Entscheidungsdatum: 26.10.2011
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Dezember 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 5. August 2009 mit der Maßgabe zurückgewiesen worden ist, dass die Beklagte zur Zahlung von Zinsen an die Klägerin in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 88.714,70 € für die Zeit vom 5. November 2004 bis zum 30. Januar 2008 und aus 61.200,50 € für die Zeit vom 22. Dezember 2004 bis zum 30. Januar 2008 verpflichtet ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Parteien schlossen im Oktober 2003 einen Vertriebsvertrag, durch den der Beklagten das alleinige Recht zum Vertrieb der von der Klägerin hergestellten und von ihr zu beziehenden Werkzeuge und Gartengeräte in Polen eingeräumt wurde. In Erfüllung einer darin unter anderem geregelten Verpflichtung stellte die Beklagte eine Bankgarantie im Wert von 500.000 € für künftige und schon erfolgte, aber noch offene Warensendungen.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage Kaufpreis-, Frachtkostenerstattungs- und Schadensersatzansprüche in Höhe von 233.537,42 € nebst Verzugszinsen aus Lieferungen in den Jahren 2002 bis 2004 geltend gemacht, darunter Kaufpreisforderungen aus einer Rechnung vom 22. Dezember 2003 in Höhe von 88.714,70 € und aus zwei Rechnungen vom 18. Juni 2004 in einer Gesamthöhe von 63.117,70 €. Zugleich nahm sie aus den drei genannten Rechnungen die in Polen ansässige Garantiebank vor den zuständigen polnischen Gerichten auf Zahlung der Rechnungsbeträge nebst Zinsen in Anspruch. Diese wurde zur Zahlung der - hinsichtlich der beiden Rechnungen vom 18. Juni 2004 allerdings um 1.917,20 € auf 61.200,50 € gekürzten - Rechnungsbeträge nebst den gesetzlichen Zinsen aus 88.714,70 € vom 5. November 2004 bis zum Zahlungstag und aus 61.200,50 € vom 22. Dezember 2004 bis zum Zahlungstag verurteilt und zahlte am 30. Januar 2008 einschließlich Zinsen und Kosten insgesamt 219.610,39 € an die Klägerin.
Auf eine daraufhin erfolgte (Teil-)Erledigungserklärung der Klägerin hat das Landgericht hinsichtlich der eingeklagten Forderungen aus den Rechnungen vom 18. Juni 2004 und aus der Rechnung vom 22. Dezember 2003 in Höhe der vorgenannten Rechnungsbeträge von insgesamt 151.832,14 € die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festgestellt. Außerdem hat es - unter Abweisung der Klage im Übrigen - die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 88.714,70 € für die Zeit vom 6. Oktober 2004 bis zum 31. Januar 2008 sowie in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 63.117 € für die Zeit vom 16. Dezember 2004 bis zum 31. Januar 2008 zu zahlen. Die hiergegen gerichteten Berufungen beider Parteien hat das Oberlandesgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Rechnungen vom 18. Juni 2004 nur unter Berücksichtigung eines zusätzlichen Kürzungsbetrages von 1.917,20 € erledigt ist und dass die Beklagte zur Zahlung von Zinsen an die Klägerin nur in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 88.714,70 € vom 21. Juni 2004 bis zum 30. Januar 2008 und aus 61.200,50 € vom 16. Dezember 2004 bis zum 30. Januar 2008 verpflichtet ist. Mit ihrer vom Senat hinsichtlich der Zinsforderung zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte insoweit ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Die Revision hat ganz überwiegend Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, ausgeführt:
Durch die Zahlung, die die aus der Garantie in Anspruch genommene polnische Bank am 30. Januar 2008 auf die drei genannten Rechnungen geleistet habe, seien die von der Teilerledigungserklärung der Klägerin nicht erfassten Zinsansprüche, deren Zinsbeginn jeweils mit Ablauf der im Vertriebsvertrag vorgesehenen Zahlungsfrist von 180 Tagen anzusetzen sei, nicht erfüllt worden, sondern bestünden fort. Zwar habe die Bank mit ihrer Zahlung nicht nur die Hauptforderungen beglichen, sondern auch die gegen sie ausgeurteilten gesetzlichen Zinsen und Kosten. Schon die Höhe dieser Zinsen richte sich aber nach polnischem Recht und stimme daher mit den der Klägerin gegen die Beklagte zustehenden Verzugszinsen nach den §§ 280, 286, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht notwendig überein. Zudem handele es sich bei den der Klägerin gegen die Bank zustehenden Zinsansprüchen um eine von den Zinsansprüchen gegen die Beklagte zu unterscheidende Forderung. Denn Zinsansprüche gegen die Bank könnten sich nach dem Gesamtzusammenhang nur daraus ergeben, dass die Bank ihrerseits mit der Erfüllung der von ihr übernommenen Garantieforderung in Verzug geraten sei. Die Bank habe daher durch die von ihr geleistete Zahlung nur ihre eigenen Zinsverbindlichkeiten gegenüber der Klägerin erfüllt, ohne dass die in der Zeit bis zur Zahlung der Bank bereits aufgelaufenen Zinsverbindlichkeiten der Beklagten davon berührt worden seien.
Dem Zinsanspruch der Klägerin könne die Beklagte auch nicht mit Erfolg den Gedanken einer schadensrechtlichen Vorteilsausgleichung entgegenhalten. Dagegen bestünden schon deshalb Bedenken, weil es sich bei den Ansprüchen der Klägerin gegen die Bank und denjenigen gegen die Beklagte rechtlich um unterschiedliche Forderungen handle, so dass die Klägerin nicht zweimal auf denselben Anspruch Verzugszinsen begehre. Außerdem sei eine Vorteilsausgleichung hier jedenfalls deswegen nicht möglich, weil nach dem ausdrücklichen Willen des deutschen Gesetzgebers einem Gläubiger die Verzugszinsen gemäß §§ 280, 286, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zwingend als gesetzlicher Mindestschaden zustünden, ohne dass es darauf ankomme, ob ihm ein Zinsschaden in dieser Höhe überhaupt entstanden sei. Der Nachweis eines geringeren Schadens, der sich etwa durch das Zufließen anderweitiger Vorteile im Rahmen einer Vorteilsausgleichung ergeben könne, sei in § 288 BGB vielmehr bewusst ausgeschlossen worden.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung weitgehend nicht stand.
Die Zahlung der aus der Garantie verpflichteten Bank steht nicht nur einer nochmaligen Inanspruchnahme der Beklagten aus den von der Garantie erfassten Kaufpreisforderungen, sondern - anders als das Berufungsgericht meint - auch einer Inanspruchnahme auf nochmalige Zahlung von Verzugszinsen entgegen, soweit die Zinszahlung der Bank sich nach Zeit und Höhe mit den Zinsforderungen deckt, die die Klägerin gegen die Beklagte wegen einer verspäteten Zahlung der Kaufpreise geltend macht. Lediglich insoweit, als das Berufungsgericht der Klägerin Verzugszinsen für Zeiträume zuerkannt hat, die vor dem Zeitpunkt liegen, ab dem die Bank den der Klägerin aus der Garantie geschuldeten Betrag verzinst hat, haben diese Zahlungen den gegen die Beklagte bestehenden Anspruch der Klägerin auf Verzugszinsen nicht berührt.
Das Berufungsgericht, das die von den Parteien vereinbarte Rechtswahl unangegriffen als Wahl des unvereinheitlichten deutschen Rechts ausgelegt hat, geht zu Unrecht davon aus, dass die Zahlung der Bank auf die gegen sie ausgeurteilten Zinsen keinen Einfluss auf die Durchsetzbarkeit des gegen die Beklagte gerichteten Anspruchs auf Zahlung der geltend gemachten Verzugszinsen hat. Dass es sich bei den jeweiligen Zinsforderungen rechtlich um unterschiedliche Ansprüche handelt, steht dem nicht entgegen. Denn das Berufungsgericht hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Zahlung der Garantiebank an den Garantienehmer - hier die Klägerin - auch für das kaufrechtlich geprägte Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten insofern von Bedeutung ist, als durch die Zahlung des Garantiebetrages jedenfalls wirtschaftlich zugleich das Interesse der Klägerin am Erhalt der durch die Garantie gesicherten Kaufpreisansprüche mit abgedeckt worden ist (vgl. Kupisch, WM 1999, 2381, 2389).
Zwar ist das Berufungsgericht selbst davon ausgegangen, dass sich durch die Zahlung der aus der Garantie in Anspruch genommenen Bank die Hauptforderung der Klägerin aus den genannten drei Rechnungen erledigt hat. Denn es liegt auf der Hand, dass die Klägerin diese Beträge nicht doppelt beanspruchen kann (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1960 - II ZR 137/59, WM 1961, 204 unter III). Mit den auf den Garantiebetrag gezahlten Zinsen verhält es sich nicht anders. Auch für das Interesse der Klägerin, wegen der verzögerten Zahlung des Kaufpreises entschädigt zu werden, ist es nicht ohne Bedeutung, dass sie aus der Inanspruchnahme der Garantie für einen dort zeitgleich eingetretenen Verzögerungsschaden des ihr im wirtschaftlichen Ergebnis nur einmal zustehenden Betrages bereits einen Ausgleich erlangt hat. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, dass das Interesse der Klägerin, für eine vertragswidrige Vorenthaltung der ihr zustehenden Kaufpreiszahlungen entschädigt zu werden, jedenfalls im wirtschaftlichen Ergebnis durch die Zahlung der Garantiebank ausgeglichen worden ist, soweit diese neben der Garantiesumme einen auf denselben Verzugszeitraum bezogenen und in seiner Höhe einen Verzugsschadensersatz der Klägerin aus den Kaufverträgen abdeckenden Ausgleich für die verspätete Zahlung der Garantiesumme geleistet hat.
Dem steht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch der Umstand nicht entgegen, dass der in § 288 BGB geregelte Verzugszins den Ausgleich eines keinem Gegenbeweis mehr zugänglichen Mindestschadens bezweckt (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 1979 - VII ZR 188/78, BGHZ 74, 231, 234 f.; BFH, NJW 1982, 792; BAG, NJW 2001, 3570, 3573 f.). Denn diese Frage stellt sich hier nicht. Es geht vielmehr nur darum, dass die Klägerin den nach dieser Vorschrift bemessenen Verzögerungsschaden für den gleichen Zeitraum nicht zweimal zum Ausgleich ein und desselben Vorenthaltungsinteresses beanspruchen kann.
Anders als die Revisionserwiderung meint, führt auch der Umstand, dass die Beklagte aus Sicht der Klägerin unter Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten die Garantiebank veranlasst hat, nicht zu zahlen, und die Klägerin sich deshalb gezwungen gesehen hat, die Bank an deren ausländischem Sitz unter Inkaufnahme eines erheblichen Mehraufwandes zu verklagen, nicht dazu, dass die Klägerin die doppelte Zinszahlung jedenfalls als Ausgleich für den dadurch entstandenen Mehraufwand beanspruchen könnte. Dahin gehenden Vortrag in den Tatsacheninstanzen zur Beanspruchung eines ersatzfähigen und bislang nicht ausgeglichenen Mehraufwandes zeigt die Revisionserwiderung nicht auf. Ebenso wenig verdient der in ihren Überlegungen anklingende Gedanke eines Strafschadensersatzes Berücksichtigung (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 1992 IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312, 343 f.).
III.
Hiernach ist die Revision lediglich insoweit zurückzuweisen, als die Zahlungszeiträume betroffen sind, die hinsichtlich des Forderungsbetrages von 88.714,70 € vor dem 5. November 2004 und hinsichtlich des Forderungsbetrages von 61.200,50 € vor dem 22. Dezember 2004 liegen und damit von den Zinszahlungen der garantiegebenden Bank nicht erfasst werden. Hinsichtlich der übrigen Zinsforderungen ist der Rechtsstreit dagegen noch nicht entscheidungsreif. Insoweit ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Denn das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zur Höhe der auf der Grundlage polnischen Rechts gegen die garantiegebende Bank erkannten gesetzlichen Zinsen und der von dieser an die Klägerin erbrachten Zinszahlungen getroffen.
Ball Dr. Frellesen Dr. Milger
Dr. Achilles Dr. Schneider