Entscheidungsdatum: 19.12.2018
Das Versäumnisurteil des Senats vom 9. November 2016 wird aufgehoben.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 57 des Landgerichts Berlin vom 8. Oktober 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - mit Ausnahme der durch die Säumnis veranlassten Kosten, die die Beklagte zu tragen hat -, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin, ein regionales Energieversorgungsunternehmen, versorgte die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft auf der Grundlage des Sondertarifs "Vario" seit dem 1. Mai 2001 leitungsgebunden mit Erdgas. Die dem Vertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten unter anderem folgende Bestimmungen:
"§ 1 Geltungsbereich
[...]
2. [...]
Die Vorschriften der AVBGasV gelten, soweit diese AGB nichts anderes vorsehen, für Kunden mit Sonderpreiskonditionen bzgl. der Preisangebote "G. -Vario" [...] ergänzend.
§ 2 Vertragsabschluss und Vertragsbeendigung
[...]
2. Kündigungen haben schriftlich zu erfolgen.
3. Alle notwendigen Erklärungen können elektronisch unter Zuhilfenahme einer digitalen Signatur abgegeben werden, sobald und soweit hierzu gesetzliche Regelungen vorliegen.
[...]"
Nachdem die Klägerin Anfang November 2006 eine zum 1. Januar 2007 geänderte Tarifstruktur im Internet und in der Berliner Tagespresse veröffentlicht hatte, teilte sie der Beklagten - für die nach der neuen Tarifstruktur bei einer Mindestabnahmemenge von 96.000 kWh/Jahr ein Preis von 0,0470 €/kWh galt - mit Schreiben vom 11. November 2006, das inhaltsgleich an eine Vielzahl von Sonderkunden versandt wurde, unter anderem folgendes mit:
"Alles wird einfacher - das neue G. -Preissystem
Der Gesetzgeber hat die Rahmenbedingungen für die Erdgasversorgung von Haushaltskunden in Deutschland grundlegend geändert, um für mehr Wettbewerb und bessere Verbraucherrechte zu sorgen. In Folge dieser Gesetzesänderungen müssen wir Ihren Erdgaslieferungsvertrag zu den bisherigen Bedingungen zum 31.12.2006 beenden.
Aber keine Sorge, wir versorgen Sie übergangslos ab 01.01.2007 in gewohnter Zuverlässigkeit auf Basis unseres neuen Preisangebots "G. -Komfort", das alle neuen gesetzlichen Vorgaben berücksichtigt. Sie haben dadurch viele Vorteile: Mit der neu eingeführten "Bestabrechnung" werden Sie immer in der günstigsten G. -Komfort-Preisvariante abgerechnet. Durch die freie Wahl des Zahlungswegs und ohne Mindestvertragslaufzeit bleiben Sie jederzeit flexibel.
Was ändert sich am Preis?
Zum 01.01.2007 hat der Gesetzgeber eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 % auf 19 % beschlossen. Nur aus diesem Grund zahlen Sie für den G. -Komfort im Vergleich zu Ihrem bisherigen Preisangebot etwas mehr. Mit anderen Worten: Ohne die Mehrwertsteuererhöhung wäre Ihr Preis gleich geblieben.
Was müssen Sie jetzt tun?
Nichts - Ihre Vertragsumstellung funktioniert automatisch. Sollten Sie uns eine Einzugsermächtigung erteilt haben, werden wir diese weiterhin nutzen.
Gibt es noch ein anderes Preisangebot?
Ja - der neue "G. -Online" verbindet ein reines Internet-Angebot unseres Online-Services mit einem attraktiven Festpreis. Nach kurzer Registrierung unter www. .de können Sie sich für den G. -Online entscheiden.
[... ].
Mit besten Grüßen
Ihre G.
A. P. |
H. W. |
Das Schreiben trägt vor den gedruckten Namen zwei Unterschriften.
Die Beklagte bezog ab dem 1. Januar 2007 weiterhin Gas von der Klägerin. Mit Schreiben vom 22. November 2007 teilte sie der Klägerin mit, dass sie mit der Umstellung auf das neue G. -Komfort-Angebot ab 1. Januar 2007 keinesfalls einer - im Übrigen von ihr als unbillig beanstandeten - Preiserhöhung zustimme. In der Folgezeit glich die Beklagte die von der Klägerin geforderten Abschlagszahlungen nicht in voller Höhe aus.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Vertragsverhältnis mit der Beklagten aufgrund des als Änderungskündigung zu wertenden Schreibens vom 11. November 2006 zum 1. Januar 2007 in ein Tarifkundenverhältnis überführt worden sei, da die Beklagte auch nach der Beendigung des Sonderkundenvertrags zum 31. Dezember 2006 weiterhin Gas von ihr bezogen habe. Sie berechnete für den Zeitraum vom 21. April 2010 bis zum 27. April 2011 einen Zahlungsrückstand der Beklagten in Höhe von insgesamt 4.548,05 €. Hierbei legte sie für den Zeitraum vom 21. April 2010 bis zum 30. September 2010 einen Arbeitspreis von 0,042 €/kWh und für die Zeiträume vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. Dezember 2010 sowie vom 1. Januar 2011 bis zum 27. April 2011 einen Arbeitspreis von jeweils 0,049 €/kWh zu Grunde.
Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 4.548,05 € nebst Zinsen gerichteten Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die gegen sie gerichtete erstinstanzliche Verurteilung (nur) in Höhe von 4.144,45 € nebst Zinsen aufrechterhalten. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision, mit der die Beklagte ihr auf vollständige Klageabweisung gerichtetes Begehren weiterverfolgt, hat der Senat durch Versäumnisurteil vom 9. November 2016 zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.
Das Versäumnisurteil des Senats ist nach § 555 Abs. 1 Satz 1, § 343 Satz 2 ZPO aufzuheben, da die Revision der Beklagten nach Sachprüfung Erfolg hat.
I.
Das Berufungsgericht hat, soweit es das klagezusprechende Urteil des Amtsgerichts gebilligt hat, zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei in Höhe von 4.144,45 € aus § 433 Abs. 2 BGB begründet. Der ursprünglich zwischen den Parteien bestehende Normsonderkundenvertrag sei durch das Schreiben der Klägerin vom 11. November 2006 wirksam zum 31. Dezember 2006 gekündigt worden. Da es an eine Vielzahl an Kunden gerichtet sei, sei das Schreiben nach seinem erkennbaren Sinn einheitlich auszulegen. Diese aus der Sicht eines objektiven Empfängers vorzunehmende Auslegung ergebe, dass der Wille der Klägerin, den seit dem Jahr 2001 bestehenden (Sonderkunden-)Vertrag zum 31. Dezember 2006 zu beenden, für einen verständigen und redlichen Kunden eindeutig erkennbar sei.
Die mit der Regelung des § 2 Nr. 2 der AGB der Klägerin vereinbarte Schriftform sei im Schreiben vom 11. November 2006 eingehalten worden. Denn das Schreiben trage den jeweiligen individuellen Namenszug der in der Unterschriftszeile genannten Personen, die für den Inhalt des Schreibens Verantwortung übernommen hätten. Selbst wenn es sich hierbei nicht um Originalunterschriften, sondern um Vervielfältigungen gehandelt haben sollte, ändere das nichts; auch in diesem Fall sei die Schriftform eingehalten worden. Denn gemäß § 127 Abs. 1 BGB gelte die Vorschrift des § 126 BGB nur im Zweifel. Vorrangig sei die Auslegung, welche Anforderungen die Parteien an die gewählte Schriftform hätten stellen wollen. Diese Auslegung führe zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Parteien für die Wahrung der Schriftform keine eigenhändigen Unterschriften der Vertreter der Klägerin für erforderlich gehalten hätten. Da es für die Kündigung der Klägerin im Massenverkehr mit ihren Kunden ersichtlich darum gegangen sei, die Kündigung eindeutig und endgültig gegenüber den Kunden zu erklären, die Schriftform mithin Dokumentations- und Beweiszwecken habe dienen sollen, führe die Auslegung der Schriftformklausel dazu, dass bei der massenhaften Versendung von Briefen an die Kunden eine eigenhändige Unterschrift der Mitarbeiter der Klägerin nicht erforderlich sei.
Das schriftliche Angebot der Klägerin auf Neubegründung eines Gaslieferungsvertrags zum 1. Januar 2007 habe die Beklagte durch den kommentarlosen weiteren Gasbezug von der Klägerin ab diesem Zeitpunkt angenommen. Zu diesem Zeitpunkt habe nach den Tarifbedingungen ein Arbeitspreis von 0,047 €/kWh gegolten, der zum vereinbarten Preis geworden sei und an dem sich die Klägerin auch für den streitgegenständlichen Zeitraum festhalten lassen müsse. Denn unabhängig davon, ob das Vertragsverhältnis ab 1. Januar 2007 als Sonderkundenvertrag oder Tarifkundenvertrag einzuordnen sei, stehe der Klägerin kein Preiserhöhungsrecht zu, da § 5 GasGVV wegen Intransparenz ein Preiserhöhungsrecht nicht mehr entnommen werden könne. Eine Billigkeitsüberprüfung dieses Preises finde nicht mehr statt, da es sich um einen vereinbarten Preis handele. Soweit die Klägerin zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums (21. April 2010 bis 27. April 2011) für einige Monate (21. April 2010 bis 30. September 2010) nur einen - gegenüber dem vereinbarten Preis von 0,047 €/kWh - geringeren Arbeitspreis von 0,042 €/kWh verlangt habe, gelte allerdings zugunsten der Beklagten dieser niedrigere Preis. Im sich daran anschließenden Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 27. April 2011 stehe der Klägerin in Ermangelung eines Preisänderungsrechts zwar nicht der verlangte Arbeitspreis von 0,049 €/kWh zu; die Klägerin habe aber in diesem Zeitraum den zu Vertragsbeginn vereinbarten Preis von 0,047€/kWh verlangen dürfen, denn insoweit stelle sich ihre Forderung nicht als Preiserhöhung, sondern als Wiedergeltendmachung des vereinbarten Preises dar.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Zwar hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass der zwischen den Parteien bestehende Sonderkundenvertrag durch die Kündigung der Klägerin vom 11. November 2006 zum 31. Dezember 2006 beendet und zum 1. Januar 2007 ein Grundversorgungsvertrag geschlossen wurde. Von Rechtsirrtum beeinflusst ist hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe, nachdem sie den Arbeitspreis für Gaslieferungen zwischenzeitlich auf 0,042 €/kWh abgesenkt hatte, auch ohne ein ihr zustehendes Preisänderungsrecht danach wieder auf den zu Vertragsbeginn geltenden Arbeitspreis von 0,047 €/kWh zurückkehren dürfen.
1. Die im Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen sind vom Senat in dem dasselbe Rechtsverhältnis der Parteien betreffenden Urteil vom 27. April 2016 (VIII ZR 46/15, NJW 2016, 3713), das den Lieferzeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 20. April 2010 zum Gegenstand hatte, entschieden worden. Diese Rechtsauffassung hat der Senat mit dem einen vergleichbaren Sachverhalt betreffenden Urteil vom 9. November 2016 (VIII ZR 246/15, NJW-RR 2017, 432) bestätigt. Hieran hält der Senat fest.
a) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Schreibens der Klägerin vom 11. November 2006, die der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt, ist entgegen der Auffassung der Revision aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Das Berufungsgericht hat dem Schreiben vom 11. November 2006 rechtsfehlerfrei den für einen verständigen und redlichen Kunden erkennbaren Willen der Klägerin zur Kündigung des Sonderkundenvertrags mit der Beklagten zum 31. Dezember 2006 entnommen (vgl. Senatsurteile vom 27. April 2016 - VIII ZR 46/15, aaO Rn. 17 ff.; vom 9. November 2016 - VIII ZR 246/15, aaO Rn. 15). Soweit die Revision demgegenüber meint, das Berufungsgericht habe den Text des Schreibens, der einen Kündigungswillen fraglich erscheinen lasse, nicht hinsichtlich seines gesamten Inhalts in seine Betrachtung einbezogen, jedenfalls aber rechtlich nicht haltbare Schlussfolgerungen aus dem Schreiben gezogen, trifft dies aus den vom Senat im Urteil vom 27. April 2016 (VIII ZR 46/15, aaO) angeführten Gründen nicht zu.
b) Das Berufungsgericht hat entgegen der Auffassung der Revision auch rechtsfehlerfrei angenommen, dass das Schreiben der Klägerin vom 11. November 2006 die nach § 2 Abs. 2, 3 der von der Klägerin verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen für eine wirksame Kündigung einzuhaltende Schriftform auch wahrt, wenn es sich - wovon revisionsrechtlich zugunsten der Beklagten auszugehen ist - bei den Unterschriften der Verantwortlichen der Klägerin nicht um Originale handelt. Auch insoweit wird auf das Senatsurteil vom 27. April 2016 (VIII ZR 46/15, aaO Rn. 23 ff.) verwiesen, in dem sich der Senat mit den gegen diese Beurteilung gerichteten Argumenten der Revision, die im Streitfall in gleicher Weise vorgebracht werden, im Einzelnen auseinandergesetzt hat.
c) Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass zwischen den Parteien auch nach der am 31. Dezember 2006 erfolgten Beendigung des Sonderkundenvertrags ein Gasversorgungsvertrag bestand, der die Grundlage der vom Berufungsgericht angenommenen Zahlungsverpflichtung der Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum darstellt. Denn wie der Senat im Urteil vom 27. April 2016 ausgeführt hat (VIII ZR 46/15, aaO Rn. 30), hat die Beklagte, indem sie von der Klägerin ab dem 1. Januar 2007 weiter Gas bezog, das für sie als solches erkennbare Angebot der Klägerin, sie zu dem G. -Komfort-Tarif zu versorgen, durch schlüssiges Verhalten angenommen. Damit ist zwischen den Parteien ab dem 1. Januar 2007 ein Tarifkundenverhältnis begründet und der zu Vertragsbeginn geltende Preis von 0,047 €/kWh zum vereinbarten Preis geworden, der einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB nicht unterliegt (vgl. Senatsurteile vom 27. April 2016 - VIII ZR 46/15, aaO; vom 9. November 2016 - VIII ZR 246/15, aaO Rn. 17; jeweils mwN).
2. Hinsichtlich des Lieferzeitraums vom 1. Oktober 2010 bis zum 27. April 2011 ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, soweit es die Höhe des mit der Klage verlangten Lieferentgelts anbetrifft, indes nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Zwar geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass sich die Klägerin bei ihrer zum 1. Oktober 2010 vorgenommenen Preiserhöhung von 0,042 €/kWh auf 0,049 €/kWh nicht auf § 5 Abs. 2 GasGVV in der bis zum 29. Oktober 2014 geltenden Fassung vom 26. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2391; im Folgenden GasGVV aF) stützen konnte. Denn dieser Vorschrift kann, wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ein Preisänderungsrecht des Gasgrundversorgers nicht (mehr) entnommen werden (grundlegend: Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, BGHZ 207, 209 Rn. 33; VIII ZR 13/12, juris Rn. 35; siehe ferner: Senatsurteile vom 9. Dezember 2015 - VIII ZR 208/12, EnWZ 2016, 166 Rn. 14; vom 6. April 2016 - VIII ZR 236/10, NJW-RR 2016, 1190 Rn. 21).
b) Wie der Senat in diesen Urteilen weiter entschieden hat, steht dem Gasversorger in der Grundversorgung von Haushaltskunden bei - wie auch hier - auf unbestimmte Dauer angelegten Lieferungsverträgen ein Preisänderungsrecht (nur) in engen Grenzen zu. Denn aus der gebotenen und an dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Willen der Vertragsparteien auszurichtenden ergänzenden Auslegung (§§ 157, 133 BGB) eines auf unbestimmte Dauer angelegten Energielieferungsvertrags ergibt sich, dass der Grundversorger berechtigt ist, Steigerungen seiner (Bezugs-)Kosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden, während der Vertragslaufzeit an seine Kunden weiterzugeben, und er verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der nach dieser Maßgabe berechtigterweise erhöhte Preis wird zum vereinbarten Preis (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 71, 80, 84, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 73, 82, 86; vom 9. Dezember 2015 - VIII ZR 208/12, aaO Rn. 22 f.; siehe ferner auch: Senatsurteile vom 6. April 2016 - VIII ZR 71/10, NJW 2016, 3589 Rn. 15, und VIII ZR 324/12, juris Rn. 19). Preiserhöhungen, die über die bloße Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen hinausgehen und der Erzielung eines (zusätzlichen) Gewinns dienen, werden von dem Preisänderungsrecht hingegen nicht erfasst (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 85, und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 87).
c) Ausgehend von diesen rechtlichen Grundlagen geht das Berufungsgericht zu Unrecht davon aus, die Klägerin habe ab 1. Oktober 2010 für den Rest des streitgegenständlichen Zeitraums jedenfalls den zu Vertragsbeginn vereinbarten Preis von 0,047 €/kWh verlangen dürfen. Die Revision rügt vielmehr zu Recht, dass es für eine vom Berufungsgericht ohne nähere Begründung angenommene "Wiedergeltendmachung" des zu Vertragsbeginn vereinbarten Preises ab 1. Oktober 2010 an einer Rechtsgrundlage fehlt. Vielmehr kann ein Energieversorger, der den Arbeitspreis in der Grundversorgung unter den zuvor geltenden Preis absenkt, eine Erhöhung dieses (abgesenkten) Preises nur unter Wahrung der oben beschriebenen Voraussetzungen verlangen (vgl. Senatsurteil vom 9. November 2016 - VIII ZR 246/15, aaO Rn. 21).
d) Dies bedeutet für den Streitfall Folgendes:
Zu Beginn des hier streitgegenständlichen Lieferzeitraums vom 21. April 2010 bis zum 27. April 2011 galt für G. -Komfort-Kunden aufgrund einer vorher in der Tagespresse angekündigten und am 1. April 2009 erfolgten Preissenkung ein unter dem zu Vertragsbeginn (1. Januar 2007) vereinbarten Preis (0,047 €/kWh) liegender Arbeitspreis von 0,042 €/kWh, den die Klägerin gegenüber der Beklagten auch bis zum 30. September 2010 abrechnete. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
Anders liegt es jedoch bei dem weiteren Zeitraum ab dem 1. Oktober 2010, für den das Berufungsgericht der Klägerin einen Arbeitspreis von 0,047 €/kWh zugebilligt hat, weil es darin - zu Unrecht - eine Preiserhöhung nicht gesehen hat. Feststellungen dazu, ob eine Erhöhung von 0,042 €/kWh auf 0,047 €/kWh nach den oben dargestellten - nach Erlass des Berufungsurteils entwickelten - Grundsätzen des Senats berechtigt war, hat das Berufungsgericht dementsprechend nicht getroffen. Dies wird - gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - nachzuholen sein.
3. Soweit die Revision - ohne nähere Begründung - meint, dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) sei das Verfahren gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Vorabentscheidung über die Frage vorzulegen,
"ob Zusatzgewinne des Versorgers aufgrund des sogenannten Preissockels mit dem Recht des Kunden auf Energie zu einem günstigen beziehungsweise angemessenen Preis kollidieren (§ 1 EnWG; Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2003/55 i.V.m. dem Anhang A lit. g; Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/73 i.V.m. dem Anhang A lit. g) und ob die Parteien gesetzwidrige Preisregelungen vereinbaren können, die zur Bereicherung des Versorgers führen und aus seiner Sicht dieser Bereicherung dienen,
hilfsweise
das Verfahren in analoger Anwendung von § 148 ZPO auszusetzen, bis die EU-Kommission in dem Verfahren CHAP 201401145 die Frage beantwortet hat, ob Zusatzgewinne des Versorgers aufgrund des sogenannten Preissockels mit dem Recht des Kunden auf Energie zu einem günstigen beziehungsweise angemessenen Preis kollidieren (§ 1 EnWG; Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2003/55 i.V.m. dem Anhang A lit. g; Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/73 i.V.m. dem Anhang A lit. g)",
vermag die Revision bezüglich der von ihr angestrebten Überprüfung des sogenannten Preissockels weder in ihren schriftsätzlichen Ausführungen noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einen Anknüpfungspunkt in Bestimmungen der von ihr genannten Richtlinien zu benennen oder gar eine konkrete vom Gerichtshof zu beantwortende Frage zur Auslegung bestimmter Vorschriften dieser Richtlinien zu formulieren. Ein solcher Anknüpfungspunkt ist auch nicht ersichtlich. Im Übrigen hat das Berufungsgericht Feststellungen zu "Zusatzgewinnen aufgrund des sogenannten Preissockels" nicht getroffen; übergangenen Sachvortrag hierzu zeigt die Revision nicht auf.
Auch besteht kein Anlass, das Verfahren in analoger Anwendung des § 148 ZPO auszusetzen, bis der Gerichtshof "die ihm durch den Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Lingen vom 21. Juni 2018 (4 C 1/18) gestellten Fragen" beantwortet hat. Soweit das Amtsgericht Lingen in der Ziffer 1 des Tenors seines Vorlagebeschlusses die Rechtsprechung des Senats zur ergänzenden Vertragsauslegung eines Tarifkundenvertrags (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 66 ff.; VIII ZR 13/12, aaO Rn. 68 ff.) zum Gegenstand einer Vorlagefrage macht, wird auf die Ausführungen im Senatsurteil vom 6. April 2016 (VIII ZR 71/10, aaO Rn. 37 ff.) verwiesen. Soweit der Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Lingen die Frage der direkten Anwendung der von der Revision herangezogenen Richtlinien zum Gegenstand hat, fehlt es jedenfalls an Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, dass die Klägerin ein "kommunales Unternehmen" wäre, auf das die Richtlinien direkt anwendbar sein könnte (vgl. hierzu Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 63 f., und VIII ZR 13/12, aaO Rn. 65 f.; vom 9. Dezember 2015 - VIII ZR 208/12, aaO Rn. 21, und VIII ZR 236/12, EnWZ 2016, 224 Rn. 21). Übergangenen Sachvortrag zeigt die Revision auch hier nicht auf.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da eine abschließende Endscheidung nicht in Betracht kommt, ist die Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Dr. Milger |
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Dr. Hessel |
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Dr. Schneider |
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Dr. Schmidt |
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