beide Parteien mit der Wirtschaftsklausel in jedem Fall die Möglichkeit der Preisanpassung auf extrem veränderte Verhältnisse erhalten und erhalten wollen. Diese allgemeinen, nicht auf den konkreten Fall bezogenen Erwägungen zum Verhältnis von Preisvereinbarung und Wirtschaftsklausel überzeugen nicht.
bb) Das Berufungsgericht berücksichtigt bereits nicht hinreichend, dass es sich bei der Vertragsbestimmung in Ziffer 10.1 um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Die Festpreisvereinbarung hingegen war das Ergebnis monatelanger Verhandlungen und hat als Individualvereinbarung, soweit sich der Regelungsgegenstand überschneidet, Vorrang vor der Wirtschaftsklausel als einer Allgemeinen Geschäftsbedingung (§ 305b BGB). Denn individuelle Vereinbarungen bringen den Parteiwillen im konkreten Fall stärker zur Geltung als abstrakt-generelle Geschäftsbedingungen (vgl. Berger in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 7. Aufl., § 305b Rn. 1). Es kommt deshalb für den Anwendungsbereich einer Allgemeinen Geschäftsbedingung auf die Reichweite und damit die Auslegung der Individualvereinbarung an und nicht umgekehrt. Aus dem Umstand, dass eine Allgemeine Geschäftsbedingung nicht geändert worden ist, kann daher keine einschränkende Auslegung einer Individualvereinbarung hergeleitet werden, wenn die konkreten Umstände des Einzelfalles - wie hier - für eine weitergehende Auslegung sprechen.
Gerade aus der Reichweite einer individuellen Preisvereinbarung ergibt sich, welcher Anwendungsbereich für eine allgemeine Wirtschaftsklausel noch verbleibt. Je nach dem von den Parteien gewählten Preismodell kann sich der Anwendungsbereich einer Wirtschaftsklausel ändern (vgl. Harms, DB 1983, 322, 326; Büdenbender, aaO S. 417; Kunth, BB 1978, 178, 181). Bei einer Festpreisvereinbarung - wie hier - kommt es deshalb für den Anwendungsbereich der Wirtschaftsklausel darauf an, inwieweit die Vertragsparteien das Festpreisrisiko bewusst in Kauf genommen und dadurch eine Preisanpassung erschwert oder ausgeschlossen haben (Kunth, aaO; Lettl, JuS 2001, 347, 352). Ob und inwieweit dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.
Soweit die Klägerin in der Revisionserwiderung demgegenüber meint, auf die Umstände des Vertragsschlusses, auf welche die Revisionsbegründung unbeanstandet Bezug nimmt, komme es aus Rechtsgründen nicht an, weil die Wirtschaftsklausel als Allgemeine Geschäftsbedingung objektiv auszulegen sei, trifft dies nicht zu. Der Anspruch auf Vertragsanpassung nach Ziffer 10.1 des Vertrages hängt (unter anderem) davon ab, ob und in welchem Umfang die Parteien im konkreten Fall das Risiko künftiger Veränderungen der Marktpreise für Erdgas übernommen haben. Das richtet sich nach der Reichweite der getroffenen Festpreisvereinbarung, für deren Auslegung die besonderen Umstände des Vertragsschlusses entscheidende Bedeutung haben.
cc) Das Berufungsgericht geht zwar in seinen weiteren Ausführungen ebenfalls davon aus, dass bei einer Wirtschaftsklausel eine Anpassung ausgeschlossen sein kann, wenn sich aus den Vertragsumständen eindeutig ergibt, dass die Partei vertraglich das Risiko künftiger Änderungen übernommen hat. Es würdigt insoweit aber den Sachverhalt nicht erschöpfend und misst den Begleitumständen des Vertragsschlusses auch nicht die ihnen zukommende Bedeutung zu (§ 286 ZPO). Insbesondere befasst sich das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, nicht näher mit der unstreitigen Entwicklung der Gaspreise vor Vertragsschluss und mit dem Inhalt des dem Vertragsschluss unmittelbar vorangehenden Angebots der Beklagten vom 21. Mai 2008. Damit lässt das Berufungsgericht für die Auslegung der Festpreisvereinbarung wesentliche Umstände, aus denen die Motivation der Klägerin für die von ihr gewählte Festpreisvereinbarung hervorgeht, außer Acht.
b) Der Senat kann die gebotene Auslegung der Festpreisvereinbarung selbst vornehmen, weil weitere Feststellungen hierzu nicht zu treffen sind. Die Auslegung ergibt, dass der vorliegende Preisrückgang auf dem Erdgasmarkt in den Risikobereich der Klägerin fällt und diese das Risiko auch bewusst übernommen hat. Denn mit der Festpreisvereinbarung sollten, wie sich aus den vom Berufungsgericht nicht hinreichend gewürdigten Begleitumständen des Vertragsschlusses ergibt, jedenfalls Veränderungen des Marktpreises für Erdgas solchen Ausmaßes, wie sie in den Jahren 2008 bis 2011 aufgetreten sind, keinen Anspruch auf Anpassung des vereinbarten Preises rechtfertigen, und zwar weder zugunsten der Klägerin noch zugunsten der Beklagten.
aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht unbeanstandet Bezug nimmt, wurden der Klägerin von der Beklagten vom Beginn der Vertragsanbahnung im Januar 2008 bis zum Vertragsschluss am 21. Mai 2008 diverse Angebote mit jeweils unterschiedlichen Preismodellen unterbreitet. Die Klägerin hatte die Wahl zwischen einem Festpreis, einem nach dem Öl- oder dem Aluminiumpreis indexierten Preis und einer Kombination aus Fest- und indexiertem Preis. Sie hat sich, wie das Berufungsgericht weiter festgestellt hat, nach monatelangem Bemühen um die Preisfindung, fachkundig beraten durch ein Energieberatungsunternehmen, schließlich für den angebotenen Festpreis und gegen jegliche Form von Indexierung entschieden. Daran hat sie auch nach Vertragsschluss noch festgehalten, als die Parteien im Juni 2008 nochmals über das Preismodell miteinander sprachen.
Hintergrund dieser - von der Beklagten akzeptierten - Entscheidung für einen Festpreis war ersichtlich die auch vom Berufungsgericht angesprochene und der Beklagten bekannte Zielvorstellung der Klägerin, mit dem Festpreis den sichersten Weg für kommende Unwägbarkeiten der Entwicklung des Gaspreises zu wählen. Denn in den fast vier Monaten der Vertragsverhandlungen vom Zeitpunkt der Ausschreibung und dem ersten Angebot der Beklagten im Januar 2008 an bis zum Vertragsschluss am 21. Mai 2008 waren die Durchschnittspreise für Jahres-Gas-Futures am Warenterminmarkt, an denen sich die Parteien bei der Preisfindung orientierten, unstreitig von rund 24 € auf 35,77 € pro Megawattstunde, das heißt um etwa 47 %, gestiegen. Dieser enorme Preisanstieg hatte bereits früher eingesetzt. Im Oktober 2007 lag der Preis noch bei 21,02 €; daraus ergibt sich eine Preissteigerung in den acht Monaten vor Vertragsschluss um ungefähr 70 %. Auf diese der Klägerin bekannte Entwicklung hatte die Beklagte am Tag des Vertragsschlusses nochmals hingewiesen. In ihrem Schreiben vom 21. Mai 2008 heißt es:
"During our meeting in Stade on May, 14th 2008 you asked us to offer today binding power and gas supply prices for the future as long as it is currently possible with reference to well-known energy price developments of the last weeks and months. Against the background of the price developments you decided not to lose valuable time and hedge a maximum volume very short term - i.e. today. This model has been discussed with our management and is supported by them taking in consideration the current market situation.”
Wenn sich die Klägerin auf der Grundlage des von ihr geäußerten Wunsches, sich angesichts der vorangegangenen Entwicklung der Gaspreise kurzfristig für eine möglichst lange Zeit ein maximales Liefervolumen zu sichern, für einen Festpreis bei dreijähriger Laufzeit und gegen einen - alternativ angebotenen - vollständig oder hälftig indexierten Preis entschied, so liegt auf der Hand, dass die Klägerin dies mit dem Ziel tat, während der Vertragsdauer gegen etwaige weitere Preissteigerungen in der Größenordnung der vorangegangenen Monate abgesichert zu sein. Diese auch für die Beklagte offen zutage liegende Zielvorstellung der Klägerin ist damit Vertragsinhalt der Festpreisvereinbarung geworden, so dass es der Beklagten verwehrt gewesen wäre, im Falle weiterer - auch erheblicher - Steigerungen der Durchschnittspreise für Jahres-Gas-Futures eine Preiserhöhung unter Berufung auf die allgemeine Wirtschaftsklausel - und damit entgegen der vorrangigen Individualvereinbarung - zu beanspruchen.
bb) Für den vorliegenden Fall gesunkener Preise gilt nichts anderes. Zwar hat die Klägerin beim Abschluss der Festpreisvereinbarung möglicherweise nicht mit sinkenden Preisen gerechnet. Sie übernahm aber mit der Festpreisvereinbarung, mit der sie angesichts der Gefahr weiterer Preissteigerungen ihr Interesse an einem stabilen Vertragspreis wahrte, das Risiko, dass sich der vereinbarte Festpreis im Falle sinkender Marktpreise im Nachhinein als ungünstiger erweist als der von der Beklagten alternativ angebotene - von der Klägerin aber abgelehnte - indexierte Preis. Das folgt aus dem Gebot beiderseits interessengerechter Auslegung von Verträgen.
Für die Beklagte bedeutete der mit der Festpreisvereinbarung verbundene Verzicht auf eine Preisanpassung an die Marktentwicklung während der dreijährigen Laufzeit des Vertrages, dass sie im Fall weiter steigender Marktpreise Gewinneinbußen hinzunehmen hatte. Sie übernahm dadurch das Risiko, das Erdgas bei steigenden Preisen möglicherweise unter dem jeweiligen Marktpreis liefern zu müssen. Die Klägerin konnte billigerweise nicht erwarten, dass die Beklagte auf eine Erhöhung des vereinbarten Preises bei steigenden Marktpreisen verzichtet, umgekehrt aber der Klägerin eine Preissenkung bei fallenden Marktpreisen zugutekommen lässt. Vielmehr durfte die Beklagte davon ausgehen, dass die Klägerin aufgrund der getroffenen Festpreisvereinbarung das Risiko sinkender Marktpreise in gleichem Umfang zu tragen hat wie die Beklagte das Risiko steigender Preise. Das bedeutet, dass die Klägerin bei interessengerechter Auslegung der Festpreisvereinbarung jedenfalls ein Zurückfallen des Marktpreises auf den Stand von Januar 2008, als die Verhandlungen der Parteien begannen, hinzunehmen hat, ohne unter Berufung auf die allgemeine Wirtschaftsklausel in Ziffer 10.1 des Vertrages eine Herabsetzung des vereinbarten Preises beanspruchen zu können.
c) Soweit die Revisionserwiderung auf die Ausführungen der Klägerin in der Berufungsbegründung zu den gefallenen Preisen für Aluminium, Aluminiumhydroxid und Aluminiumoxid verweist und dadurch den Tatbestand der Wirtschaftsklausel als erfüllt ansieht, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Durch den Verzicht auf einen - von der Beklagten ebenfalls angebotenen - nach dem Aluminiumpreis indexierten Preis hat die Klägerin auch das Risiko übernommen, dass sich das Verhältnis zwischen dem von ihr zu zahlenden Gaspreis und den Aluminiumpreisen zu ihren Ungunsten verschiebt. Es liegt in ihrem Risikobereich als Industrieunternehmen, ob sie mit dem fest vereinbarten Erdgaspreis für den Aluminiummarkt rentabel produzieren konnte.
3. Die in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin vorsorglich erhobene Verfahrensrüge (§ 286 ZPO), es sei bislang nicht aufgeklärt worden, welche Vorstellungen die Parteien bei Abschluss des Vertrages über das Verhältnis der Festpreisvereinbarung zur Wirtschaftsklausel in Ziffer 10.1 des Vertrages gehabt hätten, greift nicht durch. Die von der Klägerin in Bezug genommenen Schriftsätze vom 9. Dezember 2010 und 7. Juni 2011 enthalten keinen entscheidungserheblichen Sachvortrag, der vom Berufungsgericht übergangen worden wäre und eine weitere Aufklärung erfordern würde.
a) Bei der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Behauptung der Klägerin, die Parteien hätten über das Verhältnis der Festpreisvereinbarung zur Wirtschaftsklausel verhandelt, und es sei ihr übereinstimmender Wille gewesen, dass die Wirtschaftsklausel zu einer Abänderung der Festpreisvereinbarung führen solle, wenn die Gaspreise sich in dem Umfang ändern würden, wie sie sich vorliegend geändert hätten, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen ist (§ 559 Abs. 1 ZPO). Dem Berufungsurteil und den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, ist nicht zu entnehmen, dass die Klägerin dies in den Vorinstanzen behauptet und unter Beweis gestellt hätte. Auch aus der Revisionserwiderung und den Schriftsätzen der Klägerin, auf die diese in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen hat, ergibt sich dies nicht.
aa) Das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, die Parteien hätten über die Wirtschaftsklausel und deren Verhältnis zur Festpreisvereinbarung verhandelt mit der Folge, dass es sich bei der Wirtschaftsklausel nur scheinbar um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele, tatsächlich aber die Festpreisvereinbarung und die Wirtschaftsklausel insgesamt den Charakter einer ausgehandelten Individualvereinbarung hätten, widerspricht den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts. Das Berufungsgericht hat als unstreitig festgestellt, dass es sich bei der vorliegenden Wirtschaftsklausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten handelt, auf die sich die Klägerin eingelassen hat. Davon ist auch im Revisionsverfahren auszugehen. Einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung hat die Klägerin nicht gestellt. Sie hat vielmehr in ihrer Revisionserwiderung selbst vorgetragen, dass es sich unstreitig um eine Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten handele.
bb) Die Klägerin hat auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keinen vorinstanzlichen, vom Berufungsgericht etwa übergangenen Sachvortrag aufgezeigt, der eine andere Beurteilung rechtfertigen würde.
In der Berufungsbegründung vom 9. Dezember 2010, auf die der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen hat, wird auf Seite 18 f., 118 f. in Übereinstimmung mit den Feststellungen des Berufungsgerichts vorgetragen, dass es sich bei der Wirtschaftsklausel um eine von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung handele und die Parteien nicht darüber, sondern ausschließlich über die Preismodalitäten bzw. den Preis verhandelt hätten. Aus den Seiten 52 ff. der Berufungsbegründung ergibt sich nichts anderes.
b) Um nicht berücksichtigungsfähigen neuen Sachvortrag handelt es sich auch bei der weiteren Behauptung der Klägerin, es sei branchenüblich, dass die Geltung einer Festpreisvereinbarung in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden durch Wirtschaftsklauseln auf Preisschwankungen innerhalb einer - nach Auffassung der Klägerin hier überschrittenen - "industrierelevanten Toleranzgrenze" beschränkt sei; dies sei von den Parteien auch hier so gewollt gewesen. Auch insoweit fehlt es an entsprechendem Sachvortrag der Klägerin in den Vorinstanzen, aus dem sich ergeben würde, dass die Parteien für die hier vorliegende Fallgestaltung eine Abänderung der Festpreisvereinbarung übereinstimmend gewollt hätten.
Auf Seite 18 der Berufungsbegründung wird lediglich vorgetragen, dass Wirtschaftsklauseln in der Energiewirtschaft üblich seien, dass aber im Einzelnen erhebliche Unterschiede bestünden, weshalb es auf den Wortlaut im konkreten Fall ankomme. Aus dem Schriftsatz vom 7. Juni 2011 (Seite 42 ff.) ergibt sich nichts anderes. Auch die Ausführungen auf Seite 118 ff. der Berufungsbegründung zum Interesse, das die Klägerin an der Vereinbarung einer Wirtschaftsklausel gehabt habe, rechtfertigen keine andere Beurteilung und erfordern entgegen der Auffassung der Klägerin keine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
4. Desgleichen hat der Senat die in der mündlichen Verhandlung erhobene Rüge einer Verletzung der Hinweispflicht (§ 139 ZPO) geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Die Klägerin hätte nicht darauf hingewiesen werden müssen, dass es auf das Verhältnis der Festpreisvereinbarung zur Wirtschaftsklausel ankomme. Dies war ihr bekannt. Sie hat in der Revisionserwiderung selbst vorgetragen, dass durch Auslegung zu ermitteln sei, wie sich Festpreisabrede und Wirtschaftsklausel zueinander verhielten, ob also eine Preisanpassung möglich sei. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 564 ZPO abgesehen.
III.
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, weil keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Klägerin keinen Anspruch auf Vertragsanpassung hat, ist das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
Ball Dr. Frellesen Dr. Hessel
Dr. Achilles Dr. Schneider